Autor Thema: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?  (Gelesen 448 mal)

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Offline Johann

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'Murderhobo' ist ein ursprünglich abwertender, aber bisweilen auch zärtlich verwendeter Begriff für eine bestimmte Art Spielercharakter.

"Mörderischer Landstreicher" passt gut auf Charaktere, die…

1. nicht in der Spielwelt verwurzelt sind (weil sie keine Hintergrundgeschichte haben, ihre sozialen Bindungen ignorieren oder sie von Abenteuerschauplatz zu Abenteuerschauplatz herumreisen) und
2. jederzeit bereit sind zu töten (üblicherweise um sich zu bereichern oder weil sie Autorität nicht mögen, schnell beleidigt sind usw.).

Es ist offensichtlich, warum sie bei vielen Rollenspielern, insbesondere Spielleitungen, verhasst sind, aber ich kann ihrer Natur auch etwas Positives abgewinnen:

Ein 'murderhobo' ist frei von allen sozialen Verpflichtungen (gegenüber Fürst, Stamm, Familie usw.) und Erwartungen (an Ehrgefühl, Stand, Religion, Kultur usw.), ganz ähnlich übrigens wie viele Helden des Wilden Westens oder Figuren wie Conan (den ich allerdings nicht als 'murderhobo' einstufe).

Da ein 'murderhobo' die Möglichkeit hat, jederzeit weiterzureisen und den Tod kaum fürchtet (da er eine leicht ersetzbare Spielfigur ist), kann er sich völlig rücksichtslos verhalten und z.B. auf jede Beleidigung oder vermutete Reichtümer mit Gewalt reagieren.

Mit anderen Worten: Einen 'murderhobo' zu spielen hat den Reiz einer hemmungslosen Machtphantasie. Selbst wenn die Spielwelt ihrerseits keine Rücksicht nimmt und ihn zur Strecke bringt, so stirbt er dennoch frei und ungebeugt.

Nach meiner Erfahrung schlagen Charaktere, die zwar keine 'murderhobos', aber ähnlich ungebunden und moralisch flexibel sind, früher oder später Wurzeln (Beziehungen zu NSCs, eine eigene Basis usw.) und wachsen den Spielern ans Herz (unter anderem durch Stufenanstiege).

*-*-*

Der Siegfried des Nibelungenliedes ist der Inbegriff des 'murderhobo':

Zum einen ist er ein umherziehender Glücksritter, der Drachen und Zwerge erschlägt und schlussendlich Gunther seinen Schwertarm leiht (um Kriemhilds Hand zu gewinnen). Seine edle Herkunft wirkt und ist literaturhistorisch aufgesetzt, was man u.a. daran sieht, dass er mehrfach an der Hauptstadt seines Reiches vorbeikommt, ohne das dies (oder ein Besuch bei seinen königlichen Eltern) erwähnt wird.

Zum anderen ist da die völlige Unbekümmertheit, mit welcher er jederzeit und spontan Gewalt und Täuschung zur Erreichung seiner Ziele einsetzt:

(1) Er erschlägt Schiltung und Nibelung im Zorn, fordert beim freundlichen Empfang durch Gunther direkt dessen Königreich und täuscht und vergewaltigt Brünhild.*

(2) Er täuscht eine niedere Herkunft vor und bietet bereitwillig einen falschen (!) Eid an, frei von Ehrgefühl oder Gottesfurcht.

Dennoch ist er der Held des Nibelungenliedes, denn er zeigt Mut, Mitleid, Großzügigkeit, Vertrauen und Treue -- allesamt positive Eigenschaften.

Siegfrieds Beziehung zu Kriemhild ist innig und zärtlich, was man nicht zuletzt daran erkennen kann, dass er alle Geheimnisse mit ihr teilt und Kriemhild nach seiner (verdienten) Ermordung ihr Leben auf Rache ausrichtet…

Was für ein Held!

Was für ein Held?

