Autor Thema: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas  (Gelesen 1154 mal)

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Offline Swanosaurus

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[Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« am: 11.08.2024 | 14:30 »
Um mein Spanisch-Niveau zu erhalten oder zu verbessern, habe ich beschlossen, mir eine Rollenspiel-Schwarte zuzulegen und sie zu lesen. Und weil Tierras Quebradas https://edicionestyt.com/products/tierras-quebradas-aventuras-entre-la-ley-y-el-caos mich so angelacht hat, habe ich es mir gleich mit sämtlichen Supplements besorgt.

Gleich in der Einleitung gibt der Autor offen zu, dass sein System erst einmal ein auf Cyberpunk 2020 basiertes Hausregelwerk für Sturmbringer/Die jungen Königreiche war und auch in diesem Setting gespielt wurde. Als ihm klar wurde, dass das Spiel sich durchaus publizieren ließe, entwickelte er mit den "Tierras Quebradas" (etwa: Zerrissene Lande) sein eigenes Setting, und um das schon mal vorwegzunehmen: Es fängt den Geist von Moorcocks Vorlage in vielerlei Hinsicht großartig ein, viel besser als die meisten anderen Elric-inspirierten Rollenspiele - so gut, dass der Autor sich den einen oder anderen größeren Twist leisten kann, ohne die Anbindung an die Vorlage zu verlieren.

Kurz vorweg: Gedruckt habe ich die erste Edition, werde aber beim Lesen auf die aktuelle Revised Edition als pdf wechseln, die wohl regelseitig eine Edition 1.5 ist. Am Settingteil hat sich allerdings nichts geändert.

Das Buch fängt mit 15 Seiten recht süffiger Opening Fiction an, mehrere Geschichtenfragmente, die den aktuellen politischen Zustand der Welt anreißen (der dann in der Folge nochmal beschrieben wird): Die Zentralmacht der bespielten Welt ist das Patriarchat, ein autoritärer bis faschistoider Kirchenstaat im Dienste der Götter der Ordnung, in dessen meisten Provinzen die einfachen Leute bis aufs Blut ausgebeutet werden. Erzfeind des Patriarchats ist das Scharlachrote Imperium, das derzeit auf eine große Insel zurückgedrängt ist und dessen Herrscherin sich mit den Göttern des Chaos in eine unsterbliche Schreckenskreatur verwandelt hat. Hinter der Entstehung dieser beiden Erzfeinde steht ein Krieg des Vorgängerreichs des Patriarchats gegen die Merení, ein nichtmenschliches Volk, das einst aus einer anderen Ebene eingewandert ist und den Nordkontinent besiedelt hat. Die Merení verehrten traditionell die Elemente und das kosmische Gleichgewicht, der Krieg und eine tragische Liebesgeschichte zwischen einem General des Ordnungsreichs und einer Merení-Prinzessin haben jedoch dazu geführt, dass letztere sich dem Chaos zugewandt und ihr eigenes Reich gegründet hat.
Im Osten gibt es Merendrak-Reich, einen abtrünnigen "Offshoot" des Scharlachroten Imperiums, der von Drachenreitern beherrscht wird. Im Prinzip ist das Volk der Melnibonéer hier also dreigeteilt: In die radikalen Chaosverehrer des Scharlachroten Imperiums, die gemäßigt-liberalen Chaos-verehrenden Herrscher von Merendrak und in die Restet der "alten" Merení, die die Elemente und das kosmische Gleichgewicht verehren und sich in Zurückhaltung üben.

Dann gibt es noch ein paar Länder mit mehr oder weniger liberaleren und flexibleren Auslegungen des Ordnungs- oder Chaos-Kults - im Prinzip sind moralische Grau- bis Schwarztöne hier auf allen Seiten in Hülle und Fülle geboten, merklich versucht der Autor, kein kosmisches Prinzip grundsätzlich besser oder schlechter wegkommen zu lassen.

Ein auffälliger Unterschied zu den Jungen Königreichen ist tatsächlich das hohe Maß an religiöser Organisation in fast allen wichtigen Ländern, das habe ich von Sturmbringer nicht so Erinnerung. In den meisten Ländern wird die Ordnung oder das Chaos verehrt, die jeweils andere Seite verfolgt.

Soweit, so begeistert bin ich - das ist natürlich alles nicht unglaublich tiefgründig, aber fängt doch gut die philosophische Ader von Moorcock ein, wenn es um die Frage geht, nach welchen Prinzipien Gesellschaften geordnet sind und wie die Menschen die kosmischen Kräfte interpretieren und für ihre Herrschaftszwecke einspannen.

Einen herben Dämpfer erhält meine Begeisterung allerdings mit der Schilderung der pseude-afrikanischen Region von Imanguk und dem Dschungel südlich davon, die wirklich vor negativen Afrika-Klischees strotzt (und da der Autor in der Einleitung klar sagt, dass die Tierras Quebradas so eine Art "alternatives Europa" sind, ist auch ziemlich klar, dass Imanguk und der Südkontinent ein alternatives Afrika darstellen sollen). Die Imanguk sehen sich als die Nachfahren einer gefallenen menschlichen Vorläuferzivilisation, die nun vom Dschungel überwuchert ist, und werden im Prinzip als faule Kinder dargestellt, die nichts gebacken kriegen und in ihrem Ahnenkult immer nur ihren großen Vorfahren nachweinen. Die Dschungelbewohner und die Imanguk werden als gewalttätig und extrem patriarchal (Frauen und Kinder sind Eigentum der Männer) beschrieben, ihre eine Stadt ist ein chaotischer Jauchepfuhl, allseits herrscht Desorganisation, Faustrecht und Kriminalität. Die im Dschungel lebenden Stämme halten den Dschungel für die ganze Welt, begegnen Außenseitern mit abergläubischer Angst oder Gewalt und haben auch sonst von nix nenr Plan. Die eine positiv dargestellte Stadt des Kontinents, Puerto Libre, ist - na so was - eine alte und inzwischen unabhängige Kolonie des Imperiums ...

