Autor Thema: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise  (Gelesen 2273 mal)

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Re: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
« Antwort #50 am: 4.12.2024 | 20:37 »

Die Roten Klauen


Zoe muss wieder einen Rage-Wurf machen vor Schreck, aber auch der gelingt nicht. (Das ist natürlich nützlich für die Stammesverhältnisse!) Sie verfällt also nicht in Raserei, sondern wirft sich zu Boden, macht sich klein, schlingt die Arme um den Kopf.
„Fresst mich nicht! Fresst mich nicht!“, bringt sie panisch heraus. Ächzend verwandelt sie sich in ihre Lupus-Form, während die fremden Wölfe sie misstrauisch langsam umkreisen an ihr schnüffeln.
Das Rudel-Alpha signalisiert ihr auf Lupin, dass offensichtlich sie es sei, von der ihr Geister-Helfer gesprochen hätte! Sie stinke nach den Zweibeinern auf dem verbotenen Gelände.
Zoe erhebt sich vorsichtig, und signalisiert, dass sie dort war, sie würde geprüft von den Kindern der Erdmutter.
Die Roten Klauen ziehen ihre Lefzen hoch, und versuchen, keine Abscheu auszudrücken bezüglich dieser Kinder-der-Erdmutter. Allesamt sind das Zweibeiner! Die hätten mit ihnen ausgehandelt, dass sie nicht auf dem freien Gelände dort vorne jagen dürften. Die Roten Klauen haben den Kindern-der-Erdmutter schließlich murrend geschworen, alle Menschengebiete am Fuß des Berges weiträumig zu meiden. Die eigentlichen Jagdgründe der Klauen sind weit von hier entfernt. Heute Nacht aber haben die Ronin den Gestank von Weberinnen-Maschinen und Irrsinns-Wasser mit sich gebracht, von Fleisch, das nicht von ihnen selber gerissen wurde, und sie haben auch die schrecklichen Klänge der Stadt unten am Fuß des Berges hier hinauf getragen! Die Roten Klauen hätten deren Hiersein schon in zu vielen Nächten aus der Ferne erdulden müssen! Sie würden sie jetzt überfallen, die Schwachen töten, und hinterher alle Überlebenden des Waldes verweisen!
Zoe gibt ihnen winselnd zu verstehen, dass sie gehen könnte, und vorher eine Warnung aussprechen! Dann müsse kein Blut vergossen werden — und ihr selbst hilft es, wenn diese Zweibeiner jetzt weggehen ...

Dank ihrer Reinblütigkeit hat sie vier Erfolge bei Charisma+Überzeugen! Die Roten Klauen schleichen knurrend um sie herum, dann bedeutet ihr das Rudel-Alpha, es sei einverstanden. Aber sie habe sich zu beeilen!

Dank Zoes Überzeugen-Erfolg ist dies ein Milestone für ihren Eid. Sie hat damit vier Punkte Fortschritt. Jetzt muss sie noch irgendwie vermitteln, das Messer zurückkriegen, und vergraben!

„Straße-In-Die-Nacht!“, keucht Zoe aufgeregt, als sie zu den Feuertonnen zurück läuft, „Was Du vorhin vermutet hast, ist jetzt doch eingetroffen! Ein Rudel von Roten Klauen ist hier!“
„Was?! Wieviele?“
„Eine ganze Handvoll! Sie wollen, dass Ihr geht … bitte, das müsst Ihr machen, sonst gibt es Blutvergießen! … Und Du und Asphalt-Feuer, Ihr seid nur zu zweit!“
Der große Biker erhebt sich, späht mit seinem einzelnen Wolfsauge in die Richtung, aus der Zoe kam.


Hier ist ein Profil für ihn:

Maverick Lane, Straße-In-Die-Nacht
Alter: 38; Stamm: keiner (Ronin); Vorzeichen: Ahroun; Blut: Garou; Aufzucht: Homid
Attribute: Geschick 3, Konstitution (Zähigkeit) 4, Stärke (Hebetechnik) 2, Charisma 3, Erscheinungsbild 2, Manipulation 1, Geistesschärfe 2, Intelligenz 2, Wahrnehmung 2
Fertigkeiten: Athletik 3, Aufmerksamkeit 2, Ausdruck 1, Ausweichen 2, Einschüchtern (Grobheiten) 4, Empathie 3, Handgemenge (Kloppereien) 4, Überzeugen 2, Ur-Instinkt 2; Fahren (Motorrad) 5, Handwerk 3, Heimlichkeit 1, Nahkampf 3, Schusswaffen 2, Überleben 1; Gesetz 1, Etikette 1, Nachforschung 1, Zurechtfinden (Highways) 4.
Hintergründe: Kontakte (einzelne Fenrir-Auftraggeber in den USA) 3, Ressourcen 2
Gnosis: 2
Rage: 6
Willenskraft: 6
Gaben: Master of Fire, Resist Pain
Ausrüstung: Motorrad-Weste und -Hose (Zugeeignet), Pornosonnenbrille, Motorrad, Werkzeug, Jagdmesser, Kompass, Verbandskasten, Rucksack, Schlafsack, Proviant.


Ich würfle also Charisma+Überzeugen, und dank den Bonuswürfeln durch Reinblütigkeit kommen drei Erfolge zusammen. Straße-In-Die-Nacht würfelt Willenskraft dagegen, und kommt nur auf zwei Erfolge! Ihm ist sehr klar, dass die Roten Klauen sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen werden, und dass sie keinen Humor haben!
„Verfackt. Na gut, wir machen Schubrakete. Was ist mit Dir, Schnalle? Wir nehmen Dich besser mit! Wir können Dich irgendwo absetzen!“
„Was? Nein, ich muss doch …“
„Nix! Die Roten Klauen sind fanatische Unmenschen! Wir lassen Dich doch nicht hier, damit die Dich noch verputzen! Die dienen den Kräften des Wylden! Die sind unberechenbar!“
„Ich muss es versuchen, mit denen einig zu werden! Die haben doch alte Allianzen mit den Kindern Gaias. Die werden mir schon nichts anhaben. Ich muss meinen Aufnahmeritus abschließen! Ich muss!“, bringt Zoe schwach hervor. Sie würfelt erneut, um den Banditen zu überzeugen, und kommt auf sechs Erfolge! Dieser würfelt erneut stur dagegen, aber kommt nur auf drei.
„Na gut. Jeder muss seine Erfahrungen selber machen, gehört auch zum freien Leben dazu!“, und er röhrt wild, „So, Leute, zusammenpacken, aufsitzen! Schubrakete, es geht nach Norden!“

Damit hat dann doch die traditionelle Herangehensweise den Erfolg für Zoe gebracht, und dafür bekommt sie endlich den benötigten Willenskraft-Punkt! Damit schöpft sie wieder Mut.

Dass das Gelände kurz darauf frei ist von den Bikern, stellt einen Meilenstein dar für die Queste. Damit haben wir sechs Punkte Fortschritt.

Zoe sucht zitternd nach den Roten Klauen hinter der Baumgrenze, aber die sind verschwunden, als wären sie nie da gewesen. Was für rätselhafte Wesen! Der Morgen graut jetzt, der Sturm ist abgeflaut, nur noch ein leichter Wind weht. Nervös sucht sie die Baumgrenze nach dem Knochenmesser ab, überall unter Ästen, wo ein großes Eichhörnchen herumgeklettert sein könnte. Ein Patzer fällt, sie realisiert irgendwann, dass sie dieselbe Stelle schon mehrfach abgesucht hat! Alles sieht gleich aus im grauen Morgenlicht.

Da ertönt das Pfeifen und Geschnatter eines Eichhörnchens über ihr, sagen die Orakelwürfel!

„Da bist Du ja endlich wieder! Wo hast Du‘s versteckt?!“
Das Schnattern fragt, warum es dem fremden Wolf-Wandler-Mädchen wohl trauen solle? Vorhin habe sie nach ihm geschnappt!
„Ja, aber nicht mit Absicht, das war ein Reflex!“
Geworfene Aststückchen und Eicheln bringen zum Ausdruck, ach ja? Woher wisse es denn, wann der nächste solche Reflex käme?
„Sag' mal, wie heißt Du überhaupt?!“
Ein Geräusch, das klingt wie ‚Quireep‘ ertönt, das könnte durchaus der Eichhörnchen-Name sein.
„‚Quireep‘?!“
Das Gepfeife lobt, das sei jetzt das Klügste, was das Wolfwandler-Mädchen die ganze Nacht über gesagt habe.
„Wo ist das Messer, das Du geklaut hast? Das gehört mir nicht, ich muss es wieder abgeben! Mein Aufnahmeritus hängt da dran!“
Es keckert fröhlich, das wurde gut versteckt. Die Wolf-Wandlerin müsse auf dem Gelände suchen! Es sei an einem bestimmten Ort hier!

Was ist denn der Tipp, den Quireep gibt? Die Tabellen Location Descriptor und Location sagen: Peaceful Forest.

Entsprechend wird geschnattert!
„Friedlicher Wald, was meinst Du damit? Hier ist ein einsamer Berghang, der Wald ist überall friedlich! Zumindest jetzt, wo die Bikergang weg ist! Und Deine Beschwörer, die Roten Klauen!“
Das Keckern klingt vergnügt.
Sag' schon!“, ruft Zoe, fast brüllt sie. Ihre Wut brodelt erneut in ihr.

Ich lasse sie Geistesschärfe und Enigmas würfeln, und erreiche gerade so einen Erfolg!

„Der Wald ist da friedlich, wo keiner mehr ist, der Stress macht …“, sagt sie nach einem Moment, „Mich eingeschlossen!“
Einer Ahnung folgend überquert sie schnell das Farmgelände. Auf der gegenüberliegenden Seite zu der Stelle, wo sie eben an der Baumgrenze stand, hängt das Knochenmesser des Ältesten von einem Ast. Zoe rennt hin, nimmt es an sich, keuchend vor Nervosität und Erleichterung.
„Danke, Quireep! Danke!“, raunt sie in den Wald.

Daraufhin gräbt sie mit ihren Krallenhänden ein tiefes Loch in der Mitte des Farmgeländes. Sie betrachtet die drei Waffen des Ältesten nachdenklich. Sie sind primitiv, aber sehr kunstfertig hergestellt, die Messer sind beinern, der Dolch aus so etwas wie Feuerstein. Es sind womöglich keine Stammes-Erbstücke, wie die Silber-Klaive, aber dennoch beeindruckend. Sie selber könnte die gebrauchen; wenn jemand die ihr Zueignen würde, dann hätte sie Werkzeuge, die sie in der Penumbra benutzen könnte, wenn ihre eigenen Klauen mal nicht weiter kämen. Sie seufzt, legt die Habseligkeiten vorsichtig in das Erdloch, und vergräbt sie. Sie verwischt alle Spuren so, wie Wintermoon Tooth es ihr und Kylah mit den Feuerstellen gezeigt hat. Sie fühlt ein seltsames Gefühl von Andacht.

Dann rennt sie in den Wald zurück, in die Richtung, aus der sie vorhin kam.

Das war ohne Frage ein Milestone bei der Queste. Hiermit sind acht Fortschritt-Punkte erreicht.

Drei Erfolge fallen bei Wahrnehmung+Zurechtfinden für den Rückweg! Das trägt wahrscheinlich ebenfalls zum Gelingen der Sache bei!

Ist das ebenfalls noch ein Milestone? Das Orakel sagt deutlich, ja! Mit zehn Punkten Fortschritt kann fast nichts mehr passieren, nur noch Würfelpech bei den Challenge Dice kann den Erfolg verhindern. Nur noch im Fall eines 10er-Pasch ist Wintermoon Tooth zwischenzeitlich gestorben. Also würfle ich die 2W10 …:

Es ist ein windiger Vormittag, als Zoe endlich die Stelle am Long Trail wieder erreicht. Sie sieht Kylah nervös aufspringen, und sieht den Ältesten am Feuer sitzen, immer noch an den Steinhaufen gelehnt.
„Wintermoon-Tooth-rhya …! Ich bin zurück! Kylah! Ich habe …“
„Wer tritt ans Feuer, noch ohne eigenen Namen?“, sagt der Älteste schwach.
„Ich bin’s, Zoe!“, sagt sie, und fällt neben ihm auf die Knie.
„Hast Du meine Prüfung bestanden, Welpe? Du musst die Wahrheit sprechen.“
„Ja, Ältester! Die Waffen sind vergraben, ohne dass jemand mich aufgehalten hat oder es beobachtet hat!“
„Gut! Forderst Du Aufnahme in den Stamm der Kinder Gaias?“
„… Ja!“
„Lasst es so gesungen werden. So sei es. Willkommen.“

Zoe und Kylah umarmen sich hektisch, dann schaut Zoe auf den Ältesten herunter, und bricht in Tränen aus, weil sie denkt, er hat soeben sein Leben ausgehaucht, ganz friedlich lächelnd sitzt er da, reglos. Kylah prüft seine Atmung, und sagt, er lebe aber noch. Sie will den Long Trail hinauf rennen, und versuchen, einen Garou zu finden weiter oben, jetzt, wo sie wieder zu zweit sind. Zoe weigert sich aber, Kylah gehen zu lassen — was ist, wenn das Rudel der Roten Klauen doch noch hier irgendwo ist? Also läuft sie selber wieder los. Binnen einer Stunde hört sie fernes Wolfsgeheul und antwortet verzweifelt darauf. Schließlich kommt sie zur Feuerstelle zurück, mit vieren der Kinder Gaias, die sehr schnell und präzise eine Trage aus Stöckern bauen, um den Ältesten hinauf zum Caern zu transportieren. Er stirbt tatsächlich auf dem Weg, die Augen friedlich lächelnd geschlossen, wie auf einem eigenen Stufenpfad zum Himmel. Zoe hält Kylah bei der Hand, sie stützen sich gegenseitig an steileren Stellen, sie ist mittlerweile zu erschöpft, um nochmal zu flennen. Wenig später erreichen sie das Umland des Caerns der Sonnenbeschienenen Steine.

Aber Lichtblicke gibt’s natürlich auch, denn Zoe hat ihre erste Queste abgeschlossen, was ihr drei EXP zusätzlich einbringt (aufgrund des gewählten Schwierigkeitsgrads Gefahrvoll). Sie ist soeben in ihrem Stamm aufgenommen worden, erhält zwei permanente Punkte Ruhm und einen permanenten Punkt Ehre, und kann ab jetzt temporäre Punkte in allen drei Ansehen-Kategorien sammeln.

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Re: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
« Antwort #51 am: 5.12.2024 | 18:11 »
Die Septe der Sonnenbeschienenen Steine
Lage: Glastonbury Mountain, Green Mountain National Forest
Rang: 3
Typ: Enigmas (Weisheit)
Caern-Totem: Geist des Bennington-Dreieck
Stammesstruktur: Kinder Gaias, mit gelegentlichen Abgesandten der Roten Klauen und Stillen Streicher, offen für Besucher von allen Stämmen
Bevölkerung: Um die 15 Garou und fünf bis zehn Blutsgeschwister sind zu jeder Zeit vor Ort
Barriere-Wert: 3


In der Nähe des Gipfels des Glastonbury Mountain, weitab von allen Wander- und Kletterpfaden, liegt die Septe der Sonnenbeschienenen Steine. Zoe und Kylah dürfen zuerst nur ins Umland, wo verborgene Forsthütten von den Bewohnern und deren Blutsgeschwistern liegen. Der Tod des Quiao Ju Wintermoon Tooth sorgt zuerst für viel Aufsehen, und darüber werden die Fragen betreffend der beiden Neuankömmlinge vorerst zurück gestellt. Die Septenherren haben natürlich bereits von dem skandalösen Überfall auf Jewell Island gehört, und Wintermoon Tooths Aufbruch von dort. Dass er aber hierher unterwegs war, hatten sie noch nicht gewusst.

Dementsprechend nehmen sich vorerst anstelle von Garou mehrere Blutsgeschwister den Mädchen an, was denen ganz recht ist. Binnen des Ankunftstages bricht bei ihnen beiden die Art von Erkältung aus, die man wohl zu erwarten hat, wenn man im November im nassen, kalten Wald übernachtet und nachtsüber durch den Regen marschiert. Bei Zoe geht sie am selben Abend schon wieder restlos weg, es ist, wie Echoing Tide zu ihr gesagt hat, ihr Immunsystem ist unschlagbar. Sie verbringen den folgenden Tag in dem Badehaus, in Zubern mit dampfendem Wasser und handgewonnenem Pinienöl. Das ist für Zoe fast etwas zu viel Luxus auf einmal nach den Ereignissen der letzten, entbehrungsreichen Nächte; in ihr toben übrige Wut, Trauer, und Hochgefühl. Kylah ist dabei offensichtlich etwas schreckhaft; wann immer jemand von draußen reinkommt, glaubt sie, sie beide würden jetzt hier rausgeschmissen werden, und macht sich bereit, zu gehen. Immerhin sind sie nur zu Gast in der Fremde, und überhaupt ist sie, Kylah, ja nur eine kleine Knochenbeißerin aus Detroit. Zoe hat schon wieder Tränen in den Augen, als sie das hört, und greift die Hand der anderen, und wispert ihr ins Ohr, „Denk' nicht immer, dass andere Dir was wegnehmen wollen, weil Du schlechter seist als die, Kylah! Ich lass' nicht zu, dass irgendwer Dir irgendwas wegnimmt! Für mich bist Du die Beste, die es gibt!“
„Zoe, Du Jammerlappen!“, näselt Kylah erkältet zurück, in gedämpfter Stimme, „Ich denk' doch nur, dass die ihr Dampfbad auch mal selber wieder benutzen wollen könnten! Wir sind schon seit Stunden hier drin!“
Aber sie macht dennoch ihre Hand nicht los, und Zoe legt ihre Schläfe an Kylahs Undercut, und weint lautlos noch ein bisschen weiter. Sie kann ihre Dankbarkeit ihrer Freundin gegenüber nicht richtig in Worte fassen, und kann nur hoffen, dass diese sie trotzdem irgendwie versteht.
Als sie sich abtrocknen, sind sie jedenfalls ganz schrumpelig vom heißen Wasser.
„Ich schwör', seit die Dich für ihren Stamm ausgeguckt haben, bist Du voll melodramatisch geworden, Zoe!“, sagt Kylah keck, „Ich beginne schon die Zoe zu vermissen, die hinter Lennings' dämlicher Videothek Dreckskerlen spontan die Schweinefressen poliert!“
„Oh, die Zoe gibt’s auch noch, Kylah, keine Sorge. Das ist auch die, die in Grünstreifen-Wäldern Leuten die Brustkörbe zerbeißt, und sich Mühe geben muss, die hinterher nicht zu fressen. Ich spür' es, wie es in mir brodelt, weißt Du.“
„Aber zwischendurch bist Du voll das Tränentier. Das muss dieses neue Totem sein, zu dem Du jetzt gehörst.“
„Re'em.“
„... Das Einhorn!“, lacht Kylah.
„Ich glaube, der Brauch kommt aus Zeiten, wo die Leute noch nicht an buntes Plastik gedacht haben, oder an Hipster in Plüschanzügen, wenn sie an Einhörner dachten. Welches Totem hat Dein Stamm eigentlich?“
„Die Ratte!“, sagt Kylah, und ihre Zähne blitzen, weil sie so breit lächelt dabei.
Komisches Tier, um darauf stolz zu sein, aber Kylah ist mächtig stolz.
Als sie aus dem Dampfbad kommen, und durch die Novemberkälte eilen, zu der Blockhütte, die ihnen zugewiesen wurde, fragt Zoe, „Was wirst Du denn jetzt machen?“
„Meinen verschissenen Schnupfen auskurieren!“
„Nee, dann. Hinterher. Wenn die mich zur Westküste schicken …“
„Endlich nach Detroit zurück … und hoffen, dass nicht wieder diese Zoe aus dem Nichts angestürmt kommt, und mich von der Busstation wegzerrt!“
„Nee, diesmal wahrscheinlich nicht. Außer, dieser Ort wird auch angegriffen. Ach Du meine Fresse, weißt Du was? Jede Zuflucht, in der wir bisher waren, war umkämpft. Jede einzelne!“
Sie schlüpfen in etwas kratzige Second-Hand-Nachthemden, die hier bereitliegen, und klettern in ihre Gästebetten.
„Du klingst fast, als würde Dich das wundern! So ist das die halbe Zeit über, soweit ich das verstanden habe.“
„So ein Wahnsinn. … Aber was machst Du dann, zu Hause in Detroit?“
„Wieder in die Schule, allen eins vorheucheln, von wegen, Grippe gehabt. Passt zu meinem Schnupfen, die Behauptung, vielleicht kann ich den da mit hinnehmen, als Beweismittel.“
„Und dann?“
„Schule fertig machen.“
„Und dann?“
„Frag' nicht immer weiter ‚und dann‘, Zoe! Worauf willst Du hinaus?!“
„Das ist alles Illusion, Kylah“, sagt Zoe energisch, und setzt sich auf, funkelt ihre Freundin wild an, „Alles, diese ganze Detroit-Scheiße, Schule, Wohnungen, Jobs! Die … Welt der Weberin!“
„Ja, aber ich will mich in eine gute Position bringen in der Welt der Weberin! Um meinen Leuten zu helfen! Dem Carjack Pack, und allen.“
„Also … in die Politik? Oder reich werden?“
„Quatsch, mein Stamm hat tausend Möglichkeiten, von denen 500 überhaupt nicht mal das Geringste mit Geld zu tun haben. Netzwerke gibt’s überall, Zoe. Überall.“
„Hm, ja, ich glaube, ich verstehe. … Was würdest Du im Leben machen, wenn nichts schief gehen könnte an Deinen Plänen?“, sagt Zoe und lässt sich wieder in die Kissen plumpsen.
Kylah putzt sich geräuschvoll die Nase, und sagt, „Das hast Du mich im Sommer schon mal gefragt, weißt Du noch? Und da hab' ich gelogen: Eine Punkband gründen, die berühmt wird.“
„Weiß ich noch. Und Du hast schließlich gesagt, Du würdest in der Band nicht mal spielen wollen, nur alles drumherum regeln. Du wärst bestimmt irgendwann 'ne fantastische Tourmanagerin …“
„War alles gelogen, weil ich Dir gegenüber ja nicht die Katze aus dem Sack lassen durfte. Hätte ja sein können, dass Du Dich doch noch als ganz zahmes Girl entpuppst, das nie einen beißen oder anknurren würde.“
„Prima, dass ich nicht enttäuscht habe diesbezüglich. Ich beiße, knurre, geifere, und hab' keinerlei Tischmanieren mehr.“
„So 'ne Art Terror-Barbie!“, ergänzt Kylah begeistert, „Blond, wuschelig, sexy, und leider total wild auf Menschenblut! Mit Zähnen wie Meißeln!“
Zoe presst sich beide Hände aufs Gesicht, die Ellenbogen zeigen zur Decke. Hoffentlich wird sie nicht schon wieder emotional!
Kylah fährt fort, „Na ja, vergiss' es, für Barbie hast Du aber zu kurze Beine, und einen zu kleinen Vorbau. Aber worauf willst Du hinaus?“
Zoe sieht sie an, die Augen sind tatsächlich nicht feucht, nur fragend.
„Was hältst Du von der Westküste? Da ist auch jede Menge Punkszene! LA und so!“
„Soll ich Dich da mal besuchen …? Mach' ich glatt! Aber Dein Stamm zahlt das Flugticket, nicht meiner, dass das mal klar ist!“
„Und mit mir da wohnen?“, fragt Zoe halblaut.
„… Scheiße. Komische Frage! Wir sind ja nicht mal Blutsschwestern! Ich hab' nur für Borrow-Bus auf Dich aufgepasst. Ich soll ja wohl nicht weiterhin Deine Babysitterin sein!“
„Doch, bitte“, sagt Zoe, schnörkellos, hilflos.
Kylah lacht sie aus, sie klingt amüsiert.
Zoe lacht auch, etwas scheu.



