Autor Thema: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)  (Gelesen 2124 mal)

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Online Namo

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Kurz vorm Urlaub wird mein Kopf scheinbar wieder offener für Themen abseits er Arbeit. So habe ich die letzten Tage, das gamemasters handbook of proactive roleplaying gelesen. Das wird gerade im englischsprachigen Raum von einigen abgefeiert, so dass ich es mir dann auch mal gekauft habe. Und im Grundsatz wirklich spannend finde.

Im Kern ist der Ansatz eigentlich der, dass sich alles um die Charaktere und ihre Ziele dreht. Die Spieler definieren hierbei (kurz-, mittel- und langfristige) Ziele ihrer Charaktere und darum dreht sich dann eigentlich die ganze Runde. Der SL wiederum hat die Aufgabe Hindernisse zu den Zielen zu bauen bzw. letzten Endes die Abenteuer hierzu zu gestalten. D.h. ein wenig liegt die Arbeit insofern bei den Spielern, als dass sie quasi vorgeben, was sie als nächstes spielen/angehen möchten und der SL kann sich dann daran machen und das Szenario ausarbeiten oder eben improvisieren. Natürlich soll es auch hier Antagonisten etc. geben. Für diese wiederum hat der SL Ziele definiert, die sich dann eben irgendwann mit denen der Charaktere kreuzen und kollidieren können. Gleiches gilt natürlich auch im positiven Sinne, dass also Gruppen und NSC ähnliche Ziele wie die Charaktere haben und insofern Verbündete werden können.

Das soll bedeuten, dass die Spieler also nicht mehr auf die Abenteuer und Welt des SL reagieren sondern hier immer die handelnden Personen sind. Es ist umgekehrt die Welt die plötzlich "nur" noch reagiert. Das wiederum würde die Spieler viel mehr mitnehmen. Also nicht: "Hier Frodo, da hast du den Ring, zerstöre ihn, aber Vorsicht, da sind böse Wesen die hinter dir her sind" sondern "Ich bin Frodo und habe eine bösen Ring den ich zerstören möchte. Bad Guy: Fuck, der hat meine Ring und will ihn zerstören. Was kann ich tun um das zu verhindern? Erstmal Nazgul schicken!".

Sehr griffiger Vergleich im Buch war die Erkenntnis im Rahmen einer "bösen" Runde die letzten Endes immer eher in "was richten wir heute an" = proaktives Spiel ging und daraus die Frage entstanden ist, was wäre wenn man das mal genauso mit einer normalen/guten Runde versucht. Die kann doch genauso für Anarchie im Reich sorgen.

Dazu wurden nun für alle möglichen Begebenheiten (Encounter, Dungeons etc.) im weiteren Verlauf des Buches versucht (manchmal fand ich das etwas sehr gewollt, muss aber das Buch ohnehin nochmal lesen) sich alles eher um die Ziele der Charaktere drehen zu lassen (und deren Gegenspieler).

Tatsächlich hat mich das Buch schon wieder weiter zum Denken angeregt und mir schon auch wieder Input gegeben, da ich momentan ohnehin viel in der Theorie arbeite. So habe ich bei meiner aktuellen Runde eigentlich auch einen Teil des Fokus auf die Charakterhintergründe legen wollen und diese schon angespielt. Das kam tatsächlich aber offensichtlich so gut an, dass die nächsten Abenden eher vom bespielen der Charakterhintergründe begleitet sein werden bzw. ich momentan am umarrangieren bin und die eigentlich Kampagnenstory noch viel tiefer mit denen der Charaktere verweben möchte. Denn tatsächlich war spürbar wie sehr die Spieler emotional auf die Ausarbeitung ihrer Hintergründe angesprungen sind.

Aber bei allem was ich da gelesen habe, kommt mir dann doch immer wieder der Begriff sandbox in den Sinn. Also stellt sich mir die Frage, ob proaktives Rollenspiel nicht ein viel vornehmerer Name für Sandbox ist? Ein anderer, gängigerer Begriff wäre ja auch charakter driven Rollenspiel.

Über die ganzen Ansätze und Begrifflichkeiten bin ich Silberrücken zunehmende irritiert, aber es macht tatsächlich auch Spaß darüber nachzudenken oder zu diskutieren.

Also wie seht ihr das? Habt ihr euch mit proaktivem RPG schon bewusst auseinander gesetzt oder wurde hier letzten Endes nur etwas ein Name gegeben, dass ihr so ohnehin immer schon gespielt habt? Oder sitzt ihr am anderen Spektrum und Spieler oder SL finden das grundsätzlich nicht gut und möchten lieber story driven/reaktives Spiel? Denn auch das war interessant. Ich habe heute morgen eine Folge vom Podcast "Over the Hills" gehört, bei dem die Aussage kam "ich mag kein Charakterabenteuer. Ich mag lieber vom SL eine Story haben in der ich mich kreativ austoben kann, aber ich mag mit dem Charakter nicht im Mittelpunkt stehen und andere Spieler nur zu Komplementärcharakteren verdammen". Auch spannend. Hier mag es ja durchaus eine Mischung geben, wie ich sie gerade in meiner 3er Spielergruppe auch wahrnehme. Einer der Drei wirkt mir eher als einer der gerne die Story der anderen beiden unterstützt und dabei ist (nach dem Motto: Abenteuer ist Abenteuer) während insbesondere einer der anderen beiden extrem in seiner Story aufgeht und passender Weise auch den intensivsten Hintergrund zu seinem Charakter und seinem Ziel geliefert hat.



