Elegant die Torpfosten verschoben ...
Och, ich bitte dich! Erstens klang dieser Aspekt des Problems in meinem Post bereits an.
Und zweitens halte ich genau diesen Spruch für eine Unsitte der aktuellen Internetdiskussionskultur. Einfach weil er unterschwellig vorwirft, dem Gegenüber ginge es darum, mit Tricks die Diskussion "gewinnen" zu wollen. Dabei ist es völlig normal, dass in Diskussionen, die nicht im Stil einer Debatte moderiert und vorbereitet werden, in andere Fragestellungen und Teilaspekte des Problems ausgegriffen wird. Diskussionen sind keine Fußballspiele. Da gibt es keine Tore.
Allen drei Filmen ist gemein, dass die Affengesellschaft bestenfalls in ersten Ansätzen erkennbar ist, was das Setting der neuen Filmreihe für mich in Sachen Rollenspiel deutlich weniger interessant macht als das klassische Setting, in dem die Affen eine Religion und ein Kastensystem haben, die sich in einer Settingbeschreibung ausarbeiten lassen.
Es gibt aber vier Filme. Und es gibt Videospiele in dem Setting. Und Romane auch. Also sind ähnliche Voraussetzungen gegeben wie in den 1970ern.
Und wenn die Affengesellschaft in den neuen Filmen so rudimentär ist, in den alten aber so alteingesessen, hätte ich
gerade ein Setting sehen wollen, dass die Brücke schlägt und alt und neu zumindest miteinander verbindet. DAS wäre mal ein wirklich spannendes Projekt gewesen. So ist es halt ein ausgeworfener Köder für Menschen, die die alten "Planet der Affen"-Filme heute noch für relevanter halten, als sie sind.
Da kommt mir z.B. Fria Ligan inzwischen schon viel zynischer rüber, bei denen die ganz großen, marktgängigen Nostalgietitel Blade Runner und Alien neben zeitgenössischem Medienmüll wie Walking Dead stehen.
Also, wer ist hier jetzt bitte "kulturpessimistisch"?
"The Walking Dead" mag eklatante Schwächen haben – ich habe die Serie selbst irgendwann abgebrochen. Aber die "Planet der Affen"-Filme stehen jetzt auch nicht unbedingt im Ruf, höchste Medienkunst zu sein. Zumindest die Sequel-Filme nicht. Und in seiner Hochzeit war "The Walking Dead" von enormer kultureller Relevanz. Die Reihe hat nicht nur einen Nerv getroffen und war für ihre Zeit über weite Strecken, auch wenn wir das heute anders bewerten mögen, wirklich gutes Fernsehen. Sie hat auch die Wahrnehmung eines ganzes filmischen Genres und Horrorsujets entscheidend geprägt. Abgesehen davon bietet, wie bei deinem PotA-Beispiel, "The Walking Dead" ebenfalls ein breites, weites, angereichertes Setting, dass von Miniwebserien bis zu Romanen alles mögliche hervorgebracht hat. Unter anderem, und das will ich gesondert erwähnen, das "The Walking Dead"-Videospiel von Telltale Games, das ein ganzes Videospielgenre mitbegründet hat und die Diskussion über Erzählungen in Videospielen – ja, sogar Videospiele als Kunst – neu befeuert hat. Spiele von
Dontnod oder
Quantic Dream bezeichnet man vielfach auch heute noch als
telltale-likes. Und das, obwohl
Quantic Dream mit "Heavy Rain" das erste Spiel dieser spezifischen Machart produziert hatte.
Naja, und das kulturpessimistische Schwadronieren über die "Rollenspieler von Heute" lasse ich mal so stehen. Ja, ich kaufe auch mehr als ich spiele. Längst nicht jeden Mist, aber wenn ein Franchise mir gefällt, und es von einem Autor, den ich für gut halten für ein System adaptiert wird, das ich mag, und ich es dann kaufe ... bin ich dann deshalb ein Konsumzombie?
Hab ich das gesagt?