Die Kinder Gaias sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen verschiedener kultureller Wurzeln


Am dritten Tag ihres Hierseins ist auch Kylahs Erkältung bereits wieder weg, dank den erstaunlichen Kräutermitteln der Garou. Heute endlich nehmen sich die Septenmitglieder endlich Zeit für sie. Zwei Galliards sind dabei, die alle Einzelheiten hören wollen, wie auch Novak Malgrimov das im Herrenhaus gemacht hatte. Man ist etwas erstaunt, dass ein bisher völlig unbekannter Welpe hier im Überzeugungston von sich als Stammesmitglied spricht, als Cliath der Kinder Gaias. Zwar fast ohne Wissen über das Brauchtum, aber dafür mit offensichtlich frischen Kampferfahrungen. Ihre Armwunde ist endlich verheilt, und auch ihr herausgebrochener Eckzahn ist mittlerweile nachgewachsen. Zoe berichtet also den Galliards von ihren Erlebnissen.

Bei der Geschichte von der Klaive-Übergabe an den Ronin Walks-Through-The-Gray-Woods druckst sie etwas herum, immerhin hat sie dieses Erbe weggeschenkt, im Glauben, sie hätte direkten Anspruch darauf. Möglicherweise war alles, was sie getan hat, dem Gezücht des Fenris (zu dem sie ja in Wirklichkeit doch nicht gehört) einen ihrer Schätze vorzuenthalten. Das wäre wohl mal eine gute Gelegenheit gewesen, stattdessen Ehre anzusammeln! Die Galliards aber sind erstaunlicherweise gar nicht entrüstet, sie schmunzeln: Hier ist Zoes eigentliches Erbe in ihr zum Vorschein gekommen, das eines Kindes Gaias. Die Ältesten werden ihre Taten deshalb tatsächlich loben, aber anders als gedacht. Hier in diesem Stamm gilt die Geschichte nicht als verpasste Chance, sondern als Akt der Barmherzigkeit.

(Leider gibt’s trotzdem keine Ansehen-Punkte nachträglich, weil Zoe ihrem Stamm noch nicht angehört hatte zu diesem Zeitpunkt.)


Wintermoon Tooth wird auf dem Friedhof der Gefallenen Helden zeremoniell beigesetzt. Der Sichelmond scheint mittlerweile wieder, der ja im Leben sein Vorzeichen-Mond war. Mirabelle Thunder-Magic-Spoke und Elliot Echoing Tides und ein paar andere Garou von Jewell Island treffen noch rechtzeitig ein, um am Versammlungsritus für den Verstorbenen teilzunehmen, sowie einige der Töchter des Ältesten. Geschichten und Legenden aus dem Leben von Wintermoon Tooth werden auf dem Friedhof am Berghang erzählt, manche in Form von Wolfsgeheul. Zoe ist erstaunt über die schiere Menge an ruhmreichen Taten, und wie weit die Gedächtnisse der Kinder Gaias zurückreichen — der Theurge war 98 Jahre bei seinem Tod, und viele seiner Großtaten haben sich in den 50ern, 70ern, und 90ern ereignet. Die jüngeren Garou berichten oder singen davon, mit einer Leidenschaft und einer Fülle von Details, als wären sie persönlich dabei gewesen.

Dass es ihm als letzte Handlung auf seiner letzten Reise noch gelungen ist, einen neuen Welpen zu prüfen und in den Stamm aufzunehmen, auch noch eine mit spürbar reinem Blut, sehen viele als gutes Omen an. Viele fragende Blicke treffen Zoe. Einige der Bodenständigeren scheinen nicht recht zufrieden damit: Wurde schon der Ritus der Feuertaufe bei Zoe versäumt, wäre es umso wichtiger gewesen, ihren Aufnahmeritus wiederum nach allen Regeln der Kunst durchzuführen. Nicht übereilt, praktisch nebenher, auf einer Flucht! Aber der Krieg in den Schatten hat dies eben unmöglich gemacht.

Mehrfach wird Zoe nach ihrem Stammesnamen gefragt. Es sei Brauch, dass sie ihn aus den Ereignissen rund um ihren Aufnahmeritus ableitet. Der Name käme von selbst zu ihr, sagen die Werwölfe.


Am Tag darauf kniet Zoe neben Kylah in den Gemüsebeeten am Rand des Caerns, sie machen sich gerade nützlich, indem sie umgraben.
„… Kickt-Organhändler-In-Den-Arsch“, ist Kylahs erster Vorschlag zu diesem Thema.
„Aber das war ja noch vor dem Ritus! Außerdem wäre es dann doch eigentlich Tunkt-Organhändler-In-Den-Matsch!“
Kylah zuckt die Schultern, „Aber das war toll! Das könnte schon Dein Verdienstname sein.“
„Redet-Mit-Eichhörnchen. … Oder, Wird-Von-Angepisstem-Eichhörnchen-Mit-Eicheln-Beworfen.“
„Zu lang!“
„War auch nur'n Witz. Hm, Stiftet-Frieden-Zwischen-Bikergang-Und-Wolfsrudel. Oder so ähnlich.“
„Wieder zu lang! Dann vielleicht … Heult-Rum-Wegen-Bluttaten!“
„Oh ja, der ist vermutlich gut, der passt zu mir. … Sag' mal, Kylah, hast Du eigentlich auch einen Stammesnamen? So wie Lousy Five Bucks, und Shady Sabina?“
Sie zuckt die Schultern, „Bei uns Knochenbeißern mischt sich das ziemlich durch mit den Spitznamen, die wir sowieso haben. Ich könnte nicht mal sagen, ob Lousy Five Bucks und Shady Sabina Spitznamen sind, oder wirklich Verdienstnamen. Mein Arsch, ich weiß doch nicht mal, wie die beiden bürgerlich heißen!“
„Warum das denn nicht? Wäre doch praktisch!“
„Nee, wär's nicht! Für den Fall, dass man mal einkassiert und vernommen wird. Von den Mächten der Weberin, oder vom Feind. Verstehste? Die von meinem Stamm haben mir im Herbst schon ein Verhör-Training gegeben. Namen, die ich von vornherein nicht kenne, können auch nicht aus mir rausgekitzelt werden.“
Zoe lässt ihr Pflanzschäufelchen sinken, und sagt entsetzt, „Meine Güte, Kylah! Ich will auf keinen Fall, dass Du Dich in solche Gefahren begeben musst!“
Diese schüttelt den Kopf, „Aber mit Dir durch den Regensturm marschieren ohne richtige Winterklamotten, das geht? Oder von Konzern-Häschern gewürgt werden!“
„Nee, das will ich auch nicht! Ich …“
„Halt' mal die Luft an, Zoe! Und heul' bloß nicht wieder. Wir sind immerhin sowas wie Geheimagenten, kapierst Du nicht? Wir Blutsgeschwister zumindest. Ihr Werwölfe seid sowas ähnliches, so ein Zwischending, quasi die Schocktruppen.“
„Aber wozu das alles? Ich kapiere nicht ganz, worum es bei diesem Krieg in den Schatten überhaupt geht!“
„Äh, das hab' ich auch noch nicht so völlig verstanden, ehrlich gesagt. Ich bin ja auch noch neu dabei, bis Anfang des Jahres war mein Leben ganz normal bescheuert. ... Die Frage stell' Du mal lieber Deinen Ältesten an der Westküste …!“
„Und die Garou halten das geheim?“
„Da gibt’s irgendeine große Weltverschwörung, und irgendeine olle Prophezeihung, die seit der Jahrtausendwende angefangen hat, sich zu erfüllen. Wenn die Normalos in der Weberinnen-Welt das rausbekommen würden, wär' von heute auf morgen absolute Massenhysterie, angeblich. Mehr weiß ich auch nicht.“

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Re: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
« Antwort #52 am: 6.12.2024 | 15:11 »
Was sagen die Orakelwürfel denn sonst noch zum Aufenthalt im Caern der Sonnenbeschienenen Steine? — Summon Safety. Beschwörung passt natürlich bestens zu einem schamanischen Ort. Aber wie wird Sicherheit heraufbeschworen? … Oho, vielleicht in Gestalt eines Geistes, der Zoe durch die Umbra führen soll. Das ist dann naheliegenderweise ein Avatar von Re'em.

In dieser Nacht nehmen ein paar der Ranghöheren Zoe mit zum Versammlungsareal des Berghangs, einer Freifläche unter einer weiten, hölzernen Dachkonstruktion. Eine große Gestalt in einem zerfransten, grauen Mantel wartet dort auf sie, zusammen mit ein paar der Theurgen. Der Fremde wendet ihr unter seiner Kapuze das Gesicht zu, und sie erschrickt.
„Wir haben jemanden in der Umbra gefunden, den wir heraufbeschworen haben, damit er Dich über die Mondbrücken eskortieren kann, Zoe. Jemanden, der menschenähnlich genug erscheint, dass Du Dich unterwegs mit ihm verständigen kannst!“
Zoe und die Erscheinung sehen sich in die Augen. Der Fremde wirkt ganz und gar echt, stofflich, nicht etwa durchscheinend wie ein Gespenst. Er ist jedoch auch offensichtlich kein Mensch. Auf seiner Stirn ragt ein einzelnes Horn empor. Ein feiner Geruch liegt in der Luft, es riecht ‚bläulich schimmernd‘, zumindest ist das die einzige Beschreibung, die Zoes Verstand hergibt.



Der Avatar-Geist


„Stell‘ Dich ihm vor!“, raunt eine von den Werwölfen ermahnend, „Sage ihm Dein Begehr!“
„Oh, äh, ja. Hallo, ich bin Jennifer Zoe Matherson. Freut mich, Dich hier zu treffen. Ich soll … ich will zur Septe des Westlichen Auges!“
Der Avatar deutet eine Verneigung an, und sagt in tiefer, etwas kratziger Stimme, „Ich werde Iándor genannt. Ich bringe Dich dorthin, junge Garou, denn ich erkenne Dich als Teil von Re'ems Stamm.“
„Wann willst Du aufbrechen, Zoe?“, fragt einer der Garou.
„Wieso, ist denn schon alles bereit dafür?! Ich …“
„Jetzt, wo Dein Beschützer hierher beschworen ist, können wir jederzeit den Ritus der Geöffneten Brücke für Euch ausführen. Thunder-Magic-Spoke und Echoing Tide werden Dich zu Eurem Ziel begleiten, denn auch sie haben Erledigungen in der Septe des Westlichen Auges zu machen. Sobald Du soweit bist, könnt Ihr aufbrechen.“
„Das ist etwas plötzlich! … Was ist mit Kylah?“
„Wir haben unsere Blutsgeschwister schon alles arrangieren lassen. Sie wird von Bennington aus zurück nach Hause gefahren werden, von unseren Artverwandten. Auf eine Reise durch die Umbra könntest Du Deine Verbündete ohnehin nicht mitnehmen, denn die Menschen können das Geisterreich nur in ihren Träumen betreten.“
„Ich verstehe. … Ich muss noch Lebewohl sagen! … Dann bin ich bereit, sobald er es ist“, sagt Zoe tapfer, und nickt in Richtung der außerirdischen Erscheinung.


Erneut muss sie sich von ihrer Weggefährtin verabschieden, und sie kann nicht sagen, dass es durch die Wiederholung leichter fällt. Kylah spöttelt erneut über Zoes Gefühlsduseligkeit. Zoe erzielt vier Erfolge bei Wahrnehmung+Empathie, und begreift jetzt endlich, dass Kylah sich die ganze Zeit über doch nur deshalb so ausdrückt, weil sie damit über ihre eigene Unsicherheit hinweg zu täuschen versucht. Wahrscheinlich hat die 16-jährige Sorge, dass sie in Augen anderer überhaupt nichts ist, wenn sie nicht zumindest als hartgesottener Punk rüberkommt. Zoe schließt sie fest in die Arme, und dankt ihr nochmal, und sie versprechen sich gegenseitig, sich in San Francisco zu treffen, sobald Gelegenheit ist. Ihr sentimentales Gesuch von neulich, dass die Blutsschwester doch einfach mitkommen könne, wagt Zoe nicht nochmal zu wiederholen, dafür scheint die Gelegenheit gerade nicht günstig.



Ein Schrein nahe des Herzens des Caerns der Sonnenbeschienenen Steine


Der Halbmond scheint hell über den Wäldern an der Bergflanke, als Zoe mit Mirabelle und Elliot auf das Herz des Caerns zu geht. Der Zeremonienmeister der Septe ist hier, mit seinen drei jungen Trommlern, um den Ritus zu beginnen, der sie durch die Umbra hindurch schicken soll. Zwischen den Holzsäulen einer großen Pagodenkonstruktion erwartet sie schon das Wesen Iándor, mit seinem gleichzeitig gütigem und gestrengen Gesicht.
„Ich sehe voraus, dass es gutes Wetter in der Umbra gibt für diese Reise!“, sagt die Stimme des Avatars ruhig.
„Es gibt Wetter in der Umbra?“, wagt Zoe zu fragen.
„Ja“, sagt Mirabelle lächelnd, „Sternenschauer und Sonnenstürme und sowas! Komm' jetzt! Wir zollen dem Geist des Bennington-Dreiecks unseren Respekt, bevor wir gehen. Dort ist sein Schrein.“
Die Theurgin bedeutet Zoe vor einem kleinen, steinernen Altar in die Hocke zu gehen, wie sie es tut. Dort sind im Kerzenschein kleine, ölgemalte Bilder aufgestellt, welche allesamt die mysteriösen, moosbewachsenen Steinhaufen im Wald zeigen. Es scheint viele davon zu geben auf dem Glastonbury Mountain. An einem von denen war das Lagerfeuer, während ihrem Aufnahmeritual. Mirabelle spricht leise ein Gebet in der Hohen Zunge. Sie endet auf Englisch (wahrscheinlich um Zoe teilhaben zu lassen), „… Mögen all die Rätsel, die Du den Sterblichen aufgibst, weiterhin unsere Existenz verschleiern, großer Geist des Bennington-Dreiecks, immerdar.“
Als sie sich wieder abwenden, fragt Zoe neugierig, „Was sind die Dinger auf den kleinen Ölbildern? So eins habe ich auf dem Hinweg gesehen!“
„Das sind sogenannte Cairns“, erklärt Mirabelle.
„Hä? Ich dachte, dies hier wäre ein Caern!“
„Gleicher Wortstamm, aber andere Funktion! Die Cairns auf dem Glastonbury Mountain sind so etwas wie prähistorische Altäre. Das bedeutet, dass dieser Berg schon in grauer Vorzeit als heilige Stätte bekannt war. Das Caern-Totem, der Geist des Bennington-Dreieck, verwendet sie heutzutage, um auf dem Berg schnell von Punkt zu Punkt zu reisen. Nicht unähnlich wie die Reise, die uns jetzt bevorsteht!“
Zoe zögert ein Weilchen, dann raunt sie aufgeregt, „Geografie war neben Sport das einzige Schulfach, in dem ich ziemlich gut war! Ich bin ziemlich sicher, dass das unmöglich ist! Teleportation, ja, vielleicht für einen Geist …!“
Mirabelle dreht sich nach ihr um, streicht ihr über die Wange, und sagt, „Aus Dir spricht nur das Lampenfieber. In der Umbra sind wir wie Geister, erinnere Dich. Das Wylde hat gewaltige Macht in der Umbra! Du wirst schon sehen, wie die Gesetze der Weberin dort gebogen werden.“
„Gesetze der Weberin?“
„Die physikalischen Gesetze von Zeit und Raum! … Sag' mal, bist Du eigentlich anfällig für Jetlag?“
„Wieso?“
„Ich frag' nur.“

Die drei Kinder Gaias treten vor Iándor, und dieser nickt ihnen zu. Der Garou-Ritenmeister im Hintergrund ist mittlerweile in seiner imposanten, aber ungeschlachten Glabro-Form, knurrt und schnarrt und summt in ekstatischer Trance, zu den Trommeln, die gespielt werden. Dann öffnet er in feierlicher Geste eine massive, mit komplexen Mustern beschnitzte Holztruhe. Als das Halbmondlicht von außerhalb der Pagode ins Innere der Truhe fällt, wird es hell von einem glänzenden Objekt darin reflektiert — dem Pfadstein. Es ist ein großer, blank polierter Brocken eines ungeschliffenen, hellweißen Steins, wie Marmor. Der Ritenmeister lenkt das Licht mit Spiegeln gegen die Felswand, und sofort entsteht eine faszinierende optische Täuschung, bei welcher der solide Stein plötzlich im Lichtschimmer so aussieht wie ein steinernes Durchgangstor!
„Folgt mir, Anhänger von Re'em!“, sagt Iándor, und schreitet direkt darauf zu.


Hier sind Spielwerte für den Geist, nur für den Fall das sie noch gebraucht werden auf der Reise:

Iándor, Avatar von Re'em
Willenskraft: 8, Rage: 5, Gnosis: 8, Essenz: 21.
Kräfte:
Airt-Sinn:
Der Geist kann Richtungen in der Umbra bestimmen und Geisterfährten finden. Mit einem Gnosis-Erfolg kann er bestimmte Individuen oder Orte aufspüren.
Fährtenleser: Indem er einen Punkt Essenz ausgibt, kann dieser Geist jedes spezifische Ziel aufspüren.
Heilkraft: Dieser Geist kann bis zu zwei Wundlevel eines verwundeten Charakters heilen. Er muss dafür einen Gnosis-Wurf machen gegen 7, oder gegen 9 bei Verheerendem Schaden. Pro Szene darf jedes Ziel nur einmal hierdurch geheilt werden.
Materialisierung: Mit einem erfolgreichen Gnosis-Wurf gegen die örtliche Barriere kann der Avatar sich in der Fleischwelt materialisieren.
Zungen: Der Geist ist dazu in der Lage, mit Wesen aus der stofflichen Welt zu kommunizieren. Die tatsächliche Sprache des Ziels ist unerheblich, es muss nur in Hörweite sein.

