Autor Thema: proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)  (Gelesen 2143 mal)

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Offline Issi

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Nicht viel Zeit und nicht alles gelesen, daher kurz:

1. Um wen soll sich das Ganze denn sonst drehen, wenn nicht um die SC?

Das jetzt als besonders spektakulär zu hypen, kann ich mir nur so erklären, dass es da draußen noch immer genug Spielleiter gibt, (die sich in ihre Abenteuer verlieben), und für die die Figuren ihrer Spieler austauschbar sind.

Das muss auch gar kein böser Wille sein, schließlich funktionieren viele Kaufabenteuer genau so.
Das Abenteuer steht, die Figuren sind austauschbar.

Keiner nimmt SL Frischlinge an die Hand, und sagt ihnen, dass das so nicht sein muss.
Zeigt Ihnen, wie man selbst Kaufabenteuer nachträglich personalisieren kann oder Abenteuer baut, die für die SC maßgeschneidert sind.

Man muss dazu sagen: Manche wollen das auch gar nicht.


Offline Murphy

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Ich habe lieber Geschichten, die in der Welt geschehen und auf die die SC reagieren können. Da wir ihre Geschichte erzählen, sind sie automatisch Mittelpunkt davon. Aber, dass sich die Welt so anpassen muss, damit die Geschichte möglichst egozentrisch wird, verstehe ich nicht. Weder als SL, noch als Spieler.

Und ja, ich schicke auch keine Gruppe von Piraten auf eine One-shot-Wüstenexpedition, aber es gibt Geschichten zu erleben und als welcher Charakter du da hineinstolperst ist tatsächlich Zufall (wie im Leben) und nicht so wichtig. Du löst die Probleme mit den Fähigkeiten, die dir gegeben sind. Wie auch sonst?

Sonst wären wir ja wieder beim Roman, den alle partout nicht spielen wollen, weil gescriptet. Wenn die Figur aber perfekt auf die Story geformt ist, bzw. umgekehrt, ist das doch auch wie im Roman und nicht wie im Leben.

Diese «neue» Art des Rollenspiels geht weiter als die Sandbox, da sie nicht nur offen ist (im Stile von: hier Sandkasten, gehe hin, wo du willst und tue, was du willst). Sie sagt sogar: Du willst einen Drachen zähmen? Dann ist da natürlich ein Drache. Was für ein Drache soll es denn sein? Are you happy, yet? Oder du willst ein mächtiges Artefakt wiederfinden? Selbstverständlich kannst du das Höhlensystem erkunden und am Ende den magischen Kristall finden. Bei mir ist es dann aber so: In der Zwischenzeit trägt leider niemand den Ring nach Mordor und die Welt geht unter.

Eine Nebenquest aus der Hintergrundstory eines Charakters einzufügen, dagegen habe ich nichts. Aber Wunschkonzert geht mir zu weit.

Dieses «ich will der Mittelpunkt sein und alles soll sich um mich und meine Wünsche drehen», scheint mir ein Gen-Z-Thema zu sein und sich daher natürlich auch im Rollenspiel niederzuschlagen. Drum ist es «modern». Mir persönlich geht da der Service-Gedanke als SL definitiv zu weit. Wenn es nur noch um spontane Bespassung und Befriedigung von Individualwünschen geht, könnte ich auch in der Kita arbeiten.

Offline Boba Fett

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Ich bin erst einmal pro proaktiv.
Denn, wenn die Spieler motiviert sind, dann befruchtet dies das Rollenspiel. Das finde ich allgemein besser, als wenn der Spielleiter Motivationen (Weltuntergang verhindern, Geld, irgendwas dazwischen) liefern muss.
Und das sehe ich auch unabhängig von Sandboxing. Wobei Sandboxing natürlich ohne Interesse und Motivation seitens der Spieler(-Charaktere) extrem schwer ist.
Aber proaktives Spiel kann ich überall betreiben. Man muss halt in der Lage sein, seinen Charakter zu formen.

Letztendlich ist proaktives Spiel doch das genaue Gegenteil von "mein Charakter ist halt so" Blockadehaltung... (These)

Was ich gern mag, ist, wenn man sich zum Anfang eines Charakters erst einmal vage aufstellt, was Motivationen und Hintergrund angeht und das sich dass dann mit der Zeit präzisiert - passend zur Kampagne. Ich komme nicht mit 10 Seiten Charakterbeschreibung zum Spiel. Wenn es 10 Worte sind, ist es schon viel.
Nach ein paar Sitzungen weiss ich dann, wie die Figur sich anfühlt und spielt, wie die Welt im Kopf des SpL funktioniert und in welche Richtung die Kampagne geht. Und dann entwickelt sich auch der Charakter backwards weiter. Und zwar, damit er proaktiv ist...

Ein Spielleiter, der erwartet, dass die Spieler gleich mit ihren Charakteren ankommen und konkret was wollen, wird meiner Auffassung nach oft Enttäuschungen erleben. Sowas klappt nur, wenn man seit Jahren bei dem SpL im gleichen Setting das gleiche System spielt. Also wenn die Umgebungsvariablen wirklich gut bekannt sind.
Sobald aber was neues dabei ist - woher soll ich wissen, wie der Spielleiter sich die Welt in der wir neuerdings spielen, vorstellt und ob mein Konzept da reinpasst. Und ja, er kann natürlich sich voll anpassen, weil er so superflexibel ist. Aber dann wird es eben auch schnell Wischi-Waschi, weil der Spielleiter mir keinerlei Rahmenbedingungen liefert und dann gibt es wenig, auf das ich meine Flexibilität beweisen kann.