Ein 'Murderhobo'…

*-*-*

Dies ist ein (leicht adaptierter) Auszug aus meinem Blog zu meinem Spiel Im Reich der Nibelungen. Mehr dazu dort (u.a. zu der brutalen Gruppenvergewaltigung Brünhilds, die hier keinesfalls verharmlost werden soll). Die Charaktere in meiner Spielerunde sind übrigens keine Murderhobos -- die literarische Figur Siegfrieds hat zu diesem Artikel geführt.

Erlebt ihr Murderhobos am Spieltisch oder spielt ihr gar selbst manchmal solche Figuren?
Und wie geht ihr als Spielleitung mit Murderhobos um?

Gruß,
Johann
Im Reich der Nibelungen ist eine Spielwelt mit eigenwilligen magischen Gesetzen für Swords & Wizardry Continual Light. Mehr dazu bei Blogger und DriveThruRPG (dank Fans auch auf Französisch und Englisch).

Offline Boba Fett

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #1 am: Gestern um 16:01 »
Und wie geht ihr als Spielleitung mit Murderhobos um?

Ich hab ganz ehrlich gesagt keine Lust auf Leute, die solche Charaktere spielen.
Das hat mehrere Gründe.

Zunächst einmal spielen die Leute in meiner Spielrunde eben "anders" (also keine MHs) und ich versuche, meine Spielwelt möglichst nachvollziehbar und plausibel zu gestalten und reagieren zu lassen. Wenn diese Kombination einen Spieler aufnimmt, der einen Murderhobo-Charakter mitbringt, dann dreht sich schnell nur noch alles um die Taten des MH und wie die Umwelt darauf reagiert. Der MH hijacked also mal eben das gesamte Rollenspiel.
Hatte ich früher (Prä Forenzeit) mehrfach und wir hatten immer Stress.
In den letzten 10 Jahren nur noch einmal, da wurde ich von den anderen Mitspielern gebeten, demjenigen zu zeigen, wo der Maurer das Loch (für die Tür) gelassen hat.
Noch einmal? Nö, danke.

Abgesehen davon bezweifel ich folgende Annahme:
Zitat
Selbst wenn die Spielwelt ihrerseits keine Rücksicht nimmt und ihn zur Strecke bringt, so stirbt er dennoch frei und ungebeugt.
Das ist meiner Erfahrung nach nicht der Fall.
Spieler, die sich solchen Macht-Fantasien ergehen, können es meistens überhaupt nicht ab, wenn der Charakter stirbt, einfach nur weil die Spielwelt konsequent auf seine Taten reagiert. Ganz im Gegenteil, da wird sich dann meistens aufgeregt, alles mögliche versprochen oder sogar gedroht, nur um einen Retcon zu erreichen.

Und zu guter Letzt halte ich die MH-Charaktere für unplausible Egomanen, die es in der Realität nur sehr selten und selbst wenn es sie gibt, möchte ich mit denen nichts zu tun haben (auch keine virtuellen Entitäten) und schon gar nicht in der Ausübung eines Hobbies in meiner Freizeit (höchstens als Antagonist).
In meinen Augen geben die sehr gute Soziopathen ab (also die Charaktere, nicht deren Spieler) und da bietet sich die Rolle des Antagonisten doch an.
Ich hab zu wenig Zeit dafür, keine Lust auf den Stress und auch genug nette Leute, die mitspielen möchten, um mich mit sowas zu belasten.

Fazit:
Ich bin in meiner Spielleiterei inkompatibel zu Spielern von Murder Hobos und da ich auf mein eigenes Recht, (auch) Spaß am Spielen zu haben, bestehe, bin ich insgesamt zu alt für diesen Sch..ß!

Natürlich darf jeder das anders sehen!