« Letzte Änderung: 6.08.2024 | 09:26 von Namo »
spielt: mit den Gedanken

Offline Haukrinn

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Ich finde das, was zu beschreibst (was ich eher dramaturgisches oder charakterzentriertes Rollenspiel nennen würde) ist eher das genaue Gegenteil einer Sandbox. Bei einer Sandbox kann die Gruppe sich zwar frei bewegen, aber die Welt ist ja trotzdem da (ob nun vordefiniert von der SL oder zufallsgeneriert, völlig egal) und reagiert nicht auf die Beziehungs- und Charakterebene innerhalb der Gruppe.

Da ich mit meiner nWoD-Runde jahrelang schon ziemlich charakterzentriert spiele, sehe ich da gänzlich andere Schwerpunkte:
- Beziehungen innerhalb der Gruppe und zu NSC außerhalb der Gruppe sind ein definierendes Element. Sie machen das Geschehen immer zu etwas persönlichem.
- Aus diesen Beziehungen ergeben sich Dilemmas und aus diesen wiederum ergibt sich die Dramaturgie. Es gibt eine Eskalationsspirale, die direkt aus den Entscheidungen der Spieler:innen folgt. Insofern also schon wie du es sagst, eine Reaktion der Welt, aber mit einem klaren Fokus - nämlich das Entscheidungen der Spielerschaft zentrale Bedeutung für den Verlauf der Story und damit auch für das Spiel haben (Meaningful choices, die Diskussion hatten wir ja vor einigen Monaten hier im Forum).
- Örtlichkeiten (im Gegensatz zur Sandbox) sind Anker- und Erinnerungspunkte. Sie werden als Trägermaterial für Story gebraucht, haben davon ab aber keine Bedeutung. An Orten hängen Beziehungen und Geschichten, das ist das, was sie auszeichnet.
- Das über den Spielverlauf entstehende Beziehungsnetz generiert fortwährend neue Konflikte und Ansatzpunkte, die mit den "Red Buttons" der Charaktere zusammen gebracht werden kann. Auch das ist Spielgenerierend.
- Zufall kann dabei eine Rolle spielen oder auch nicht. Ich sehe den eher als "letzten Ausweg", weil sich quasi-logische Schlüsse aus dem bisherigen Geschehen und dem Beziehungsnetz auch direkt ergeben. Story generiert Story. Spiel generiert Story (Play to find out what happens).
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Offline Eleazar

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Ich verstehe nicht, warum solche, ich sage mal Trends, oft mit so einer Absolutheit gefeiert werden. Mal war es die Sandbox, dann das proaktive Spiel, dann kommt...

Gut, wenn du eine Rollenspieltheorie schreibst, dann muss da auch die eine supercoole These drinstehen, die den Trend begründet.

Aber ergibt das langfristig das "bessere" Rollenspiel? Ich sehe da zuerst einmal den Novitätseffekt. Und der nutzt sich bekanntlich schnell ab. Ich habe in verschiedenen Kampagnen und Gruppen schon schwerpunktartig verschiedene Spielweisen ausprobiert. Dabei sind mir zwei Sachen aufgefallen:

1.) Es hängt sehr von der Gruppe und der Spielleiterin ab, welcher Spielstil überhaupt eine Chance hat. Du kannst nichts gegen die Natur der Leute machen.
2.) Jeder Trend läuft sich irgendwann tot: Spieler und Figuren schmoren im eigenen Saft ihrer Intentionen oder der SL ist zu dominant oder die Sandbox wiederholt sich...

Wenn wir zu lange in die eine Richtung unterwegs waren, war es ein Segen, mal wieder einen ganz anderen Schwerpunkt zu setzen. Und man sollte wissen, welche Stärken und Schwächen welche Spielweise hat.

Offline nobody@home

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Grundsätzlich, denke ich, gab's das proaktive Spiel als Möglichkeit schon immer -- die Spieler und ihre Charaktere sowie deren Ziele und Probleme in den Mittelpunkt zu stellen, ist zwar das recht genaue Gegenteil von "hier ist das Kaufabenteuer, da müßt ihr jetzt durch", aber insbesondere fürs Kampagnenspiel bietet es sich eigentlich regelrecht an. "Ihr seid die Helden (oder wenigstens die Protagonisten) -- was habt ihr denn so als nächstes vor?"

Auf der anderen Seite gibt's natürlich den klassischen Topos "Die Bösen sind proaktiv und machen Ärger, die Guten reagieren nur", und es ist auch nicht unbedingt jeder Spieler gleich proaktiv; jemanden, der aus welchem Grund auch immer einigermaßen regelmäßig nur mal ein paar Stunden Würfel rollen und sich bespaßen lassen möchte, kann man mit diesem Ansatz vermutlich jagen. Da sollte man also schon im Vorfeld mit der Gruppe abklären, wieviel Eigeninitiative die Spieler eigentlich selbst zu mustern bereit sind -- vor allem für traditionell "die SL macht das schon, wir setzen uns bloß noch hin und spielen los"-trainierte Spielergruppen mag Proaktivität ein regelrechter Paradigmenwechsel sein, mit dem sie sich erst mal theoretisch und dann auch in der Praxis überhaupt erst anfreunden müssen.

Und nein, ich denke, mit dem Sandboxformat an sich hat das nicht viel zu tun. Ich kann den Spielern zwar sagen "Hey, Leute, hier sind zehntausend Quadratkilometer vorbereitete Landschaft, tobt euch frei aus!", aber wenn sie ihre (Spieler- oder Charakter-)Ziele für diese und in dieser Landschaft nicht von sich aus mitbringen, bleibt auch das potentiell erst mal nur Spielen im "passiven" Modus und eventuell hilfloses Herumtapsen auf der Suche nach "dem eigentlichen Abenteuer".