Ich frage mich echt, wie dieser Teil des Settings zustandekommen konnte - ich nehme mal stark an, dass der Autor auch hier "sozialen Realismus" betreiben wollte anstatt zu idealisieren und zu exotisieren, aber im Endeffekt wirft er einfach nur mit rassistischen Klischees um sich; willst du in dem Setting einen dunkelhäutigen Menschen spielen, dann ist der Default erst mal, dass du - wenn du nicht gerade die Ausnahme bist - wahrscheinlich faul, gewalttätig, kriminell und abergläubisch bist.

Der Teil des Settings hat mir die Lektüre echt ein bisschen vermiest. Ich habe ihn jetzt zum Glück durch und lese ihn weiter; wenn ich Tierras Quebradas jemals spiele, dann werde ich DIESEN Teil des Settings ganz sicher nicht in der Form verwenden; letztendlich sind das bisher nur ca. 5 Seiten in dem ganzen Buch, aber die gehören in die Tonne gekloppt.

Der Rest ist, wie gesagt, durchaus vielschichtig und konsistent in der Settingentwicklung, und der Autor gibt sich wirklich Mühe, keine einfachen Antworten auf die Fragen nach Gut und Böse zu geben. Um so unerklärlicher dieser Totalaussetzer ...
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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #1 am: 11.08.2024 | 14:47 »
Das ist das Problem. Entweder verwendet man Klischees, die leider oft genug auf Tatsachen basieren und deren Gründe eigentlich immer ignoriert werden, oder man versucht auf Klischees zu verzichten und schafft etwas, was am Ende nicht funktioniert, weil es entweder unglaubwürdig oder sehr ideologisch auf geladen ist. ich würde mich nicht darüber aufregen, dass igrendeine Kultur einer Fantasywelt auf irgendwelchen Klischees basiert.

Offline Swanosaurus

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #2 am: 11.08.2024 | 14:52 »
Das ist das Problem. Entweder verwendet man Klischees, die leider oft genug auf Tatsachen basieren und deren Gründe eigentlich immer ignoriert werden

Tatsachenbasiert hätte der Autor sich halt auch für eine Menge anderes entscheiden können - warum hat er z.B. noch extrem patriarchale Verhältnisse bei den Stämmen obendraufgesetzt? Da gibt es so generalisierend in Bezog auf Afrika wirklich gar keinen Grund für, und es aus dem Setting von TQ erklärt es sich auch nicht. Und das Gewalt, Desorganisation und Kriminalität in der wirklichen Welt vielleicht was mit Kolonialisierung zu tun hat, fällt auch unter den Tisch, weil die Imanguk hier nie kolonialisiert war und die einzige Kolonialstadt auf ihrem Land eine liberale, wohlständige Handelsmetropole ist ... nee, die Imanguk "sind halt einfach so". Wenn ihr Land als eines beschrieben wäre, das durch Kolonialismus zugrunde gerichtet wurde, wie es in der wirklichen Welt der Fall ist, dann fände ich eine so negative Beschreibung sehr viel verdaulicher ...
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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #3 am: 11.08.2024 | 14:56 »
 8), danke für diesen Einblick in die Welt von Tierras Quebradas. Kannst du noch bissel was zur Spielsystem schreiben, also:

Welche Würfelmechanik wird verwendet (meine, Cyberpunk 2020 war 1d10+x gegen MW)?
Welche Attribute, abgeleiteten Werte und ggf. Fertigkeiten gibt es?
Gibt es Klassen oder Stufen?
Wie ordnest du das System von der Komplexität und Regeltiefe her ein, eher Leicht-, Mittel- oder eher Schwergewicht?


Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittelgewichtiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #4 am: 11.08.2024 | 15:06 »
8), danke für diesen Einblick in die Welt von Tierras Quebradas. Kannst du noch bissel was zur Spielsystem schreiben, also:

Welche Würfelmechanik wird verwendet (meine, Cyberpunk 2020 war 1d10+x gegen MW)?
Welche Attribute, abgeleiteten Werte und ggf. Fertigkeiten gibt es?
Gibt es Klassen oder Stufen?
Wie ordnest du das System von der Komplexität und Regeltiefe her ein, eher Leicht-, Mittel- oder eher Schwergewicht?

Der Thread ist Read-in-Progress, bei den Regeln bin ich noch gar nicht, vom Überfliegen/Schnellstarter her kann ich sagen:

Ja, Würfelsystem ist 1d10+Skill gegen Mindestwert.
Es gibt recht viele Fertigkeiten (so um die 60, wenn man die ganzen freien Spalten z.B. für Waffenspezialisierungen mitrechnet), deren Basiswerte von den Grundattributen abgeleitet sind.
Keine Klassen und Stufen.
In Sachen Komplexität sieht es für mich nach einem Mittelgewicht aus, z.B. etwas leichter als Mythras, etwas komplexer oder gleichauf mit D&D5.

Als Hauptattribute gibt es nur Körper, Geist und Seele, allerdings wird Körper noch durch einen separaten Größenwert (-3 bis +3) modifiziert, je nachdem, ob es um Agilität oder Kraft geht. Und Attraktvität funktioniert glaube ich ähnlich in Bezug auf Seele.