Zum Thema Dienstleistung: Liefern müssen immer beide Seiten. Der SpL ist nicht der alleinige Bespaßer aber er ist nun mal der, der im Spiel eine leitende Funktion hat. Und das heisst für mich auch, dass er eben oft richtungsgebend mitwirkt.
Aber die Charakter-Spielenden müssen auch liefern. Motivation der Charakere, Ideen, Beteiligung... Irgendwo muss der Spielleiter ja auch seine Motivation bekommen.
Das ist keine One-Man Show aber auch kein Spontan-Theater... Es ist Rollenspiel.
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline Sphinx

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Ich habe das Buch auch schon zur Hälfte durchgelesen (brauche aktuell ein zweites paar Augen, so viel wie ich Lesen möchte aber Zeitlich nicht schaffe). Ansich ist das ganze sehr schön beschrieben und es macht in der Tat lust so zu Leiten.
Tja wenn ich nicht schon mal so geleitet hätte und es schlechter funktioniert hat als "klassisch" zu Leiten. Ich bin allerdings sicher das es gut funktionieren kann Proaktiv zu spielen. Nur sind meine Spieler nicht dafür geeignet bzw. wollen nicht ihre Komfortzone verlassen. Zwar haben deren Charaktere zwar Ziele, aber sie versuchen sie irgendwie nicht richtig zu verfolgen.

Als ich meine ersten Gehversuche als DM hinter mir hatte, hab ich eine neue Gruppe gestartet. Die hatte ich von Anfang an Proaktiv geleitet, hat auch ganz gut funktioniert. Nur irgendwann haben die Spieler die Lust an ihrer eigenen Story verloren und wir haben gemeinschaftlich neu Angefangen, ein vorgefertigtes lineares AB zu spielen. Wo die allgemeine Meinung war das es so schöner ist zu Spielen.
Ich glaube das liegt maßgeblich daran wie voll das Leben der Spieler ist. Ich merke sehr häufig wie schwankend die Spieler "Leistung" ist, je nachdem wie Anstrengend das restliche Leben aktuell ist. Und ich hab viele mit vollem Terminplan. Da ist es vermutlich angenehmer einfach einem Strom zu folgen als konstant etwas aus eigenem Antrieb zu bewerkstelligen.
So wie ich nach einem anstrengendem Tag ehr sinnlos Youtube schaue als selbst ein PC Spiel zu spielen.

Ich Plane aber für vermutlich nächstes Jahr eine dritte Runde aufzubauen. Dort will ich die PF2 Königsmacher Kampagne Leiten. Die kann man als Sandbox mit Checkpoints auslegen und bietet sehr viel Platz für Proaktives Rollenspiel mit einem Mantel einer vorgegebenen Story. Ich hoffe das ich dort das beste aus beiden Welten Kombinieren kann. Dort werde ich dann auch entsprechende Sorgfalt bei der Spielerauswahl walten lassen. Damit ich Spieler habe, die eben Spaß dran haben ihren Charakter Proaktiv zu spielen. Bin sehr gespannt wie das Experiment ausgeht.

Offline unicum

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Ich denke bei dieser Art zu spielen ist es noch wichtiger als bei anderen Spielarten das die Gruppe einfach passt.

Offline Yney

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Ich habe lieber Geschichten, die in der Welt geschehen und auf die die SC reagieren können. Da wir ihre Geschichte erzählen, sind sie automatisch Mittelpunkt davon. Aber, dass sich die Welt so anpassen muss, damit die Geschichte möglichst egozentrisch wird, verstehe ich nicht. Weder als SL, noch als Spieler.

Und ja, ich schicke auch keine Gruppe von Piraten auf eine One-shot-Wüstenexpedition, aber es gibt Geschichten zu erleben und als welcher Charakter du da hineinstolperst ist tatsächlich Zufall (wie im Leben) und nicht so wichtig. Du löst die Probleme mit den Fähigkeiten, die dir gegeben sind. Wie auch sonst?

Das bringt es auch für meine Spielweise wunderbar auf den Punkt. Die Welt ist da und natürlich überlege ich mir Ansätze, die den Spielern einen Einstieg in eine Geschichte bieten könnten, ich zimmere diese aber nicht auf die Fähigkeiten eines Spielers hin. Meine Erfahrung lehrt mich: Die Ansatzpunkte da mit ihrem Möglichkeiten zurecht zu kommen, finden die Spieler ganz von alleine. Das beinhaltet natürlich immer auch, dass sie ein Problem eben nicht lösen oder sich einer Situation nicht stellen. Ein Beispiel dazu:

Eine relativ neue Gruppe suchte Nachts Schutz vor dem Regen in einer teils verfallenen herrschaftlichen Villa. Da geschahen dann so manche leise aber doch gruselige Dinge. Ein Spieler meinte dann: „Also ich weiß ja, dass du da wohl eine Geschichte versteckt hast. Aber mein Charakter würde jetzt am liebsten einfach nur davonrennen." Darauf meinte ich: „Spiel ihn, wie du das willst.“ Und er: „Waaaaaaaaahhh!“ und die anderen hinterher. Wir haben herzlich gelacht (und damit die gruselige Anspannung aufgelöst) und die Spieler hatten sich ein Stück weiter in ihre Figuren eingefühlt – ein schöner Spieltag.

Denn im Sinne von Boba Fett ist eine neue Spielfigur vielleicht in ihren Daten klar angelegt, aber der Charakter ist deshalb noch lange nicht fertig. Ich tendiere darum auch dazu zu Beginn nicht all zu viel an Dingen zu Letzterem festzulegen. Der Spieler hat eine Vorstellung, aber die kann und wird sich im Verlauf des Spiels ändern. Gerade das ist doch eine ungemein spannende Geschichte.

Ob das nun „neu“ proaktiv ist oder „alt“ eine Sandkastenvariante, traue ich mich nicht festzulegen.

Offline Tudor the Traveller

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Kurz vorm Urlaub wird mein Kopf scheinbar
Im Kern ist der Ansatz eigentlich der, dass sich alles um die Charaktere und ihre Ziele dreht. Die Spieler definieren hierbei (kurz-, mittel- und langfristige) Ziele ihrer Charaktere und darum dreht sich dann eigentlich die ganze Runde. Der SL wiederum hat die Aufgabe Hindernisse zu den Zielen zu bauen bzw. letzten Endes die Abenteuer hierzu zu gestalten. D.h. ein wenig liegt die Arbeit insofern bei den Spielern, als dass sie quasi vorgeben, was sie als nächstes spielen/angehen möchten und der SL kann sich dann daran machen und das Szenario ausarbeiten oder eben improvisieren.