PS:
Siegfried ist eine Gestalt, aus einer Erzählung, die man - wenn man sie bewerten möchte - im historischen Kontext betrachten muss, in der sie entstanden ist.
Die moralischen Werte eines "Murderhobo" passen offensichtlich nicht in eine Gesellschaft, die auf Kompromissbereitschaft, Kooperation und Solidarität baut.
Das sind unsere "modernen" Werte mit denen wir heute Dinge betrachten. Das war nicht immer so, und das ist heutzutage auch nicht überall auf dieser Welt so.
Aber wir haben diese Perspektive und damit einen bestimmten Bewertungsmaßstab angenommen. Und aus diesem gestalten sich auch die Spielwelten, die wir erschaffen, sei es selbst gebaute oder eben die Interpretationen von Convenience-Settings. Andere Kulturen aus anderen Zeiten oder Regionen würden uns wahrscheinlich auslachen (also zum einen, weil wir überhaupt am Tisch sitzen und "spielen" und zum anderen, weil unser Krieger Level 30 sich nicht zum Tyrannen aufschwingt und die Nachbarnation überfällt, um sie ins eigen Reich zu integrieren...).
Insofern: Nein, Siegfried ist aus unserer heutigen Perspektive mit diesen Taten kein heldenhafter Charakter. Er ist kein Held.
Das mögen Leute früher vielleicht anders bewertet haben, aber für die waren dann wohl Taten akzeptabel, die für uns heute ein klares "No Go!" darstellen.
« Letzte Änderung: Gestern um 16:42 von Boba Fett »
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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #2 am: Gestern um 16:09 »
Ich habe stolz so einen Neopren Murderhobo Würfelteller.

Damit meine ich aber tatsächlich weniger die Stil, wie man die einzelnen Personnagen spielt, sondern wie die Welt funktioniert. Wie Boba Fett schon ausführte: Viele Spielwelten funktionieren mit Murderhobos schlicht nicht, bzw. das gewollte Spiel geht kaputt.

Wenn aber die Spielwelt sehr vereinzelt ist, man also im nächsten Dorf quasi immer wieder in Sachen Reputation "bei Null" anfängt, dann kann "beliebig Leute und Monster umhauen" als Standard-Problemlösungsstrategie anwenden...

Aber dann gibt es die andere Seite der Medaille: Zum Murderhobo gehört nämlich untrennbar auch der Hobo: Der vogelfreie Landstreicher, den alle misstrauen, der von den Bütteln mal eben eingelocht oder umgebracht wird, ohne dass es wen juckt. Wer damit nicht umkann, sollte dann doch wohl besser was anderes spielen.

Für bestimmte Spielstile, oder für den Anfang einer Abenteurerkarriere kann das passen. Aber meist sind die Murderhobos die Vorlage für One-Shots, oder für Charaktere, die man noch nicht lange spielt, die erstmal noch durchdefiniert werden wollen.
« Letzte Änderung: Gestern um 16:56 von JollyOrc »
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #3 am: Gestern um 16:19 »
Ich hab auch schon sehr lange keine Murderhobos mehr gesehen und bin froh drum.
Jugendsünden gibt es immer, aber da bin ich doch froh, dass es vorbei ist.
Als SL lege ich in fast allen Systemen (abgesehen von sehr actiongeladenen Oneshots wie Eat the Reich) viel wert auf Beziehungsgeflechte, Motivationen, Schwächen, etc. da kommen keine Murderhobos mehr an den Tisch bei mir.
Inzwischen bin ich geneigt zu glauben, dass an der DnD Satanic Panic in den 80ern was dran war. Allein, es waren nicht die Inhalte. Es waren die Regeln, die aus der Hölle kommen...

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #4 am: Gestern um 16:43 »
Aber dann gibt es die andere Seite der Medaille: Zum Murderhobo gehört nämlich untrennbar auch der Hobo: Der vogelfreie Landstreicher, den alle misstrauen, der von den Bütteln mal eben eingelocht oder umgebracht wird, ohne dass es wen juckt. Wer damit nicht umkann, sollte dann doch wohl besser was anderes spielen.