Offline Irian

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Persönlich habe ich kein Problem damit, im Gegenteil, wenn die Spieler sowas definieren, bin ich sehr happy, aber zu viele Spieler sind einfach auf der "Hier ist mein Charakter, was passiert nu?" Schiene.

Dementsprechend ist das plus Sandbox eh mein bevorzugter Spielstil. Die Spielercharaktere verfolgen ihre eigenen Ziele in ner freien Welt, manchmal kommen Ereignisse der Welt dazwischen, manchmal nicht, es ergeben sich Konflikte untereinander oder mit NSCs/der Welt, etc.

Ich halte das "Eingehen auf die Ziele der Spielercharaktere" jetzt nicht gerade für revolutionär, um ehrlich zu sein. Ich fände den Ansatz, dass die "nur" reagiert auch irgendwie flach - das stört doch meistens bei Computerspielen, dass die Welt scheinbar nur für den Spieler existiert - aber so als Mischung ist das imho ein durchaus sinnvolles Ding. Aber, wie gesagt, meistens fehlt es den Spielern an Antrieb für sowas.
Hinweis: Nein, ich will dir nicht verbieten, X, Y oder Z in deinem Rollenspiel zu tun. Nein, ich habe dich keinen Rassisten genannt. Ja, du darfst X, Y oder Z auch weiterhin tun (außer es ist illegal, dann ist es aber auch nicht mein Problem). Wenn du denkst, es gibt eine einflussreiche oder auch nur mäßig große Gruppe hier im Forum oder in der dt. Szene, die dir dein Rollenspiel verbieten will, liegst du sehr wahrscheinlich falsch, insb. weil es idR keinen interessiert, was du so tust.

Offline Smoothie

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revolutionär ist das alles nicht, aber es gibt schon einen kleinen Trend dazu. Ich finds super und ich liebe es als SC, wenn ich Pläne schmieden und umsetzen kann und ich liebe es als SL, meine SC persönlich involviert zu kriegen. Dazu muss ich natürlich auch auf sie eingehen.
Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es keinen anderen Plot gibt. Die Fragen mit denen die SC involviert werden können unterschiedlich offen sein.
Von: "Was wollt ihr heute unternehmen?" als ganz offene Frage bis zu. "Ihr nähert euch der Burgruine, auf den Mauer seht ihr die ersten Skelettbogenschützen. Wann war dein Charakter das letzte Mal in der Burg und warum will er unbedingt wieder hin? Wie wollt ihr vorgehen" als sehr geschlossenes Setting.

Oder wie z.B. in der Drakkenheim Kampagne sehr gut umgesetzt. "Dort liegt die zerstörte und von Monstern bewohnte Hauptstadt. Was willst du dort?
"Ich bin die Thronerbin und suche  meine Krone", "Ich bin Monsterjäger" "Ich bin Schatzsucher" Ich suche nach einer Heilung für die Seuche" etc.

Was ich eigentlich sagen will: Leute zu involvieren, und sie ihre eigenen Ansätze verfolgen zu lassen, bedeutet nicht, dass man auf Plot und Setting verzichtet

Inzwischen bin ich geneigt zu glauben, dass an der DnD Satanic Panic in den 80ern was dran war. Allein, es waren nicht die Inhalte. Es waren die Regeln, die aus der Hölle kommen...

Offline Sternschnuppe

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Alter Wein in neuen Schläuchen. So spielen wir schon seit Jahren (eher wohl Jahrzehnten).
Aber vielleicht ist das auch vom Rollenspiel/Genre abhängig - Charakterbezogen für das eine, Sandbox für das andere.

Könnte mir gut vorstellen, dass z.B. D&Dler das entdecken, was für WoDler ganz normal ist.

Online Namo

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Könnte mir gut vorstellen, dass z.B. D&Dler das entdecken, was für WoDler ganz normal ist.

Tatsächlich erscheint mir das auch ein wenig so. Ich habe mich schon immer schwer damit getan zu sagen, dass diese oder jene Spielart irgendwie systemspezifisch sein soll. Da kann man doch einfach klauen und gute Dinge aus anderen Systemen oder Spielarten in seiner Runde implementieren.

Die Konsequenz aus dem vielen Lesen der letzten Monate ist, dass heute vieles zu Papier, Video, Blog gebracht wird, was man selbst über die Jahre eigentlich ohnehin organisch entwickelt und gespielt hat. Natürlich auch immer mit neuen Inputs und Ideen von außen gefüttert.

Vielleicht ist das jetzt auch ein wenig die Folge von der gefühlten Masse an neuen Spieler/innen die durch CR und Co ins Hobby gekommen sind. Die durch solche Bücher und Beiträge aber dann auch die Möglichkeit haben viel schneller auf ein gewisses "Niveau" zu kommen. Aber vielleicht auch zu viel erwarten in Hinblick auf eine gewisse SL Überforderung.
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Offline tartex

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Könnte mir gut vorstellen, dass z.B. D&Dler das entdecken, was für WoDler ganz normal ist.