Hier sind auch unsere derzeitigen Garou-Begleiter:

Mirabelle Simmons, Thunder-Magic-Spoke
Alter: 32; Stamm: Kinder Gaias; Vorzeichen: Theurge; Blut: Garou; Aufzucht: Homid; Rang: Adren
Attribute: Geschick 3, Konstitution 3, Stärke 3, Charisma 3, Erscheinungsbild (Abenteuerlich) 4, Manipulation 2, Geistesschärfe 3, Intelligenz (Kombinationsgabe) 4, Wahrnehmung 3
Fertigkeiten: Athletik (Rennen) 4, Aufmerksamkeit 3, Ausdruck 3, Ausweichen 3, Einschüchtern 3, Empathie (Verschwiegenes) 4, Handgemenge 3, Überzeugen 3, Ur-Instinkt 3; Anführen 3, Handwerk 2, Heimlichkeit 3, Nahkampf 2, Überleben 2; Enigmas (Umbra-Gleichnisse) 4, Etikette 3, Linguistik 3, Okkultismus (Animismus) 4, Medizin 3, Nachforschung 3, Rituale 3, Zurechtfinden 2.
Hintergründe: Alliierte (Septe des Westlichen Auges) 2, Alliierte (Septe der Hand Gaias) 2, Geister-Netzwerk 3, Ressourcen 1, Riten 3.
Gnosis: 6
Rage: 4
Willenskraft: 7
Gaben: Calm, City Running, Exorcism, Name The Spirit, Resist Pain, Sense Weaver, Sense Wyrm, Spirit Speech, Staredown
Riten: Awakening, Binding, Summoning.
Ausrüstung: Klapp-Taschenspiegel an Halskette, Lederkleidung, Knochenmesser (alles Zugeeignet), Talens


Elliot Hadock, Echoing Tide
Alter: 27; Stamm: Kinder Gaias; Vorzeichen: Philodox; Blut: Garou; Aufzucht: Homid; Rang: Fostern
Attribute: Geschick 3, Konstitution (Wetterfest) 4, Stärke 3, Charisma 3, Erscheinungsbild 3, Manipulation 2, Geistesschärfe 3, Intelligenz 3, Wahrnehmung 3
Fertigkeiten: Athletik (Schwimmen) 4, Aufmerksamkeit 3, Ausdruck 2, Ausweichen 2, Einschüchtern 2, Empathie (Durchschauen) 4, Handgemenge 3, Überzeugen (Verhandlungen) 4, Ur-Instinkt 3; Anführen 1, Handwerk 2, Heimlichkeit 3, Nahkampf 3, Seefahrt (Kleinboote) 4, Überleben 3; Enigmas 1, Etikette 3, Linguistik 2, Okkultismus 2, Medizin 2, Nachforschung 2, Politik 2, Rituale 3, Zurechtfinden 2.
Hintergründe: Alliierte (Septe der Nebelumwobenen Bucht) 3, Alliierte (Septe der Sonnenbeschienenen Steine) 1, Blutsgeschwister (in Portland, Maine) 2, Ressourcen 2, Riten 1.
Gnosis: 5
Rage: 5
Willenskraft: 6
Gaben: Calm, City Running, Resist Pain, Scent of the True Form, Truth of Gaia
Riten: Binding
Ausrüstung: Lederkleidung, Wintermantel, Knochenmesser (alles Zugeeignet), Talens, kleines Segelboot (ankert nahe bei Portland)



Die Mondbrücke


Unter ihren Füßen erstreckt sich eine geradlinige Bahn, die hinaus führt in die weite Sternennacht, in ihrem Ansteigen erinnert sie tatsächlich an eine Brücke. Zoe berührt sie mit den Handflächen, und sinkt dann auf die Knie, sie sieht fassungslos genauer hin. Obwohl die Bahn aus reflektiertem, gekrümmten Licht besteht, ist sie gleichzeitig wie Stein, von Rissen durchzogen, an einigen Stellen eingekerbt. An manchen Stellen werden Lichtpartikel wie Staub von ihr geweht.
„Unfassbar“, sagt Zoe zu sich selbst.
„Immer wieder schön, es durch die Augen von jemandem zu sehen, der es sich vorher noch nie ausgemalt hat!“, lächelt Echoing Tide.
„Wir sollten uns beeilen … Iándor wird nicht anhalten, damit wir uns an der Umbra-Landschaft weiden können! Und wir sollten seinen Schutz nicht verlieren. Nur für den Fall der Fälle …“, sagt die Theurgin.
„Ich dachte, die Mondbrücken seien von den Mondinnen beschützt?“, fragt Elliot.
„Das ist alles so … wow …“, ächzt Zoe.
Mirabelle antwortet, „Ja, das werden sie ganz gewiss. Aber man weiß nie, was passiert. Ich habe ein ominöses Gefühl, und auf derlei ist zu hören, in der Umbra. … Zoe, auf die Füße mit Dir, folge uns!“
Die Angesprochene gehorcht zögerlich, „Und sie kann wirklich nicht einstürzen? Unter uns … ohh … sind nur Wolken …“
„Halt' Dich bloß auf der Brückenbahn, Zoe!“, sagt Mirabelle, ihre aschblonden Haare wehen in geisterhaftem Wind, „wir sind hier hoch oben im Ätherischen Reich! Das unter uns ist nicht direkt die Fleischwelt, das sieht nur so aus. Aber wer fällt, der stürzt in ein anderes Reich innerhalb der Umbra, wahrscheinlich auf Nimmerwiedersehen.“
Zoe bebt wie Espenlaub, und hakt sich bei Mirabelle unter.
Die kosmische Schönheit um sie her ist etwas zu viel, ihr Verstand und ihre Sinne fließen schier davon über.
„Wenn ich gewusst hätte, dass das hier mich erwartet, wäre ich schon bei der ersten Gelegenheit hierhin gegangen …“, keucht sie, „Mit Crash Site dem Knochenbeißer auf seine Mondpfade ...“
Mirabelle lacht leise, „Die Mondpfade sind tiefer unten in der Umbra gelegen, Zoe. Sie schlängeln sich durch die gesamte Nachtseite der Schöpfung. Mondbrücken wie diese hier werden nur durch einen Ritus geschaffen, immer nur zeitweilig, wie reflektiertes Licht, das hin und her geworfen wird.“
„Ooohhh …“, bringt Zoe hervor, und schaut taumelig wieder auf ihre Füße, in der Furcht, das Licht könne jederzeit damit aufhören, reflektiert zu werden.
Mirabelle fährt gelassen fort, „Sie sind die sicherste Art, zwischen Caerns zu reisen. Für diesen Fußmarsch nach Nevada bräuchten wir in der Fleischwelt etwa eintausend Wegstunden. Aber auf der Mondbrücke werden wir binnen einer Stunde da sein. … Leider ist das Mondbrücken-Netz nicht mehr das, was es einmal war. Die Nation ist um die Jahrtausendwende gesplittert, und viele Septen erhalten die Verbindungen nicht mehr aufrecht, aus Angst, oder Groll. Das Caern der Sonnenbeschienenen Steine aber hat noch Beziehungen zum Caern der Glitzernden Beute in Las Vegas. Das ist in etwa das Maximum an Reichweite für eine Mondbrücke von Glastonbury Mountain aus ... Ganz bis nach San Francisco gibt es keine direkte Verbindung zur Westküste. Wie ein Flug in der Weberinnen-Welt, bei dem man umsteigen muss, verstehst Du das soweit?“
„Ich glaube …“
„Das Caern der Glitzernden Beute in Las Vegas wird derzeit von Knochenbeißern gehalten. Wir werden mit ihnen verhandeln müssen. Aber für Verhandlungsgeschick ist unser Stamm weltbekannt, Zoe! Wenn die Knochenbeißer uns ebenfalls eine Mondbrücke aufbauen, erreichen wir noch heute Nacht das Caern des Westlichen Auges.“

Die Mondbrücken sind zwar ziemlich sicher, aber es gibt keine Garantien für irgendwas in der Umbra! Die Orakelwürfel sagen hierzu, außerordentlich stimmig, Construct Path. Der vorgezeichnete Pfad ist ja bereits entstanden … nun aber wird ein zweiter geschaffen!

Während die drei Garou dem stummen Avatar folgen, immer höher auf der Brückenbahn, werden die Sterne heller, ihr Licht wird gleißend, so deutlich, wie keine irdische Kamera es aufnehmen könnte. Bekannte Sternbilder sind ebenso zu sehen wie völlig Unbekannte, in unvorstellbarer Ferne. Die große Erscheinung in der grauen Kutte hält plötzlich an. Zoes Augen folgen Mirabelles Blick, die unter ihnen etwas entdeckt hat: Eine weitere Mondbrücke spannt sich wenige Meter unter ihrer eigenen, oder zumindest so etwas in der Art. Schimmernde Geister-Körperchen setzen sich zusammen, und formieren so etwas wie durchscheinende Wegplatten. Die entstehende Bahn führt unter der Mondbrücke hinweg. Wenn sie hier nach Westen wandern, schlussfolgert Zoe, dann baut sich der andere Weg nach Süden. Aber irgendetwas sagt ihr, dass sie hier mit der Weberinnen-Logik ihres bisherigen Lebens sowieso nicht weiterkommt, auch, was Himmelsrichtungen betrifft.
Iándor wendet sich zu ihnen um, und sagt, „Ihr habt Euch zu entscheiden, welchen Weg Ihr nehmen wollt, Anhänger von Re'em. Kräfte des Wylden haben Euch soeben angeboten, ihnen zu folgen. Vielleicht ist dies ein direkter Weg zum Caern des Westlichen Auges, vielleicht auch nicht. Das Ziel wird nicht genannt, oder steht noch nicht ganz fest. Aber sie wollen Euch nichts Schlechtes. Entscheidet Euch also: Weiter der Mondbrücke nach, oder in diese neue Richtung?

Aufregung ist eine starke Emotion, also muss die arme Zoe mit ihren vollen sechs Rage-Würfeln einen Wurf machen. Bei Halbmond ist die Schwierigkeit nur noch sechs,  und sie entgeht nur um Haaresbreite der Fuchsraserei. Sie zuckt unkontrolliert hin und her, Fell beginnt sie zu bedecken. Mirabelle behält sie fest untergehakt, und packt sie mit der freien Hand auch noch am Schlafittchen.
„Sollen wir den Neuzugang entscheiden lassen?“, knurrt Echoing Tide, „Die Spannung scheint zu viel für sie zu werden!“
„Bloss weiter … wie uns geheißen … es darf nicht schon wieder … etwas schiefgehen …“, röchelt Zoe, fährt sich mit den Krallenhänden über die haarigen Wangen, versucht, sich zu sammeln.
Mirabelle scheint der Versuchung des unbekannten Pfades willentlich widerstehen zu müssen. Dann nickt sie, und murmelt so etwas wie ein Dankesgebet an die fremden Geister unter ihnen, wahrscheinlich erklärt sie, dass sie deren Angebot ablehnen müssen.
„Sind die jetzt nicht … irgendwie erzürnt?“, fragt Zoe ängstlich, als sie weitergehen.
Die Theurgin erwidert, „Das würde ja voraussetzen, dass man eine Art Ursache-und-Wirkung-Denkweise verwendet. So wie wir, die wir in der Welt der Weberin aufgewachsen sind. Den Geistern des Wylden ist dies eher fremd. Sie handeln nur nach unverfälschtem Instinkt.“
„Dann ist ja gut …“, grollt Zoe, ihre Nerven flattern immer noch ganz gewaltig.
„Da bin ich nicht so sicher“, murrt Mirabelle, „Irgendetwas sagt mir, dass wir noch bereuen werden, ihre Abkürzung nicht genommen zu haben …“
« Letzte Änderung: 6.12.2024 | 15:54 von Schalter »

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Re: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
« Antwort #53 am: 7.12.2024 | 13:09 »
„… Bevor wir in Kontakt mit einer Dir fremden Septe treten, Zoe, sollten wir etwas gegen Deinen Zorn tun!“, sagt Echoing Waves besorgt.
„Dagegen kann man nichts tun“, murrt diese, „außer jemand findet sich, an dem ich den abreagieren kann. Und dann bin ich kein schöner Anblick …!“
„Das geht uns allen so, Zoe. Du bist nicht allein.“
Plötzlich versagt ihr die Stimme, und sie kann nur noch flüstern, als sie entgegnet, „Wie lebt Ihr damit?! Das ist ein Albtraum! Das kann einen jederzeit dazu bringen, zu töten! Wir sind Ungeheuer!“
„Gaia die Erde hat uns zornig geschaffen, damit wir Ihre Krieger sind. Wut kann ein unglaublicher Treibstoff sein“, sagt Mirabelle empathisch, „Aber Du musst sie zu beherrschen lernen.“
„Das kann ich mir nicht einmal vorstellen!“, gibt Zoe zu, schüttelt kleinlaut den Kopf, „Das ist das heftigste Gefühl, das ich je hatte! Das macht mit mir, was es will! Der Mond macht mir mir, was er will!“
„Du musst eben Deine Klinge zu führen lernen, Stammesschwester“, sagt Echoing Tide, „Aber bis Du das kannst, gibt es andere Mittel und Wege.“
„Welche?“, fragt Zoe flehentlich.
„Unser Stamm kennt Techniken von unseren alliierten Geistern, die Wut in Gleichmut verwandeln können. Lass' mich Dir das zeigen. Dann kannst Du gleich vor die Knochenbeißer treten, ohne uns und denen gefährlich zu sein.“
„Ja, bitte …“
Echoing Tide stellt sich genau neben Zoe, legt eine Hand auf ihre Stirn, die andere auf ihre Schulter.
„Erzähl' mir alles, was Dich letztlich aufgeregt, bedrückt, oder gekränkt hat, Zoe.“
„Was? Das ändert doch nichts!“
„Erzähl' es mir bitte trotzdem.“



Sie hält das zuerst irgendwie für Hippie-Lala, und berichtet nur stockend von den Momenten bei ihrem Aufnahmeritus, welche die sechs vollen Rage-Punkte gebracht haben. Die schießwütigen Park Ranger. Ihr eigenes, instinktives Schnappen nach dem Eichhörnchen-Geist, was diesen gegen sie aufgebracht hatte. Die gezielten Provokationen der Bikergang. Je mehr davon sie berichtet, desto leichter fällt es ihr. Kaum ist es ausgesprochen, ist es nicht mehr so schlimm! Ihre Rage sinkt ab auf vier, durch die Gabe Calm. Verwundert blinzelt sie Echoing Tide an: „Meine Güte! Ich fühl' mich tatsächlich etwas leichter. Bringst Du mir bei, wie das geht?“
Er lässt sie los und klopft ihr auf die Schulter, „Die Geister werden es Dich lehren, wenn die Zeit reif ist! Bis dahin hast Du Deine Stammesgeschwister dafür. Komm', wir gehen weiter.“


Die drei Wanderer folgen der Geistererscheinung nach, und treten hinter ihr hinaus in eine Art Kellerraum. Jede Menge Kerzen und bunte, elektrische Lichter sind hier verteilt. Kunstvoll platzierte Spiegelscherben werfen deren Lichter hin und her. Zoe sieht sich desorientiert um, die Mondbrücke scheint auch hier hinter einer soliden Steinwand in die Unendlichkeit zu führen, als wäre ihre Existenz nur ein verblüffender Spiegeltrick.
Kratzige Stimmen lachen, heulen, und knurren durcheinander. Auch hier ertönen Trommelrythmen, aber diese werden mit Drumsticks produziert, auf einer alten Plastiktonne.
Eine Stimme übertönt die anderen: „Willkommen im Caern der Glitzernden Beute, Gaia-Kinder! Was schleppt Ihr uns an?“
„Habt dank! Ich bin Mirabelle, die Ranghöchste unter uns. … Was meint Ihr mit anschleppen?“
„Talens, Plunder, Frischfleisch, Manna, Stoff, Cash! Irgendwelche Güter, die Ihr am Start habt! Tribut, komm' schon, Sweetie, Tribut. Informationen tun's auch, wennse ordentlich saftig sind.“
Zoes Blick wandert etwas erschrocken umher. Die Knochenbeißer, die sich hier versammelt haben, sind ziemlich düster aussehende Gestalten, in stinkenden, abgerissenen Klamotten. Der Sprecher ist sehr gedrungen, sehr zäh, und natürlich sehr haarig, und hat eine echt häßliche Fresse, mit überbreitem Mund voller krummer Zähne, und ungleich großen Augen.
„Ich bin der Septen-Obermacker, klar?“, fügt er hinzu, „Jumps-The-Borderline, Adren der Knochenbeißer! Alles hier unten hört auf mein Kommando!“



Jumps-The-Borderline


Mirabelle und Elliot wechseln einen Blick, und der Philodox sagt, „Wir haben ein Paar Talens bei uns, die wir Euch anbieten können. Vor allem einige Pfeilspitzen für Plagentöter-Pfeile.“
„Das' alles?“, knurrt der Septenherr, „Ischa ganz schön mau!“
„Wie hätten wir denn beispielsweise Weberinnen-Bargeld durch die Umbra bringen sollen, Jumps-The-Borderline-rhya?“, fragt Echoing Tide.
„Noch nie was von Fetisch-Geldsäcken gehört, oder was? Hä?“, knurrt dieser, irgendwie gleichzeitig gut gelaunt und garstig.
Mirabelle sagt, „Wir haben Kunde mitzuteilen von den letzten Schachzügen des Feindes bei der Ostküste. Unser Rudel war tief darin verwickelt. Wir selbst haben das abtrünnige Rudel bekämpft, das sich dort gerade von Eurem Stamm abgewendet hat.“
„Bah, ja, die Verräterschweine“, sagt der Septenherr angepisst, aber er winkt ab, „Euren Kriegsbericht brauchen wa nicht, die Stillen Streicher war'n längst hier. Wir wissen schon alle Einzelheiten. Zeigt halt ma' her, Eure Talens, erstma drauf gucken.“

Zoe sieht sich verwirrt um, während die Ranghöheren über ihren kleinen Fetisch-Objekten brüten, den Talens, und murmelnd über sie verhandeln. Immer weitere Septenmitglieder kommen neugierig dazu gelaufen, durch mannshohe Stahlröhren, die in diesen Kellerraum führen, zu Fuß als Penner, oder auf vier Pfoten als gerupft aussehende, magere Wölfe.

Werden die Ranghöheren sich handelseinig? Leider nein, sagen die Orakelwürfel! Na, dann:

Die gierigen Kennerblicke der Septenmitglieder sind nicht erbaut über die vorgezeigten Talens.
„Ihr wollt uns wohl einen Streich spielen, wa?“, braust Jumps-The-Borderline auf, „Wo is'n überhaupt Euer Ragabash, der sollte doch wohl für Streiche zuständig sein! Mit'n paar ollen Talens woll'nse uns abspeisen, die schicken Herrschaften. Dafür, dasse unsere Brückenverbindung benutzen durften! Und womöglich habter auch nichts, was Ihr anbieten könnt für Eure Weiterreise? Soll'n wir den Ritus vonner Geöffneten Brücke für Euch durchführen für'n Appel und'n Ei, oder was!“, faucht er, richtig aufgebracht.

Da muss wohl ein Charisma+Überzeugen-Resultat her. Das übernimmt der Philodox, Echoing Tide. Er hat leider dank dieser Eröffnung auch schon ordentlich Rage aufgestaut! Trotz fünf roter Würfel kommt aber glücklicherweise kein Brutales Resultat, stattdessen erzielt er fünf Erfolge! Mirabelle hat vorhin offensichtlich nicht zu viel versprochen: Die Kinder Gaias sind hervorragende Verhandlungsführer. Elliot schlägt einen saloppen Tonfall an, und scheint den Knochenbeißern schon einmal ihre Befürchtung zu nehmen, die fremden Reisenden wollten hier von oben herab mit ihnen reden, oder sie gar herumkommandieren. Dann arbeiten sie gemeinsam einen Deal aus. So widerborstig sind sie ja doch nicht, die Knochenbeißer hier unten!

„… Was für ein Ort ist das hier denn?“, fragt Zoe in der Zwischenzeit leise Mirabelle, „ich dachte, die Mondbrücke führt nach Las Vegas!“
Die Theurgin raunt zurück, „Tut sie auch. Wir sind unter Vegas!“
Zoe begreift, dass dieses spezielle Caern halt nicht an einer majestätischen Bergflanke oder auf einer verwunschenen Insel liegt, sondern irgendwo unterirdisch. Sie muss an den Undersalt Market in Detroit zurückdenken.

Ein paar der anderen zerlumpten Septenmitglieder erklären der verdutzten Zoe ein paar der Details: Das alte Netzwerk von Fluttunnels zieht sich meilenweit unter Las Vegas dahin. Fledermäuse, Ratten, und Spinnen so groß wie Tennisbälle leben hier unten ebenfalls, und es besteht konstante Flutgefahr (weshalb die Bewohner ihre Campingzelte auf Bierkisten aufstellen, für den Fall, dass das Wasser steigt). Polizei-Razzien sind ebenfalls gefürchtet, aber tatsächlich wagen die Cops sich kaum mehr hier herunter, nachdem einige Knochenbeißer allzu harsch durchgegriffen haben, um ihre Blutsgeschwister zu beschützen. Irgendwo im Gewirr dieser Tunnels liegt das Caern der Glitzernden Beute.


Caern der Glitzernden Beute
Lage: Fluttunnels unter Las Vegas, Nevada
Rang: 3
Typ: Straßenwissen (Weisheit)
Caern-Totem: Die Große Schrotthalde
Stammesstruktur: Knochenbeißer, bedingt offen für Besucher von anderen Stämmen
Bevölkerung: Um die 15 Garou und fünf bis zehn Blutsgeschwister sind zu jeder Zeit vor Ort
Barriere-Wert: 3


Wie sieht denn der Deal aus, der mit der Knochenbeißer-Septe gemacht werden kann? Die Orakelwürfel sagen dazu, Hide Problem. Großartig, dazu weiß ich was:

Nachdem die Neuankömmlinge sich also alle drei den Knochenbeißern vorgestellt haben, und auch die meisten der anwesenden Septenmitglieder ihre Namen gesagt haben (Zoe kann sich so schnell nur wenige merken, in der bunt gemischten Fülle aus Stammesnamen, Spitznamen, Vorzeichen, Rangestiteln, und Septen-Ämtern), winkt der Anführer sie hinter sich her.
Sie laufen durch einige der metallenen Röhren, ihre Schritte hallen, unwirklich verzerrt. An einigen Stellen steht das Regenwasser knöcheltief.
„Braucht kein' Schiss zu haben, dass wer Euch sieht, hier ist noch einer der Bereiche, wo die Menschlinge nicht rein können. Nich' mal uns're Blutsgeschwister“, erklärt Jumps-The-Borderline in gedämpftem Ton.
„Hier leben auch Blutsgeschwister? … Und auch Normalos?“, fragt Zoe erstaunt.
„Sowas wie 300 Menschen nennen das hier ihr heimliches Zuhause“, sagt er, und hält inne, deutet hinauf: „Seht Ihr? Die Lichter da oben, durch den Regenablauf, das is' Las Vegas Boulevard. Die rennen da eifrig hin und her, und ha'm keinen Schimmer, dass wir hier unten sind! … Aber das is' nich' das, was ich Euch zeigen wollt'. Kommt, hier lang.“
Sie schleichen um eine Abzweigung, die vor einem schweren, rostverkrusteten Rundgitter endet.