Wenn das die Kernaussage dieser Herangehensweise ist, habe ich meine Zweifel, dass das in der Praxis gut funktioniert.

Für ein längerfristige Spiel benötigt jede Gruppe ein verbindendes Element. Das liefert für die Gruppen, die ich kennengelernt habe, meistens der Plot. Weil die SC da mal mehr mal weniger zufällig mit konfrontiert sind als diejenigen, die das Problem lösen müssen. Und dafür sind die in der Regel aufeinander angewiesen.

Wir kennen dabei alle diese Diskussionen, wie jetzt Paula Paladin ausgerechnet mit einem Dieb und einem Barbar durch die Gegend ziehen sollte. Die imo häufigste Lösung ist dabei, dass sie anfangs eben im gleichen Boot sitzen und sich zusammen raufen müssen. Danach kennt man sich und es läuft eigentlich ganz gut, also macht man weiter, man hat ja eh nichts besseres vor. Oder die Kampagne lässt einen gar nicht aus dem Boot raus.

Wenn jetzt individuelle Charakterziele die Handlung treiben, braucht es ein solches verbindendes Element. D.h. imo, dass es ein übergeordnetes gemeinsames Ziel oder eine andere Verbindung geben muss (z.B. ein Versprechengegenseitiger Unterstützung). Anderenfalls wüsste ich nicht, warum die Gruppe der SC zusammen bleiben sollte. Und da bin ich skeptisch, dass sich so ein verbindendes Element nicht schnell konstruiert anfühlt.

1. Um wen soll sich das Ganze denn sonst drehen, wenn nicht um die SC?

Das jetzt als besonders spektakulär zu hypen, kann ich mir nur so erklären, dass es da draußen noch immer genug Spielleiter gibt, (die sich in ihre Abenteuer verlieben), und für die die Figuren ihrer Spieler austauschbar sind.

Das muss auch gar kein böser Wille sein, schließlich funktionieren viele Kaufabenteuer genau so.
Das Abenteuer steht, die Figuren sind austauschbar.

M.E. sind in den allermeisten Geschichten die Figuren ziemlich austauschbar. Nimm mal den Herrn der Ringe. Weder für Frodo noch irgendwen sonst stehen persönliche Ziele im Vordergrund. Klar, ein paar Dinge wären mit anderen Figuren nicht möglich, z.B. die Sache mit Aragorn und Gondor. Aber die wesentliche Handlung wäre imo auch mit anderen Figuren sehr ähnlich.
« Letzte Änderung: 5.09.2024 | 09:52 von Tudor the Traveller »
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"Da ist es mit dem Klima und der Umweltzerstörung nämlich wie mit Corona: Wenn man zu lange wartet, ist es einfach zu spät. Dann ist die Katastrophe da."

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Offline nobody@home

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Daß eine Gruppe von Charakteren, die längerfristig zusammen gespielt werden wollen, besser auch ein paar gemeinsame Gruppenziele haben sollte, ist mMn einigermaßen trivial. Das läßt sich aber mit Spielern, die auf gemeinsames Spiel mit genau diesen fiktiven Typen Wert legen, normalerweise (klopf auf Holz) auch recht einfach arrangieren.

Das bringt mich auf zwei Punkte, um die es meinem Verständnis nach beim "proaktiven" Spiel per Voreinstellung gerade nicht gehen sollte:

1.) Triviale Erfüllung von Charakterwünschen. Abgesehen davon, daß das Charaktere und Spieler in einen Topf wirft, dann kräftig umrührt und dabei geflissentlich ignoriert, daß Spieler und Charakter ja von vornherein schon durchaus unterschiedliche Ziele haben können, lebt "Abenteuer" ja gerade von den Problemen, mit denen es so ein Protagonist zu tun bekommt, während er andere Absichten verfolgt.

2.) Zuschanzen von möglichst viel Spotlight an Rampensäue oder SL-Favoriten. Das ist eine Falle, in die ich als SL im Prinzip tappen kann, wenn ich einen zu starken Tunnelblick speziell auf die Interessen einzelner Spieler entwickle und darüber aus dem Auge verliere, daß der Rest der Gruppe ja auch noch mit am Tisch sitzt. Es ist aber schon einigermaßen wichtig, daß die Spielgruppe (SL eingeschlossen) als Ganzes ein paar gemeinsame Vorstellungen davon hat, wo die Reise hingehen soll.

Dabei kann "Warten wir mal ab, mit was für einem Abenteuer die SL uns als nächstes bewirft" als gelegentliche Spielerstimmung absolut ganz unproblematisch sein. Schwierig wird das proaktive Spiel aber dann, wenn entweder die Spieler über eine zunehmende Zahl an Sitzungen nie etwas anderes wollen oder aber die SL nie etwas anderes zuläßt.

Online Namo

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Diese «neue» Art des Rollenspiels geht weiter als die Sandbox, da sie nicht nur offen ist (im Stile von: hier Sandkasten, gehe hin, wo du willst und tue, was du willst). Sie sagt sogar: Du willst einen Drachen zähmen? Dann ist da natürlich ein Drache. Was für ein Drache soll es denn sein? Are you happy, yet? Oder du willst ein mächtiges Artefakt wiederfinden? Selbstverständlich kannst du das Höhlensystem erkunden und am Ende den magischen Kristall finden. Bei mir ist es dann aber so: In der Zwischenzeit trägt leider niemand den Ring nach Mordor und die Welt geht unter.