Die ganzen 90iger Jahre lang war das Dragon-Magazin voll mit Artikeln zu dem Thema. Wir konnten das alles schon nicht mehr hören und D&D3 war dann auch ein Befreiungsschlag.
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Online Namo

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Das ist ja interessant. War mir nicht bewusst? In unseren Runden ist das auf jeden Fall dann zielgerichtet an uns vorbei gegangen;D War ja eigentlich meine RPG Hochzeit und die war schon sehr oldschool. Wobei natürlich schon auch da auf Charakterspiel geachtet wurde - aber in übersichtlichem Rahmen. Tatsächlich war da für viele Vampire etc. erst eine Tür in erzählerisches RPG.
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Offline 1of3

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Aber bei allem was ich da gelesen habe, kommt mir dann doch immer wieder der Begriff sandbox in den Sinn. Also stellt sich mir die Frage, ob proaktives Rollenspiel nicht ein viel vornehmerer Name für Sandbox ist? Ein anderer, gängigerer Begriff wäre ja auch charakter driven Rollenspiel.

Du machst hier einen systematischen Fehler. Ich weiß nicht, ob auch die Autoren des Buches den machen. Hab ich nicht gelesen. Aber es macht wenig Sinn zu versuchen, sämtliches Tun im Rollenspiel auf einen Begriff herunterbrechen zu wollen. Ziemlich egal, welcher Begriff das ist.

Wir können auf bestimmte Techniken schauen. Du sprichst von "Spieler wählen für ihre SCs kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele". Das ist eine Technik. Sie hat dann wahrscheinlich eine Reihe weiterer dazu passender Techniken, um diese Ziele aufzunehmen.

Ich kann dir klar sagen, dass ich diese Technik so noch nicht benutzt habe. Also eine Klassifizierung von Zielen in unterschiedliche Weitegrade habe ich noch nie gemacht. Ziele an sich schon. Mal mehr oder weniger formell je nach Spiel.

Darüber kann man also reden. Das ist auch sofort verständlich. Wir können auch unterscheiden: Fordern wir so Ziele ein oder können Spielende die formulieren? Ist das ganz frei oder gibt es gewisse inhaltliche Anknüpfungspunkte, die verarbeitet werden sollten ("Warum bist du in Schnackpuck? Was willst du hier erreichen?") Wir können das auch anderen Techniken gegenüberstellen, also z.B. SL teilt fertige Charaktere inklusive individueller Ziele aus. Das wäre eine andere Technik mit ähnlichem Zweck.

Offline Eleazar

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Ich erinnere mich an eine Kampagne, in der wir in der Hochphase der ellenlangen Vorgeschichten für Figuren waren. Da hatte fast jede Figur eine ellenlange Liste an Sachen, die sie noch zu erledigen, wen sie noch rächen, was sie wiederfinden musste... , dass es irgendwann schon wieder schwer wurde, gemeinsam auf Abenteuer zu ziehen und als Gruppe ein Ziel zu verfolgen.

In der nächsten Kampagne kamen dann alle aus einem Dorf.

Ich denke, es gibt da auch Pendelbewegungen.

Offline Arkam

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Hallo zusammen,.

das hängt auch vom Hintergrund ab.
Der von mir bespielte Hintergrund ist sehr hierarchisch. Es gibt neun soziale Stufen die in drei größeren Ebenen organisiert sind. Die Charaktere sind jetzt kurz davor die zweite Ebene, grob gesprochen  das Managment, zu erreichen. Die Leute die diese Ebene erreicht haben sehen sie jetzt als potentielle Verbündete oder Konkurrenten und versuchen sich ein Bild von ihnen zu machen.
Waren sie vorher nur Kanonenfutter so werden sie jetzt das erste Mal für die Spielwelt, außerhalb ihrer vorherigen Aufträge, interessant.

Bisher haben sich die Charaktere noch keine eigenen Ziele gesetzt. Das liegt aber sicherlich auch daran das ihre Charaktere in einer Diktatur mit einer extremen Überwachung leben in der Abweichler auch schnell ein Mal hingerichtet werden.
Hinzu kommt das es eine Vielzahl von Akteuren auf der Bühne gibt die verschiedene Ziele erreichen wollen und die Charaktere zumindest jeweils drei dieser Akteure angehören.
Ich hoffe das sich die Spieler jetzt dazu entscheiden welchem der Akteure sie wie stark verbunden sind und sich die entsprechenden Ziele zu eigen machen.

Allerdings entwickelt sich die Welt in einer Mischung aus Ergebnissen aus anderen Runden, Gedanken die ich mir zu den großen Zielen der Akteure, sozusagen ein überlegter aber nicht zu bespielender Metaplot und Ideen aus realen Dingen die ich auf die Spielwelt übertrage weiter.
Die Spieler bekommen diese Entwicklung über Nachrichten, eine Cyberware sorgt für ein Smartphone im Kopf, Handouts und manchmal auch durch NPCs vermittelt auch unabhängig von den Handlungen der Charaktere weiter.

Gruß Jochen
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Offline nobody@home

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Ich meine, als halbwegs eingeschworener Fate-Fan bin ich das gelegentliche Nachdenken über Proaktivität sowieso seit spätestens 2013 gewöhnt, weil der Abschnitt "What Makes A Good Fate Game?" in Fate Core genau dieses Stichwort auch fallen läßt (da geht's dann allerdings auch eher allgemeiner darum, daß Fate-SC bitte nicht superzögerlich-abwartend vorgehen, sondern Probleme selber aktiv anpacken sollen und daß das Spiel das seinerseits auch belohnen und nicht abstrafen soll), aber ich denke, mit zum ersten Mal definitiv untergekommen ist er mir spätestens in meiner Hero-Fanphase in den frühen 90ern mit Champions 4E und "Aaron Allston's Strike Force" in der Originalversion -- ersteres als meine erste Begegnung mit einer formalen Spielertyp-Taxonomie und der definitiven Idee von Spielern, die schon selbst mit unterschiedlichen Wünschen ans Spiel herangehen und berücksichtigt werden wollen, letzteres insbesondere in seiner Eigenschaft als Setting- und Kampagnenbeschreibung aus persönlich leitender SL-Perspektive. Daß sich im Superheldengenre ein gewisses Maß an Proaktivität recht organisch allein schon aus "Wir können uns ja nicht immer bloß im Hauptquartier langweilen, wenn mal keine Krise vorliegt" ergibt (was ja auch gar nicht dem Quellmaterial entspräche), mag speziell dabei auch sein Scherflein beigetragen haben.