„Die Drecksviecher haben das genau hier gemacht, genau an dieser Stelle, weilse genau wissen, dass wir das da nich' so leicht weg machen können. Aber dass wir's auf jeden Fall finden würden. Die kennen sich hier noch aus wie in ihrer Scheiß-Westentasche.“
Jenseits des Gitters sieht Zoe gar nichts, obwohl auch sie ihre Augen zu wölfischen Nachtaugen verwandelt hat. Nur ein paar Stahlpfeiler sind in den Boden und die Wände getrieben worden. Vermutlich mit Crinos-Stärke. Die Tunnelwand ist mit einem Wandbild beschmiert.
„Das ist übelste Blasphemie“, hört sie jedoch Echoing Tides in schauderhafter Stimme knurren, seine Zähne werden zu scharfen Fängen, und seine Augenbrauen werden buschig. Man hört ihm Wut und Abscheu an.
Zoe späht angestrengt. Das meterhohe Wandbild ist mit bräunlicher Farbe gemalt, und stellenweise mit etwas Scharfkantigem ins Metall gekratzt. Es sieht aus wie das Werk eines Wahnsinnigen. Dann erst realisiert sie, dass es eine Glyphe darstellt, so wie die archaischen Krallen-Glyphen, welche die Garou in ihren Caerns in viele der Oberflächen ritzen. Es wirkt wie eine komplizierte Spirale.
(Sie weiß nicht genau, was das zu bedeuten hat, aber das ominöse Gefühl gibt ihr einen der abgelegten Rage-Punkte zurück.)
„Der Feind ist hier! Direkt vor Eurer Tür! Wann ist das gemacht worden?“, grollt Mirabelles Stimme.
„Vor'n paar Nächten. Die Pfeiler war'n dafür da, um Köppe von welchen vonnen Menschlingen drauf aufzuspießen. Einer war unser Blutsbruder, Stupid Melvin! Die Köppe ha'm wir mittlerweile schon wech genommen. Aber man kann nur durche Penumbra da ran, und aufer annern Seite is' da alles voller Strukturspinnen. Immerhin sind wir hier inner Großstadt! Jeder Schritt is' riskant.“
„Heißt das, ein Angriff steht direkt bevor?“, knurrt Mirabelle.
„Oh nein, nicht schon wieder!“, entfährt es Zoe.
Jumps-The-Borderline antwortet, „Nee, das wüsst'n wir! Wir schicken all unsere Geister aus, die spionieren für uns. Das hier war noch keine Kriegserklärung, das war nur'n kleiner Gruß! Die woll'n uns nur Angst machen. Wir jagen die Drecks-Monster nieder, sobald die sich wieder ran wagen, das glaubt ma'. Aber … und das is' der springende Punkt: Keiner darf bisher davon was erfahren! Das is'n Problem, das erstma nich' bekannt gemacht werden darf!“
„Warum!“, fordert Echoing Tides zu wissen.
„Mann, Gaia-Kind, weil wa den Glaswandlern und Schattenherrschern oben inner Stadt versprochen hab'n, dass sowas nich' mehr passieren kann! Die fordern das Caern wieder von uns ein, wenn die das hören, dass Tänzer der Schwarzen Spirale hier rumschleichen!“
Mirabelle nickt, und sagt langsam, „Ich glaube, ich verstehe. Das Caern der Glitzernden Beute ging schon durch viele Hände. Die anderen Stämme würden es für ihre eigenen Zwecke nutzen wollen.“
Jumps-The-Borderline nickt ärgerlich, „Jau, und die brauchen nur den kleinsten Grund, es uns streitig zu machen! Wenn aber die Snobs da oben das hier unter ihre Kontrolle kriegen, dann wird aber Großreine gemacht! Dann verlieren aber ma' 300 Menschlinge auf ein' Schlag ihr Dach über'm Kopf! Von uns Knochenbeißern ganz zu schweigen.“

Sie kehren wortlos zurück ins Versammlungsareal des Caerns. Das ist ein großer Raum mit Wänden aus Mauerwerk, wo viele Camping- und Polstermöbel herumstehen, und an Feuerstellen gekocht und gebacken wird.
„Was also können wir für Euch tun?“, fragt dort Mirabelle leise.
„Kennter nich' die Vegas-Regel? ‚Was im Caern der Glitzernden Beute passiert, das bleibt im Caern der Glitzernden Beute!‘ Das' die Vegas-Regel.“
„Äh, die kenne ich so ähnlich“, hebt Zoe an zu widersprechen, aber beißt sich auf die Zunge. Sie sollte ja nicht klugscheißen.
„Aber gut, dassde fragst, Sweetie!“, fährt der Septenherr fort, „Als erstes heißt das, Ihr erzählt keinem wem von unser'm scheiß Problem. Nirgendwo. Wir kümmern uns da drum. Mit unsern beiden Rudeln und der ganzen Septe. Haben wir den Totems hoch und heilig geschworen! Is' aber unsere Sache. Geht die annern Stämme erst was an, wenn wir unsere ruhmreichen Jagdlieder davon in den Nevada-Nachthimmel rauf heulen. Klar?“
„Verstanden. Aber warum habt Ihr dann uns davon erzählt?“, fragt Elliot.
„Weil unsere Vorgänger hier unten ma‘ gute Verbündete war'n mit Eurer Septe in Vermont! Weil Ihr Gaia-Kinder 'n Ruf habt als Neutrale! Und weil Ihr Arschl— weil Ihr arschig-mittellos hier aufgekreuzt seid, ohne 'ne ordentliche Gegenleistung für die Durchquerung unseres Caerns anzubieten zu haben!“
« Letzte Änderung: 7.12.2024 | 14:46 von Schalter »

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Re: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
« Antwort #54 am: 7.12.2024 | 15:03 »
Wir befragen das Orakel, was denn die Rolle der Besucher sein soll während dem nächsten Schachzug der Knochenbeißer? Guard Barrier sagen die Würfel; sehr cool, das ist geradeheraus:

„Morgen Nacht scheuchen wir se auf“, erklärt einer der räudigen Ahrouns aus der Septe, „Da brauchen wir dann zusätzliche Reißzähne! Euch! Wir hätten eigentlich 'n paar der jungen Glaswandler von oben aus der Stadt gefragt, die wir ganz gut kennen, aber Ihr seid besser, Ihr drei seid in das Kräfte-Gefüge von Vegas nicht verwickelt! Während wir den Feind hetzen, sind beide unserer Rudel beschäftigt. Es gibt aber eine bestimmte Stelle in den Fluttunnels, die ins Caern führt. Und da die Wyrmbrut es mal zwei Jahre lang selber beherrscht hat, kennen sie die natürlich auch! Könnt' deshalb sein, dass welche von denen morgen Nacht da ihr Glück versuchen! Ihr müsst da die Stellung halten!“
„Seiter dabei?“, will Jumps-The-Borderline wissen.
Mirabelle nickt sofort, und Elliot bestätigt seinerseits, „‚Bekämpfe den Wyrm, wo immer er haust und wann immer er sich zeigt!‘ ... Außerdem haben wir hier eine junge Ahroun als Mitreisende, die nicht weiß, wohin mit ihrer Wut!“
Zoe sieht ihn an, und nickt dann determiniert.


Es gibt einen farblosen, wässerigen Matsch aus Reis und Gemüseresten zu essen, aber immerhin ist genug davon für alle in der Septe da. Zoe sieht sich im Versammlungsraum um, die abgerissenen Menschen balgen und knuffen sich zwar ordentlich bei der Essensausgabe, aber tatsächlich scheint es ihnen immens wichtig zu sein, dass alle was zu Essen abkriegen, und alle gleich viel haben. Als wäre das ihre heimliche, größte Tugend. Das findet sie irgendwie rührend. Schon schmeckt die restliche Pampe ein bisschen besser.
Mirabelle und Elliot lassen sich gerade Pläne der Katakomben zeigen, einer der Knochenbeißer hat sie auf dem Camping-Klapptisch zwischen ihnen ausgebreitet.
„Wer sind das, diese Tänzer der Schwarzen Spirale?“, fragt sie.
Mirabelle sieht sie schweigend an.
Zögerlich fragt Zoe weiter, „Dieser angeheuerte Werwolf, der in der Casco Bay den Pfadstein gestohlen hat … der gehörte doch auch zu denen, oder? Der Feind hat einen eigenen Werwolf-Stamm!“
Mirabelle sagt, „Ich habe ja gesagt, die Garou-Nation ist um die Jahrtausendwende gesplittert. Erinnerst Du Dich?“
Zoe nickt.
„Ein paar Stämme aber sind schon früher aus der Garou-Nation verschwunden. Einige sind ausgerottet worden. Einer ist gefallen.“
„Gefallen?“
„Einst waren sie die Weißen Heuler, blutsverwandt mit den Pikten der schottischen Highlands. Leidenschaftlich wie die Fianna, edel wie die Silberfänge, mächtig wie das Gezücht des Fenris. So heißt es zumindest. Dann haben sie sich allesamt nach Malfeas hinab begeben, um den Wyrm in seinem eigenen Höllenloch zu stellen, und das Böse aus dem Universum zu tilgen.“
Zoe erschaudert, „Offensichtlich hat das wohl nicht geklappt, was?“
„Sie sind nie zurückgekehrt. Was aber zurückgekehrt ist, ist der Stamm der Tänzer der Schwarzen Spirale. Wer ihrem Stamm beitritt, den ergreift der Wahnsinn ebenfalls. Sie verachten das Wylde und spotten der Weberin. Ihr Meister ist der Wyrm.“
„Aber ... aber es gibt doch zwölf andere Stämme! Auf der ganzen Welt verstreut, nicht? Könnten wir uns nicht alle zusammentun, um die Verräter platt zu machen?“
„Und seit der Industrialisierung ist der Wyrm die stärkste Macht von den dreien geworden. Damit sind auch seine Bastarde der zahlenmäßig überlegene Stamm. Und leider sind alle anderen Stämme untereinander zerstritten. Nun, das ist der Punkt, wo wir gefragt sind, als die Vermittler der Garou-Nation.“
„Boah, kompliziert. Kylah hat gesagt, es gibt so eine Art Weltverschwörung! Wann bekomme ich davon erzählt?“
„Erst in der Septe des Westlichen Auges. Es wurde schon viel zu viel überstürzt bei Deiner Ausbildung, Zoe.“
„Aber morgen Nacht müssen wir gegen die kämpfen!“
Mirabelle hebt die Hand, „Das ist noch nicht einmal gesagt. Wir halten die Stellung, die die Knochenbeißer uns zuweisen, nicht mehr, nicht weniger. Hinterher reisen wir über die neue Mondbrücke weiter, wie ausgehandelt. Und dann endlich werden all Deine Fragen beantwortet werden.“

Übernachtet wird in verlassenen Zelten in einigen der leerstehenden Räume. Überall liegt gehorteter Plunder, Unrat, zurückgelassene Habseligkeiten. Und beim näheren Hinsehen ist zu entdecken, dass all dieses Zeug dekoriert ist mit winzigen, handgeschnitzten Tierfigürchen, kunstvoll arrangierten Fundstücken, Kerzen, und Lämpchen, als wäre den Septenbewohnern alles um sie her heilig, sogar der Unrat. Zoe kommt nicht umhin, erneut über die Knochenbeißer zu staunen. Wenn nur nicht der Geruch wäre.


In der darauffolgenden Nacht ist die gesamte Septe der Glitzernden Beute in heller Aufruhr. Alle hasten durcheinander, packen ihren Plunder, warten ihre Waffen, brüten über Lageplänen, beten zu ihren Totems, zanken sich untereinander, jaulen und zetern, und fallen sich versöhnlich wieder in die Arme. Ein Drittel der Septenbewohner bleibt hier, als letzte Defensivlinie für den Fall, das alles zur Hölle geht draußen in den Tunnels. Die beiden Rudel haben die Hinweise ihrer vielen ausgeschickten Geister zusammengesetzt, und schwören dem Septenherren grimmig, die Feinde auszuschnüffeln und niederzujagen. Die Luft ist dick vor Anspannung.


Wenige Stunden später kauern die drei Kinder Gaias in einer der Tunnelröhren, direkt vor einem Rundgitter. Dies ist ein geheimer Seiteneingang zum Caerngelände, haben die Knochenbeißer ihnen erklärt, die Obdachlosen außerhalb des Heiligtums kennen den nicht, aber die Tänzer der Schwarzen Spirale werden ihn auskundschaftet haben, als sie vorletztes Jahr das Caern zwischendurch für sich erobert hatten. Sie bekommen für diese Tat schon einmal einen Punkt Ehre. (Yay, mein erster im Spiel gesammelter temporärer Ansehen-Punkt!)

Garou-Glyphen sind in das Gittertor eingekratzt, und mehrere kleine Talismane hängen davon herab. Das ganze Ding ist ein Fetisch, unmöglich zu knacken durch Dietriche, Flex-Sägen, oder magische Tricks! Nur wer den Schlüssel verwendet, kann hier hindurch (da der Schlüssel auch ein Fetisch ist), derzeit trägt Mirabelle diesen.

Was also sagen die Orakelwürfel zu dieser Szene? Uncover Greed. Atmosphärisch. Bedeutet das, dass jemand vom Stamm der Knochenbeißer durch Habgier auf die Seite des Feindes gezogen worden ist? Diese Vermutung bestätigen die Orakelwürfel.

Das Scharren von krallenbewehrten Wolfspfoten auf metallenen Rohren ist mal von hier und mal von da zu hören. Scheinbar ist es den Knochenbeißer-Rudeln tatsächlich gelungen, das Rudel der Spiraltänzer einzukesseln? Eine gnadenlose Hetzjagd scheint stattzufinden, irgendwo in dem verlassenen Tunnelsystem ... Hoffentlich nur durch die unbewohnten Sektionen. Und wer genau sind die Gejagten, wer die Jäger? Das Echo trägt die Geräusche meilenweit, gedämpft und verzerrt. Zoe zittert vor Anspannung, sie bekommt einen Rage-Punkt und hat nun wieder ihre vollen sechs roten Würfel.

Plötzlich biegt eine einzelne Gestalt vor den drei Wächtern um die Ecke, und steht schwer atmend in dem Tunnel. Zoe erschreckt, aber ihr Gegenüber erschreckt noch viel mehr, denn er blickt ja hier in drei Paar reflektierende Wolfsaugen in menschlichen Umrissen!

Was ist das denn für einer? Confident Warrior who wants to Travel to a Place, entscheiden die Orakelwürfel. Außerdem ist das kein vereinzelter Werwolf, sondern einer der Knochenbeißer-Blutsbrüder.

„Schnell, lasst mich durch, lasst mich da rein!“, keucht der, als er näher rennt, „Ich hab‘ den Anschluss an meine Verwandten verloren! Ich muss zurück ins Caern, hier draußen machen die mich kalt, wenn ich allein hier rumlaufe!“
Das klingt plausibel, also müssen die Garou Wahrnehmung+Empathie würfeln zum Durchschauen.
„Da stimmt doch irgendwas nicht“, knurrt Zoe, ihre Stimme klingt guttural und bedrohlich.
Das wiederum gibt dem Philodox Grund, seine Gabe Truth of Gaia zu verwenden. „Ist das auch die Wahrheit?“, fragt Echoing Tide streng, und schnuppert wölfisch in die Richtung seines Gegenübers.
„Ich bin einer der Krieger der Septe, auch wenn ich nur Blutsbruder bin! Macht das verdammte Tor auf!“
„Aber sprichst Du die Wahrheit, wenn Du sagst, Du habest unabsichtlich Anschluss an Deine Verwandten verloren!“
„Natürlich! Hör' auf mit Deinen Spielchen, Mann! Aufmachen!“, gehetzt sieht er sich um.
Echoing Tide würfelt für seine Gabe, drei Erfolge:
„Du lügst“, sagt er kalt, „Was führst Du wirklich im Schilde?“
„Mann, die sind wahrscheinlich direkt hinter mir! Die häuten mich lebendig!“, schreit der Typ, rüttelt wie wild an den Gittern.
„Das war nicht gelogen!“, knurrt der Philodox, „Da sind wirklich welche hinter dem her. Macht Euch kampfbereit!“

Den Verräter zu überführen bringt zwei Punkte Weisheit. Natürlich sind die Kinder Gaias zu barmherzig, als dass sie ihm als Lohn für seinen Verrat gönnen würden, von den aufholenden Schwarzen Spiralen in Fetzen gerissen zu werden. Also muss Mirabelle hastig das Tor aufschließen, und es hinter dem Typen wieder zuwerfen! Der aber hat sein Stemmeisen dabei, um das in das Scharnier des Tors zu rammen, um es offen zu halten, was dann seinen widerlichen Verbündeten die Extra-Sekunden erkauft, um es zu stürmen!
Als er das versucht, übernehmen Zoes Instinkte die Kontrolle über sie, sie brät dem großen Kerl eins mit einem schweren Stuhlbein über, das sie aus einem der Unrathaufen hat. Benommen bleibt der Lulatsch liegen. Mirabelle bekommt im letzten Moment das Tor wieder abgeschlossen, als die beiden kreischenden Bestien mit grünlich schwarzem Fell ihre Position erreichen!



Tänzer der Schwarzen Spirale


Spiraltänzer-Infiltratoren
Alter: 23/26; Stamm: Tänzer der Schwarzen Spirale; Vorzeichen: Ragabash; Blut: Garou ; Aufzucht: Homid
Attribute: Geschick 3, Konstitution (Zähigkeit) 4, Stärke 3, Charisma 2, Erscheinungsbild 1, Manipulation (Teuflische Einflüsterungen) 4, Geistesschärfe 3, Intelligenz 3, Wahrnehmung 3
Fertigkeiten: Athletik 3, Aufmerksamkeit 3, Ausdruck 2, Ausweichen 3, Einschüchtern (Todesdrohungen) 4, Empathie 2, Handgemenge 3, Überzeugen 3, Ur-Instinkt 2; Heimlichkeit (in Homid-Form) 4, Nahkampf 3, Überleben 2; Etikette 2, Okkultismus 1, Nachforschung 2, Zurechtfinden 3.
Hintergründe: Alliierte (Werwölfe in Las Vegas) 3, Blutsgeschwister 2, Kontakte (Verbrechersyndikate in Las Vegas) 2, Ressourcen 1
Gnosis: 3
Rage: 3
Willenskraft: 5
Gaben: Blur of the Milky Eye, Smell of Man, Rathead
Ausrüstung: Silbermesser


Diese beiden sind die Omegas des Spiralen-Rudels, und somit die schwächsten. Sie führen hier ihren Backup-Plan durch, um in die Septe einzudringen und zu spionieren. Sie sind beide Ragabash, und teilen dasselbe Profil.

Runde 1: Die Spiraltänzer kriegen die Initiative, da sie den Überfall durchführen. Der eine fletscht geifernd die Fänge und messert blitzschnell Zoe. Er macht entsetzliche acht Level Schaden mit seiner Klinge, von denen sie aber vier absorbiert bekommt. Ihre Gesichtshälfte qualmt leicht, und eisiger Schmerz durchzuckt sie: Das Messer, das der Crinos-Gegner ihr über die Schläfe gezogen hat, ist aus Silber! (Wäre sie nicht noch in Homid-Form, hätte sie nicht einmal zum Absorbieren würfeln können!) Der andere Angreifer beißt Mirabelle in die Seite, und sie nimmt zwei Wundlevel hin.
Zoes klaffende Schnittwunde an der Schläfe beginnt wieder langsam zuzuwachsen; schreiend vor Schmerz nimmt sie ihre Glabro-Form an, hebt ihre krallenbewehrten Pranken defensiv.
„Silber! Entwaffnet sie!“, ruft Echoing Tide, packt die Pranke von dem einen Monster. Mirabelle versucht sich zu verwandeln, aber nur ihre Venen schwellen an und ihre Fänge wachsen.
Dann aktivieren die eingesetzten Rage-Aktionen: Der eine Ragabash lacht gurgelnd, und vergräbt seine Fangzähne in Zoes Schulter, macht diesmal sieben Wundlevel. Von denen kassiert sie nach dem Absorbieren noch drei, und ist jetzt auf sechs insgesamt, das bedeutet wohl bald erstmal gute Nacht. Mirabelle verwandelt sich in ihre schwarzweiße Crinos-Gestalt, und beißt dem Spiralänzer in den Waffenarm, oberhalb der Stelle, die Elliot festhält, für drei Level Verheerenden Schaden. Zoe gibt einen Rage-Punkt aus, um eine Runde lang ihren heftigen-5-Wundabzug zu ignorieren, und sie tut es der Leitwölfin gleich bei ihrem Gegenüber, aber dieses absorbiert allen Schaden.
Der Tänzer reißt seinen Arm von Elliot und Mirabelle los, holt rasend schnell aus, und rammt Mirabelle das Silbermesser in den Oberschenkel ihrer Crinos-Gestalt. Da sie nun verwandelt ist, kann sie nicht den Silber-Schaden absorbieren! Sie nimmt fünf Wundlevel hin, und ihr Fleisch qualmt wie versengt! Damit hat sie nur noch das achte Extra-Wundlevel durch ihre Crinos-Form (Hausregel), bevor sie kampfunfähig wird.
Zoe hat noch eine Rage-Aktion, ihre Verwandlung schreitet fort in Crinos-Gestalt, ihre Klauen zucken über die Körpermitte des Gegners, und reißen tiefe Wunden, er nimmt fünf Wundlevel. Elliot geht ebenfalls in Crinos-Form und sein Biss fügt seinem Gegenüber ein Wundlevel zu.

Runde 2: Der eine Ragabash sticht Mirabelle mit seinem blutigen, qualmenden Silbermesser in den Rücken, und sie fällt zu Boden, kampfunfähig. Sein heiseres Triumphgeheul ertönt gespenstisch. Der andere Tänzer holt sich gierig sofort mit seinen Fängen den Schlüssel für das Tor, den sie immer noch in der Hand gehalten hat — mitsamt Mirabelles Hand! Blut spritzt signalrot durch den Tunnel. „Neeeinn!“, brüllt Zoe fassungslos heraus, und beißt dem Ragabash in den Nacken, spürt seine Wirbel knacken und krachen, drei weitere Wundlevel machen ihn kampfunfähig. Elliots Klauen verpassen dem anderen ein weiteres Wundlevel.
Dann sind die Rage-Aktionen wieder dran: Zoes kommen beide zuerst, sie macht mit einem Hinterlauf einen Schritt vorwärts, ins Genick des niedergestreckten Gegners (noch während dieser dabei ist, in seine Homid-Gestalt zusammenzuschrumpfen), und ihre Krallen ziehen erneut Blut, drei weitere Wundlevel für den verbleibenden Spiraltänzer. Echoing Tide schlitzt dem Feind von der anderen Seite her den Torso mit den Krallen auf, und stinkende Eingewide klatschen auf den metallenen Boden.