Insgesamt sieht es nach einem konventionellen System aus, wo eventuell Twists verborgen liegen, weiß ich natürlich noch nicht.
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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #5 am: 11.08.2024 | 15:14 »
Tatsachenbasiert hätte der Autor sich halt auch für eine Menge anderes entscheiden können - warum hat er z.B. noch extrem patriarchale Verhältnisse bei den Stämmen obendraufgesetzt? Da gibt es so generalisierend in Bezog auf Afrika wirklich gar keinen Grund für, und es aus dem Setting von TQ erklärt es sich auch nicht. Und das Gewalt, Desorganisation und Kriminalität in der wirklichen Welt vielleicht was mit Kolonialisierung zu tun hat, fällt auch unter den Tisch, weil die Imanguk hier nie kolonialisiert war und die einzige Kolonialstadt auf ihrem Land eine liberale, wohlständige Handelsmetropole ist ... nee, die Imanguk "sind halt einfach so". Wenn ihr Land als eines beschrieben wäre, das durch Kolonialismus zugrunde gerichtet wurde, wie es in der wirklichen Welt der Fall ist, dann fände ich eine so negative Beschreibung sehr viel verdaulicher ...
Das ist es ja gerade. er kennt die Klischees, benutzt sie, aber kümmert sich nicht darum, woher sie eigentlich kommen.  dies findest du leider überall. Selbst dort wo man Klischees um jeder Preis vermeiden will, kümmert man sich nicht darum, woher die Klischees eigentlich kommen und ob es überhaupt realistisch ist, sie zu vermeiden. Er hat da jetzt vielleicht Fehler gemacht, und er hat bestimmt keinen dieser selbsternannten Sensitivitätsexperten nach ihrer Meinung gefragt. Diese klischeehafte Kultur ist jetzt Teil dieser Welt.
Dazu kommen noch eigene Ideen. Nicht ist langweiliger als eine Kultur, die eins zu eins den Geschichtsbüchern entnommen wurde und wo der Autor es nicht einmal wagt, in irgend eine Aspekt von der Vorlage abzuweichen.

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #6 am: 11.08.2024 | 15:25 »
Das ist es ja gerade. er kennt die Klischees, benutzt sie, aber kümmert sich nicht darum, woher sie eigentlich kommen.  dies findest du leider überall. Selbst dort wo man Klischees um jeder Preis vermeiden will, kümmert man sich nicht darum, woher die Klischees eigentlich kommen und ob es überhaupt realistisch ist, sie zu vermeiden.

Sorry, das geht doch total an dem konkreten Beispiel vorbei. Ja, du hast recht, wahrscheinlich hat er auf Klischees zurückgegriffen, ohne sich über deren Ursachen Gedanken zu machen; aber "ob es überhaupt realistisch ist, sie zu vermeiden" - was willst du damit sagen? Dass ein Pseudo-Afrika eben realistischerweise von Gewalt und Chaos gezeichnet sein müsste? Bei dem niemals kolonialisierten Pseudo-Afrika von TQ eribt eben genau das überhaupt keinen Sinn; settingintern gibt es hier eben genau KEINE Begründung für den üblen Zustand dieses Landes und die kolportierte Mentalität seiner Bevölkerung.
Und wenn sich deine Einlassung nicht auf Pseudo-Afrika bezieht, dann wabert sie nur so im Allgemeinen vor sich hin und klingt nach: "Regt euch nicht über Klischees auf, meistens haben die schon ihre Richtigkeit." Was vielleicht in manchen Fällen zutreffen mag, aber gerade eben in diesem nun einmal überhaupt nicht.


Er hat da jetzt vielleicht Fehler gemacht, und er hat bestimmt keinen dieser selbsternannten Sensitivitätsexperten nach ihrer Meinung gefragt.

Hätte er halt mal machen sollen, die hätten ihm vielleicht in diesem Fall durchaus Anregungen geben zu können, die entsprechende Kultur interessanter plausibler zu gestalten. So ist sie halt der Teil des Settings, der schlicht und ergreifend nur als negativ edgy auffällt.
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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #7 am: 11.08.2024 | 19:23 »
Sorry, das geht doch total an dem konkreten Beispiel vorbei. Ja, du hast recht, wahrscheinlich hat er auf Klischees zurückgegriffen, ohne sich über deren Ursachen Gedanken zu machen; aber "ob es überhaupt realistisch ist, sie zu vermeiden" - was willst du damit sagen? Dass ein Pseudo-Afrika eben realistischerweise von Gewalt und Chaos gezeichnet sein müsste? Bei dem niemals kolonialisierten Pseudo-Afrika von TQ eribt eben genau das überhaupt keinen Sinn; settingintern gibt es hier eben genau KEINE Begründung für den üblen Zustand dieses Landes und die kolportierte Mentalität seiner Bevölkerung.
Und wenn sich deine Einlassung nicht auf Pseudo-Afrika bezieht, dann wabert sie nur so im Allgemeinen vor sich hin und klingt nach: "Regt euch nicht über Klischees auf, meistens haben die schon ihre Richtigkeit." Was vielleicht in manchen Fällen zutreffen mag, aber gerade eben in diesem nun einmal überhaupt nicht.
Es war eine allgemeine Aussage, denn ich habe schon öfters festgestellt, dass bei dem Versuch Klischees bei bestimmten Kulturen zu vermeiden, die entwickelte Kultur unrealistisch wird. Ich kenne jetzt die  Originalbeschreibung dieser pseudo-afrikanischen Kultur, ich kenne nur Deine Beschreibung. Deshalb kann ich jetzt nicht sagen, ob diese Kultur realistisch ist oder nicht. Und wir wissen jetzt auch nicht, ob er nicht Informationen, die alles erklären könnten, absichtlich für spätere Quellenbücher zurückhält.