Online Namo

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Du machst hier einen systematischen Fehler. Ich weiß nicht, ob auch die Autoren des Buches den machen. Hab ich nicht gelesen. Aber es macht wenig Sinn zu versuchen, sämtliches Tun im Rollenspiel auf einen Begriff herunterbrechen zu wollen. Ziemlich egal, welcher Begriff das ist.

Wir können auf bestimmte Techniken schauen. Du sprichst von "Spieler wählen für ihre SCs kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele". Das ist eine Technik. Sie hat dann wahrscheinlich eine Reihe weiterer dazu passender Techniken, um diese Ziele aufzunehmen.

Ich kann dir klar sagen, dass ich diese Technik so noch nicht benutzt habe. Also eine Klassifizierung von Zielen in unterschiedliche Weitegrade habe ich noch nie gemacht. Ziele an sich schon. Mal mehr oder weniger formell je nach Spiel.

Darüber kann man also reden. Das ist auch sofort verständlich. Wir können auch unterscheiden: Fordern wir so Ziele ein oder können Spielende die formulieren? Ist das ganz frei oder gibt es gewisse inhaltliche Anknüpfungspunkte, die verarbeitet werden sollten ("Warum bist du in Schnackpuck? Was willst du hier erreichen?") Wir können das auch anderen Techniken gegenüberstellen, also z.B. SL teilt fertige Charaktere inklusive individueller Ziele aus. Das wäre eine andere Technik mit ähnlichem Zweck.

Am Ende schreibst du aber jetzt doch auch um einen Definitionsgedanken herum. Gerade weil ich eigentlich auch der Meinung bin, dass man nicht alles in fixe Begrifflichkeiten pressen muss und offensichtlich ja selbst zu gängigen Begriffen wie Sandbox bzw. Railroading noch nicht mal eine 100%ige Definition besteht. Selbst hier existieren ja immer noch Auslegungsmöglichkeiten.

Ich habe ja versucht die Grundgedanken zusammen zu fassen. Die Spieler geben durch ihre Handlungen die Rahmen der Geschichte vor. Die Werkzeuge hat wie im umgekehrten Fall aber der SL alle in der Hand.  Es ist einfach eine Sichtweisenumkehr mit dem Ziel, den Spielern noch mehr das Gefühl zu geben, dass ihre Handlungen relevant sind und sie eben ihre Geschichte spielen. Das finde ich allerdings aus SL Sicht deutlich charmanter, wie die Sichtweise, dass ein SL quasi nur dazu da ist die Spieler glücklich zu machen und alles nach deren Mund designen muss. Das ist für mich ein kleiner aber feiner Unterschied, da hier der SL zwar Ziele und Wünsche der Spieler umsetzt, aber dennoch seine eigenen Ideen umsetzen und kreativ sein kann bis hin zu einem gewissen storydriven Element, dass mir bei reinem sandboxing fehlen würde. Er baut genauso wie im reaktiven Spiel seine Antagonisten, Plots und Dungeons auf. Aber eben immer mit dem Gedanken wie die Charaktere hierzu genau im Kontext stehen. 

Oder anders gesagt, es ist auch eine Form einer Heldenreise - deren Ende aber grundsätzlich durch ein Ziel bestimmt ist. Frodo hat den Ring in den Vulkan geworfen, der Bruder hat die tote Schwester gerächt, der Barde ist König des Reiches geworden, der Zwerg hat den sagenumwobenen Schatz des Drachens bekommen etc. Beim reinen Sandboxgedanken dürfte ja früher oder später immer die Frage im Raum stehen, wann man denn nun aufhört. Finde ich dann auch unbefriedigend oder man geht dann eben doch zum Schluss hin eher wieder auf eine Handlung die einfach ein Ende hat. So wie ich es in Serien ja auch persönlich auch lieber habe, dass die Charaktere am Ende einen runden Abschluss haben, anstatt nach zig Abenteuern einfach die Serie beliebig beendet wird.

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Online Namo

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Ein Ansatz/Frage dazu noch. Ich kann mir so ein Spiel auch eher nur in kleinen Runden vorstellen um allen gerecht zu werden. Hast du 6 oder 7 Spieler dürfte das auch schon wieder schwer werden oder es geht zu Lasten der Individualität.
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Offline 1of3

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Cool. Dann sind wir uns ja grundsätzlich einig.

Wenn ich als SL so tun will, finde ich gewisse Dinge tatsächlich aber noch relevanter: NSCs, die ich benutzen kann. Die lasse ich mir gern von meinen Mitspieler*innen geben, so dass die SCs da eine Beziehung zu haben. Die kann ich dann in der Handlung verwursten. Was ich dann brauche ist die Freiheit, diese Figuren noch etwas nachzubiegen.

Offline Irian

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Letzten Endes scheint mir die Idee jetzt auch nicht soweit weg von dem, was typischerweise als Autoren-Weisheit verkauft wird, nämlich dass jede Geschichte eine charakterliche Entwicklung mind. eines Protagonisten oder einer Protagonistin braucht. Rahmenhandlung ist gut, aber die meisten, sagen wir mal "Ratgeber" stellen diese Entwicklung in den Vordergrund, gemeinsam damit, dass jeder Charakter auch mind. ein deutliches Ziel braucht (was durchaus auch ein "falsches" Ziel sein kann, im Gegensatz zu dem, was der Charakter eigentlich lernen muss). Dem (negativ) gegenüber gestellt werden Geschichten, in denen der Charakter nur "reagiert", keine eigenen Ziele verfolgt, etc.