In dem Moment hört die Wut auf, Zoes Schmerzen zu unterdrücken, und sie taumelt zurück, kracht mit dem Rücken gegen das verteidigte Gittertor, sinkt kraftlos daran herab. Aber ihr blutüberströmter Leib ist bereits dabei, sich zu regenerieren, sie spürt, wie ihr zerkratztes Gewebe an der Schläfe weiter nachwächst, Muskelstränge und Hautschichten sich überall in ihr neu bilden. Benebelt sieht sie dabei zu, wie Echoing Tide den blutigen Stumpf abschnürt, der bisher Mirabelles linke Hand war! Mit zitterigen Fingern bekommt er die Blutung gestoppt. Die gekillten Angreifer haben sich zu zwei brutal aussehenden jungen Männern zurückverwandelt, blassgesichtig und narbenübersät.

Das war ein teuer erkaufter Sieg, er hat nur einen Mitstreiter gekostet! Alle drei Charaktere bekommen Ehre und Ruhm für die Verteidigung des Caern und den Sieg über die Infiltratoren.

Die beiden Knochenbeißer-Rudel haben mehrere weitere der Tänzer der Schwarzen Spirale erwischen und reißen können. Im Versammlungsareal erfahren Zoe und Elliot, was sich zugetragen hat.

Was passiert im Nachhinein der Aufruhr? Defy Trade, sagen dazu die Orakelwürfel. Da muss es um den Handel gehen, den die Kinder Gaias mit dem Septenherren gemacht haben. Heißt das, Jumps-The-Borderline wurde bei der Jagd verletzt? Die Orakelwürfel bestätigen dies, mit Pasch, er wurde also sogar in Stücke gerissen von den scheinbar Gejagten.

Ein neuer Septenanführer wird jetzt erwählt werden müssen — und bis das nicht geschehen ist, weigert der Zeremonienmeister der Septe sich schlicht, eine Mondbrücke zu öffnen! Diesen Handel hatte Jumps-The-Borderline mit den Fremden gemacht, und der ist tot, und der Zeremonienmeister war von vornherein dagegen gewesen!
„… Eure persönlichen Händel mit Jumps-The-Borderline sind mit ihm gestorben!“, raunzt der alte Knochenbeißer, und damit ist diese Diskussion beendet.

Die Heilerinnen der Septe kümmern sich jedoch bereitwillig auch um Mirabelle, sie ist eine von vielen Verletzten. Zoes Messerwunde ist mittlerweile ganz verheilt, aber sie spürt immer noch die Eiseskälte der Silberklinge. Die Wunden von Klauen und Fängen werden sorgfältig gereinigt, die werden länger brauchen, mehrere Tage. Der Ritus der Reinigung wird über alle an den Kämpfen Beteiligten ausgesprochen, um sie von der Verderbtheit der Spiraltänzer zu befreien.

Mirabelle wird überleben, sagen am Ende der Nacht die Heilerinnen der Septe. Sie wird warten müssen, bis ihre Hand nachgewachsen ist, das wird schmerzhaft, und schlimme Narben werden bleiben. Aber binnen einer Woche wird sie wieder regeneriert sein. Zoe fällt ein Stein vom Herzen. Selbst wenn sie nun von Las Vegas aus trampen müssen nach San Francisco — Hauptsache, sie sind noch alle drei zusammen.

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Re: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
« Antwort #55 am: 8.12.2024 | 18:36 »
Zoe verbringt zwei qualvolle Tage und Nächte des Nichtstuns in Glabro-Form in dem Schlafzelt in einem der vielen Caern-Räumlichkeiten. Während sie sich in ihrem Schlafsack hin und her wälzt, kann sie förmlich spüren, wie hoch über ihr, über Wasserleitungen und Straßenbelag, über den Häuserschluchten und Wolkenschleiern, das Mondlicht stärker wird, während Luna ihr Angesicht Nacht für Nacht weiter verändert …

Nach diesen zwei Nächten sind Zoes Verwundungen schon wieder so weit verheilt, dass sie im Caern herumlaufen kann. Mirabelle ist jedoch bisher kaum bei klarem Bewußtsein, und wird noch mehrere Tage brauchen, um aufstehen zu können. Zoe ist also rastlos. Sie erkundigt sich bei den Septenmitgliedern nach dem Blutsbruder-Kämpfer mit der Brechstange, den sie mit dem Stuhlbein ausgeknockt hatte. Sie erfährt, dass die Häscher des Stammes der Schwarzen Spiralen ihm über längere Zeit hinweg Versprechungen gemacht hatten, die ihn zu seinem Verrat gebracht haben. Zoe will selbst noch einmal mit ihm reden, aber er ist nicht mehr in den Tunnels. Die Knochenbeißer beharren darauf, dass die Neue nicht wissen wolle, was mit dem Verräter passiert sei.

Es verlangt ihr daraufhin umso heftiger danach, an die Luft zu kommen, und sei es die Stadtluft des Las Vegas an der Oberfläche. Die Knochenbeißer zeigen vorsichtige Bereitschaft, ihr einen der Wege aus den Tunnels heraus zu zeigen. Diese dürfen natürlich nur tief in der Nacht begangen werden, und nur mit größter Vorsicht — ein Auffliegen bedeutet hier auch immer gleich, die sterblichen Aussteiger in den Katakomben zu gefährden. (Man könnte alternativ natürlich auch Seitwärts Wechseln dafür, aber dann bekommt man es wiederum mit den sogenannten Strukturspinnen zu tun, der geisterhaften Armee der Weberin in der Penumbra. Deswegen ist auch die Barriere zwischen den Welten so dicht in einer modernen Millionenstadt wie Las Vegas.)

Zoe ist dennoch heiß darauf, sich oben die Beine zu vertreten. In dieser Stadt war sie vorher noch nie! Außerdem zerrt das Licht des weiter anwachsenden Mondes förmlich an ihr, singt sein unhörbares Sirenenlied für sie, das in ihrem Blut resonniert. Sie wird diesem Sog nicht lange widerstehen können, das ist ihr klar.


„… Das lässt Du bitte bleiben!“, sagt Mirabelle schwach auf ihrem Army-Klappbett. Unter den sauberen Tüchern ist ihre neue linke Hand schon wieder deutlich erkennbar, dünne Knöchelchen mit rosigem Fleisch und ersten Muskelsträngen. (Es dreht sich einem fast der Magen um bei dem Anblick.) Zoe hätte vielleicht nicht davon erzählen sollen, dass sie alleine hoch nach Vegas will. Aber irgendwas muss sie Mirabelle ja erzählen, die ist immer noch viel zu fertig, um rumlaufen zu können, und Zoe sitzt manchmal an ihrem Klappbett und hält Wache.
„Na ja, ich will ja nicht gleich in ein Casino oder so!“, sagt sie defensiv.
„Casino, bei Gaia! Diese Stadt ist ohnehin voller Stimuli für Deine Wolfssinne … Bleib' davon bloß fern. In wenigen Nächten bin ich abmarschbereit, dann kriegst Du wieder Auslauf.“
„Aber …“
„Und jetzt ist obendrein niemand da, der auf Dich aufpassen kann. Nicht einmal mehr Deine kleine Punk-Freundin.“
Zoe lässt das Thema fallen, sie hätte nicht davon anfangen sollen. Dass diese Mirabelle auch immer die gestrenge Alpha-Wölfin spielen muss! Zoe ist sich sicher, dass die Theurgin eigentlich ganz anders drauf ist. Die glaubt eben nur, ständig sagen zu müssen, wo's langgeht, aus so einer Art Pflichtgefühl heraus. Dabei ist der Großteil ihres Rudels ja nicht einmal hier, die sind noch bei der Ostküste!



In dieser Nacht betreten Zoes Füße in geborgten Schuhen also die Straßen von Las Vegas. Ihr Blick streift kurz die Blinklichter und Reklametafeln, und heftet sich dann automatisch an den Dreiviertelmond. Sie muss dem Drang widerstehen, ein begeistertes Wolfsgeheul in das Mondlicht auszustoßen! (Dem Mondlicht ausgesetzt bekommt sie drei Rage und ist wieder voll!) Die beiden Knochenbeißer-Twens die sie begleiten, kichern über sie. Sie lassen sich eine ganze Weile zu dritt durch die Stadt treiben. Überall ist schon Weihnachtsdeko, mittlerweile scheint in der Weberinnen-Welt der Monat Dezember begonnen zu haben. Zoe hat ihr Gefühl für das Datum ziemlich verloren in den letzten Nächten, da sie ständig unter Garou war, noch dazu die letzten vier Nächte unterirdisch verbracht hat, wo es nicht einmal Licht gab.
„… Ich würd' gern telefonieren! Ich muss mal wieder meine Eltern anrufen!“, sagt Zoe zu den beiden Jungs.
„Aber Du bist doch blank“, sagt der eine.
„Kylah wüsste sich zu helfen. Wo kriegen wir hier Cash her? Oder zumindest jemanden, der mich umsonst nach Detroit telefonieren lässt!“
„Hast Du’s mal mit 'nem charmanten Augenklimpern versucht?“

Bei dieser Gelegenheit lernt Zoe den Effekt ihrer Rage auf Überzeugen-Würfe bei Sterblichen kennen: Sie verliert fünf Würfel von ihren sozialen Interaktionen. Alle Menschen, die sie versuchsweise charmant anspricht, haben Angst vor ihr, und einige flüchten geradewegs.
„Das ist ‚der Fluch‘!“, sagt einer von ihren beiden Begleitern, Travis.
„Yeah“, bestätigt der andere, Dave, „Werwölfe können ihr wahres Wesen nicht verstecken, nicht mal in Homid-Form! Die Sterblichen merken Euch das Raubtier an, instinktiv.“
„Dabei bin ich gerade nicht mal wütend!“, zischt Zoe; sie sieht Dave und Travis dabei jedoch ein Stückchen vor ihr zurückweichen.
„Jetzt guckt Ihr auch noch so, dabei habe ich ganz normal geredet!“, ergänzt sie.
„Ja, ja … ganz normal eigentlich“, nickt Travis schnell. Sie wollen die Ahroun bloß nicht verstimmen.

Schließlich gelingt dank Willenskraft-Punkt ein Wurf zum charmanten Augenklimpern, mit Erscheinungsbild+Überzeugen. Ein Gebrauchtwaren-Ankäufer lässt Zoe in seinem Hinterzimmer das Festnetz benutzen. Sie will schon den Hörer abheben, aber verharrt plötzlich, die Hand auf dem Plastik. Dreißig Sekunden, eine Minute. Sie wagt nicht mehr, die Nummer zu wählen.
„Ach Du liebe Güte, Kind“, sagt sie zu sich selbst. Gewissermaßen haben nur ihre Lippen sich bewegt, und die Zunge und Stimmbänder, aber gesprochen hat sie nicht, der Impuls dafür kam von woanders. Sie sieht fragend auf.
„Soll ich es für Dich tun?! Los, zeig' Rückgrat!“, sagt sie zu sich selbst, etwas gängelnd, aber liebevoll.
… Eine Vorfahrin?
„Alles okay da drinnen?“, fragt der Gebrauchtwarenhändler von seinem Tresen im Ladenraum. Auch er traut dem hübschen Mädchen in den schmuddeligen Klamotten nicht sonderlich weit.
Gehetzt wählt Zoe die Nummer.
Erneut berichtet sie ihren Eltern ihre Erlebnisse, so gut sie kann, ohne dabei die Wahrheit zu sagen. Von einer Fahrt durch Vermont, und jüngst von einer Landung in Las Vegas. Die Eindrücke der Stadt. Ihre findige, gut situierte Lerngruppe, und so weiter.
„… Du klingst auch ganz verändert“, sagt ihre Mutter.
„Ich klinge wie immer, Mom!“
„Nein, Deine Stimme hört sich auf einmal ganz anders an. Du hast 'nen ganz anderen Ton drauf …“
Mütter!
Errol sagt daraufhin, das sei ja alles schön und gut, er verstehe das ja, er habe seinerzeit ja auch unbedingt touren müssen mit seiner Band. Ihm sei ja auch mal das Dach auf den Kopf gefallen daheim, und er habe dringend mal was Neues erleben müssen. Aber das, was sie da mache, würde jetzt so langsam aus dem Ruder laufen.
„… Du verpasst noch zu viel in der Schule, Zoe! Überhaupt ist jetzt bald Weihnachtszeit, da musst Du zurück nach Detroit kommen!“
Das Töchterchen würfelt zwei Erfolge bei Charisma+Überzeugen, und schwindelt, dass sie es sich überlegen würde, zurückzufliegen. Und man sich dann zu Weihnachten sehen würde.

Als sie einhängt, sagt sie zu sich selbst ermunternd, „Gut so, Kind!“, und klopft sich selber mit der freien Hand auf die Schulter.
„Warst Du das etwa? Die veränderte Stimme, die meine Mom mir angemerkt hat?“, fragt Zoe leise in die Stille des Hinterzimmerchens.
„Ach wo“, antwortet sie sich selbst, „Deine Stimme hat sich tatsächlich ein bisschen verändert, durch Deinen Aufnahmeritus! Das ist Dir selbst noch gar nicht aufgefallen. Aber Mütter merken sowas.“
„Alles okay?“, lässt sich wieder der Gebrauchtwarenmann vernehmen, „Telefonieren Sie noch?“
„Äh, nein, nein! Ich bin weg. Danke!“


Mit Dave und Travis joggt Zoe kichernd die überfüllte Straße entlang. Es fühlt sich so gut an, endlich wieder oben an der Luft zu sein. Und sich über Mirabelles unbegründetes Verbot hinweg zu setzen, fühlt sich ehrlich gesagt auch großartig an. Sie stoppen bei einem Straßenmusikanten mit einer Geige, den die beiden Blutsbrüder kennen, und tanzen ausgelassen zu seinem Herumgefiedel, zum Verblüffen der Einkäufer, die aus der hell erleuchteten Mall dahinter kommen, mit ihren Shoppingtüten beladen. Die Luft, der Lärm, das Mondlicht, und die Geige lassen Zoe sich wie betrunken fühlen …

Vor lauter Überschwänglichkeit muss sie einen Rage-Wurf machen, mit sechs roten Würfeln, bei Dreiviertelmond gegen Schwierigkeit fünf. … Vier Erfolge!

Soundtrack: Ozzy Osbourne, Bark At The Moon
https://www.youtube.com/watch?v=F89-MOy7Xfg&list=PL6ogdCG3tAWi7TcLDCE0_jqf0oiK57b1w

Mitten im Herumhüpfen beginnt Zoe die Körperausdünstungen der Passanten überdeutlich wahrzunehmen. Ihren Schweiß, ihre Bangigkeit. Es riecht köstlich! Einige haben ihr den Rücken gekehrt, sind leichte Beute … sie erhebt ein überschwängliches Wolfsgeheul in den Himmel, jetzt wirklich! Noch ist ihre Stimme menschlich, aber das wird sich gleich ändern. Sie sieht Daves und Travis' verstörte Gesichter. Unmittelbar, bevor die Verwandlung sie ergreift und damit der Blutrausch, gebe ich einen Willenskraft-Punkt aus, um die Raserei zu unterdrücken! Keuchend sinkt Zoe in sich zusammen, fletscht die Zähne. Ihr heißer Atem wird zu weißen Dampfwölkchen um ihre wilde Haarmähne.
„Wir sollten jetzt mal raus aus dem Gewimmel hier!“, sagt Travis ängstlich, fasst die Werwölfin unter den Arm, „… oder, Zoe?“
Der blonde Wuschelkopf nickt hastig.
„Los, komm' schnell!“
Die drei rennen den Boulevard herunter. Die Bewegung tut Wunder für Zoes Nervenkostüm. Sie rennen im Zickzack durch die Menge von Einkäufern hindurch. Ihr Atem geht bereits etwas beherrschter. Der große, dicke Portier vor einem Hoteleingang will sie mit gestrenger Geste vom Rennen abhalten, aber Zoe bellt ihn wie wild an, und er weicht sogleich vor ihr zurück. Dave und Travis bellen auch, als die drei am Hoteleingang vorüber sind, imitieren Hunde. Zoe bringt ein überschnappendes Lachen heraus.
Sie erreichen die Seitenstraße mit dem Zugang zu den Katakomben, ungesehen.

Ach Du gute Güte, liebes Kind! So beherrsch' Dich doch!, hört sie noch eine Stimme in ihrem Geist, wie als ein Widerhall.
Habe ich doch …!“, widerspricht sie, etwas kratzbürstig.
„Was hast Du gesagt?“, fragt Travis, als er ihr auf den rostigen Leitersprossen hinterher klettert.
„Äh, später …“, murmelt Zoe.
In den Tunnels wispert sie neugierig, „Wer bist Du?“, und lauscht aufmerksam, aber ihre Lippen erwidern vorerst nichts darauf.


Evolution: Für die letztlich verdienten Erfahrungspunkte spendiere ich Zoe ein zweites Level Überzeugen, ein zweites Level Überleben, ein erstes Level Medizin, und ein zweites Level Zurechtfinden. All das passt zu ihren zurückliegenden Erlebnissen.

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Re: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
« Antwort #56 am: 8.12.2024 | 21:56 »
Als also der Vollmond näher rückt, werden die Werwölfe in der Septe der Glänzenden Beute merklich unruhig. Die Position des künftigen Septenherren ist noch längst nicht geklärt, und es wird noch zu Streit und Keilereien kommen darüber, das ist abzusehen!

Gleichzeitig gucken die Knochenbeißer besorgt auf ihre Vorräte. Die drei Kinder Gaias sind nun schon viel länger hier als erwartet. Und so dankbar die Einheimischen ihren Verbündeten auch sind — ihre Namen werden stolz Erwähnung finden im Triumphgeheul über die Verteidigung des Caerns — machen sie auch Arbeit und Kosten.

Die Heilerinnen haben sich mit Zoes und vor allem Mirabelles Pflege gerne alle Mühe gegeben, immerhin war es ja ihr Zuhause, bei dessen Verteidigung die beiden Besucherinnen fast umgekommen wären. Noch dazu haben die Heilerinnen insgeheim eine Stinkwut auf den Zeremonienmeister, der für die drei Fremden den ursprünglichen Deal einfach mal platzen lassen hat. Die finden, sowas gehört sich nicht. Aber langsam geht ihnen die Arznei aus. Glücklicherweise ist Mirabelle wieder in der Lage, vorsichtig ihr Lager zu verlassen, als schließlich der Vollmond am Himmel erscheint. Ihre Hand ist wieder voll nachgebildet und kann behutsam bewegt werden, nur mit Haut ummantelt ist sie noch nicht.

All das sind jedenfalls Gründe, die Gastfreundschaft der Septe nicht weiter in Anspruch zu nehmen. Sie werden auf irgendeine Weise zur Westküste kommen müssen. Menschliches Geld haben die Garou keines dabei, wozu auch, ihre Reise sollte ja eigentlich direkt zum Zielort führen. Ich würfle Intelligenz+Blutsgeschwister für Elliot, um seine Artverwandten in Portland zu kontaktieren. Die können ihn bestimmt aus der Ferne an Connections und Finanziers ihres Stammes hier in Vegas vermitteln! Leider Fehlanzeige, ein Patzer sogar: Elliots Leute sind demnach tief verwickelt in die Verteidigung von Jewell Island, und werden in den nächsten Tagen für überhaupt nichts erreichbar sein.

Menschliche Bahnhöfe, Busstationen, und wimmelige Verkehrsmittel zu verwenden, jetzt bei Vollmond, wäre auch sowieso reichlich gewagt! Die Calm-Gabe hin oder her … Also hieße es, sich auf die Wanderung machen. Zu Fuß von Las Vegas, Nevada, bis zur San Francisco Bay wären es acht Tage durch teilweise gefährliches Ödland.

Was ist denn mit Iándor? Der Einhorn-Avatar hat sich tagelang nicht gezeigt, sondern in der Umbra gewartet. Er ist ja im Caern der Sonnenbeschienenen Steine beschworen worden, um die Neue über die Mondbrücken ganz bis zum Caern des Westlichen Auges zu eskortieren. Da dies nicht ging, weil die zweite Mondbrücke nicht geöffnet wurde, wartet er jetzt in der Penumbra darauf, sein Abkommen anderweitig zu erfüllen. Und er hat ja den Airt-Sinn, er kann unsere Reisenden über Geister-Pfade durch die Umbra führen! Ohne Mondbrücke ist das zwar weniger direkt, aber dennoch leichter als eine Reise zu Fuß durch die stoffliche Welt.

Daraus mache ich den Move Undertake a Journey. Dies wird eine Gefahrvolle Reise, denn auch in der Umbra ist der Weg weit, und hier kann alles erdenkliche Merkwürdige geschehen unterwegs. Ich verwende hier mal die Supply-Regel aus Ironsworn, der Wert beschreibt die Wegzehrung und ihren Vorrat aus Talens und Erweckten Gegenständen, die sie als Chiminage unterwegs brauchen. Ich gebe ihnen mal die standardmäßigen fünf Punkte, sie sind ganz okay mit Tauschmitteln und etwas Geisterwelt-Proviant ausgestattet. Vor allem repräsentiert der Supply-Wert hier jedoch die inneren Gnosis-Reserven der NSCs, die ihnen in der Umbra Vitalität geben. Das alte Umbra-Buch liefert dazu die Anregung (S. 10 erklärt, wie das mit Nahrungsversorgung in der Geisterwelt läuft.) Mit dem Ironsworn-Move Resupply kann in der Umbra gejagt und gesammelt werden, was diese Reserven an Gnosis-Vitalität wieder auffüllt.