Hätte er halt mal machen sollen, die hätten ihm vielleicht in diesem Fall durchaus Anregungen geben zu können, die entsprechende Kultur interessanter plausibler zu gestalten. So ist sie halt der Teil des Settings, der schlicht und ergreifend nur als negativ edgy auffällt.
Sorry, aber das sehe ich anders. Die hätten wahrscheinlich an seinem gesamten Setting massiv etwas auszusetzen gehabt. Sensitivitätsleser sind nicht objektiv, und häufig genug übertreiben sie mit ihrer Kritik, welches oft genug sonderbare Auswirkungen hat.

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #8 am: 11.08.2024 | 21:51 »
Es war eine allgemeine Aussage, denn ich habe schon öfters festgestellt, dass bei dem Versuch Klischees bei bestimmten Kulturen zu vermeiden, die entwickelte Kultur unrealistisch wird. Ich kenne jetzt die  Originalbeschreibung dieser pseudo-afrikanischen Kultur, ich kenne nur Deine Beschreibung. Deshalb kann ich jetzt nicht sagen, ob diese Kultur realistisch ist oder nicht. Und wir wissen jetzt auch nicht, ob er nicht Informationen, die alles erklären könnten, absichtlich für spätere Quellenbücher zurückhält.
Sorry, aber das sehe ich anders. Die hätten wahrscheinlich an seinem gesamten Setting massiv etwas auszusetzen gehabt. Sensitivitätsleser sind nicht objektiv, und häufig genug übertreiben sie mit ihrer Kritik, welches oft genug sonderbare Auswirkungen hat.

Ich verstehe halt nicht so richtig, worauf du mit allgemeinen Aussagen hinauswillst, die auf den konkreten Fall - wie von Anfang an ersichtlich - ja gar nicht zutreffen. Du sagst: Klischees haben oft ihre Gründe und sind deshalb manchmal in einem "realistischen" (was auch immer genau darunter zu verstehen ist) Setting gar nicht zu vermeiden. Aber in diesem Fall habe ich ja schon im ersten Post beschrieben, wie einfach ein Haufen negativer Klischees an einer Stelle verwendet werden, an der sie nicht nur absolut vermeidbar gewesen wären, sondern an der es aus der inneren Logik des Settings heraus sogar plausibler gewesen wäre, auf sie zu verzichten, weil es eben auf dieser Welt keinen erkennbaren Grund für Imanguk als "Land der Gewalt" gab.

Wohin führt also der Hinweis auf "nicht-vermeidbare Klischees" in dem Zusammenhang? Nirgendwohin, weil er mit der von mir beschriebenen Sache nichts zu tun hat.

Und die Belehrung über "nicht-objektive Sensitivity Readers" (und natürlich sind die nicht objektiv, dass geht ja schon aus dem Begriff hervor) führt in dem Zusammenhang ja auch nirgendwohin. "häufig genug übertreiben sie mit ihrer Kritik, welches oft genug sonderbare Auswirkungen hat" ist - nochmal sorry - doch auch nur eine wabernd-allgemeine Aussage, die vielleicht in dem einen Fall zutrifft und in dem anderen auch nicht und die so unbestimmt bleibt, dass sich alle eh darunter vorstellen können, was sie wollen. Sag doch einfach: "Ich find sensitvity reading ein blödes Konzept, die Werkschaffenden sollen einfach ihrer kreativen Vision folgen und niemand soll ihnen dazwischenfunken." Finde ich eine legitime Aussage, und manchmal kommt bei der Methode auch was gutes dabei raus - aber manchmal eben auch mist, der durch Sensitvity Readers vielleicht hätte verhindert werden können, wie in diesem Fall.

Kurz: Ich reagiere einfach allergisch darauf, dass du hier zwei allgemeine Botschaften reindrücken willst ("Über Klischees soll man sich nicht so aufregen" und "Sensivity Readers sind Mist"), als wären sie logische Schlussfolgerungen aus dem von mir beschriebenen - dabei werden sie durch den konkreten geschilderten Fall eher konterkariert.
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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #9 am: 11.08.2024 | 21:54 »
:d
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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #10 am: 11.08.2024 | 22:34 »
Nur um das nochmal kurz von Moderationsseite zu unterstreichen: falls der Wunsch besteht, gern einen Thread zur Nützlichkeit von Sensitivity Readern in Rollenspielen in Rollenspiel&Gesellschaft aufmachen (sinnvoller mit ein paar Beispielen, warum man dem kritisch gegenüber steht). Hier im Thread soll es aber schwerpunktmäßig um das Tierras Quebradas gehen.
Falls das Bedürfnis besteht, tiefer in das Thema Klischees bei Fantasyvölkern, die an reale Völker angelehnt sind, einzusteigen, wäre auch dort Rollenspiel&Gesellschaft das besser geeignete Forum. So wie ich Swanosaurus verstehe, ist es aber primär nur ein Aspekt, der ihn persönlich stört, und steht daher nicht im Fokus des Threads.
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Offline Swanosaurus

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #11 am: 16.10.2024 | 20:58 »
Endlich habe ich das Settingkapitel durch (hatte ich schon erwähnt, dass ich auf Spanisch echt langsam lese ...?).

Tatsächlich geht es ab dem Abschnitt über das Patriarchat sehr viel gelungener weiter: Das Patriarchat ist ein Vielvölker-Imperium unter der Knute einer extrem autoritären Ordnungskirche, die ironischerweise extreme soziale Ungleichheit fördert. Als Setting klingt das durchaus interessant, insbesondere, da es mit Leonis und Frondas zwei abtrünnige Staaten auf der Patriarchatshalbinsel gibt und Leonis sich sogar dem Chaos verschrieben hat (und früher mit dem scharlachroten Imperium verbündet war).

Das scharlachrote Imperium ist eine geografisch kleine Insel und schon ein ziemliches "Reich des Bösen", beherrscht von einer Mereni (Quasi-Melniboneer)-Oberschicht, die regelmäßig in die für alle anderen verbotene innere Stadt der der scharlachroten Herrscherin pilgert, um dort ein bisschen Hellraiser zu spielen. die menschlichen Untertanten sind Unterdrückung und Willkür ausgeliefert.