Ähnlich ist es ja hier, in vielen Rollenspiel-Runden sind die Charaktere Spielbälle der Handlung. Die Handlung kommt zu ihnen und bestimmt, was sie als nächstes tun. Ein Problem wird bereitgestellt und gelöst. Nächstes Problem. Aber die Charaktere haben oftmals keine besonderen Ziele ("Level bekommen" gilt da eher nicht). Da kann man nun "Die Charaktere haben Ziele" nun groß "proaktiv" nennen, aber, wie gesagt, besonders "neu" ist das jetzt nicht.

Fiel mir nur so gerade als Vergleich auf, dass die Thematik nicht auf's Rollenspiel beschränkt ist.
Hinweis: Nein, ich will dir nicht verbieten, X, Y oder Z in deinem Rollenspiel zu tun. Nein, ich habe dich keinen Rassisten genannt. Ja, du darfst X, Y oder Z auch weiterhin tun (außer es ist illegal, dann ist es aber auch nicht mein Problem). Wenn du denkst, es gibt eine einflussreiche oder auch nur mäßig große Gruppe hier im Forum oder in der dt. Szene, die dir dein Rollenspiel verbieten will, liegst du sehr wahrscheinlich falsch, insb. weil es idR keinen interessiert, was du so tust.

Offline felixs

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Möchte nur kurz einwerfen, dass eine von aussen an die Spielerfiguren herangetragene Handlung (oder Aufgabe) die Vorteile hat, dass sie 1) die ganze Gruppe betrifft und 2) planbar ist, z.B. in Form von sog. "Kaufabenteuern".

Spricht natürlich nichts dagegen, dass Figuren trotzdem eine (gern auch auformulierte) eigene Motivation haben dürfen, die in die Handlung eingebaut werden kann und soll.

Anders gesagt: Ich sehe keine Widerspruch dazwischen, dass Figuren einerseits eigene Motivationen mitbringen, andererseits aber auch noch welche von aussen (dazu) bekommen.
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Online Namo

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Ähnlich ist es ja hier, in vielen Rollenspiel-Runden sind die Charaktere Spielbälle der Handlung. Die Handlung kommt zu ihnen und bestimmt, was sie als nächstes tun. Ein Problem wird bereitgestellt und gelöst. Nächstes Problem. Aber die Charaktere haben oftmals keine besonderen Ziele ("Level bekommen" gilt da eher nicht). Da kann man nun "Die Charaktere haben Ziele" nun groß "proaktiv" nennen, aber, wie gesagt, besonders "neu" ist das jetzt nicht.

Das ist ja dann normales, reaktives Rollesnpiel (wie ich dank dem Buch jetzt weiß  ~;D). Wenn die Spieler das so wollen und mitgehen ist das ja imho auch vollkommen in Ordnung. Der Gedanke bzw. die Erfahrung der Autoren war jedoch, dass die Spieler viel mehr bei der Sache sind, wenn es eben Ziele und Themen sind, die sie selbst formuliert haben für ihren Charakter. Letzten Endes kann es sich da um zwei Seiten einer Medaille handeln.

Finde Herr der Ringe als Beispiel da ganz gut. Variante reaktives RPG: SL "Dein Charakter hat einen Ring, den er in einem Vulkan vernichten muss. Wenn du ihn anziehst kann es sein, dass dein Charakter dauerhaft böse wird bis hin zum NSC. Wenn du ihn anhast bist du unsichtbar und mächtig. Nach und nach schwächt dich der Ring. Was machst du als erstes?" In der Variante des proaktiven Spiels hat sich der Spieler ausgedacht: "Ich habe da so ein komisches Erbstück einen Ring. Der hat meinen Onkel schon ganz verrückt gemacht. Irgendetwas böses ist da im Ring, ein Fluch gar wenn man ihn benutzt. Und ich habe durch einen Magier erfahren, dass dieser Ring zerstört werden muss, sonst vernichtet er die Welt. Vielleicht!". Theoretisch kann der SL die ganze Geschichte wie oben benannt daraus machen. In Variante 1 bekommt ein Spieler die Sache aufgetragen und kann die toll oder nervig finden. In Variante 2 hat er halt Bock auf die Geschichte.

Aber tatsächlich braucht es halt auch Spieler die das aktiv möchten. Es gibt ja auch die anderen die "berieselt" werden möchten. Was imho vollkommen in Ordnung ist. Ein Freund von mir hat viel Stress auf der Arbeit und spielt gerne RPG. Hat dann aber keinen Bock auf irgendwelchen komplizierten Kram, sondern mag Action. Dem brauchst du nicht mit proaktiv etc. zu kommen. Wenn Aragorn ein proaktiver Spieler ist, der der verlorene Königssohn ist, der aber nicht sicher über sein Schicksal ist, sind Gimli und Legolas halt die mitlaufenden Klopper die einfach nur zum Kämpfen da sind.

Wenn man das so extrem durchzieht wie in dem Buch geschildert, bleibt imho aber auch wenig Platz für Kaufabenteuer. Aber ich denke die Idee richtet sich sowieso an homebrew Runden.

Wobei es natürlich aber auch nie in die Extreme gehen muss. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, hat  z.B. Critical Role ja schon hauptsächlich seine äußeren Handlungsstränge, widmet aber dennoch jedem Spieler auch seinen umfangreichen Handlungsstrang. Auch gut zu sehen in den beiden ersten Staffeln Vox Machina auf Prime.
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Online Namo

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Auf der anderen Seite gibt's natürlich den klassischen Topos "Die Bösen sind proaktiv und machen Ärger, die Guten reagieren nur"

Da das gut passt ein Beispiel wie der "Böse" da rein kommt bzw. in die reaktive Rolle gepresst wird. Der Böse hat selbst ja auch sein Ziel. Z.B. ich will den einen Ring bekommen. Und er sucht ihn vor sich hin, hat keine Ahnung von den Charakteren, bis er eben von einem beeinflussten Zauberer erfährt, dass der Ring gefunden wurde und der Träger ihn vernichten möchte. Hier kreuzen sich also die Ziele des Charakters mit dem Ziel des Antagonisten und letzterer wird zum Reagieren gezwungen. Immer wieder durch die Taten der Helden. Er schickt die Nazgul die von Gönnern der Charaktere mit ähnlichen Zielen (verhindere dass der Böse wieder an die Macht kommt) vertrieben werden bis hin zu einem Angriff auf Minas Tirith bzw. dem verzweifelten Hilferuf der Nazgul zum Schicksalsberg. Dabei hat der Antagonist selbst natürlich Leutnants die eigene Ziele haben, die sich aber auch mit denen des Antagonisten streifen (Rohan soll mir sein). Natürlich ist Herr der Ringe irgendwann auch kein gutes Beispiel mehr, da hier die Helden natürlich irgendwann auch zum Reagieren gezwungen sind. Aber viele Passagen passen da schon ganz gut zur Veranschaulichung.

Z.B. auch Encounter/Dungeons. Im Buch fragt Gandalf Frodo welchen Weg er nehmen möchte Moria oder Rohan an Sarumans Turm vorbei. Übersetzt würde der Spielleiter fragen, wo sie denn als nächstes lang gehen möchten und der oder die Spieler entscheiden und entsprechend wird der nächste Encounter mit allem vom SL vorbereitet. Und auch hier würde dann wieder geschaut werden wie die Story um die Geschichte des Spielers gewoben wird. Der Balrog hätte selbst gerne den Ring und ist hinter Frode her etc. Vielleicht hatte Gimlis Spieler auch eine Geschichte wegen derer er nach Moria wollte und hat mit Frodos Spieler das entschieden und er findet in Moria weitere Hinweise zu seinem Spiel etc.

So gesehen findet eigentlich eine Spiegelung des normalen Hergangs eines Abenteuers statt. Nicht der SL gibt es vor, sondern die Spieler. Allerdings ist es dann doch wieder der SL, der es entsprechend ausbaut und kann dabei zu einem ähnlichen Ergebnis kommen wie wenn es gerailroaded wäre. Allerdings hat der Spieler volle Kontrolle über das was sein Charakter macht und ist so viel mehr involviert und hoffentlich emotionalisiert. Ich würde das wirklich mal gerne in Reinkultur bei einer Gruppe erleben die so tickt. Geht schon ein stückweit ab von dem was ich bisher spiele und ist umgekehrt gefühlt aber doch so nah.
« Letzte Änderung: 6.08.2024 | 19:02 von Namo »
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Finde Herr der Ringe als Beispiel da ganz gut. Variante reaktives RPG: SL "Dein Charakter hat einen Ring, den er in einem Vulkan vernichten muss. Wenn du ihn anziehst kann es sein, dass dein Charakter dauerhaft böse wird bis hin zum NSC. Wenn du ihn anhast bist du unsichtbar und mächtig. Nach und nach schwächt dich der Ring. Was machst du als erstes?" In der Variante des proaktiven Spiels hat sich der Spieler ausgedacht: "Ich habe da so ein komisches Erbstück einen Ring. Der hat meinen Onkel schon ganz verrückt gemacht. Irgendetwas böses ist da im Ring, ein Fluch gar wenn man ihn benutzt. Und ich habe durch einen Magier erfahren, dass dieser Ring zerstört werden muss, sonst vernichtet er die Welt. Vielleicht!". Theoretisch kann der SL die ganze Geschichte wie oben benannt daraus machen. In Variante 1 bekommt ein Spieler die Sache aufgetragen und kann die toll oder nervig finden. In Variante 2 hat er halt Bock auf die Geschichte.

Ich finde das Beispiel weniger gut, um ehrlich zu sein. Der Eine Ring ist schon ein arger Vorschlaghammer, der quasi automatisch ist, was dem Charakter PASSIERT, aber nichts, was der Charakter wirklich aus sich heraus plant. Es ist keine eigene Motivation des Charakters erstmal, sondern eine Reaktion (egal welche) auf etwas, das ihm passiert. Wenn ich also ein Rollenspiel so anfange, dann gebe ich quasi die Richtung schon vor - es warten Sauron, Nazgul, Menschen die den Ring wollen, etc. auf den Charakter.

Dementsprechend würde ich solche "riesigen" Dinge in so nem Spiel nicht am Anfang einwerfen, sondern sehen, was die Leute wollen. Der Charakter will Abenteuer erleben. Oder seine Ruhe haben. Oder sonstwas. Irgendwas, das aus ihm selbst wichtig ist. In nem Roman würde man ihn dann aus der Bahn werfen, z.B. indem der eine Ring wichtig wird, klassisch. Der Held wird, vielleicht zögernd, in eine völlig neue Richtung gedrängt. ABER das klappt halt in nem Roman, weil der halt eine fixe Geschichte erzählen will - in nem Rollenspiel, wo man Player Empowerment betreiben will und die Charaktere mehr agieren lassen will, ist das imho nicht ideal. Im Rollenspiel würde ich das aber, um ehrlich zu sein, gerade wenn der Fokus auf Charakterzielen liegen soll, nicht mit einem so drastischen Mittel wie dem einen Ring machen.