Nein, ganz so ist das ja eben gerade nicht aufgebaut. So wie ich es verstanden habe - und ich muss das Buch eben auch nochmal lesen - ist die Idee ja geteilt und dennoch verwoben mit einer etwaigen Kampagnenhandlung. Als extrem verkürztes Beispiel zu deinem Beispiel um es etwas verständlicher zu machen:

Das Ziel des Charakters ist einen Drachen zu zähmen. Das wäre das Endziel - darauf arbeitet der Charakter also hin. Das würde er dann also mit Stufe 15 oder 20 z.B. erhalten. Auf dem Weg dorthin muss er aber erstmal genügend Zwischenziele erreichen bzw. dann auch definieren.

Also z.B. Wo finde ich eigentlich einen Drachen? Wie mache ich das überhaupt etc.? Das heißt der vom Spieler definierte Zwischenschritt 1 könnte sein, dass er erstmal Bibliotheken/Gelehrte oder ähnliches mit Hinweisen zu der Thematik besucht.

Jetzt findet er einen Hinweis, dass Bibliothek XY angeblich ein Buch darüber hat. Er kommt dort an und sie ist niedergebrannt von Orklplünderern whatever. Er erfährt, dass der Gelehrte XY wohl von den Orks verschleppt wurde und das Wissen aller Bücher im Kopf hat. Er versucht ihn zu retten und findet heraus, dass es den "bösen" Schurken Z gibt, der das Land erobern möchte und dazu selbst einen Drachen beherrschen möchte, da dieser die ultimative Waffe ist. So verwebt sich dann der Hintergrund des Charakters mit dem eigentlichen Kampagnenhintergrund.

Ähnlich werden dann die Geschichten der anderen Charaktere verwoben. Als Beispiel wurde im Buch z.B. genannt - ein Charakter hat ein altes Familienartefakt von dem aber keiner weiß was es genau ist und wie es funktioniert. Aber es ist voller Magie und der Charakter möchte in einer Bibliothek etc. etwas hierzu heraus finden und so hat auch er Interresse daran den entführten Gelehrten zu finden (im Buch ging es im Beispiel konkret um den einen Ring und Frodo. Im Rollenspiel wäre es viel mehr darum gegangen heraus zu finden was denn dieses Artefakt ist und was es kann. Und das als Endziel für den Charakter).

Ich kann das natürlich nicht ganz so darstellen wie im Buch. Dort hat sich das halt auch einfach viel organischer gelesen wie man das umsetzen und leben kann. Eben nicht unbedingt nach Charaktersandbox wie es sich hier ein wenig liest, sondern dennoch auch mit einer Kampagne/Geschichte bei der auch der SL Spaß hat. Denn der soll imho ja schon auch seinen Spaß haben und nicht nur Unterhalter der Spieler sein.

Und es geht nicht darum den Spielern alles ihre Allmachtsfantasien und Wünsche zu erfüllen. Sie sollen etwas dafür tun. Der Weg definiert sie auch weiter als Charaktere.

Ich denke bei dieser Art zu spielen ist es noch wichtiger als bei anderen Spielarten das die Gruppe einfach passt.

Das sehe ich auch als unbedingt wichtig an. Denn zwangsweise wird ja der ein oder andere Charakter an bestimmten Abend ein vermehrtes Spotlight haben bzw. es muss auch die Notwendigkeit geben, sich mal einem Charakter anzuschließen als Gruppe und ihn zu unterstützen bei seiner Queste. Das muss dann von den Spielern her aber eben auch den Charakteren her passen.
« Letzte Änderung: 5.09.2024 | 12:29 von Namo »
spielt: mit den Gedanken

Online Namo

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Tja wenn ich nicht schon mal so geleitet hätte und es schlechter funktioniert hat als "klassisch" zu Leiten. Ich bin allerdings sicher das es gut funktionieren kann Proaktiv zu spielen. Nur sind meine Spieler nicht dafür geeignet bzw. wollen nicht ihre Komfortzone verlassen. Zwar haben deren Charaktere zwar Ziele, aber sie versuchen sie irgendwie nicht richtig zu verfolgen.

Als ich meine ersten Gehversuche als DM hinter mir hatte, hab ich eine neue Gruppe gestartet. Die hatte ich von Anfang an Proaktiv geleitet, hat auch ganz gut funktioniert. Nur irgendwann haben die Spieler die Lust an ihrer eigenen Story verloren und wir haben gemeinschaftlich neu Angefangen, ein vorgefertigtes lineares AB zu spielen. Wo die allgemeine Meinung war das es so schöner ist zu Spielen.
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Ich Plane aber für vermutlich nächstes Jahr eine dritte Runde aufzubauen. Dort will ich die PF2 Königsmacher Kampagne Leiten. Die kann man als Sandbox mit Checkpoints auslegen und bietet sehr viel Platz für Proaktives Rollenspiel mit einem Mantel einer vorgegebenen Story. Ich hoffe das ich dort das beste aus beiden Welten Kombinieren kann. Dort werde ich dann auch entsprechende Sorgfalt bei der Spielerauswahl walten lassen. Damit ich Spieler habe, die eben Spaß dran haben ihren Charakter Proaktiv zu spielen. Bin sehr gespannt wie das Experiment ausgeht.

Das kann ich sehr gut nachvollziehen und mache ähnliche Feststellungen auch schon bei meiner Gruppe. So sind das nur drei Spieler - was der Sache natürlich enorm hilft - aber jeder komplett unterschiedlich. Tatsächlich schätze ich die z.B. so ein, dass die auf Sandboxspiel überhaupt keinen Bock haben, da ihnen etwas definierendes fehlen würde. Die mögen eine durchgängige Handlung. In die sie zwar selbst eingreifen und Dinge bewegen können, aber sie mögen die durchgängige Story. D.h. letzten Endes hätten die mit railroading Szenen auch wenig Probleme so lange sie gut sind. So lange es auch in der Charakterwelt irgendwie logisch erscheint, haben sie auch für sich keine Probleme damit, als Gruppe gemeinsam ein Ziel zu verfolgen, auch wenn es vielleicht Charaterplots gäbe die eigentlich wichtiger wären.