Soundtrack: Blue Man Group, Desert Portal
https://www.youtube.com/watch?v=N4yzeu7XEXM

Es werden noch einige weitere Talens ausgetauscht zwischen den Besuchern und ihren Gastgebern. Das war auch bereits Brauch in der Septe der Sonnenbeschienenen Steine. Zoe tauscht ein paar ihrer handgemachten Kettchen und Armbänder von dort gegen ähnliche Talens von hier. (Insgesamt sind die Knochenbeißer natürlich gewiefte Tauschhändler und Schnorrer, sie stehen am Ende mit mehr Talens da als vorher.)



Talens sind begehrt als Tauschwaren und Andenken


Die beiden Blutsgeschwister Dave und Travis wollen Zoe am liebsten noch länger hier behalten, sie gucken etwas wehmütig.
Echoing Tide wünscht der Septe viel Erfolg bei der Findung ihres neuen Anführers, und wiederholt seine Bitte, sich per Mondbrücke an die beiden Caerns der Kinder Gaias zu wenden, mit denen sie verbunden sind. Sein Stamm wäre gern bereit, Vermittlungsarbeit zu leisten.

Dann bringt Mirabelle (einhändig) dem Geist von Iándor ein Opfer dar in Form von verbrannten Pflanzen-Talens. Dies nennt sie Chiminage, und sie dankt ihm, dass er so lange auf sie gewartet hat. Die Erscheinung tritt schweigend aus der Penumbra hervor, und nickt den Garou zu.

Nach ein paar letzten Handschlägen, Umarmungen, und High Fives wechseln die Wanderer Seitwärts, und folgen ihrem Avatar durch die Penumbra.


Zuerst werden sie die penumbrale Entsprechung des Tunnelsystems navigieren müssen. Dieses ist angefüllt mit Rattengeistern, Strukturspinnen, und den lebendig gewordenen Einzelteilen der Großen Schrotthalde, des Caern-Totems. Iándor würfelt drei Erfolge für Gnosis, unterstützt von Mirabelle, die trotz ihres hohen Wundabzugs noch zwei Erfolge beisteuern kann bei Wahrnehmung+Enigmas. Gegen die Gesamtzahl der Erfolge würfle ich die Challenge Dice. Ein Weak Hit: Der Anführer und die Theurgin navigieren die Gruppe aus dem labyrinthischen Tunnelnetz hinaus, aber wir legen einen Punkt Supply ab, an mehreren Stellen wollen die Geister des Caern-Totems und des Stammestotems der Knochenbeißer beschwichtigt werden, um Durchgang zu gewähren. Damit haben wir zwei von 10 möglichen Punkten Fortschritt.

Jenseits der penumbralen Entsprechung der Fluttunnels schließt sich allerdings nicht die Kanalisation an — womit Zoe fest gerechnet hätte — sondern stattdessen eine völlig andere Umgebung!

Die Orakelwürfel sagen, dies ist eine Serie von Höhlen, wie sie unter einer großen Wüste vorkommen können.

„Ach Du meine Fresse!“, keucht Zoe fasziniert, „Sagt bloss, es gibt auch ein verstecktes Höhlensystem, direkt unter Las Vegas!“
Mirabelle lächelt und schüttelt leicht den Kopf: „Keines, von dem wir wissen jedenfalls. Wir sind schon nicht mehr in der Penumbra, Zoe. Was wir jetzt sehen, hat keine geographische Entsprechung in der Fleischwelt. Wir sind schon viel weiter weg von der Erde.“
„Also … auf einem anderen Planeten?!“, japst die Neue ungläubig.
„Nein, an einem Ort in der Geisterwelt! Die Umbra besteht aus einer Unendlichkeit aus Teil-Realitäten! Viele davon sind noch erdähnlich. Wie die Penumbra es ist, aber losgelöst.“
„Aber wir könnten doch einfach wieder Seitwärts Wechseln, zurück in die normale Welt! … Oder?“
„Hier sind wir in der Nahen Umbra. Iándor wird uns in die Penumbra zurückführen, bevor wir wieder Seitwärts Wechseln.“
Zoe rauft sich ihre wilden Haare beim Versuch, das alles zu begreifen. Mirabelle klopft ihr mitfühlend mit ihrer gesunden Hand auf den Rücken.
„Das Verständnis von all dem wird zu Dir kommen, nach und nach. Wärst Du Theurgin, wäre es Dein Los, es zu erforschen, aber Du bist Ahroun. Hier in der Umbra kannst Du Dich einfach verlassen auf Gefährten wie mich.“

Natürlich müssen wir wissen, was hier in diesen mysteriösen Höhlen passiert. Die Orakelwürfel sagen, Locate Spirit. Cool! Ist das eine Aufgabe, die andere Kräfte dieser Realität den Werwölfen auferlegen? Das bestätigen die Orakelwürfel.

Die Höhlenwände beginnen zu beben, und Wüstenstaub rieselt von der Decke. Zoe macht Glubschaugen, und verkrallt sich furchtsam im Mantelärmel von Mirabelles gesundem Arm.
„Dies sind Erdelementare“, sagt Iándor ruhig, „Wir sind in ihrer Domäne, und sie werden uns fragen, was unser Begehr ist!“
Tatsächlich, aus den Wänden treten steinerne Umrisse hervor, und Geschöpfe, die  aus lebendem Sand bestehen. Die überforderte Zoe muss einen Rage-Wurf machen. Nur ein Erfolg, trotz der derzeit geringen Schwierigkeit, ihre Instinkte gehen glücklicherweise nicht mit ihr durch.



Die Erdelementare erheben tiefe, dröhnende, rumpelnde Stimmen. Zoe versteht leine Worte, aber Mirabelle scheinbar schon. Sie antwortet, „Wir verstehen, große Erdgeister! Wir nehmen Eure Aufgabe gerne an, um Euch unsere Loyalität zu zeigen!“
„Was haben sie gesagt?!“, jammert Zoe im Flüsterton, sieht konfus Echoing Tide an.
„Bleib' ganz ruhig! Dies ist nichts Ungewöhnliches an solch einem Ort. Mirabelle hat die Gabe der Geistersprache. Sie kann mit ihnen vermitteln.“

Die Theurgin verneigt sich tief vor den Geistergestalten, und wendet sich zu ihren Leuten um: „Wir werden einen fremden Geist in diesen Höhlen finden müssen. Eine Entität, mit denen die Wüstengeister nicht klar kommunizieren können, die hier eingedrungen ist …“
„Der Feind!“, zischt Zoe, und verlängert unwillkürlich ihre Fingerkrallen, die Wut wallt in ihr auf wie eine Orkanböe!
„Nein, dieses Wesen ist von Gaia. Vermutlich ein fremdes Element … hier in diesem Reich würde ich vermuten, ein Wassergeist! Wasser ist hier eingedrungen, und die Umgebung ist darüber in Aufruhr.“

Iándor kann mit seinem Airt-Sinn praktisch alle Ziele in der Umbra aufspüren. Er muss aber dafür Gnosis würfeln. (Mit seiner Kraft Fährtenlesen könnte er sogar automatisch erfolgreich sein für einen Essenzpunkt, aber die ist für spezifische Gegner bei seinen Streifzügen gedacht, nicht für unbekannte Ziele wie hier.) Trotz acht Gnosis-Würfeln leider ein Misserfolg! Das Höhlensystem ist unglaublich weit verzweigt, und trügerisch! Eine gefühlte Stunde wandern und klettern die vier von Höhle zu Höhle, durchqueren große und winzige.

Worauf stoßen sie stattdessen? Das Orakel antwortet, Weaken Community. Ist damit die Gemeinschaft der Erdgeister des Reichs gemeint, oder die Reisegruppe selbst? Ersteres, sagen die Orakelwürfel.

Mirabelle hebt lauschend den Kopf, während ein Beben durch die Wände geht, aus der Richtung, aus der sie kamen.
„Wir müssen uns beeilen. Die Erdgeister sind mittlerweile in Streit geraten untereinander, über die Angelegenheit! … Und Ihr könnt Euch vorstellen, was das bedeutet, wenn Erdgeister untereinander streiten.“
„Eine Schlammschlacht?“, witzelt Zoe in schwacher Stimme.
„Ein Erdbeben!“, sagt Mirabelle, „Und wir sind hier unterirdisch! Los, beeilen wir uns!“
Zoe knurrt ängstlich, ihr Rage-Wurf ergibt drei Erfolge, beinahe verfällt sie in Raserei.
« Letzte Änderung: 8.12.2024 | 22:09 von Schalter »

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Re: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
« Antwort #57 am: 8.12.2024 | 22:36 »
Ich würfle erneut für Iándor, wegen dem zweiten Anlauf nun gegen um eins erhöhte Schwierigkeit, und nun kommen drei Erfolge. Seine außersinnliche Wahrnehmung hat den Wassergeist aufgespürt, in einer der höher gelegenen Höhlen. Die Wände scheinen hier tatsächlich leicht feucht …

Das Wasserelementar ist in höchster Aufruhr, weil es in diesen aufregenden neuen Ort hinab gesickert ist, aber Hitze und Trockenheit machen ihm mittlerweile schrecklich zu schaffen! Blind vor Panik greift es aus dem Hinterhalt an! Damit hat es die Initiative.

Versickertes Wasser-Elementar
Willenskraft: 6, Rage: 4, Gnosis: 10, Essenz: 30.
Kräfte: Wie im Umbra-Buch, S. 118, die sind für diese Kampfsequenz unerheblich, es kämpft nur mit seinen Spielwerten.

Runde 1: Die kristallblaue Gestalt flutet aus einer der feuchten Felswände hervor, und versucht einen Grapple gegen den nächstbesten Eindringling, das ist Zoe. Der Grapple gelingt, und sie wird von der schwerelosen Woge umschlossen, zappelt hilflos mit Armen und Beinen, japst nach Atemluft! Daraufhin muss sie Rage würfeln vor lauter Schreck — und nun verfällt sie in Raserei! Ihr Wutgebrüll wird schlagartig tiefer und bedrohlicher. Dann sind die Garou dran. Echoing Tide kennt sich schon sein Leben lang aus mit Gewässern. Erstmal muss er die Neue vorm Ersaufen retten. Er geht in Crinos-Gestalt, und schaufelt dann mit seinen großen Pranken Wasser weg aus der Erscheinung. Er zieht dem Gegner drei Punkte Essenz ab. Zoe verwandelt sich in Crinos-Gestalt, und schlägt wie wild um sich, entkommt halb schwimmend halb ringend der nassen Umklammerung, klatscht pudelnass auf den Felsenstein. Mirabelle würfelt Charisma+Anführen, und schreit Zoe zu, „Gut gemacht, jetzt sofort weg von ihm!“, und generiert Elliot Bonus-Erfolge für seine nächste Handlung.

Runde 2: Das zornige Element bildet eine Art Arm aus, und schlägt ihn wie eine gewaltige Faust auf Echoing Tide, um ihn herum zerspritzt diese wie eine Welle auf einem Steg, er wird zu Boden geworfen. Den Schaden absorbiert er erfolgreich. Zoe springt auf die Hinterläufe, und gedankenlos in ihrer Raserei schlägt und beißt sie auf die wogende Figur vor sich ein, zieht ihr dadurch sieben Punkte Essenz ab. Echoing Tide tritt am Boden liegend mit den Hinterläufen nach dem Gegner, als würde er schwimmend Wasser treten; Gischt spritzt, und er zieht weitere fünf Essenzpunkte ab. Dann rollt er sich weg vom Gewühl, wie vom Alpha geheißen. Mirabelle intoniert, „Weiche, Wassergeist! Du bist hier nicht in Deinem Element!“, aber erzielt keinen Erfolg gegen die Willenskraft des Ziels.
Dann schließlich kommen Zoes Rage-Aktionen, mit einer ziehen ihre Krallen vier Essenzpunkte ab in der Gischt, mit der zweiten erneut.

Runde 3: Die Wasserwoge ist jedoch nicht im Geringsten besänftigt, sie wogt auf Zoe zu, und die Flut umschließt sie erneut, hebt sie schreiend in die Höhe. Mirabelle ruft lauter, „Ergib' Dich uns, Wassergeist!“, aber ihre roten Rage-Würfel zeigen bei dem Einschüchtern-Versuch ein Brutales Resultat, das lässt den Wurf automatisch scheitern; ihr kehliges Geschrei hinter ihren Fängen wirkt höchstens provozierend auf die Erscheinung. Zoe strampelt sich erneut frei aus den Fluten, und kriecht auf den Höhlenboden zurück, immer noch tobend vor Zorn.

Runde 4: Während sie kriecht, formt sich die Woge erneut zu einem säulenartigen Arm, und wischt die triefende Gestalt davon, jaulend wird Zoe von dem Treffer mit übermenschlicher Wucht davon geschleudert, prallt rücklings gegen eine Höhlenwand, und ist kampfunfähig! So kriegt sie in ihrer Ohnmacht nicht mehr mit, wie ihre Gefährten den geschwächten Geist gemeinsam anbrüllen, und mit fünf Erfolgen einschüchtern.


Zoe schlägt die Augen auf, als sie in stabile Seitenlage gebracht wurde, wieder in ihrer Menschengestalt. Über sich sieht sie das gestrenge Gesicht ihres Wächters, Iándor. Er hat sich vor sie gekniet, und sie gerade wie zeremoniell mit seinem Stirnhorn berührt. Dies lässt zwei ihrer Wundlevel direkt verheilen, sie fühlt, wie ihre gebrochenen Rippen sich von selbst wieder zusammensetzen. Sie kommt auf Hände und Knie, und spuckt ordentlich Flutwasser aus.
„Danke …“, keucht sie, und schaut zu Iándor auf, der sich wortlos erhebt.
Elliot hilft ihr vorsichtig auf.
„Wo ist der … Wassergeist?“, fragt Zoe verwirrt.
„Ihr habt seine Essenz reduziert, es war nicht mehr so viel von ihm übrig. Er war hinreichend geschwächt, dass wir ihn zur Aufgabe bewegen konnten!“, sagt Mirabelle, „Er hat eingesehen, dass er hier nicht her gehört! Wir bringen ihn an die Oberfläche, wo er nach Hause finden wird.“
„Wie …? In einem Glas?“
„Er hat sich uns gefügt! Echoing Tide hat ihn ausgetrunken.“
Zoe sieht ungläubig den anderen Garou neben ihr an. Der nickt zufrieden, sein Bauch gluckert heftig. Zoe klappt fassungslos den Mund auf.

Der Philodox hilft ihr dabei, die Kreuzschnürungen an ihren Zugeeigneten Kleidern wieder festzuziehen, und sie hilft ihm, dasselbe bei seinem Wintermantel zu tun, auch der hat im Kreuz und an den Ärmeln solche Lederstrippen, um die Verwandlung in Crinos-Gestalt zu überstehen.

Sie setzen die Wanderung fort, zurück zu den Erdgeistern. Diese erfolgreiche Seiten-Queste soll den dreien einen Punkt Ruhm und einen Punkt Weisheit bringen. Sie dürfen zur Oberfläche passieren.

Gleichzeitig könnte dies ein zweiter Waypoint für den Reise-Move sein. Wir machen beim Höhersteigen durch die oberen Höhlen einen Wurf für Iándor mit Unterstützung von Mirabelle wie oben, und kommen auf neun Erfolge! Eine Zehn ist bei den Challenge Dice dabei, die versaut den Strong Hit, und der Weak Hit lässt die Kletterer einen Waypoint erreichen, aber auf Kosten von noch einem Punkt Supply. Der Geister-Proviant aus der Septe wird damit aufgebraucht.



An der Oberfläche einer weiten, urtümlichen Wüstenlandschaft kommen sie an die nächtliche Oberwelt.
Echoing Tide erspäht ein kleines Bachbett mit einem Flüsschen, und setzt sich gleich in Bewegung.
„Willst Du den Geist etwa … rauspinkeln?!“, kommt Zoe nicht umhin zu fragen.
„Du sagst das, als ob das was Schlechtes wäre!“, lächelt er im Gehen.
Zoe sieht Mirabelle an, „Ist sowas nicht … äh … respektlos gegenüber dem Geist?“
Diese erwidert, „Wieso sollte es? Denkst Du, Wasser fände es nicht großartig, durch unsere Körper zu gehen?“
„Oh.“

Sie legen eine Rast ein, und machen sich zu viert über die Vorräte aus dem Caern her. Die sind geschmacklich sehr fade, gerade die Tomaten schmecken nur wie eine blasse Erinnerung an Tomaten-Aroma.
„… Was ist das eigentlich für Essen gewesen?“, fragt Zoe hinterher, „Kann man Tomaten, Champignons, und Kürbisse auch zu Talens machen? Weil … normales Gemüse hätten wir ja nicht mit in die Geisterwelt nehmen können, oder?“
Mirabelle schüttelt den Kopf, „Das war Nahrung, die in der Penumbra angebaut war, die war nie physisch. Du wirst auch nicht Energie aus allem ziehen können, das die Erscheinung von Essbarem hat, das Du in der Umbra findest. Hier sind wir Geister, und leben vornehmlich von unserer Gnosis-Kraft, wie alles andere auch.“
Elliot sagt, „Gnosis kann hier auch in unsichtbarer Form getauscht werden. Bevor wir hungern müssen auf der Weiterreise, gehen wir einen solchen Handel mit den Entitäten ein.“
„Äh … dann hoffe ich, dass dieser Wassergeist Dir immerhin sowas gegeben hat!“, meint Zoe.
Elliot nickt: „Na klar, der war doch schlussendlich auch froh und dankbar, aus der trockenen Höhle wieder gerettet und zurück zu seinen Leuten gebracht worden zu sein!“


Nach einem kurzen Schläfchen in den Morgenstunden erwachen die Wanderer wieder, als die Sonne höher steigt.
„Bis zur Mittagshitze müssen wir aus dieser Domäne weg sein“, sagt Mirabelle.
„Kunststück!“, murrt Zoe unausgeschlafen, „Diese Wüste zieht sich ja bis zum Horizont!“
„In der Nahen Umbra bedeutet das nicht unbedingt etwas“, sagt die Theurgin, „Besonders in solcherlei Begleitung wie unserer!“

Iándor hat offensichtlich bereits eine Art Pfad lokalisiert, wie ein viel bewanderter Wildpfad zum nächsten Wasserloch. Sie folgen den Spuren durch die felsigen Dünen. Der Sand bildet spektakulär aussehende Gebilde, wo er über die Zeitalter hinweg in feste Form erstarrt ist.

Als sie durch das Hitzeflimmern und den aufsteigenden Staub irren, würfeln Avatar und Theurgin abermals gemeinsam, und erzielen sechs Erfolge. Die Challenge Dice machen daraus erneut einen Weak Hit. Bedrohlich heulende Wind- und Sandgeister verlangen Chiminage, und bekommen es in Form weiterer kleiner Opfergaben, Supply sinkt dadurch auf zwei. Aber ein dritter Waypoint ist erreicht, und somit sechs Punkte Fortschritt!

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Re: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
« Antwort #58 am: 9.12.2024 | 16:04 »
Durch welche Art Umgebung führt denn der Geisterpfad, den die Reisenden nun beschreiten? Ein weiter, einsamer Highway bietet sich an. Die Orakelwürfel sagen hierfür, Manipulate Relationship. Die drei Werwölfe sind immerhin ja auch kein vollständiges Rudel und ohne Rudel-Totem, da ist leicht denkbar, dass unsichtbare Kräfte ihre Verbindung zueinander auf eine Zerreißprobe stellen!

Die vier Wanderer kommen aus dem fliegenden Staub und Hitzeflimmern hinaus, und finden sich in einer anderen Wüstenei, felsiger diesmal, und von einem gewaltigen, vielspurigen Highway durchzogen. Die Dünen sehen hier mit einem Mal völlig anders aus, weniger uralt und außerirdisch.



Der Einsame Highway


„Woah! Sind wir jetzt wieder in der Penumbra?“, staunt Zoe, „Ist das Nevada?“
„Nein, ich vermute, dies hier ist so etwas ähnliches …“, murmelt Mirabelle, „wahrscheinlich sind wir wieder näher dran an der Erde … aber ich denke, auch dies ist eine abstrakte Dimension.“
Die Tierspuren des Geisterpfades führen durch die Felsen hindurch, direkt auf den Highway zu, und biegen dann in seine Fahrtrichtung ab, verlaufen eine Weile parallel, dann darauf. Zoe bildet sich ein, dass sie unterdessen aufhören, wie Tierfährten auszusehen, und zuletzt eher dünnen Reifenspuren ähneln. Sie reibt sich die Augen.

Ein unglaubliches Gefühl von Freiheit und Einsamkeit bemächtigt sich Zoe, während sie stundenlang den stillen Wüsten-Highway entlang wandern. Der Asphalt ist von tiefen Rissen durchzogen, aber dennoch nicht unbefahrbar geworden. Aber es fährt niemand darauf … Dies kann tatsächlich nicht die Penumbra sein, denn dort müssten ja die Entsprechungen der geschäftigen Fleischwelt umher sausen. Hier gibt es nur Weite, Stille, und Klarheit. Meditativ wandern die vier dahin, selbst Elliot und schließlich Zoe verlieren alles Interesse an Kommunikation.