In der Hinsicht (unter anderen) würde ich auch den klassischen Conan zu den Murderhobos zählen. Der bleibt nämlich bei aller Reputation, die er sich im Lauf der Zeit so erarbeiten mag, letztendlich immer der ewige Außenseiter, dem die Gesellschaft der Länder, durch die er so zieht, nie so recht über den Weg traut...und in Cimmerien sieht man ihn irgendwie nie, also weiß der Geier, wie's dort um seinen Leumund bestellt ist. ;)

Natürlich wird ein Murderhobo-Spieler wie von Boba beschrieben sich trotzdem schwertun, einen Typen wie Conan glaubhaft darzustellen. Dazu müßte er seine Winselei, wenn's mal nicht nach ihm geht, nämlich abstellen können... 8]

Offline Boba Fett

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #5 am: Gestern um 16:44 »
Ich habe stolz ein so einen Neopren Murderhobo Würfelteller.

Ich würde mir ja ein "Murderhobo go home!" Shirt drucken lassen, aber der hat ja nicht mal ein zu Hause, der Hobo... ;)
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Offline Boba Fett

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #6 am: Gestern um 16:53 »
In der Hinsicht (unter anderen) würde ich auch den klassischen Conan zu den Murderhobos zählen. Der bleibt nämlich bei aller Reputation, die er sich im Lauf der Zeit so erarbeiten mag, letztendlich immer der ewige Außenseiter, dem die Gesellschaft der Länder, durch die er so zieht, nie so recht über den Weg traut...und in Cimmerien sieht man ihn irgendwie nie, also weiß der Geier, wie's dort um seinen Leumund bestellt ist. ;)

Ja, ziemliche Zustimmung. Unter anderem, weil Conan auch unter anderen moralischen Wertemaßstäben von Howard erschaffen und geschrieben wurde.
Aber eben mit weniger Abstand zu unseren heutigen Wertemaßstäben. Deswegen hat Conan schon eher "Grenzen", was legitim ist, und was nicht.
Der segelt eben nicht zur Insel und vergewaltigt die Cheffin des Stammes. Allerdings war Howard mit seiner damaligen Perspektive auch noch so gepolt dass das "schwache Geschlecht" (nicht mein Blickwinkel, sondern Howards) einem Conan ohnehin hemmungslos erliegen wird.
Und ja, Conan hat keine großen Hemmungen, jemandem einen Kopf kürzer zu machen, aber eigentlich braucht es dafür immer einen Grund. Da reichte vielleicht auch mal "Wache sein" aus, aber im Gegensatz zu all den Kleinkinder-Hobos der Rollenspiel-Gegenwart spießt er nicht einfach mal einen Händler auf, der sich beim feilschen nicht völlig bescheissen lassen wollte - oder pöbelt grundlos den Herrscher vor dem gesamten Hofstaat samt Wachen an, weil der ihm nicht freiwillig seinen Thron überläßt.
Abgesehen davon ist die Umwelt von Conan eben ja auch keinen Deut besser. Meistens fallen Murderhobos ja negativ auf, weil die gespielte Landschaft so zivilisiert ist (und die anderen das gut und erhaltenswert finden). Wenn das ganze Umfeld aus Mördern und Verrätern besteht, um die es nicht schade ist, dann ist der Murderhobo ja kein Soziopath mehr, der sich von der Umwelt abhebt. Beim Gesellschaftsspiel Junta erwartet auch niemand, das jemand keinen Verräter spielt, weil ALLE Verräter spielen.

Conan würde ich daher schon als Held mit fragwürdiger moralischer Einstellung einordnen - ob das schon Murderhobo ist, hängt wohl vom individuellen Bewertungsmaßstab ab - und vielleicht auch, welche Conan Romane man gelesen hat.

Zitat
Natürlich wird ein Murderhobo-Spieler wie von Boba beschrieben sich trotzdem schwertun, einen Typen wie Conan glaubhaft darzustellen. Dazu müßte er seine Winselei, wenn's mal nicht nach ihm geht, nämlich abstellen können... 8]

...Crom!
« Letzte Änderung: Gestern um 17:01 von Boba Fett »
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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #7 am: Gestern um 16:59 »
ich muss übrigens sagen, dass die Murderhobos, die mir in den letzten Jahren begegnet sind, nicht von Winseln gespielt wurden. Wenn wer draufging, gingen die halt drauf. Am ehesten kam diese Sorte SCs auch eher bei Spielen wie DCC vor, wo man dann eh noch im Funnel war..