Ich hatte es an anderer Stelle schon geschrieben - zwei Charaktere sind jetzt mehr mit ihrem Hintergrund miteinander verwoben und ihre Spieler finden das ziemlich gut und folgen der Story nun. Der dritte im Bunde hätte eigentlich auch seine eigenen Themen, spielt seinen Charakter aber umgekehrt auch so aus dass es passt. Von der Hintergrundgeschichte spielt er einen Elben und dieses Volk ist in meinem Setting extrem selten und eigentlich auch nicht gerne gesehen von der menschlichen Bevölkerung. So ist es für seinen Charakter so, dass er für sich Freunde in den beiden anderen Charakteren gefunden hat und seine Ziele erstmal den Zielen seiner Freunde unterordnet. Und das wirkt stimmig und macht Spaß.

Am Ende versuche ich aber genau das zu machen, was du als nächstes angehen möchtest. Sämtliche Charakterziele sind verwoben mit dem großen Hintergrund der Kampagne, so dass noch eine "übergeordnete" Haupthandlung existiert, die "neutral" ist und als gemeinsames Partyziel betrachtet werden kann ohne dass es explizit um den Hintergrund des einzelnen Charakters geht. Denn nur rein Charakterhintergründe auszuspielen halte ich ab einem gewissen Punkt dann auch wieder für schwierig bzw. nicht ganz so spannend. Wobei das Buch hier in die Richtung viel klarer ist und eben nicht trennt und sagt dass es nur um die Charakterhintergründe geht. Es soll eben auch um eine gemeinsame Geschichte gehen, denn sonst wird es z.B. schwierig alle betreffende und berührende Antagonisten zu schaffen.
Zumindest dürfte das in meiner Runde so sein. Ich bin gespannt wie in die Richtung die nächsten Sitzungen laufen werden. Gerade die übernächste Sitzung wird z.B. sehr stark in Richtung proaktives Rollenspiel gehen und ich bin gespannt wie es werden wird und die Spieler darauf reagieren werden.
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Offline nobody@home

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Ähnlich werden dann die Geschichten der anderen Charaktere verwoben. Als Beispiel wurde im Buch z.B. genannt - ein Charakter hat ein altes Familienartefakt von dem aber keiner weiß was es genau ist und wie es funktioniert. Aber es ist voller Magie und der Charakter möchte in einer Bibliothek etc. etwas hierzu heraus finden und so hat auch er Interresse daran den entführten Gelehrten zu finden (im Buch ging es im Beispiel konkret um den einen Ring und Frodo. Im Rollenspiel wäre es viel mehr darum gegangen heraus zu finden was denn dieses Artefakt ist und was es kann. Und das als Endziel für den Charakter).

So etwas in der Art ist mir auch mal als Charakterkonzept im Kopf herumgegangen. So in der Art "Mein Charakter ist der letzte McGuffin, von dem er weiß, und legitimer Erbe des magischen Familienamuletts, dessen Kräfte er aber noch lange nicht komplett beherrscht. Außerdem ist er auf der Suche nach seinem verschollenen Vater und stößt dabei auf diverse Fieslinge, die es aus verschiedenen Gründen auch auf das Amulett abgesehen haben..."

Inwieweit dieser spezielle Charakter dann in eine Gruppe passen würde, hinge mit von den anderen Teilnehmern ab. Denn in eine Kampagne, bei der sich von vornherein abzeichnete, daß 'mein' Plot nicht genügend Luft zum Atmen bekäme, bräuchte ich den natürlich erst gar nicht mitzunehmen, und umgekehrt will ich auch niemandem sonst dessen Schau stehlen -- also wäre die Frage, ob ich ihn überhaupt spiele oder nicht doch ein anderes Konzept aus dem Ärmel schüttle, mit Teil der Verhandlungsmasse.

Offline Issi

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M.E. sind in den allermeisten Geschichten die Figuren ziemlich austauschbar. Nimm mal den Herrn der Ringe. Weder für Frodo noch irgendwen sonst stehen persönliche Ziele im Vordergrund. Klar, ein paar Dinge wären mit anderen Figuren nicht möglich, z.B. die Sache mit Aragorn und Gondor. Aber die wesentliche Handlung wäre imo auch mit anderen Figuren sehr ähnlich.
Frodo ist ein unbeschriebenes Blatt.
Ein überaus menschlicher Charakter, wie Hobbits im allgemeinen (Naturverbunden, Heimatverbunden, kleine Genießer, die das einfache Leben zu schätzen wissen)
Damit ist er das ideale Vehikel für die Leser und Zuschauer, da sich so gut wie jeder mit ihm identifizieren kann.
(Wer isst nicht gerne leckere Dinge ? Und wer hätte nicht gerne ein gemütliches Zuhause in einer friedlichen Umgebung?)
Eben das gilt es letztlich auch zu verteidigen.

Edit folgt
Die Botschaft ist ja im Grunde die, dass es Situationen (Bedrohungen) geben kann, in denen sich auch die einfachen Leute nicht mehr raushalten können.
Dazu kommt, dass Hobbits ihr Auenland idR. nicht verlassen, und den Rest der Welt quasi erst entdecken müssen, genau wie die Leser.
Wenn man zudem davon ausgeht, dass die meisten Leser/Zuschauer keine abgebrühten Superstars sind, sind Hobbits quasi ideale Figuren.

Für Fantasywelten bieten sich tatsächlich Figuren an, die sich
1. Noch fürchten können
2. menschlich zeigen
3. In der Welt noch ebenso wenig auskennen, wie der Leser/ Zuschauer selbst.
« Letzte Änderung: 5.09.2024 | 14:04 von Issi »

Offline Raven Nash

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Damit ist er das ideale Vehikel für die Leser und Zuschauer, da sich so gut wie jeder mit ihm identifizieren kann.
Ich konnte die Hobbits generell nie leiden, nichtmal mit 13, als ich den Herrn der Ringe zum ersten Mal gelesen hab. Und wie eigentlich bei jedem, mit dem ich je darüber geredet hab, war meine Lieblingsfigur Aragorn.
Ich hab ja den Verdacht, dass nur die Leute Hobbits toll finden, die keine realen Bauern kennen...