Sind es denn kosmische Kräfte, welche die Beziehungen der Wanderer auf die Probe stellen werden — oder die anderer umbraler Reisender? Da wüsste ich schon was. Die Orakelwürfel bestätigen …:

Nach vielen Wegstunden überholt ein ziemlich großes, sehr staubiges Wiesel die vier urplötzlich. Zoe hebt den Kopf und blinzelt durch den strömenden Schweiß, der ihre Sicht verschwimmen lässt. Das Tier rennt wie vom wilden Affen gebissen, und verschwindet im Hitzeflimmern vor ihnen.
„Hey, habt Ihr hier ein Wiesel vorbei wetzen sehen?“, fragt auf einmal jemand hinter Zoe. Sie wirbelt herum. Eine untersetze, junge Lateinamerikanerin kommt hinter ihnen angerannt. Sie trägt Lumpen und eine dreckige Baseballmütze, die einstmals quietschrosa gewesen sein muss.



Eine Unbekannte, auf der Jagd nach einem merkwürdigen Ziel


„Heda! Wer bist Du?“, fragt Mirabelle.
„Tut nichts zur Sache! Ich muss dieses verdammte Wiesel fangen! Habt Ihr's gesehen?“
„Warum musst Du das Wiesel fangen? Bist Du … bist Du eine Werwölfin?“, traut Zoe sich zu fragen, aber Mirabelle legt ihr ermahnend die gesunde Hand auf den Arm, wie um sie zurückzuhalten. Das Alpha hat offensichtlich das Sagen, in der Umbra sowieso.
„Das kann auch quer über die Fahrbahn rennen, einmal rüber. Das ist dann ein richtig schlechtes Omen! Von rechts nach links, oder sogar andersrum. Gaia behüte! Ich muss das unbedingt wissen, versteht Ihr das! … Habt Ihr's jetzt gesehen oder nicht?!“
„Ich bin Mirabelle Simmons, Athro der Kinder Gaias, die Ranghöchste unter uns. Stell' Dich mir vor.“
Ungeduldig von einem Fuß auf den anderen tretend sagt die Mexikanerin, „Sí, sí! Ich bin Sees-A-Bad-Moon-Rising, ich bin nur ein Fostern, Du bist ranghöher. Bitte, bitte, sagt mir jetzt, ob Ihr das verdammte Viech gesehen habt! Es ist wirklich sehr eilig!“
„Es ist da lang!“, sagt Mirabelle mit einem Lächeln.
„Gracias!“, keucht das Mädchen, und pest davon.
„… ‚Von rechts nach links, oder sogar andersrum‘?“, fragt Zoe, als sie der Silhouette nach schaut.
„Vielleicht ist sie auf einer Totem-Queste“, vermutet Elliot.
„Aber ganz allein?“, fragt Mirabelle.
„Vielleicht hat ihr restliches Rudel es nicht überlebt!“
„Ja, wenn sie Wendigo jagen würden, oder einen Fenris. Aber ein Wiesel?“

Schweigend wandern sie weiter. Eine gewisse Weile vergeht, Zoe hat ihr Zeitempfinden verloren.

Urplötzlich werden sie von hinten von einem räudigen Wiesel überholt! Es sieht genauso aus wie das vorhin!
Zoe dreht sich verblüfft um, und tatsächlich sieht sie bereits die kompakte, menschliche Silhouette angerannt kommen.
„Ihr schon wieder! Habt Ihr wieder das Wiesel gesehen?“, ruft diese, mit hektischem Winken, als sie in Rufweite kommt.
Mirabelle lächelt amüsiert, und deutet in die Laufrichtung.
Japsend schließt die Mexikanerin auf, „Aber es … aber es hat … nicht die Straße überquert? … Oder am Straßenrand gebuddelt?“
Alle drei schütteln die Köpfe.
Die Fremde steht mit den Händen auf die Knie gestützt um durchzuatmen, wischt sich dann den Schweiß unter ihrem Mützenschirm.
„Na, immerhin. Puh, viel länger halte ich das nicht durch“, sie trinkt ordentliche Schlucke aus ihrem Wasserschlauch an ihrem Gürtel.
„Auch was?“, fragt sie, und hält der Ranghöheren den Lederschlauch hin.
Mirabelle und Elliot trinken dankbar ein paar Schlucke. Als Zoe ihn ansetzt, erklärt die Fremde, „... Ist Tequila drin.“
Zoe verschluckt sich und hustet. Aber es ist natürlich nur Wasser.
Die Fremde schüttet sich aus vor lachen, dann hustet sie dabei auch, so sehr, dass man ihr auf den Rücken klopfen muss.
Zoe hat einen Rage-Punkt kassiert, sie ist wieder auf fünf, und dadurch etwas spaßbefreit.
„Caramba, Staub im Rachen!“, entschuldigt sich die Fremde, „Hier draußen frisst man das Zeug echt unaufhörlich. Aber hättest Deine großen Augen sehen sollen!“, und sie wischt sich eine Lachträne weg.
„Danke trotzdem!“, knurrt Zoe, und gibt ihr den Trinkschlauch zurück.
„Gerne“, kichert die Fremde erschöpft.
„Ich glaube, wir wissen, welches Mondzeichen Du hast, Sees-A-Bad-Moon-Rising!“, schmunzelt Elliot.
„Ja?“, fragt Zoe.
Er nickt, „Sie muss ein Neumond sein! Eine Tricksterin.“
„Bingo“, sagt diese, „Ich komme mal mit, wenn ich darf. Offensichtlich wollt Ihr in meine Richtung … kann jetzt erstmal nicht mehr rennen … scheiß Hitze.“
„Was willst Du mit dem Wiesel?“, fragt Zoe unsicher.
„Ich hatte ihm klar gemacht, dass ich es fressen würde, wenn es nicht spurt. Seitdem rennt es weg, und ich renne hinterher. Wie eine Bekloppte ...“, und die Mexikanerin schüttelt leicht den Kopf, vielleicht über das Wiesel, vielleicht über sich selbst.
„Bitte nenne uns Dein Begehr!“, sagt Elliot ermunternd, nachdem er auch sich und Zoe vorgestellt hat.
Sees-A-Bad-Moon-Rising schüttelt heftig ihren Lockenkopf, und entgegnet, „Darf ich auf keinen Fall! Geheimnis meines Stammes. Ich bin Uktena, Ihr wisst, wie wir es mit den Geheimnissen halten.“
„Wer sind die … Uktena?“, fragt Zoe neugierig, „Von Euch habe ich noch nie gehört!“
Die Mexikanerin lacht, „Jaaa, aber Du weißt ja zumindest, wie wir es mit Geheimnissen halten!“
„Äh, nein …?“
„Doch, jetzt ja!“
Mirabelle sagt freundlich, „Wenn Du Uktena bist, bieten wir Dir unser Geleit. Wir reisen direkt zur Septe des Westlichen Auges. Die gehörte einmal Deinem Stamm, und es gibt immer noch viele Repräsentanten dort.“
„Geil, danke. Ich gehe zumindest mal so lange mit Euch, bis ich das Wiesel wiedersehe.“
Zoe läuft neben der Fremden her, und fragt, „Wo kommst Du denn her? Jagst Du öfter an diesem komischen Ort hier?“
„Den Einsamen Highway meinst Du?“
„Einsamer Highway …“, raunt Zoe.
„Mit großem ‚E‘, um klar zu machen, wie einzigartig einsam es einem echt ergeht.“
Zoe lächelt vorsichtig.
Dann sagt sie, „Eigentlich ist dann doch die Chance, andere Garou hier zu treffen, eins zu einer Million!“
„Nö, viel höher. Man hat ja hier so weite Sicht. Da kann man gar nicht vermeiden, früher oder später in jemanden vom Wolfsblut hinein zu rasseln. Lässt sich gar nicht vermeiden, spätestens alle paar Hundert Jahre.“
„Glaub' ich nicht. … Jahrhunderte?“
„Kennst Du denn die Gesetze dieses Reichs?“
„Äh, nein. Ich war ja noch nie hier! Aber unser Avatar kennt sie bestimmt. Der hätte uns doch nicht hierher geführt, wenn der Fußmarsch Jahrhunderte dauern würde! Dann würden wir ja viel zu weit in der Zukunft rauskommen in die Fleischwelt. Du spinnst!“
„Ich rede doch nicht davon, wie die Zeit vergeht in Bezug auf die Fleischwelt. Ich rede davon, wie sie innerhalb dieser Domäne vergeht!“
„Hm, Zeit scheint hier eigentlich gar keinen Unterschied zu machen“, sagt Zoe zögerlich, und sieht sich in der sonnenbeschienenen Ödnis um.
„Ganz genau, Blondie!“
„Pah, Blondie. Hat das auch damit zu tun, dass Du uns zweimal von hinten überholt hast? Das ist doch unmöglich! Außer, Ihr wärt durch die Felsen geklettert und hättet einen weiten Bogen um uns beschrieben ...“
„Es gibt Wesen, die eine Unendlichkeit auf dem Einsamen Highway gewandert oder gefahren sind. Die Richtung, und die Position im Verhältnis zu anderen, die ändern sich gelegentlich. Was habt Ihr in San Fran' vor? Die Hippie-Szene auschecken?“
„Nee, warum sagen das immer alle? Das ist glaube ich voll der Stereotyp. Ich hab' noch niemanden bei den Kindern Gaias getroffen, der wirklich ein Hippie war. Höchstens so Gutmenschen und sowas.“
„Ist doch dasselbe. Und Du bist vermutlich ein Hippie. Schon wegen Deinem ‚funky Hair-Do!‘“
„Hä, wohl noch nie'n 80er-Film gesehen! Da war das Hippietum schon ausgestorben.“
Zoe bemerkt, dass sich Sees-A-Bad-Moon-Rising ein wenig mit ihr zurückfallen lassen hat.
„Die werden Dir jedenfalls schon Dein hübsches Köpfchen zurecht setzen, wenn Du erstmal in San Fran' mit denen bist. Da gibt’s dann kein Zurück.“
„Was meinst Du damit? Wir dürfen nicht abfällig über die Stämme reden! Schon gar nicht unsere eigenen!“
„Das machen wir ja auch nicht. Ich sag' Dir nur wie's ist!“
„Du scheinst die Kinder Gaias nicht so recht zu mögen“, vermutet Zoe, und in ihrer gedämpften Stimme liegt viel mehr Bedrohlichkeit als sie wollte.
„Jeder mag die Kinder Gaias! Ihr seid die Heiler und Tröster der Garou-Nation! Wer Euch nicht gut findet, der hat zumindest keinen Grund, Euch schlecht zu finden!“
„So. Und was ist mit Deinem Stamm, Bad-Moon, oh, entschuldige, Sees-A-Bad-Moon-“
„Brauchst Dir keinen Zacken aus der Krone zu brechen! Ich hieß früher einfach Emma Zoído. Nenn' mich Emma!“
„Okay.“
„Ich bin alleine unterwegs! Wegen dem vermaledeiten Wiesel. Dieses gottverfackte Wiesel!“, schreit sie, und droht mit der Faust zum Horizont, dann redet sie normal weiter, „Vielleicht haben die Totems es sogar absichtlich an Euch vorbei geführt. Vielleicht, damit ich Dich warnen kann.“
„Warnen?! Wovor?“
Emma hat ihre Stimme immer weiter gesenkt, und raunt jetzt nur noch, „Davor, dass Du drauf und dran bist, die nächste junge Erwachte zu sein, welche die ihrem Krieg einverleiben! Binnen weniger Jahre wirst Du sein wie diese zwei vor uns! Moralisten, Kriegsversehrte, Fanatiker. Ein junger Garou nach dem anderen wird dem Wyrm ins Maul springen gelassen, nur weil es Tradition ist, diesen Krieg am Laufen zu halten!“
Zoe guckt Emma mit aufgerissenen Augen an. Sie hätte mittlerweile alles mögliche von dem komischen Kauz erwartet, aber nicht das.
„Willst Du damit sagen …“
„Ich will nur sagen, dass Du gut daran tust, die Welt der Stämme mit etwas Skepsis zu betrachten! Lass' Dich nicht zu ihrer Marionette machen! Die meisten jungen Garou tun das. Schade eigentlich.“

Die Ränkeschmiedin würfelt fette sechs Erfolge bei Charisma+Überzeugen! Zoe muss Wahrnehmung+Empathie dagegen setzen, und kommt auf einen Erfolg. Fünf Erfolge bleiben Emma, das sind episch viele. Genug, um Zoes Zweifel zu schüren. Und genug für einen Rage-Wurf, denn starke Emotionen führen zu eben solchen! Sie hält an wie erstarrt, fixiert das andere Mädchen mit wildem Blick.
„Ich habe nur Deine besten Interessen im Sinn“, sagt diese leise, aber weiter kommt sie nicht, schon ist Zoe in ihre Crinos-Form verwandelt, und schnappt nach ihr! Ebenso schnell ist Emma in ihrer sandgelben Wolfsgestalt, macht einen Satz rückwärts, und rennt mit hängender Zunge zwischen die Felsen! Zoe hört die Schreie der beiden erschrockenen Stammesgeschwister hinter sich, aber der Wortlaut dringt nicht zu ihr durch, schnarrend und geifernd setzt sie dem dahin preschenden Wolf nach, runter vom Highway, zwischen die niedrigen Felsen! Das Japsen der anderen klingt fast wie ein Kichern.
Ich lasse die beiden Kontrahentinnen gegeneinander Geschick+Athletik würfeln, und Sees-A-Bad-Moon-Rising hängt Zoe locker ab. Zwischen den endlosen Felsen sieht die große Crinos-Gestalt sich verwirrt um, grollt und heult, wetzt in ihrer Raserei ihre Krallen an den Steinen. Dann würfle ich Willenskraft, um die Raserei zu beende; das ist sinnlose Gewalt, das führt zu nichts. (Einen Weisheit-Punkt hat's auch gekostet.) Zoe verwandelt sich unter heftigen Schmerzen in ihre Menschengestalt zurück, und sieht sich desorientiert um, sie hat einen Blackout. ... Wo ist der Highway?

Ich würfle für Iándor und Mirabelle, um Zoe wiederzufinden, und sie sammeln nur vier Erfolge an. Dagegen würfele ich die Challenge Dice, die sollen bestimmen, ob dies ein Waypoint war, oder Zoe verloren gegangen ist! Bei einem Misserfolg heißt es, den Move Pay the Price machen! … Stattdessen zeigen die Würfel überraschend einen Strong Hit!

Dunkelheit hat sich um Zoe herabgesenkt, vielleicht, weil die Nacht kommt, vielleicht nur, weil sie sich zu sehr vom Highway entfernt hat … weil der Highway das einzige ist, was in dieser Dimension wirklich besteht … Sie zieht mit zitterigen Händen ihre Kleiderschnürungen wieder fest, die durch den Gestaltwandel ausgedehnt worden waren, und sieht die schrecklichen Klauen-Kerben in den soliden Felsen um sich her. Sie kann sich nicht daran erinnern, die gemacht zu haben! Oder war das jemand anders?
In dem Moment hört sie die Stimmen der anderen beiden Kinder Gaias, und wirbelt herum.
„Ich bin hier!“, schreit sie verzweifelt, und versucht, zwischen den Felsen hervor zu klettern.
„Emma?“, schreit sie außerdem, und ruft dann den anderen kläglich zu, „Ich glaube, ich hab' Emma verjagt! Irgendwas ist über mich gekommen! Ich …“
Echoing Tide erreicht Zoe, und umarmt sie, „Du darfst den Geister-Pfad nicht verlassen! Bei Gaia, Du hättest für immer verloren gehen können!“ Er legt ihr dann die Hand auf die Stirn, und fixiert sie mit seinem Blick, und sagt, „Denk' an etwas Friedliches!“
„Ist … ist schon gut … es ist ja vorbei! Ich hab' Emma weggejagt, glaube ich, das wollte ich nicht!“
„Zoe, hör' auf zu plappern! Denk' an etwas Friedliches! Denk' an Dein Zuhause!“
Sie versucht wütend den Kopf zu schütteln, aber dann fügt sie sich, denkt an die frühere Wohnung ihrer Eltern, ihre Grundschule, kurz auch an die Videothek … und die Calm-Gabe wirkt. All ihre brodelnde, siedende Wut löst sich plötzlich auf. Sie kann alle fünf roten Würfel ablegen! Sie umarmt ganz in sich gekehrt Echoing Tide.
Mirabelle hat zu ihnen aufgeholt: „Da seid Ihr ja! Kommt, wir müssen schnell zurück, tiefer in die Domäne, wir sind hier zu nah an den Ephemera.“
„Was ist mit Sees-A-Bad-Moon-Rising? Ich hab' sie …“
„Wahrscheinlich wollte sie irgendein Spiel mit Dir treiben, Zoe. Sie wird Dich absichtlich geärgert haben, vielleicht um sich über Dich zu amüsieren. Die Ragabash sind manchmal ein wenig seltsam.“

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Re: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
« Antwort #59 am: 10.12.2024 | 23:54 »
Der Strong Hit bringt uns auf Fortschritt acht. Das sollte reichen! Ich würfle für Reach Your Destination, und bekomme einen Weak Hit. Schließlich führt also der Geisterpfad, dem Iándor folgt, herunter vom Endlosen Highway, und zwischen den Felsen in ein Wäldchen. Aber der Move gibt an, dass dort aufgrund des Weak Hit eine unvorhergesehene Gefahr lauert!

Da werden im Umbra-Quellenbuch ja einige vorgeschlagen, kann mich nicht entscheiden. Das Orakel sagt dazu, Inspect Strength. Das ist offensichtlich ein Phänomen, das die Stärke der Reisenden überprüft.

Zwischen den Felsen umgibt die Dunkelheit die Wanderer, die immer tiefer wird mit jedem Schritt, den sie tun, weg vom in der Sonne backenden Highway. Im Zwielicht ist ein Surren und Klicken zu hören. Als sie näher kommen, sehen sie, wie metallisch glänzende Fäden zwischen den Felsen hin und her führen, kreuz und quer, wie ein titanisches, künstliches Netz!
„Das sollte nicht hier sein …“, murmelt Mirabelle, „die Kräfte der Weberin haben den Geisterpfad versiegelt.“
„Sieht einfach genug zu zerreißen aus, für Crinos-Stärke“, vermutet Echoing Tide grimmig.
Iándor deutet wortlos aufwärts, und tatsächlich, von dort kommt das Summgeräusch. Mehrere Spinnengeister hängen dort in den Netzen, groß wie Bernhardiner. Sie sind keine natürlichen Spinnen, sie sehen synthetisch aus, wie aus lebendigem Plastik, ihre darunterliegenden Innenorgane beinahe wie Maschinenteile und Dioden. Noch dazu verdichtet sich in ihrer Nähe das Netz-Gewebe zu einem abstrus aussehenden Apparat — ein bläulich durchscheinender Roboter-Augapfel an einem Schwenkarm, wie eine Überwachungskamera.
„Das sind doch diese Strukturspinnen, wie sie auch in Las Vegas in der Penumbra waren!“, flüstert Zoe ängstlich.
Mirabelle nickt, und flüstert zurück, „In Großstädten sind sie auch normal. Hier nicht, hierhin scheinen sie ein spezielles Bauvorhaben ausgedehnt zu haben! Das gefällt mir nicht! … Aber wenn wir die Netze zerreißen, dann inspizieren die Spinnen sofort die Umgebung.“
Zoe bekommt einen neuen, ersten Rage-Punkt angesichts dieser Bedrohung, sie knurrt ungewollt.
Mirabelle flüstert, „Jetzt gerade bleibt uns nicht mehr, als uns einen Durchgang hinein zu reißen und schnell zu sein, denke ich.“
Die anderen nicken einverstanden.
Dann würfle ich mal Stärke+Heimlichkeit für alle drei Garou. Vielleicht gelingt es ihnen dadurch, schnell und leise ihren Weg zu bahnen. Gemeinsam kommen die drei auf sieben Erfolge. Sieben Erfolge schaffen auch die Strukturspinnen mit ihren gemeinsamen Gnosis-Werten, und entdecken die Werwölfe, als sie vorsichtig nach und nach ein paar der dickeren Netzfäden durchbeißen, die den Weg blockiert haben!

Da mache ich mal den Move Pay the Price, es muss ja nicht gleich auf einen Kampf hinauslaufen. Ich nehme aus der Liste das Resultat ‚a surprising development complicates your quest‘, da weiß ich schon was. Weberinnen-Agenten sind in der stofflichen Welt unterwegs in Form von besessenen Drohnen, und in irgendeiner Form werden diese den Charakteren instinktiv demnächst nachzufahnden beginnen!

Vorerst rennen die vier durch die Netzkonstruktionen, das wütende Klicken und Summen der Strukturspinnen hinter sich. Eine von ihnen klingt für Zoes Verstand beinahe wie ein schrilles Internet-Modem, nur völlig verzerrt. In Lupus-Form schlüpfen die Garou durch die letzten Stränge am Ende eines Netztunnels. Sie verwandeln sich zurück und heben die Blicke am Strukturnetz hinauf, das sich bis in den staubigen Zwielicht-Himmel hinauf erhebt.
„In wenigen Momenten wird sich ihre Zahl verdoppelt haben“, befürchtet Echoing Tide, „und dann machen sie hier die Domäne so richtig dicht …“
„Oh nein“, knurrt Mirabelle angriffslustig, und holt einige ihrer übrigen Opfergaben hervor, „ich weiß schon, was gegen diese Machtgier hilft! Ein Vortex!“
Echoing Tide sieht sie erschrocken an, „Denkst Du, dass das nicht zu drastisch ist?“
„Die wollen diese Domäne umspinnen und unzugänglich machen! Aber nicht mir mir!“
Mirabelle brennt Kräuteropfer in ihren Tonschalen ab, rasselt und heult, und zwischendurch spricht sie in Zungen. Binnen Minuten beginnt das Zwielicht von einem bunten Flimmern erfüllt zu werden, als etwas aus tieferen Umbra-Bereichen die Anrufung vernommen hat — und herannaht! Die synthetisch schmeckende Luft frischt plötzlich auf, wie Zoe feststellt. Dann schmeckt sie nach allen Aromen auf einmal.
„Ich bin Thunder-Magic-Spoke von den Kindern Gaias!“, schreit Mirabelle mit wehender Haarmähne in den brausenden Wind, „Ich habe Dich hergerufen, Vortex! Mein Wille ist, dass Du Dich keinem Willen zu beugen hast! Spiel', tobe Dich aus!“
Die Beschwörerin hat ordentliche vier Erfolge beim Ritus erzielt! Damit erscheint der Geist unmittelbar, und ist tendenziell auf ihrer Seite. Das Flimmern wird zu einer grellen, feurigen Implosion aus Farbe und Geräusch, wie ein leuchtender Tornado aus Möglichkeiten.
Während die vier Reisenden die Beine in die Hand nehmen, sehen sie mit hastigen Blicken über die Schulter das Spektakel, als der Vortex-Geist wie ein Naturpänomen durch die metallischen Netze fegt, und mit seiner Disorient-Kraft die ephemerale Landschaft einfach umgestaltet. Da, wo die Barriere war, erheben sich in den aufgepeitschten Staubwolken plötzlich üppige Dschungelpflanzen, die schwerelos in den Zwielicht-Himmel aufsteigen, und sich zufrieden um sich selber drehen, zwischen platzenden Lichtern aus allen Farben des Spektrums, und darüber hinaus.
Mirabelle gibt ein Lachen von sich, während sie rennen, es klingt befreit, triumphierend, und ein klein wenig manisch.



Der Reise-Move jedenfalls ist abgehandelt, jenseits der hinweggewischten Netzbarrikaden führt der Geisterpfad weiter, nun direkt in die Penumbra.

Sie finden sich wieder in einer sonnigen Küstenlandschaft, hoch über dem Wasserspiegel.

Iándor nickt ihnen feierlich zu, und erklärt, er habe seinen Handel mit seinen Beschwörern aus der Septe der Sonnenbeschienenen Steine erfüllt. Alle drei Kinder Gaias danken ihm andächtig, und der Avatar wandert davon, wahrscheinlich wieder in die Domäne von Re'em zurück.

Zoe sieht sich erstmals genauer um. Sie stehen hier in der spirituellen Repräsentation von Hawk Hill, mit direktem Blick auf eine imposante Brückenkonstruktion, die über die Bucht hinweg führt.
„Das ist … das ist die … Golden Gate Bridge!“, bringt Zoe nach längerem, gebannten Starren hervor, „Es sieht fast aus wie die normale Welt! … Wir sind wieder in der Penumbra!“
„Was dachtest denn Du?“, lächelt Mirabelle amüsiert.
„Ich? Ich dachte gar nichts! Ich habe doch gar keine Vorstellung von all Euren Möglichkeiten! … Zwischendurch dachte ich, wir gehen bestimmt verloren in diesen … diesen Traumreichen … Aber jetzt sind wir tatsächlich hier, dies ist die Westküste! Wir haben den ganzen Kontinent durchquert!“
„Von hier ist es nur noch ein kurzer Fußmarsch hinauf nach Muir Woods“, sagt Echoing Tide, „Dort mischen wir uns unauffällig unter die Touristen, und gehen die geheimen Pfade zu unserem Heiligtum hinauf.“
„Ich kann’s kaum erwarten“, sagt Zoe, und atmet tief durch, aber muss gleichzeitig an das denken, was Sees-A-Bad-Moon-Rising ihr gesagt hatte. Insgeheim hat sie gerade etwas gemischte Gefühle!


Evolution: Zoe ist unterwegs auch charakterlich gewachsen, und erhält nun einen fünften Punkt Willenskraft.


Die drei Reisenden kehren in die stoffliche Welt zurück, und laufen parallel zur Route 101 nach Norden, durch sehr touristisches Gebiet. Jetzt, Anfang Dezember, ist hier natürlich keine Saison. Wieder in der Welt der Festigkeit zu sein, lässt Zoe schlagartig Hunger kriegen. Damit bekommt sie auch einen zweiten Rage-Punkt zurück, Werwölfe werden eben schnell ‚hangry‘.)

Kommen ihnen bereits Leute aus der Septe entgegen? Die Orakelwürfel sagen, ja!

Ein Park-Ranger-Jeep kommt ihnen im Schritttempo entgegen, und hält vor ihnen auf dem Trail. Zoe macht sich instinktiv sprungbereit, die letzten Park Ranger waren nicht so recht nach ihrem Geschmack! Diese hier wollen aber nicht auf sie ballern, im Gegenteil, es sind versteckte Blutsbrüder. Ein Typ mit Walross-Schnauzer und Seitenscheitel steigt aus, er hat eine kerzengerade verlaufende Narbe unter dem rechten Auge.
„Da seid Ihr ja tatsächlich! Unsere Theurgen waren nicht ganz sicher. Kann ich Euch mitnehmen?“
„Theurgen? Heißt das, Sie wissen, wer wir …“
Der Schnauzer lacht, „Keine Sorge, junge Dame! Wir können hier offen reden. Wir sind alle Kinder Gaias.“
„Dann sind Sie gar kein echter Ranger?!“
„Doch, auch. Habt Ihr was, das in den Kofferraum soll?“
Als sie einsteigen, sagt der Schnauzer, „Ich bin Chuck! Charles Larson. Willkommen in Muir Woods! Wir Blutsgeschwister sehen zu, dass möglichst viele von unserer Art in die Ränge der Rangers kommen, um den Dienst besser steuern zu können, im Sinne der Septe. Und dadurch das Caern gut schützen können.“
„Wow. Ausgefuchst“, sagt Zoe, „Wo ist das Caern, Muir Woods?“
„Weiß doch jeder Welpe seit den frühen 1900ern!“, sagt Chuck gut gelaunt.
Mirabelle erklärt, „Wir haben es vorgezogen, unserem Neuzugang nicht sofort alles an den Kopf zu werfen, was sie eigentlich künftig wissen muss. Es war hektisch genug für Zoe in den letzten Wochen.“
„Sie ist Roves-With-The-Morning-Clouds' Enkelin?“, fragt der Ranger.
„Merkst Du's ihr denn nicht an?“
„Ja, doch, glaub' schon. Du hast einen ähnlichen Blick in den Augen. Irgendsoeine Ausstrahlung. Etwa wie er damals, wenn ich mich recht entsinne. Willkommen daheim!“, und er lächelt sie durch den Rückspiegel an. Scheu lächelt sie zurück.

Mit dem Jeep geht es sehr viel schneller. Obendrein hat Chuck Sandwiches an Bord, die in Rekordzeit von den ausgehungerten Garou verschlungen werden. Schon aus der Ferne sehen sie die kalifornischen Redwood-Bäume das andere Grün überragen, Chuck erklärt, dass einige davon tausend Jahre alt sind, die höchste Baumart des Planeten.
„… Im Sommer ist es längst soweit, dass Touristen sich Parkplätze vorher reservieren müssen, wenn sie mit dem PKW anreisen, sonst finden sie nichts zum Parken.“
Zoe fragt verwirrt, „Und in so einem gut besuchten Nationalpark könnt Ihr einen magischen Ort geheim halten vor den Augen der Öffentlichkeit?“
„Darum der Rangerdienst!“, sagt Chuck.
„Und die Pfade hoch zum eigentlichen Caern sind gut versteckt, und schwer bewacht“, fügt Mirabelle hinzu.


Eine halbe Stunde später kraxeln sie diese Schleichwege hinauf, jenseits der Absperrungen, tief verborgen vom Unterholz. Es ist sehr milde für einen Dezembertag, aber sehr nebelig. Um sie her rauschen die beeindruckenden Redwood-Bäume, wie ein hypnotischer Singsang. Zoe vermutet, dass es im Sommer hier unbeschreiblich schön sein muss.
Am Ende des Trampelpfades blockiert ein riesenhafter Felsbrocken den Weg.
„Endstation?“, keucht Zoe, sie vermutet, dass ihre Führer sich verlaufen haben.
„Nein“, sagt Echoing Tide vergnügt, „Du musst springen!“
„Hä? Machst Du Witze?“
„Wohl kaum! Der Felsblock ist zu glatt zum Klettern und zu breit zum Umgehen! Du musst springen. Keine Sorge, hier oben sieht uns kein Sterblicher mehr.“
Zoe kämpft sich also mühevoll wieder in ihre Crinos-Gestalt, und schüttelt sich, bewegt ihre schmerzenden Muskelpakete, die ihr immer noch ungewohnt sind. Über der Spitze des Felsbrockens hängt der weiße Nebelschleier. Holt ein Stück Anlauf, jagt auf den Felsen zu, und ihre Hinterläufe katapultieren sie in die Luft. Nur dank einem Willenskraft-Punkt schafft sie die drei benötigten Erfolge bei Stärke+Athletik. Als ihre Tatzen auf der anderen Seite in Sand und Kies aufkommen, hat sie umso stärker das Gefühl, das von den titanischen Redwood-Bäumen auszugehen scheint. Ein kribbeliges Sehnen danach, noch tiefer in diese Wildnis vorzudringen. Weiße Nebelschleier umgeben alles, er liegt über diesem Ort wie eine mystische Glocke, und weht zwischen den gewaltigen Baumstämmen hindurch. Links und rechts von ihr landen die beiden anderen Werwölfe in ihren Crinos-Gestalten, Mirabelle immer noch etwas taumelig von ihren Verletzungen. Zoe hat die Geistesgegenwart, sie schnell zu stützen, damit sie nicht strauchelt.
Echoing Tide stimmt das traditionelle Geheul der Vorstellung an, um sie anzukündigen in der Septe des Westlichen Auges.

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Re: [Werewolf: The Apocalypse | Ironsworn] Wyldreise
« Antwort #60 am: Gestern um 22:26 »
Was sagt das Orakel zur Situation in der Septe bei Eintreffen der Charaktere? Persevere Truth, jemand beharrt auf die Wahrheit. Worum geht’s denn bei dem Disput? Corruption, ist die Antwort!  Offensichtlich wird hier also gerade umstritten, ob eine Sache oder Person des Wyrms ist! Wer ist der Beschuldigte? Oppressed Herder who wants to Advance his Status, sagen die Tabellen, das wird kein Schafhirte sein, sondern jemand, der für die Garou mit menschlichen Instanzen umzugehen hat. (Manche Garou nennen die Menschheit schließlich abfällig eine Herde.) Dann erwürfle ich mir auch noch ein Settlement Trouble, und bekomme heraus, Dangerous Tradition. Oho! Aber das ist für später, erstmal eins nach dem anderen:

Einige junge Werwölfe sind gleich zur Stelle, und begrüßen die drei Neuankömmlinge, und zwar unerwartet mit innigen Umarmungen, als wären sie alte Bekannte! Zoe will schon ihre Reisegefährten fragen, ob die sich kennen, aber offensichtlich ist das nicht so, solcherlei Begrüßung scheint hier normal zu sein.
Eine ganze Reihe von Totems wird freudig gepriesen: Re'em das Einhorn, die Weiße Taube, und Aeolus der Nebel.
„... Willkommen im Caern des Westlichen Auges, Ihr drei!“
„... Kommt mit uns, Ihr seid verletzt. Wir haben von dem neuerlichen Kampf um das Caern der Glitzernden Beute gehört! Wir werden Eure Wunden reinigen und neu verbinden, und unser Totem Aeolus wird geben, dass sie schnell verheilen!“





Septe des Westlichen Auges
Lage: Muir Woods National Monument, San Francisco Bay Area, Kalifornien
Rang: 3
Typ: Visionen (Weisheit)
Caern-Totem: Aeolus der Nebel
Stammesstruktur: Kinder Gaias, mit einigen Uktena, offen für alle
Bevölkerung: 15 Garou oder mehr sind jederzeit vor Ort
Barriere-Wert: 3


Sofort werden die drei separiert und in verschiedene, hölzerne Hütten gebracht. Zoe wendet sich konfus um, sie würde gern wissen, von wo das Geschrei und Gezeter aus dem Nebel kam, und was der Grund für die Aufregung war? Irgendetwas davon, dass man von der Wahrheit nicht abrücken würde ...?

Was für jemand nimmt sich ihr denn an? Bitter Hunter who wants to Seize Power! Das klingt ja recht atypisch für die Kinder Gaias! Umso interessanter.

„… Kümmere Dich jetzt nicht darum, Welpe! Ihr seid weit gereist, und offensichtlich völlig erschöpft.“
„He, ich bin kein Welpe mehr!“
„Oh? Diese frohe Kunde hatte mich noch nicht erreicht! Man sagte, Du sollest hier eingeweiht werden.“
„Ich habe schon unterwegs einen Aufnahmeritus machen dürfen …“
Der junge Mann knurrt, „Dann entschuldige ich mich, Cliath! Dann sind wir vom selben Rang. Ich wollte Dich keinesfalls in Deiner Ehre herabsetzen.“
„Okay. Äh.“
„Ich bin Norman Emberfur.“
„Ich bin Zoe Matherson …“



Norman Emberfur, ein verbitterter Jäger aus der Septe


„Die Geister haben schon berichtet, dass Ihr eintreffen würdet. Wir hatten Euch schon vor mehreren Nächten erwartet, per Mondbrücke. Die Knochenbeißer haben Euch den Durchgang verwehrt, wie?“
Zoe nickt.
„Nachdem Ihr Ihnen geholfen hattet, Ihr Rattenloch zu verteidigen. Diese Hyänen!“
„Wie jetzt? Aber ich dachte, man darf nicht abfällig über die Stämme reden?“
„Ach“, zischt Emberfur verächtlich, „Alle spotten den Knochenbeißern. Das bedeutet keinen Gesichtsverlust, sie selber halten das ja auch nicht anders.“
„Ich mag sie …“
„Natürlich, ‚Du sollst jenen Respekt zeigen, die unter Dir stehen, alle stammen von Gaia'.“
„Ist das eins von den Litanei-Geboten?“
„Ganz recht! Da Du bereits Cliath bist, solltest Du die längst im Schlaf aufsagen können.“
„Hey, Echoing Tide und die anderen haben getan, was sie konnten! Ich würde sagen, ich mache mich bisher ganz gut.“
Das strenge Gesicht des jungen Mannes zeigt plötzlich doch ein Grinsen: „Ja, das würde ich auch sagen! Sobald Ihr frisch verarztet und gänzlich ausgeruht seid, dürft Ihr vor unsere Septenherren treten. Und dann sehen wir weiter“, sie kommen in die Hütte, es riecht nach Tannennadeln und Räucherstäbchen, „Zeig' mal den Arm her. Das geht ja von der Schulter bis zum Unterarm! Das sieht nicht gut aus.“
„Das waren die Krallen eines Abtrünnigen in Portland! Das ist ja mittlerweile nur noch ein Kratzer. Die Bisswunden aus Vegas sind viel schlimmer.“
„Wir werden Dich hier in kürzester Zeit wieder hinkriegen, Zoe Matherson. Wie ist überhaupt Dein Stammesname?“
„Ich hab' ihn noch nicht …“
„Das ist nicht gut. Wir müssen Dich den Septenherren ja würdig ankündigen können! An dieser Septe soll doch Dein Großvater seinerzeit schon den Totems gedient haben! Hier bist Du direkt auf den Spuren Deiner eigenen Familientradition, und Du bist immer noch ohne eigenen Namen?“


Zoe schläft unglaublich tief und fest in dieser Nacht. Ihr schlafender Verstand scheint sie durch Raum und Zeit zu führen … oder vielmehr, nur durch die Zeit, denn die Hügel und die Bucht, die in der Distanz zu sehen sind, sind dieselben. In ihrem Traum ist sie eine hagere Frau in einem blaugrauen Kleid, mit einem passenden blaugrauen Schirm. Sie trägt eine Augenklappe aus schwarzer Seide, und eine elegante aber gestrenge Hochsteckfrisur.
„… Und jetzt? Das arme Kind ist in die berühmte Septe des Westlichen Auges gekommen, nach gewiss schrecklichen Mühen und Seelenpein, findet sich endlich im Schoße seiner Familie … und nun wird es auch noch von Zweifeln heimgesucht!“, sagt sie gerade zu ihrer Haushälterin. Gemeinsam laufen sie an einem viktorianisch aussehenden Eisenzaun entlang. Chromblitzende Automobile überholen sie, riesige Straßenkreuzer, wie sie bei den reichen Jungspunden jetzt beliebt sind, ein erquicklicher Anblick für die Schulbuben auf dem Bürgersteig.
„Ach ja? Na, wo drückt denn der Schuh bei dem armen Kinde?“, fragt die kleine Haushälterin, die in Körperform und Robustheit ein wenig an ein Fässchen erinnert.
„Zweifel an seinem Platz in der Welt. Das, was jeden vom Blut der Wölfe früher oder später einmal ereilt, nach dem Ersten Wandel! Ich muss mich unbedingt um es kümmern, Margery. Es braucht mich jetzt in dieser schweren Stunde. Das bedeutet, dass ich nachher nicht auf dem Empfang der Herren Bankiers erscheinen kann! Ich muss noch heute Nacht zum Caern, da hilft alles nichts!“
Die Haushälterin kichert fröhlich, „Das wird das beste sein! Dann laufen wir auch nicht Gefahr, dass Ihnen so ein unschöner Schnitzer wie letztes Mal bei dem Wohltätigkeitsball unterläuft, Ma'am!“
„Dass ich nicht lache, Du würdest doch innerlich frohlocken, da hättest Du doch nur wieder etwas, das Du mir jahrelang unter die Nase reiben könntest! … Dass ich den Mister Thursley angeknurrt habe!“
„Und ihm fast das Rumpsteak vom Teller geraubt, nicht das Rumpsteak vergessen, Ma'am! Das ist im Nachhinein das Schönste an der ganzen Geschichte!“
„Aber nur im Nachhinein. Nun, es war Vollmond! Ich hatte mich nicht genügend im Griff! Wie dem auch sei. Du kannst also beruhigt sein, meine Liebe, ich werde nicht da sein, um meine Herren Brüder möglicherweise zu blamieren.“



Was hat dieser Traum zum Inhalt, fragen wir die Orakelwürfel. Assault Rival, sagen die! Dann vielleicht mal folgendermaßen:

Die Einäugige landet in ihrer Crinos-Gestalt auf dem Caerngelände, sie findet diese Art, das Heiligtum zu betreten, reichlich unliebsam, weil undamenhaft, aber es ist Tradition, war es schon zu der Zeit, als die Uktena hier geherrscht haben. Und darum soll es ihr Recht sein. Ihr Mondzeichen steht am Himmel heute Abend, ein Halbmond taucht immer wieder hinter den Nebelschleiern auf.
Ihr junges Mündel kommt ihr bereits entgegen geeilt, als sie sich zurückverwandelt in ihre Homid-Form. Ein bräunlich gescheckter Wolf signalisiert ihr hechelnd Freude, dass sie endlich wieder zurück im Caern ist.
„Kind, so sprich' doch nicht auf Lupin zu mir! Wir sind beide Menschgeborene, da geziemt sich das wohl kaum! Steh' aufrecht, und halte Dich gerade! Zeig' Deiner Mentorin ein wenig Respekt, ja?“
Der Wolf senkt den Kopf und zieht den Schwanz ein, winselt mitleiderweckend.
„Ja, ich verstehe, dass das Deine Art zu trauern ist. Du wünschtest Dir gewisslich, die Umstände Deines Ersten Wandels ungeschehen machen zu können. Da hilft es Dir auch nicht, dass das halbe Caern über Dich spricht. Und jetzt schmollst Du, trägst den Wolfspelz, und gebärdest Dich, als könnest Du gar nicht sprechen wie ein Mensch!“
Der gescheckte Wolf jault, und stößt ein Kläffen aus.
„Ich sagte es Dir schon einmal, mein liebes Kind: Du hast unter Deinem Rivalen jahrelang was auszustehen gehabt! Du hast Dich endlich gegen ihn aufgelehnt, und das hat Deinen Ersten Wandel ausgelöst! Das ist ganz bestimmt kein Fluch, wie diese Groschenromane suggerieren, die Du bis dato gelesen hast, dies ist Dein Vermächtnis. Dein Schicksal.“
Die Frau, in deren Gestalt Zoe sich geträumt hat, geht neben dem Wolf in die Hocke, und streicht ihm vorsichtig über das Fell: „An diesem Ort wirst Du lernen, Deinen Platz in der Welt der Natur einzunehmen! Du wirst keine Menschen mehr in Gefahr bringen müssen, in Zukunft. Wir Kinder Gaias werden Dir helfen, Deine Bestimmung zu finden. Was Du jetzt brauchst, Welpe, das ist Vertrauen!“
Der Wolf behält die Ohren angelegt, und schaut auf zu ihr, als sie sich wieder erhebt: „… Und so lange Du das Vertrauen in Deinen neuen Stamm noch nicht gefunden hast, liebes Kind, rate ich Dir dazu, zumindest Selbstdisziplin an den Tag zu legen! Komm' schon, auf die Füße mit Dir! Auf, auf!“
Zögerlich und unter heftigen Schmerzen verwandelt sich der Junge ebenfalls in seine Menschengestalt. Er ist straßenköterblond, etwas linkisch, und hat noch überhaupt keinen Bartwuchs.
„So ist’s schon besser! Zeige etwas Würde, liebes Kind, und denke daran: Dies ist Dein Neuanfang …“, sagt die Mentorin, und schiebt ihr Mündel zurück in das tiefere Caerngelände, zurück zu den neuen Stammesgefährten, durch die weißen Nebelschwaden.

„… Dies ist Dein Neuanfang, Elias!“, entfährt es Zoe lautstark, als sie aus dem Traum auffährt, mit zerwühlten Haaren, in ihrem Bett in der Schlafhütte. Sie muss so heftig geträumt haben, dass sie begonnen hat, im Schlaf zu sprechen. Mehrere der anderen Welpen und Prüflinge in der Hütte sehen verschlafen zu ihr auf, etwas desorientiert.
„… Elias …!“, wispert Zoe noch einmal, fassungslos.
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