Unterm STrich treten Ordnung und Chaos im Extrem als zwei Seiten einer faschistoiden Medaille auf; gemäßigt und positiver gezeichnete GEgenentwürfe sind die ursprünglichen Mereni im Norden, ein hochelfenartiges Volk, dass sich seit Jahrhunderten in kultureller Stasis befindet und es noch am ehesten mit den Elementarherren hat, wenn ich das so richtig verstanden habe; und das junge, expansionistische Reich von Merendrak, das von einem Helden des Scharlachroten Imperiums gegründet wurde, der auf der Suche nach den Drachen, mit denen sein Volk früher ein Bündnis hatte, durch die Dimensionen gereist ist - und mit Drachen zurückkam, aber dann einfach sein eigenes Reich gegründet hat, das von einer Oberschicht aus gestaltwandlerischen Drachen-Mereni-Mischlingen beherrscht wird und dem Chaos zugewandt hat, es aber spiritueller interpretiert, als eine Art Nirvana. Die Merendrak sind eher gnadenlos meritokratisch, bei ihnen darf jeder seinen Weg machen; Anhänger der Ordnung werden allerdings unnachgiebig verfolgt. Insgesamt klingt das fast nach dem politisch interessantesten Land für Abenteuer, weil hier die Ordnungsanhänger als verfolgte Minderheit und die herrschende Chaosreligion als relativ liberales Herrschaftssystem beide Sympathien zu wecken vermögen.

Insgesamt bleib das Buch schon sehr der Idee treu, Ordnung und Chaos in verschiedenen Interpretationen darzustellen, und wenn sie zu Herrschaftssystemen werden, ist es praktisch immer schlecht.

Das Multiversums-Konzept mutet uch sehr moorcock'sch. Insgeasamt gefällt mir das als Spielesetting allerdings doch besser als die jungen Königreiche, es macht einfach mit den organisierteren Ordnungs- und Chaosreligionen, dem starken Ordnungsblock und vielen gänzlich anderen Details sein eigenes Ding.

Jetzt bin ich gespannt auf die Regeln!
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Offline Swanosaurus

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #12 am: 23.10.2024 | 09:37 »
Zu den Regeln: Ich bin erstaunt, wie gut sie mir gefallen!

Ich bin nicht besonders vertraut mit dem Interlock-System von Cyberpunk, auf dem das hier wohl lose basiert, ich habe aber schon den Eindruck, dass einige starke BRP-Einflüsse dabei sind und das Ganze dann noch mal etwas gestrafft und konsistent gemacht wurde.

Das Grundwürfelsystem ist w10+Fertigkeitswert gegen einen Mindestwurf, der üblicherweise von 10-25 reicht. 10er explodieren, 1er geben unabhängig von Erfolg oder Misserfolg eine Komplikation (das gilt auch für 1er, die im Rahmen eines explodierenden Wurfs gewürfelt werden, sodass die Kombination von Komplikation und Erfolg und sogar Komplikation und kritischem Erfolg durchaus drin ist). 10 über dem Zielwert ist ein kritischer Erfolg. Schicksalspunkte können eingesetzt werden, um 2W10 statt einem zu Würfeln (beide explodieren, beide geben Komplikationen bei 1). Wer geschwächt ist  (üblicherweise durch eine schwere oder zwei leichte Wunden), würfelt nur noch w6 (der allerdings auch explodieren kann).

Die Würfelspanne ist im Vergleich zu den Fertigkeits- und Zielwerten eher gering (die eigenschaftsbasierten Fertigkeits-Basiswerte liegen so zwischen 3 und 8, in einigen Fällen zwischen 1 und 10, die Fertigkeitswerte selbst zwischen 0 und 10, sodass Fertigkeitwerte zwischen 1 und 20 liegen) - und wenn der Wert schon hoch genug ist, um den Mindestwurf zu erreichen, darf man durchaus auf seinen Wurf verzichten, sodass es keine Gefahr von Komplikationen gibt. Finde ich gut. Es ist in dem System anscheinend eher so, dass der Wurf den Wert modifiziert, und nicht, wie bei vielen anderen Spielen anfangs, der Wert den Wurf.

Es gibt drei Grundattribute (Körper, Geist und Seele), Körper ist allgemeine Fitness und wird, um die Körperkraft zu ermitteln, um einen Größenwert von -3 bis +3 modifiziert (was ich für eine relativ elegante Variante des BRP-Größenwerte halte); Genauso wird der Seelenwert für soziale Interaktionsfertigkeiten um einen "Attraktivitäts"-Wert von -3 bis +3 modifizert. Das wird natürlich nicht bei der Probe angerechnet, sondern entsprechende Fertigkeitsbasen werden bei der Erschaffung berechnet.

Die Fertigkeitsliste ist klassisch BRP- oder Cyberpunkmäßig lang (ich kann gerade nicht nachsehen, tippe aber auf etwa 30).

Charaktererschaffung ist punkte- und paketbasiert, nur für die drei Grundeigenschaften gibt es die Option des Auswürfelns. Es wird eine Spezies gewählt (Mensch, Mereni oder Mereni-Mensch-Mischling), gefolgt von einer Kultur, einem sozialen Umfeld (von Wildnis über Urban bis Hof) und einer Profession, alles gibt bestimmte Modifikatoren (vor allem auf Fertigkeiten). Es daf weitgehend frei kombiniert werden (nur einige wenige Kulturen sind auf Mereni beschränkt), mit dem allgemeinen Hinweis, dass es für ungewöhnliche Kombinationen eine Erklärung geben sollte.

Es gibt relativ viele Subsysteme zu Charakterzügen (jeder hat zwei positive und zwei negative), Leidenschaften (eine Liebe und ein Hass) und Überzeugungen - wobei letzteres mir echt gefällt, denn jeder SC hat seine "Lüge", eine Überzeugung, bei der es das "Ziel" ist, sie durch Erfahrungen im Spiel zu verlieren, also z.B. "Alle Städter sind ehrlos"; wenn du genug Erfahrungen gemacht hast, die deiner Lüge widersprechen, wird sie gestrichen, du erhältst einen Schwung XP und eine neue Lüge. Zumindest der Gedanke ist sehr schön!

Ein paar Teile zur Charaktererschaffung fehlen mir noch, dann werde ich mir das Kampf- und Magiesystem vorlesen. Zu Verletzungen habe ich im Systemteil schon herausgefunden, dass sie einzeln abgerechnet werden und auch einzeln heilen, was relativ buchhaltungsaufwändig aussieht, aber andererseits mag ich anschauliche und harte Verletzungssysteme.
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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #13 am: 23.10.2024 | 10:04 »
Tatsächlich geht es ab dem Abschnitt über das Patriarchat sehr viel gelungener weiter: Das Patriarchat ist ein Vielvölker-Imperium unter der Knute einer extrem autoritären Ordnungskirche, die ironischerweise extreme soziale Ungleichheit fördert.

Ironisch weil die christliche Kirche immer eine gewisse Gleichheit gepredigt hat? Oder aus anderen Gründen ironisch?

Und danke für das Thema. Du liest Spanisch bestimmt viel schneller als ich und es ist spannend mal über Spiele zu hören, die nur sehr sehr sehr langsam läse.

Offline Swanosaurus

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #14 am: 23.10.2024 | 10:06 »
Ironisch weil die christliche Kirche immer eine gewisse Gleichheit gepredigt hat? Oder aus anderen Gründen ironisch?


Ironisch, weil "Ordnung" ja in dem Multiversums-System gelegentlich auch mit "Gleichförmigkeit" assoziiert wird (wobei auch in dem Settingteil zum Multiversum der Übergangspunkt "absolute Entropie - absolute Ordnung" mal angerissen wird).
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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #15 am: 23.10.2024 | 11:06 »
Ironisch, weil "Ordnung" ja in dem Multiversums-System gelegentlich auch mit "Gleichförmigkeit" assoziiert wird (wobei auch in dem Settingteil zum Multiversum der Übergangspunkt "absolute Entropie - absolute Ordnung" mal angerissen wird).
Ich finde das nicht ironisch, sondern sehr passend. Siehe Dir Moorcock an. Übertriebene Ordnung für zum Totalitarismus mit straffen, inflexiblen Hierarchien. Jeder hat seinen Platz in der Gesellschaft. Und wehe er verlässt ihn.

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #16 am: 23.10.2024 | 11:16 »
Ich finde das nicht ironisch, sondern sehr passend. Siehe Dir Moorcock an. Übertriebene Ordnung für zum Totalitarismus mit straffen, inflexiblen Hierarchien. Jeder hat seinen Platz in der Gesellschaft. Und wehe er verlässt ihn.

Von Moorcock gibt's halt auch absolute Ordnung=absolute Gleichförmigkeit (wenn ich mich richtig erinnere, wandert Elric in einem Roman über diese ewiggraue Ebene, die die reine Ordnung repräsentiert ...) - wobei Moorcock ja auch seine Freude daran hatte, immer wieder neue Interpretationen des Ordnungs-Chaos-Settings zu liefern (wenn ich mich richtig erinnere, tritt der Faschismus in "Tochter des Traumdiebs" als ein politisches System auf, das eigentlich beide Seiten betrügt ...).

Ich meine "ironisch" auch gar nicht in dem Sinne, dass da ein Widerspruch besteht, sondern in dem Sinne, dass an der Stelle zutage tritt, dass es auch schon bei Moorcock eine ziemliche Interpretationssache ist, ob z.B. ein Gesellschaftssystem Ausdruck einer chaotischen oder einer "ordentlichen" Ideologie ist, und dass sich diese Kräfte letztendlich vielleicht gar nicht so sehr darum scheren, was die Menschen unter ihnen verstehen. Wie geschrieben bildet TQ das für mich sehr gut (und eben auch mit der typischen Moorcockschen Ironie) ab (so ist das chaosverehrende Scharlachrote Imperium mindestens ebenso hierarchisch wie das Patriarchat; dagegen gibt es mit den Merendrak ein vergleichsweiise egalitäres Chaos-verehrendes System und in den Montes Ocres gemäßigte Ordnungs-Anhänger).
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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #17 am: 24.10.2024 | 17:17 »
Ich habe Carlos Ferrer, dem Autor von TQ, meine Kritik an der Darstellung der Imanguk und der Dschungelmenschen geschrieben (und auch mein Lob für den Rest) und eine ziemlich nette Antwort bekommen, die im Prinzip folgende Punkte umfasst:

- Er will erst mal klarstellen, dass er in der wirklichen Welt nicht von irgendwelchen grundsätzlichen Hoch- oder Minderwertigkeiten unterschiedlicher Kulturen und Ethnien ausgeht.

- Er hat bei TQ beschlossen, einige Länder mit ihren Bewohnern positiver und andere negativer zu beschreiben und verwendet dabei auch Stereotypen, um beides eingängiger zu machen. Beim Südkontinent hat er die Imanguk vorwiegend negativ gezeichnet, ihre genügsamen und unambitionierten Nachbarn, die Austeros, als vorwiegend negativ ("fast utopisch") - ich selbst habe die nicht so positiv verstanden, werde mir die Passage aber noch mal genauer ansehen. Unterm Strich betrachtet er das als ausgewogen.

- Die "Bosquimanis" (Waldleute) betrachtet er gar nicht als so negativ, sondern in erster Linie als Opfer der Sklavenhandelnden Imanguk. Sie basieren wohl mehr auf dem, was er über einige südamerikanische Völker gelesen hat.

- Er hat auch noch mal drauf hingewiesen, dass die mit Abstand am negativsten gezeichneten Reiche das Patriarchat und das scharlachrote Imperium sind, die beide an ein europäisches Vorbild angelehnt sind.

Für mich kommt dabei unterm Strich raus: Ich hätte es anders gemacht und finde es nach wie vor problematisch, dass der ganze Südkontinent von Völkern bewohnt wird, die sich entweder durch ihren Aberglauben und ihre Misogynie, durch ihre Gewalttätigkeit oder durch Antriebslosigkeit auszeichnen, aber ich sehe auch das Argument ein, dass tatsächlich alle Nationen und Völker auf die eine oder andere Art schlecht wegkommen, selbst auf den ersten Blick relativ utopische wie die Austeros oder die das Gleichgewicht verehrenden Merení des Nordens. Es wäre halt schön, wenn nicht genau die ganzen Afrika-Stereotypen im Süden versammelt wären, sondern es dort auch etwas gäbe, was das Bild durchbricht.
Jedenfalls kommt seine Stellungnahme für mich (auch im Lichte des restlichen Buchs betrachtet) so aufrichtig rüber, dass das, was mir nicht gefällt, mir nicht das Setting vermiest. Da steckt auf jeden Fall keine rassistische Absicht hinter (habe ich auch nicht mit gerechnet) und auch keine grobe Gedankenlosigkeit, sondern eher Überlegungen, deren Ergebnis in meinen Augen nicht ganz so treffsicher waren wie beabsichtigt.

Abgesehen davon hat Carlos auch noch mal darauf hingewiesen, dass ich nicht der erste bin, der sich an der Darstellung der Imanguk und der Bosquimanos stört und dass er die Kritik bei seiner weiteren Arbeit an TQ im Hinterkopf behalten und ein diverseres Bild anstreben wird.

Genug also, damit ich mich mit dem Spiel wieder wohler fühle und um so mehr Lust habe, es zu leiten!
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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #18 am: 24.10.2024 | 17:27 »
Senor Ferrer macht da eigentlich alles richtig. Er versucht nicht, die Sachen zu ändern, die einigen(?) wenigen(?) nicht gefallen, sondern zieht sein Ding durch. Es sind ja oft jene, die nicht betroffen sind, die sich über solche Darstellungen aufregen.

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #19 am: 24.10.2024 | 17:31 »
Senor Ferrer macht da eigentlich alles richtig. Er versucht nicht, die Sachen zu ändern, die einigen(?) wenigen(?) nicht gefallen, sondern zieht sein Ding durch. Es sind ja oft jene, die nicht betroffen sind, die sich über solche Darstellungen aufregen.

Ich habe mich einfach gefreut, dass er nicht empört abgewehrt hat, sondern einfach seine Beweggründe geschildert und damit geschlossen hat, dass er die Kritik nicht zum ersten Mal hört und dass sie seine zukünftige Arbeit an TQ auch beeinflussen wird. Dass er also nicht nur einfach sein Ding macht, sondern für Kritik offen ist (beim Regelsystem hat er das mit der Überarbeitung ja auch schon gezeigt, warum also nicht beim Setting)?
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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #20 am: 24.10.2024 | 17:56 »
... beim Regelsystem hat er das mit der Überarbeitung ja auch schon gezeigt, warum also nicht beim Setting?
Die Erklärung dafür ist ganz einfach: Regeln kann man leichter ändern. Regeln werden schließlich getestet und im Notfall auch überarbeitet. Am Setting etwas zu ändern, ist immer problematisch und kann sehr leicht in die Hose gehen. Entferne eine als problematisch angesehenes Element und es kann sein, dass die betreffende Kultur unrealistisch wirkt. Manchmal können sich solche Änderungen auch negativ auf die gesamte Spielwelt auswirken.
Das Verrückte ist doch, dass niemand sich aufregt, wenn eine Kultur auf einer (besonders) negativen Darstellung einer europäischen Kultur basiert, aber wehe eine Kultur basiert auf einer mehr oder weniger historisch korrekten Darstellung einer außereuropäischen Kultur. Darüber sollte man auch mal nachdenken, wenn man irgendeine Darstellung einer Kultur problematisch findet.
Rollenspielwelten müssen kaputt sein,sonst gibt es keine großen Abenteuer. Mike Pondsmith wurde z.B. vorgeworfen, dass die Welt von Cyberpunk 2.0.2.0 u.a. rassistisch. Seine Reaktion war die Aussage, dass diese Welt schließlich kein Vorbild sondern eine Warnung sein sollte. Ich würde als Entwickler einen kleinen Absatz einfügen, in dem ich darauf hinweise, dass man Sachen, die einem nicht gefallen, für die eigene Runde ändern kann und so eine eigene Version der Spielwelt erzeugen kann. So etwas ist in meinen Augen sinnvoller, als dem Druck einiger weniger nachzugeben und etwas an der eigenen Spielwelt zu ändern. Damit sollte eigentlich klar sein, weshalb Senor Ferres wahrscheinlich nichts am Setting ändern wird.

Offline Swanosaurus

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #21 am: 24.10.2024 | 22:24 »
@caranfang:
Wegen des eher dürftigen Bezugs zum Threadthema möchte ich das jetzt echt nicht so groß auswalzen, also ganz kurz:

Von Settingänderung war ja gar nicht die Rede: Er hat gesagt, dass er die Kritik gehört hat und bei der weiteren Arbeit am Setting im Hinterkopf haben wird. Darunter verstehe ich: Wenn er sich die Region noch mal für eine genauere Ausarbeitung vornimmt, dann wird er das Bild wahrscheinlich erweitern (und das geht ganz problemlos, da die bisherige Weltbeschreibung ja ein In-Universe-Reisebericht ist; ich habe den Eindruck, dass der Autor sich hier ganz bewusst die Möglichkeit offengehalten hat, Einzelheiten näher und evtl. auch noch etwas anders auszudefinieren, mit der einfachen Erklärung, dass der Reisende ja längst nicht alles von den TQ gesehen und vielleicht auch nicht immer alles richtig verstanden hat).

Dass Settings prinzipiell in höherem Maße störanfällig wären als Regelwerke sehe ich so überhaupt nicht. Das hängt ganz von der inneren Verzahntheit des jeweiligen Regelwerks bzw. Settings und der Sorgfalt bei der Überarbeitung ab. Bei TQ dürfte an beiden noch relativ leicht zu schrauben sein, das Spiel steht als ganzes am Anfang und wird fast ausschließlich von einem Autor verfasst, der wenig Gefahr läuft, den Überblick zu verlieren als ein ganzes Team, das vielleicht schon seit zwanzig Jahren ein Setting immer weiter ausgestaltet. Auch ist es ja in aller Regel so, dass das Setting einem Autor ebenso wenig wie das Regelwerk perfekt und konsistent aus der Stirn geboren wird; es kann von Anfang an mehr oder weniger konsistent oder gelungen sein, und Überarbeitungen, ob nun durch Kritik von Außen oder durch weitere Überlegungen des Autors ausgelöst, können das Bild ebensogut konsistenter, runder und plausibler machen wie es durcheinanderbringen. So allgemeine Aussagen, wie du sie zu dem Thema triffst, gehen - wieder einmal - an der Sache vorbei.

Insgesamt bin ich die Diskussion über diesen Aspekt mit dir ziemlich leid, weil ich den Eindruck habe, dass dich das hier vorgestellte Spiel kein bisschen interessierst und du lediglich immer noch nachweisen willst, dass meine Kritik im Eingangsbeitrag unangemessen sei. Was besonders seltsam ist, da ich mittlerweile jetzt schon vom Autor selbst die Rückmeldung habe, dass er Verständnis für meine Kritik hat und sie im Kopf behalten wird. Dass du dich da empfindlicher und rechthaberischer gebärdest als die von der Kritik betroffene Person entbehrt angesichts deiner wieder mal diffus-allgemein hingeraunten Worte

Zitat
Es sind ja oft jene, die nicht betroffen sind, die sich über solche Darstellungen aufregen.

nicht einer gewissen Ironie. Vielleicht solltest du dich als Nicht-Betroffener auch mal einfach weniger aufregen.
« Letzte Änderung: 24.10.2024 | 22:26 von Swanosaurus »
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Offline Alexandro

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #22 am: 24.10.2024 | 22:48 »
Sehe ich genauso.

In 7th Sea 1st Edition war die Beschreibung von "Cathay" ziemlich abenteueruntauglich (weil zu monolithisch beschrieben) und ich kenne keinen, der damals tatsächlich da gespielt hat. Dann wurde das Setting für die 2nd überarbeitet (das Gebiet heißt jetzt "Khitai" und ist wesentlich heterogener beschrieben). Das zeigt, dass eine Überarbeitung des Settings durchaus sinnvoll sein kann, wenn einem später noch bessere Ideen einfallen und man sich neue Impulse und Feedback holt (gerade auch von Personen, welche das Setting nicht nur als eine exotische Kulisse sehen).

Wenn man seine eigene Version des Settings am Tisch haben will, dann schadet es imo auch nicht, wenn man sich aus mehreren Versionen desselben Ideen holen kann.

Von der Beschreibung von Imanguk her wüsste ich jedenfalls nicht, was für Abenteuer ich da spielen soll, oder wie ich Charaktere aus Imanguk spielerisch interessant und einzigartig machen kann.
« Letzte Änderung: 24.10.2024 | 23:08 von Alexandro »
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Bombshell

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #23 am: 26.10.2024 | 16:03 »
@Swanosaurus: Vielen dank für deinen Bericht über dieses Spiel. Ich lese deine Ausführungen sehr gern.

Ich würde ja nie auf die Idee kommen mich mit dem Autor in Verbindung zu setzen. In welcher Sprache hast du mit ihm kommuniziert?
Kurze klare Worte

Online schneeland

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Re: [Ich erzähle euch von] Tierras Quebradas
« Antwort #24 am: 26.10.2024 | 17:03 »
Senor Ferrer macht da eigentlich alles richtig. Er versucht nicht, die Sachen zu ändern, die einigen(?) wenigen(?) nicht gefallen, sondern zieht sein Ding durch. Es sind ja oft jene, die nicht betroffen sind, die sich über solche Darstellungen aufregen.

Kurz eingeschoben noch zwei Sätze von der Moderationsseite: in einem Thread wie diesem hier, in dem es schwerpunktmäßig um ein Spielsystem geht und die Frage von (als möglicherweise problematisch empfunden) gesellschaftlichen Stereotypen im Settingdesign allenfalls ein Nebenaspekt ist, würden wir darum bitten, den Thread nicht in Richtung einer allgemeinen Diskussion über diese gesellschaftlichen Stereotypen zu ziehen. Falls gewünscht, kann dazu ein Thread im Bereich Rollenspiel&Gesellschaft eröffnet werden.
« Letzte Änderung: 26.10.2024 | 17:05 von schneeland »
Brothers of the mine rejoice!
Swing, swing, swing with me
Raise your pick and raise your voice!
Sing, sing, sing with me