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jeder ersetzbar ist. Im Real Life wie im RPG.
Im Verlauf einer Kampagne - gerade in einer Sandbox - sollte sich das Ensemble auch irgendwann verändern. Wie bei einer TV-Serie sollte der ein oder andere Charakter auch mal sterben oder schlicht ausscheiden, sonst wird's zu einer Soap (und ich hasse Soaps...).
Aktiv: Vaesen
Vergangene: Runequest, Cthulhu, Ubiquity, FFG StarWars, The One Ring, 5e, SotDL, LevelUp! A5e, Dragonbane
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Offline nobody@home

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Ich hab ja den Verdacht, dass nur die Leute Hobbits toll finden, die keine realen Bauern kennen...

Frodo ist ja auch kein Bauer. Der ist, wenn ich mich recht entsinne, genauso wie Merry und Pippin eher so was wie hobbitscher Flachadel -- hat nicht unbedingt große formelle Autorität, aber doch ein relativ sorglos-bequemes Leben, ohne daß man je sieht, wo das Geld dazu eigentlich herkommt. Von "niederem" Stand ist in der ganzen Gruppe eigentlich nur Sam, und der wiederum hat's durch seine gute Beziehung zu Herrn Frodo seinerseits nicht ganz schlecht.

Klar, nicht jeder muß romantisierte Engländer aus Serien wie "Der Doktor und das liebe Vieh" im Halbmaß unbedingt mögen, und so viel mehr sind Hobbits denn ja auch nicht. :) Aber für den Zweck der jeweiligen Geschichten, auch des HdR, kann ich mit ihnen leben.

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Die Hobbits haben 4 mal erfolgreich verhindert, dass ich Herr der Ringe gelesen habe. Beim 5. Versuch bin ich dann über den Beginn in Hobbingen hinaus gekommen  ~;D Also mit identifizieren war da nicht viel bei mir.
spielt: mit den Gedanken

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Jedenfalls ist, denke ich, eins richtig: speziell Frodo ist kein besonders proaktiver Charakter. Der wird definitiv mehr von den Umständen durch die Gegend gescheucht, und auch, wenn er dazu nach Kräften eine gute Miene macht, hat er weniger klare eigene Ziele als selbst sein Diener Sam (der einfach nur die Sache hinter sich bringen, mit Herrn Frodo wieder ins Auenland zurückkehren, und sein Mädel heiraten will).

Inwieweit das jetzt ihre jeweiligen Spieler reflektiert, ist natürlich Spekulation. ;)

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Um auf die Eingangsfrage einzugehen (ohne das Buch gelesen zu haben, nur von dem was ich hier entnehme):

Die grundsätzliche Unterscheidung für mich ist, sind die Charaktere proaktiv und frei bezüglich ihrer Handlungen in der Welt? Dann ist es eine Sandbox.
Oder sind die Spieler:innen proaktiv und (bis zu einem gewissen Grad) frei in ihrer Mitgestaltung der Kampagne und der Welt auf einer Meta-Ebene (wie es hier in einigen Beispielen genannt wurde)? Dann ist es Player Empowerment.

Beides KANN gleichzeitig auftreten, muss es aber nicht. Beides ist wie schon gesagt wurde nicht neu.

Ich kann eine Sandbox haben, bei der nur die SL auf der Metaebene operiert und die Spieler:innen nur auf Charakterebene (typisches OSR-Spiel).
Ich kann aber auch Spiele haben, bei denen die ganze Gruppe auf der Metaebene agiert, aber die Optionen der Charaktere eingeschränkt sind (weil man sich z.B. auf grundlegende Faktoren geeinigt hat).

Als weitere (und wohl recht häufige) Variante gibt es die Möglichkeit, dass die SL die Kampagne auf den von den Spieler:innen definierten Charakterhintergründen aufbaut, nach dem Kampagnenstart die Spieler:innen aber keine Mitsprache mehr auf der Metaebene haben.


Und zum Hobbits-Subthema  ;): Der Reiz an den Hobbits ist für mich, dass sie sich einer Situation und Herausforderungen stellen, die weit über ihrem Level sind, und daran wachsen und sich verändern.
Aragorn ist am Anfang der Auserwählte (Isildurs Erbe und Numenorer-Übermensch) und er ist am Schluss genau derselbe, nur mit Zauberschwert, Krone und Elfenprinzessin (die er eigentlich auch von Anfang an hat). Damit ist er für mich genauso mäßig interessant wie Space Marines bei WH40k. Beides sind einfach Teenager-Powerfantasien.  ~;D

Jedenfalls ist, denke ich, eins richtig: speziell Frodo ist kein besonders proaktiver Charakter
Jein. Frodo ist zu dem Zeitpunkt (bzw. ab dem Zeitpunkt) ein proaktiver Charakter, als er sagt "Keinem von euch ist mit dem Ring zu trauen, ich mach mich alleine auf den Weg". Aragorn hat meiner Meinung nach nur eine proaktive Handlung, als er sich entschließt, zum Tor von Mordor zu ziehen, um Frodo Zeit zu erkaufen.
Letztendlich ist es aber natürlich etwas müßig, das zu klassifizieren, weil es Romanfiguren und damit per Definition nicht proaktiv im Rollenspielsinne sind. Relevant wäre es, wenn es Spieler:innen gäbe, die Entscheidungen treffen oder aktiv Charakterthemen einbringen.
« Letzte Änderung: 5.09.2024 | 15:13 von aikar »
Für Fans von Aventurien, denen DSA zu komplex ist: Aventurien 5e: https://aventurien5e-fanconversion.de/