...was dann auch das "pöbelt den König" an nicht vorkommen ließ, der lässt sich ja vor so Pöbel gar nicht blicken.
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Offline unicum

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #8 am: Gestern um 17:41 »
Murderhobos haben bei mir eigentlich keine Chance.
Ich finds schon schlimm wenn ich in einer Conrunde mit einem in der gleichen Spielrunde sein würde.
In einer Heimrunde mit mir als SL würde ich das auch nur einmal ansprechen und dann ggf konsequenzen ziehen (rauswurf)
In einer Heimrunde mit mir als Spieler würde ich das mit dem SL absprechen, und dann eben wenn es für mich unerträglich ist auch gehen.

Und Conan sehe ich nicht als solchen an.


Edith:
Wenn indess klar ist das alle sowas spielen und es einfach nur ein reines Abenteuer in der richtung wird ist das etwas anderes, das kann mir - wenn es mich taktisch anspricht - gegebenenfalls dazu bringen so etwas auch mal zu machen. Aber viele Aspekte des MH brauch ich einfach nicht mehr.
« Letzte Änderung: Gestern um 17:54 von unicum »

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #9 am: Gestern um 19:20 »
Sprechen wir hier von Personnagen oder von Spielern?
Tactician: 96%
PESA hilft!
PESA diskutiert.

Zensur nach Duden:
Zitat
von zuständiger, besonders staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle, Überprüfung von Briefen, Druckwerken, Filmen o. Ä., besonders auf politische, gesetzliche, sittliche oder religiöse Konformität.

Offline Isegrim

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #10 am: Gestern um 20:07 »
Die moralischen Werte eines "Murderhobo" passen offensichtlich nicht in eine Gesellschaft, die auf Kompromissbereitschaft, Kooperation und Solidarität baut.
Das sind unsere "modernen" Werte mit denen wir heute Dinge betrachten.

Ich will den "Murder-" gar nicht verteidigen (den -hobo schon...), besonders wenns nur einer in einer anders gesinnten Gruppe ist. Aber gehts nicht ua darum, in einer anderen Welt mit anderen Moralvorstellungen zu spielen? Das rüpelhafte Benehmen gegenüber Adligen in einer Fantasywelt seh ich zB als Ausfluss moderner, im Fäntlalter anachronistischer Vorstellungen.
« Letzte Änderung: Gestern um 20:16 von Isegrim »
"Klug hat der Mann gehandelt, der die Menschen lehrte, den Worten auch der Anderen Gehör zu schenken."  Euripides

Offline unicum

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #11 am: Gestern um 20:18 »

Dennoch ist er der Held des Nibelungenliedes, denn er zeigt Mut, Mitleid, Großzügigkeit, Vertrauen und Treue -- allesamt positive Eigenschaften.


Die imho nicht zu einem MH passen,...  Ja der gute Siggi ist schon eine sehr zwiespältige Gestallt.

Offline Schalter

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #12 am: Gestern um 20:50 »
Erlebt ihr Murderhobos am Spieltisch oder spielt ihr gar selbst manchmal solche Figuren?
Und wie geht ihr als Spielleitung mit Murderhobos um?

Meine letzte Erfahrung mit klassischen Murderhobos war vor ein Paar Jahren bei Pathfinder. Wir haben die "Rise of the Runelords"-Kampagne gespielt, alle Spieler waren Rollenspiel-Neulinge. Ausschlaggebend dafür war ursprünglich die Barbarin der Gruppe, zu der dieses Verhalten durchaus passte (alle prompt abmurksen, die einen stören, hinterher plündern ohne mit den anderen SCs zu teilen). Leider haben alle anderen (nicht als Barbaren konzipierten) Charaktere dieses Verhalten sehr bald auch übernommen, vielleicht weil die Spielerin relativ dominant war, auf jeden Fall hatten alle Spieler plötzlich Bock drauf. War zwar irgendwie lustig, hat sich aber dann totgelaufen, als das Spiel im Zuge dessen zu einem Szenario wurde, in dem standardmäßig alle Fremden potenzielle Opfer waren und deren Gold schnell in die jeweils eigene Tasche gestopft wurde, um nicht mit den anderen SCs teilen zu müssen. Das basierte wohl vor allem auf der Unerfahrenheit der Spieler, aber ich wollte die auch nicht dafür allzu sehr reglementieren, sondern die sich halt mal austoben lassen.

Offline Schalter

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #13 am: Gestern um 21:02 »
Mit anderen Worten: Einen 'murderhobo' zu spielen hat den Reiz einer hemmungslosen Machtphantasie. Selbst wenn die Spielwelt ihrerseits keine Rücksicht nimmt und ihn zur Strecke bringt, so stirbt er dennoch frei und ungebeugt.

Ach so, Nachtrag: Was die von Dir angesprochenen kathartischen Fantasien betrifft (Macht- und Rachefantasien), finde ich die total prima und bereichernd in vielen Rollenspiel-Settings! Und zwar genau immer dann, wenn wohl durchdachte, stimmige Charaktere die Vehikel dafür sind, und außerdem alle Beteiligten Bock auf derartige Szenarien haben. Edge Lords, die einfach nur provozieren möchten, hatte ich aber natürlich auch schon gelegentlich mit am Spieltisch sitzen; bei diesem Typus Spieler und ihrem Nutzen für eine Gruppe schließe ich mich den Vorrednern an.

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #14 am: Gestern um 21:27 »
Wenn das Verhalten die anderen stört, dann würde ich das - als SL oder Spieler - immer auf der Metaebene ansprechen (und weder akzeptieren, dass sich alles um den Charakter dreht noch versuchen ihn in der Spielwelt zu 'bestrafen', ob per Blitzschlag oder eigenem Charakter).

Ich habe das zuletzt mal bzgl. Einigelns gemacht ("Wenn dein Charakter partout nicht seinen Hof verlassen möchte, dann mag das zwar plausibel sein, aber dann er ist für dieses Abenteuer ungeeignet. Bitte wähle einen anderen Charakter, denn sonst können wir nicht spielen.")

*-*-*

Ich habe gar nicht daran gedacht, dass der möglicherweise (aber nicht notwendig) infantile Impuls einen Murderhobo zu spielen mit anderen klar infantilen Impulsen wie Nicht-verlieren-können einhergehen könnte. Oje.

Siegfried ist eine Gestalt, aus einer Erzählung, die man - wenn man sie bewerten möchte - im historischen Kontext betrachten muss, in der sie entstanden ist.
Die moralischen Werte eines "Murderhobo" passen offensichtlich nicht in eine Gesellschaft, die auf Kompromissbereitschaft, Kooperation und Solidarität baut.
Das sind unsere "modernen" Werte mit denen wir heute Dinge betrachten. Das war nicht immer so, und das ist heutzutage auch nicht überall auf dieser Welt so.
Aber wir haben diese Perspektive und damit einen bestimmten Bewertungsmaßstab angenommen. Und aus diesem gestalten sich auch die Spielwelten, die wir erschaffen, sei es selbst gebaute oder eben die Interpretationen von Convenience-Settings. Andere Kulturen aus anderen Zeiten oder Regionen würden uns wahrscheinlich auslachen (also zum einen, weil wir überhaupt am Tisch sitzen und "spielen" und zum anderen, weil unser Krieger Level 30 sich nicht zum Tyrannen aufschwingt und die Nachbarnation überfällt, um sie ins eigen Reich zu integrieren...).

Ich stimme dir zu, dass Siegfried nur gemäß überkommener Wertvorstellungen ein (strahlender) Held ist - @VashtheStampede hat mich auch darauf hingewiesen (z.B. mit dem Verweis, dass auch Odysseus fleißig lügt und betrügt).
« Letzte Änderung: Gestern um 21:38 von Johann »
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Offline Johann

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #15 am: Gestern um 21:30 »
Aber dann gibt es die andere Seite der Medaille: Zum Murderhobo gehört nämlich untrennbar auch der Hobo: Der vogelfreie Landstreicher, den alle misstrauen, der von den Bütteln mal eben eingelocht oder umgebracht wird, ohne dass es wen juckt. Wer damit nicht umkann, sollte dann doch wohl besser was anderes spielen.

Das mit dem vogelfreien Landstreicher sehe ich auch so! Ich meine mich zu erinnern, dass es in manchen Sprachen nur ein Wort für "Fremder" bzw. "Feind" gibt. Und da Murderhobos i.d.R. schwer bewaffnet sind, sollte die Reaktion entsprechend ausfallen.

Bei Im Reich der Nibelungen gibt es - dem D&D-Dieb entsprechend - die Charakterklasse 'Schlitzohr':

Du bist in den Diebeskünsten bewandert, aber es ist eine gefährliche Berufung: Man hat dich erwischt, aber du wurdest begnadigt und 'nur' mit einem Schandmal gezeichnet (z. B. mit glühenden Eisen).
Innerhalb deiner Dorf- oder Burggemeinschaft bist du nun unter den Geringsten; außerhalb darf und wird man dich zumeist einfach erschlagen, wenn man dich ohne Herrn oder Bürgen antrifft.


Das erklärt die Präsenz eines Diebes in der Gruppe auf andere Weise als üblich (und erfordert i.d.R. auch einen anderen SC als Bürgen, was direkt eine Beziehung schafft - z.B. im Sinne von Smoothies Beitrag).
« Letzte Änderung: Gestern um 21:32 von Johann »
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Offline Johann

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #16 am: Gestern um 21:36 »
Sprechen wir hier von Personnagen oder von Spielern?

Nominell um Charaktere, aber faktisch wohl eher um Spieler -- denn Muderhobos sind, wie u.a. Boba Fett schon angemerkt hat, nicht plausibel. Menschen existieren nicht in einem Vakuum und sind ja auch (meist) nicht so selbstmörderisch...

Da liegt ja auch einer der Kernvorteile von Spielercharakteren gegenüber NSCs: Sie müssen nicht auf Kampfmoral würfeln, sondern die Spieler können sie einfach todesmutig spielen -- und tun dies oft auch. Da kann keine Eliteeinheit mithalten.
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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #17 am: Gestern um 21:38 »
Ach so, Nachtrag: Was die von Dir angesprochenen kathartischen Fantasien betrifft (Macht- und Rachefantasien), finde ich die total prima und bereichernd in vielen Rollenspiel-Settings! Und zwar genau immer dann, wenn wohl durchdachte, stimmige Charaktere die Vehikel dafür sind, und außerdem alle Beteiligten Bock auf derartige Szenarien haben. Edge Lords, die einfach nur provozieren möchten, hatte ich aber natürlich auch schon gelegentlich mit am Spieltisch sitzen; bei diesem Typus Spieler und ihrem Nutzen für eine Gruppe schließe ich mich den Vorrednern an.

Genau! Für mich tun's indes auch weniger durchdachte Charaktere, aber dafür müssen dann die Gegner auch richtig böse sein (sonst ist mir das schnell zu düster) oder wir abstrahieren / tilgen, wie viele Unschuldige bei der Autoverfolgungsjagd eigentlich umkommen oder umkommen müssten (je nach Genre).
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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #18 am: Gestern um 21:44 »
@unicum, @Isegrim:

Den Murderhobo als 'mal was anderes' - taktisch oder eben als normal-grausamer (!) Adliger - finde ich interessant.

Richtig viele Murderhobos kenne ich eigentlich nur aus meiner Anfangszeit in der Schule. Da hieß es dann von der Spielleitung: "Charisma -3! PERMANENT!! So ein Psycho-Verhalten sieht man deinem Charakter an!!!"