Dementsprechend: Sowas wie den einen Ring setzt du ein, wenn du eine "HdR" Kampagne planst. Wenn du willst, dass die SCs echte, eigene(!) Ziele haben, ist das aber vermutlich nicht völlig das wahre.
Hinweis: Nein, ich will dir nicht verbieten, X, Y oder Z in deinem Rollenspiel zu tun. Nein, ich habe dich keinen Rassisten genannt. Ja, du darfst X, Y oder Z auch weiterhin tun (außer es ist illegal, dann ist es aber auch nicht mein Problem). Wenn du denkst, es gibt eine einflussreiche oder auch nur mäßig große Gruppe hier im Forum oder in der dt. Szene, die dir dein Rollenspiel verbieten will, liegst du sehr wahrscheinlich falsch, insb. weil es idR keinen interessiert, was du so tust.

Online Namo

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Das war natürlich mit dem Vorschlaghammer. Niemand würde einem Spieler so ein Artefakt in die Hand geben. Denke ich. Glaube ich  >;D

Aber es ging ja um die Verdeutlichung wie die Idee dahinter ist. Es sind mehr oder weniger die selben Gegenstände involviert, aber es gibt zwei gänzlich andere Herangehensweisen. Einmal knallt der SL dir die Geschichte hin und du sollst darauf reagieren und einmal ist es Teil der Hintergrundgeschichte des Spielers mit der dieser ankommt. Darin würde der Spieler ja vermutlich erstmal mit einem Ring ankommen oder dunklen Schwert dessen Hintergrund er heraus finden will. Gegen Ende seiner Abenteurerlaufbahn finder er dann heraus dass er den einen Ring oder Sturmbringer in Händen hält. Auf DnD Stufe 15 kann man sowas dann schon unter bringen und ggflls episch abschließen. Die Möglichkeiten sind ja unbegrenzt. Aber der Spieler ist hier derjenige der es angestoßen hat. In mir als SL weckt sowas gleich jede Menge Kreativität. Merke ich hier schon gedanklich beim schreiben. Ist auf jeden Fall leichter als sich etwas auf einem Blatt Papier von Grundauf neu zu überlegen und du weißt gleich, dass mindestens einer der Spieler schonmal an Bord ist wenn diesbezüglich etwas passiert
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Offline Murphy

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Ich sehe es so: Die SL sollte zwar jederzeit bereit sein, die Handlung über Bord zu werfen, wenn die Spielenden keine Lust auf den Plothook haben. Warum sich jetzt aber alles nur noch um Player Empowerment und zufällige Improvisierte Szenen drehen soll, erschliesst sich mir überhaupt nicht.

Ein "on the spot" ausgedachtes Ereignis (im Fachjargon auch "random shit", also RS, genannt) kann doch unter keinen Umständen so gut sein, wie eine sorgfältig "gecraftete" Dramaturgie? Ich sage nicht, dass RS nicht genauso viel Spass machen kann. Das ist Ansichts- und Geschmacksache. Wenn die Gruppe das lieber mag, ist das natürlich okay.

Aber wenn man einen Schritt heraus macht und sich das möglichst "objektiv" anschaut, kann eine auf der Stelle improvisierte doch unmöglich eine gleich gute Geschichte geben. Oder nur ganz selten und per glücklichem Zufall. Auch Beschreibungen von zuvor ausgedachten Szenen mit der passenden Musik sind doch viel "perfekter" als generische Beschreibungen, weil ich jetzt grad was liefern muss und ein Standard-Audioteppich dazu.

Das Paradebeispiel ist der immerwährende Tavernenbetreiber, der zu jeder Tages- und Nachtzeit Gläser, Humpen und Becher mit einem schmutzigen Lappen poliert.
« Letzte Änderung: 6.08.2024 | 21:00 von Murphy »

Offline Irian

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Ich sehe es so: Die SL sollte zwar jederzeit bereit sein, die Handlung über Bord zu werfen, wenn die Spielenden keine Lust auf den Plothook haben. Warum sich jetzt aber alles nur noch um Player Empowerment und zufällige Improvisierte Szenen drehen soll, erschliesst sich mir überhaupt nicht.

Ich pers.(!) mische das auch eher. Die Ziele der Charaktere sind wichtig und ggf. auch wichtiger als irgendein anderer Plot, wenn die Spieler das wollen, aber Angebote für Plot gibt es durchaus. Welches davon sie annehmen, ist natürlich ihre Sache und das wird dann auch weiter ausgearbeitet, während andere Sachen evtl. nur im Hintergrund nebenher "fließen". Die Welt existiert halt einfach auch außerhalb der SC-Bubble.
Hinweis: Nein, ich will dir nicht verbieten, X, Y oder Z in deinem Rollenspiel zu tun. Nein, ich habe dich keinen Rassisten genannt. Ja, du darfst X, Y oder Z auch weiterhin tun (außer es ist illegal, dann ist es aber auch nicht mein Problem). Wenn du denkst, es gibt eine einflussreiche oder auch nur mäßig große Gruppe hier im Forum oder in der dt. Szene, die dir dein Rollenspiel verbieten will, liegst du sehr wahrscheinlich falsch, insb. weil es idR keinen interessiert, was du so tust.