Offline Kurna

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Zitat
Zitat von aikar:
Jein. Frodo ist zu dem Zeitpunkt (bzw. ab dem Zeitpunkt) ein proaktiver Charakter, als er sagt "Keinem von euch ist mit dem Ring zu trauen, ich mach mich alleine auf den Weg". Aragorn hat meiner Meinung nach nur eine proaktive Handlung, als er sich entschließt, zum Tor von Mordor zu ziehen, um Frodo Zeit zu erkaufen.
In den Palantir zu schauen, würde ich bei Aragorn mindestens auch noch als proaktiv zählen.
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Online Namo

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Jedenfalls ist, denke ich, eins richtig: speziell Frodo ist kein besonders proaktiver Charakter. Der wird definitiv mehr von den Umständen durch die Gegend gescheucht, und auch, wenn er dazu nach Kräften eine gute Miene macht, hat er weniger klare eigene Ziele als selbst sein Diener Sam (der einfach nur die Sache hinter sich bringen, mit Herrn Frodo wieder ins Auenland zurückkehren, und sein Mädel heiraten will).

Inwieweit das jetzt ihre jeweiligen Spieler reflektiert, ist natürlich Spekulation. ;)

Der klassische proaktive Charakter in dem ganzen ist eigentlich Aragorn "ich bin ein verlorener Königssohn, wehre mich aber gegenüber meinem Schicksal. Zusammen mit meinen Boyz bekämpfe ich Orks in Eregion - und zack stolpert er über den Frodospieler.
spielt: mit den Gedanken

Offline Boba Fett

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Man sollte eines nicht vergessen:
   Die Leute, die gemeinsam am Tisch sitzen, die wollen spielen.
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Die haben sich nicht überreden lassen, weil sie nichts besseres zu tun haben und werden auch nicht nach Stunden bezahlt...
Man trifft sich und will was zusammen machen - spielen, was erleben...
Wenn der Spielleiter nun was präsentiert, dann steigen die Spieler mit ihren Charakteren normalerweise immer auf das Angebot ein.

"Entschuldigung, aber nein, das Angebot, ein Abenteuer zu erleben, berühmt und reich zu werden, muss ich ablehnen, mein Charakter hat noch Termine und das Angebot fixt mich nicht an, weil es kommen keine rosa Hasen vor und mein Charakter ist wirklich nur und ausschließlich an rosa Hasen interessiert."
So etwas macht doch keiner mehr. Oder wenn doch, dann ist der Mitspielende selbst schuld, wenn er heimgehen darf und die anderen ohne Ihn Spaß haben.

Klar ist es cool, wenn das Gespielte es schafft, die Interessen zu triggern und genau so sollte ein Spielleitender es auch beachten, die Interessen einzuholen und daraus was zu machen oder seine Ideen entsprechend passend anzupassen. Denn
"We are the honorable knights of the round table!" - "Dieses wird eine Diebeskampagne!" ..ist genauso blöd.

Letztendlich trifft sich doch wieder alles in der Mitte. Die Leute (Spielleitende inkludiert) haben Ideen, Vorstellungen, Erwartungen und Wünsch und daraus schneidert man eine möglichst elegant sitzende Melange die für jeden was bietet.
« Letzte Änderung: 5.09.2024 | 16:05 von Boba Fett »
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Offline Raven Nash

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Und zum Hobbits-Subthema  ;): Der Reiz an den Hobbits ist für mich, dass sie sich einer Situation und Herausforderungen stellen, die weit über ihrem Level sind, und daran wachsen und sich verändern.
Aragorn ist am Anfang der Auserwählte (Isildurs Erbe und Numenorer-Übermensch) und er ist am Schluss genau derselbe, nur mit Zauberschwert, Krone und Elfenprinzessin (die er eigentlich auch von Anfang an hat). Damit ist er für mich genauso mäßig interessant wie Space Marines bei WH40k. Beides sind einfach Teenager-Powerfantasien.  ~;D
Verändern tut sich in Wahrheit keiner von Tolkiens Charakteren. Aragorn hat am Anfang keinerlei Machtbefugnis - nirgendwo. Nichtmal in Bruchtal hat er was zu sagen. Auf sein Erbe gibt ihm keiner auch nur einen Laib Brot. Am Ende kriegt er einfach das, was ihm von Anfang an zusteht.
Und die Hobbits sind am Ende genauso bäurischer Landadel, wie am Anfang. Nur mit PTBS.  >;D

Proaktiv ist in Wahrheit auch keiner. Der einzige proaktive Charakter ist Sauron - der treibt seine Pläne tatsächlich voran.

Ist doch auch im RPG so: ohne einen proaktiven BBG gibt es eher wenige Abenteuer. Je nach Einflussbereich dieses BBG sind die dann eben größer oder kleiner. Oder es gibt mehrere BBG, die alle ihre eigenen Ziele verfolgen.
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Offline Issi

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In vielen "Geschichten " starten die Protagonisten als Unbekannte um sich im Lauf der Story zum Helden zu entwickeln.

Die Frage ist für mich deshalb vielmehr:
Wer denkt sich bessere Situationen aus,  um den Rohdiamanten zu schleifen :
Die betroffenen Spieler oder der Spielleiter ?
(Solche Dinge können ja uU. auch unangenehm und lebensgefährlich für die SC sein.)

Meine These: Kann man nicht pauschal sagen.
Manche Spieler sind da mutiger andere nicht.

Will sagen: Proaktiv sein ( im Sinne einer  echten Herausforderung)ist nicht für jeden was.

Edit.
Es gab zum Beispiel schon etliche Situationen in denen ich froh war, dass sich der Spielleiter die Gemeinheiten ausgedacht hat, mit der meine Figur herausgefordert wurde.
Erstens war es dann noch überraschend.
Zweitens neigen Viele Spieler dazu, ihre Figur besonders zu schützen
« Letzte Änderung: 5.09.2024 | 17:21 von Issi »

Online Namo

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Proaktiv ist in Wahrheit auch keiner. Der einzige proaktive Charakter ist Sauron - der treibt seine Pläne tatsächlich voran.

