Ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster und behaupte, dass so etwas wie Improvisationstalent in der Spielleitung gar nicht wirklich nötig ist. Das heißt natürlich nicht, dass der Spielleiter nicht oft improvisieren muss - aber ich denke, es ist keine mystische Gabe, die jemand hat oder nicht.
Ich persönlich sehe das pragmatischer: Obwohl es zunächst widersprüchlich erscheint, liegt der Schlüssel der Improvisation in der Vorbereitung. Nicht etwa in einer Art von Vorbereitung, in der alle möglichen Situationen gedanklich durchgespielt werden - das wird, wie meine Vorredner es bereits erwähnten, kaum funktionieren, da letztendlich doch alles anders kommen kann.
Jedoch kann Vorbereitung auch bedeuten, die Spielwelt und insbesondere die NSCs zu kennen und für sich klar gezeichnet zu haben. Nehmen wir als Beispiel den Antagonisten eines Abenteuers, den Fädenzieher und Hauptgegner, den es zu besiegen gilt. Sicher werden die Helden auf die verrücktesten (und schönsten!) Ideen kommen, um ihm das Handwerk zu legen. Ideen, die Spielleiter ganz schön aus dem Konzept bringen können. Aber je mehr ich als SL weiß, was mein Antagonist für ein Typ ist, was seine Stärken, seine Ressourcen und vor allem, was seine Motivation und Ziele sind, desto besser kann ich ihn in unerwarteten Situationen reagieren lassen. Dadurch, dass ich ihn "kenne", fallen mir spontan viel mehr Reaktionsmöglichkeiten ein, um auch ihn improvisieren zu lassen, als wenn ich mir um all die oben genannten Dinge nicht ausreichend Gedanken gemacht hätte.
Ein (sehr vereinfachtes!) Beispiel:
In einem Abenteuer unter meiner Leitung ging es darum, dass eine dämonische Entität sich im Fluss eines nahe gelegenen Dorfes manifestiert hatte und dort darauf wartete, vom Körper eines Menschen Besitz zu ergreifen, um endgültig Fuß in dieser Welt zu fassen. Meine schlauen Heldinnen durchschauten dieses Ziel um einiges früher, als ich es mir gedacht hatte und sorgten dafür, dass kein Mensch auch nur in die Nähe des Flusses kam. Da ich aber die Eskalation der Geschichte weitertreiben und dem Dämon einen Wirt geben wollte, dachte ich mir: Was würde der Dämon tun? Er braucht einen Körper. Dafür muss er Menschen zum Wasser locken. Da die Helden dies jedoch verunmöglicht hatten, dachte er sich: Nun gut, wenn die Menschen nicht zum Wasser kommen, kommt das Wasser eben zu den Menschen. Kurzerhand leitete er durch seine Kräfte den Fluss um, so dass er sich in Richtung Dorf ergoss. War so nicht geplant, war aber die Konsequenz daraus, dass ich das Ziel und die Fähigkeiten meines Schurken nicht aus den Augen verloren habe.
Das ist natürlich alles kein Garant für das Meistern sämtlicher unvorhergesehener Spieleraktionen. Aber es hat mir schon etliche Male das Improvisieren sehr erleichtert.