Ich finde aber schon, dass wir uns die Frage, wie viele Rollenspiele man wirklich kaufen muss (oder besser: Warum man Rollenspiele überhaupt kauft) stellen sollten. Ich bemerke halt schon eine Bewegung vom hobbyesken Rollenspielschaffen zum Rollenspielkaufen. Zumindest hier im Forum. Für mich gilt inzwischen: Wenn ich ein Spiel doch nicht spiele, dann verkaufe ich es wieder. Andere mögen das anders handhaben, aber ich habe weder genügend Geld, noch genügend Platz dafür, mir alles ins Regal zu stellen, das ich auch nur halbinteressant finde.
Und ich will auch gar nicht ins "Rollenspieler von Heute"- oder "Rollenspiele von Damals"-Horn stoßen. Es hat immer schon Franchise-Rollenspiele gegeben (wenn ich auch das Gefühl habe, heute wird aus jedem neuen Franchise-Rollenspiel gleich ein Riesenevent gemacht... also tatsächlich
gespielt gesehen habe ich das Monty-Python-Rollenspiel ja bislang nicht...aber Mann, was wurde im Vorfeld darüber gesprochen!). Ich bin halt ein Spieler, der lieber Rollenspiele hat, die sich auffällig schminken, um wie ein Setting auszusehen, dass sie dann doch nicht sind. Ich selbst besitze zwei Franchise-Spiele, die aus anderen Medien herrühren: "Der Eine Ring" und "Avatar: Legends". "Avatar: Legends" ist schon auf dem Weg raus, obwohl das tolle Bücher sind. Und "Der Eine Ring" setzt ganz andere Ansprüche an meine Vorbereitung, als es ein typisches Rollenspiel tut – es ist fast, als würde man historisches Rollenspiel betreiben, wenn man versucht, die Lücken in Tolkiens Welt auszuloten, in denen gute Eigengeschichten möglich sind. Das ist seine eigene Spaßquelle.
Aber sonst? Da soll mir ein Rollenspiel signalisieren "Hey, also eigentlich bin ich Harry Potter, aber..." oder "Also eigentlich bin ich Buffy, aber..." usw. Und das "aber" ist dann die sprichwörtliche "abgefeilte Seriennummer". Im Grunde genau das, was z.B. "Outgunned" gerade mit seinen "Action Flicks" macht. Und das gab es neben den "echten" Franchise-Titeln auch seit es Rollenspiele gibt. Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass Rollenspieler genau wissen, dass sie ihr Lieblingssetting ohne großartige Mühen damit bespielen können, sie sich aber
nicht an die offiziellen Setzungen gebunden fühlen müssen (außerdem sind solche Spiele meist billiger, weil die Lizenzgebühren wegfallen). Außerdem denken solche Spiele das Franchise häufig viel stärker aus der Game-Design-Perspektive... sie erzeugen ein Spiel das funktioniert, wie die Vorlage "klickt". Das spielmechanisch die Situationen erzeugt, die die Vorlage ausmachen.
Ich selbst konzeptioniere grade ein solches Rollenspiel, das das "Genre" des "Restaurant-Films" abbilden soll (wie z.B. in "Im Rausch der Sterne", "Ratatouille", "Kiss the Cook" oder, Hauptinspiration, "The Bear"). Und das ist da wirklich die Hauptüberlegung: Welche Mechaniken brauche ich, um die Tension, die Teamarbeit, die Taktung und das Drama in der Gastronomie abzubilden? Ein Franchisespiel, dass sich lieber ein generisches System aufschustert, kann nicht erwarten, dass die eigenen Mechaniken die Geschichten produzieren, die in der Vorlage eine Rolle spielen. Es hat einen Grund, warum "GURPS Scheibenwelt" geradezu Meme-Charakter hat.
Denn seien wir ehrlich: Diejenigen, die sich ein 70s-"Planet der Affen"-Rollenspiel kaufen, die haben doch meist eine so umfangreiche Settingkenntnis, gespeist aus einer Settingbegeisterung, dass sie auch kein Rollenspielbuch kaufen bräuchten, um das umzusetzen. Wenn sie es denn wirklich spielen wollen würden.
Vielleicht bin ich da tatsächlich altmodisch, aber ich kaufe mir Rollenspiele immer noch deshalb, um die Inhalte in ihnen wirklich im Spiel zu benutzen.