Nix Metaebene.
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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #19 am: Gestern um 21:48 »
Ich stimme dir zu, dass Siegfried nur gemäß überkommener Wertvorstellungen ein (strahlender) Held ist - @VashtheStampede hat mich auch darauf hingewiesen (z.B. mit dem Verweis, dass auch Odysseus fleißig lügt und betrügt).

Selbst mit recht modernen Wertvorstellungen ist lügen nicht unbedingt immer verachtenswert. Nicht unbedingt gut, aber zum Teil durchaus verständlich. Odysseus lügt ja auch nicht notorisch. Exemplarisch: du bist in einer Eisenbahn unterwegs und findest dich plötzlich unter Nazis wieder,... als (setze spezifische Minderheit hier ein) und wirst gefragt ob du zu dieser Minderheit gehörst,...

Aber natürlich - die Warheit zu sagen ist möglich.

Und - das wussten Storyschreiber schon immer - Helden die makellos sind, sind in der Tendenz auch langweilig.


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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #20 am: Gestern um 21:53 »
@unicum, @Isegrim:

Den Murderhobo als 'mal was anderes' - taktisch oder eben als normal-grausamer (!) Adliger - finde ich interessant.

Richtig viele Murderhobos kenne ich eigentlich nur aus meiner Anfangszeit in der Schule. Da hieß es dann von der Spielleitung: "Charisma -3! PERMANENT!! So ein Psycho-Verhalten sieht man deinem Charakter an!!!"

Nix Metaebene.

Ich hab solche Spieler auch in den lezten Jahren hier und da mal immer wieder mal getroffen,...
einem flüchtenden Feind hinterherrenen "gibt ja EP"(Nein tut er nicht!) "Der flieht! Der hat bestimmt was dabei!" um ihn dann abzumurksen.

Auf Cons trifft man manchmal schon merkwürdige "Gestallten".

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #21 am: Gestern um 22:05 »
Nominell um Charaktere, aber faktisch wohl eher um Spieler -- denn Muderhobos sind, wie u.a. Boba Fett schon angemerkt hat, nicht plausibel. Menschen existieren nicht in einem Vakuum und sind ja auch (meist) nicht so selbstmörderisch...

Da liegt ja auch einer der Kernvorteile von Spielercharakteren gegenüber NSCs: Sie müssen nicht auf Kampfmoral würfeln, sondern die Spieler können sie einfach todesmutig spielen -- und tun dies oft auch. Da kann keine Eliteeinheit mithalten.

Aus meiner Sicht scheint eins der Hauptprobleme am "Murderhobo-Spiel" ein schlichter Mangel an Respekt vor der Spielwelt zu sein -- so nach dem Motto "Die ist ja eh nicht echt und die NSC sind auch nix anderes als austauschbare Pixelgegner am Computer". Nun ist das zwar insofern durchaus technisch korrekt, als ich im Spiel problemlos zwanzig fiktive Leute erschlagen kann, ohne daß mir deswegen plötzlich die reale Polizei ins Haus kommt und mich festnimmt, und man kann auch absolut legitim schlicht "Computerspiel per Hand" spielen, wenn sich die ganze Gruppe entsprechend einig ist...nur, wenn jemand mit am Tisch sitzt, der die Spielwelt dann doch zumindest soweit vorübergehend als "echt" betrachten und behandeln möchte, um sich in seiner Fantasie besser in sie hineinversetzen zu können, dann ist der Konflikt natürlich schnell vorprogrammiert. Und ich denke, die Fraktion der Rollenspieler, die sich eher in der zweiten Kategorie wiederfinden würden, ist dann doch (zumindest noch) nicht ganz sooo vernachlässigbar klein. ;)

Offline Eismann

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Re: [Nibelungen] Murderhobos - eine Liebeserklärung?
« Antwort #22 am: Gestern um 22:14 »
Auf Cons trifft man manchmal schon merkwürdige "Gestallten".

Ich denke das kann man auch ohne den weiteren Kontext so stehen lassen.