Ist doch auch im RPG so: ohne einen proaktiven BBG gibt es eher wenige Abenteuer. Je nach Einflussbereich dieses BBG sind die dann eben größer oder kleiner. Oder es gibt mehrere BBG, die alle ihre eigenen Ziele verfolgen.

Ich mag es jetzt nicht ewig an HdR aufhängen, aber tatsächlich wird sich gelegentlich im Buch darauf bezogen als Beispiel. Insofern stimmt die Aussage hier nicht bzw. ist vielleicht nicht unbedingt klar worauf die Idee hinaus möchte. Proaktiv in dem Sinne meint eben, dass es die Spieler sind die Ziele fortwährend ausgeben. Sie agieren und die Welt/der BBEG reagiert. Aragorn zeigt sich Sauron, dem bis dahin nicht klar war, dass der echte Erbe des Königsthrons zurück ist. Sauron reagiert in diesem Moment auf Aragorn und entscheidet seine Heere los zu lassen und Minat Tirith zu vernichten, so dass es keinen Thron mehr für Aragorn zu übernehmen gibt. Aragorn entscheidet sich also wiederum zu versuchen die Eidbrecher auf seine Seite zu ziehen um Minas Tirith zu retten. Was letztlich gelingt. Aragorn entscheidet weiter, dass sie Sauron ablenken müssen und daher aufs schwarze Tor zureiten mit allem was sie noch haben. Wieder muss Sauron auf seine Aktion reagieren. Da ist relativ viel proaktives drin.

Und das ist irgendwo der Kern. Möglichst soll es sich etwas spiegeln. Die Spieler reagieren nun nicht mehr auf die Taten des BBEG sondern die Antagonisten reagieren auf die Charaktere, da diese plötzlich in ihren Plänen auftauchen und diese kreuzen. Und so wiederum wird gemeinsam eine Geschichte erschaffen, da der SL natürlich dennoch die Abenteuer erschafft und die BBEG reagieren lässt.

Ich für mich muss da an dieser Stelle auch klar eine Abgrenzung machen. Für mich ist das keine Bibel oder DIE neu Art wie man spielen muss. Das kann es ja gar nicht geben, da auch absolut Gruppenabhängig. Mir persönlich geht das auf die Spitze getrieben auch ein wenig zu weit bzw. wird sich nicht so krass bis Ultimo durchgezogen. Aber eben eine Art die für Belebung in einer lange laufenden Gruppe sogen kann. Es ist wie Boba schreibt - für mich persönlich läge die Wahrheit absolut in der Mitte. Aber daher ja auch die Idee zu diesem Thread.

Umgekehrt stellen sich manche es hier glaub ich auch zu krass vor. Natürlich gibt es so etwas wie ein Rundenvertrag. Der SL gibt z.B. grundsätzlich die Welt mit Informationen vor in der alles spielen soll, damit die Spieler eine Vorstellung haben welche Charaktere darin passen. Und natürlich soll es ein gemeinsames Spiel mit Spaß sein. Also ist die Idee, dass sich die Spieler schon auch kompatible Charaktere schaffen. Ein Charakter der als Background hätte "ich raube alle Helden der Welt aus - also auch meine Mitspieler" passt dann eben nicht in eine heroische Fantasygruppe. Und natürlich "verpflichten" sich die Spieler eben auch die Abenteuer anzunehmen und gemeinsam anzugehen. In etwa schon auch was Boba schreibt. Sie geben zwar die Ideen vor was ihre Charaktere im Rahmen ihres nächsten Zieles machen möchten, aber der SL entwickelt was passiert und wie die Welt reagiert. Er schafft die Hindernisse etc. Denn ohne die kann es keine Belohnung geben. Und die Ziele entwickeln sich eben auch weiter mit ihrer Erfüllung.

Als Beispiel dafür wird vereinfacht erläutert:
Grundcharakterziel: Wir wollen den Hort vom bösen Drachen erobern und reich werden.
Zwischenziel: Hm, wir brauchen den legendären Schmied, der uns eine Drachenlanze schmieden kann. Also suchen wir den.
Grundziel erreicht: Yippie, der Schatz ist uns. Aber was passiert hier? Der Drache ist tot und Orks und Ungetier strömt herbei um den Schatz für sich zu nehmen. Wir müssen ihn verteidigen! - und es folgen weitere Zwischenziele um das neue Ziel "Schatzverteidigung" zu schaffen.

D.h. in dem Beispiel haben zwar am Ende ihr Ziel erreicht, aber damit ist es nicht am Ende. Denn auf ihre Aktion folgt eine Reaktion der Welt - hier dann eben ein Orkstamm der sich den Schatz schnappen möchte da der Drache weg ist.

Bzw noch ein Edit: imho benötigt es dazu insgesamt kreative Spieler die das so auch wollen. Ich sehe zB in meiner Gruppe die im Buch propagierte Idee, dass die Spieler letzten Endes die ganze Geschichte erschaffen nicht. Da möchte schon auch konsumiert werden.

 
« Letzte Änderung: 5.09.2024 | 17:29 von Namo »
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Offline Tudor the Traveller

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Leute, ihr habt den Punkt, warum ich das HdR Beispiel gebracht habe, völlig verpasst. Ich habe gesagt, dass die Geschichte nicht von den persönlichen Zielen der Figuren getrieben wird. Und deshalb sind sie relativ austauschbar. Es hätten z.B. genauso gut Legolas und Gimli den Ring nach Mordor tragen können und man müsste die Story kaum umschreiben.
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Offline Jiba

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Ich hab ja den Verdacht, dass nur die Leute Hobbits toll finden, die keine realen Bauern kennen...
Ich bin auf dem Land großgeworden und liebe die Hobbits. Die sind das Herz des Buches.

Zitat
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jeder ersetzbar ist. Im Real Life wie im RPG.
Jeder ist jemand oder etwas für jemand anderen. Also ist niemand ersetzbar.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini