Autor Thema: Kampfbegriff "Schummeln" oder Eine Verteidigung der Bandbreite des Rollenspiels  (Gelesen 3383 mal)

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Offline Thandbar

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Nenn mir mal ein konkretes Beispiel,...

Oben hatte ich eines genannt: der DMG in der 4E!  :)
"Du wirst direkt in diesem Moment von einer Zilliarde grünkarierter Kakerlakeneinhörner in Tweedanzügen umzingelt, die mit Fallschirmen aus gebeiztem Vanillepudding aus der nächstgelegenen Dattelpalme springen und dich zu ihrer Avonberaterin krönen - und die Krone ist aus Dr. Frankensteins bösartig mutiertem Killernougat! Streich dir 78000 Hirnschadenspunkte ab und mach sofort eine Jodelimprovisation!"

Offline Alter Weißer Pottwal

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Ja, und ich denke, es ist ja klar, was gemeint ist - der Pottwal hat das mit "Quadratur des Kreises" ja gut umschrieben. Jouer sans jouer, das Spiel besiegt sich selbst, das Unterfangen wird zum Selbstwiderspruch.

Die Frage ist für mich, ob man Caillois heranziehen kann, um Rollenspiel (das ja nicht Teil seiner Betrachtungen sein konnte) in seiner Bandbreite zu fassen.

Nach meiner Wahrnehmung geht es bei dem ganzen Thema ja primär um einen Punkt: Man spielt D&D, das aus Traditionsgründen Regeln aufweist, nach denen ein Spieler sowohl von einem herabfallenden Küchenmesser als auch von einer Katze, die nicht mehr am Bauch gestreichelt werden möchte, getötet werden kann - das aber gleichzeitig sich an eine Spielerschaft richtet, die mit Superheldenerzählungen im Fantasybereich sozialisiert worden ist.

Andere Spieler sind da ja "transparenter" - da können Mooks keine PCs killen, höchstens entführen.
D&D lädt die dramaturgische Last beim DM ab.

Tatsächlich hatte ich vor ein paar Tagen den Erstkontakt mit einer Spielerin, die gleich zu Beginn in ihrem Eingangsposting sagte, dass sie es total okay findet, wenn die Spielleitung auch mal Würfelergebnisse wendet, damit nicht alle gleich ins Gras beißen.

Der damit verbundene Illusionismus scheint also gewünscht zu sein - man möchte den Nervenkitzel haben, sterben zu können, ohne dass er im Ernstfall wirklich aktualisiert würde. Mit der Beobachtung hat der Pottwal völlig recht, nur würde ich nicht sagen, dass er illegitim sei.

 :d Für mich ist das auch nicht illegitim, es bleibt aber halt trotzdem schummeln. Für viele Spieler ist das völlig in Ordnung und warum sollte es mir dann was ausmachen? Ich, für mich, mag das nicht. Zumindest nicht bei festen Runden. Auf eine Con oder bei einem Oneshot ist es mir die Mühe nicht wert, mir darüber Gedanken zu machen.

Ich hab aber eben auch kein Problem damit, wenn meine Charaktere sterben und ich bin auch kein Fan von Wiederbelebung in Rollenspielen.
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Offline Ma tetz

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Nenn mir mal ein konkretes Beispiel,...

z.B.
Der viel zitierte ADnD Dungeon Masters Guide Stichwort fudging.

Vor 1-2 zwei Jahren haben wir hier im Forum schonmal Systeme gesammelt, die eine solche Formulierung beinhalten, aber ich bin gerade zu faul zum suchen.
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Offline Zed

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Vor 1-2 zwei Jahren haben wir hier im Forum schonmal Systeme gesammelt, die eine solche Formulierung beinhalten, aber ich bin gerade zu faul zum suchen.

War es dieser Thread von 2021: Muss der Spielleiter ein Falschspieler sein?

Zitat von: Aus dem Eingangspost des Threads
Jetzt bin ich aber über diverse Stellen in Rollenspielen gestolpert, die dem Spielleiter explizit zugestehen die Regeln zu brechen oder zu umgehen. Im Earthdawn-Spielleiterhandbuch steht etwa:
„Die Regeln sollen dabei helfen, gute Geschichten zu erzählen – wenn die Regeln dem Geschichtenerzählen im Weg stehen, ignoriert sie.“ Und auf derselben Seite weiter: „Der Spielleiter ist der Einzige, der seine Würfelwürfe ignorieren darf, aber nur, wenn die Regel dem Spaß im Weg stehen.“

Oder ganz frisch heute gelesen in Little Wizards als Gesetz des Erzählers:
"Es gibt eine geheime vierte Regel – du kannst schummeln! Wenn nötig kannst du die Regeln verbiegen oder sogar brechen, um sicherzustellen, dass eine Geschichte nicht völlig aus den Fugen gerät. (…) In jeder dieser Situationen hast du das Recht, heimlich zu würfeln (und das Würfelergebnis zu sagen, was immer du willst) oder die Geschichte zu ändern, oder was auch immer, solange du es zum Wohle des ganzen Spiels tust."

Mir war der Thread damals entgangen, glaube ich. Darin wird auch Caillois zitiert. Spricht Caillois über nur Schach, Fussball und Mensch-ärgere-Dich-nicht oder auch über Rollenspiele? Weil - es gibt da ja schon essenzielle Unterschiede.

Offline ghoul

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Caillois sprach vor Gygax meine ich.
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Offline Skaeg

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Dann führe ich vorher als Hausregel Gummipunkte ein.
Löst das Problem meistens nicht, oder schafft neue. Das betreffende System hatte "Gummipunkte" (Hero points). Nur ist deren typische Ausgestaltung halt meistens so, dass man damit einen Re-roll oder ggf. sogar nur einen nachträglichen Bonus erhält und sich die Punkte recht großzügig regenerieren. Das bringt halt nichts, wenn man dann einfach zweimal Pech hat. Zumal oft das Motto "sie dürfen nicht zu mächtig sein" greift und man den re-roll noch nicht mal auf Würfe des Gegners anwenden kann.

Dem kann man Abhilfe schaffen, indem man stattdessen Punkte eines Typs nimmt, nennen wir sie mal "Schicksalspunkte", mit denen man sehr viel drastischer in die Spielrealität eingreifen kann, von denen man aber weniger hat und die sich auch nicht so einfach, wenn überhaupt, regenerieren. Da gibt es allerdings nun zwei Möglichkeiten:

a.) Sie sind so definiert, dass der Charakter irgendwie nicht tot ist, aber ohnmächtig am Boden liegt. Das ist halt oft völlig nutzlos, so auch in der letzten Situation, in der ich die Würfel gedreht habe. Die letzten beiden bei Bewußtsein befindlichen Charaktere wurden von den letzten beiden (auch schon stark angeknacksten) Gegnern in einer sowieso schon schlecht gelaufenen Zufallsbegegnung durch unverschämtes Glück auf die Bretter geschickt. Wenn ich jetzt gesagt hätte, okay, ihr seid nur ohnmächtig. Was hätte das gebracht? Nichts, wenn ich nicht auch die Spielwelt massiv verbogen hätte, um zu postulieren, dass die beiden noch stehenden wild wütenden Dämonen die Hilflosen nicht in Stücke reißen. 
Bringt halt nichts, genau so wenig wie das "Rückzug ist eine Option"-Dogma. Rückzug ist regelmäßig realistisch betrachtet keine Option, sondern eine Gelegenheit für an Geschwindigkeit überlegene Monster, die Fliehenden zu massakrieren.

b.) Sie sind so definiert, dass das Schicksal dem Charakter irgendwie aus der Klemme hilft und er gerettet wird. In diesem Fall ist es halt so, dass der Spieler genau weiß: So lange ich einen solchen Punkt habe, der quasi eine "Du kommst aus dem Gefängnis frei"-Karte darstellt, kann meinem Charakter effektiv nix passieren. Die Auswirkungen auf Spannung und Spielerverhalten sind offensichtlich.

Ich habe schon drüber nachgedacht, ob ich Schicksalspunkte Typ b.) verwende, aber auswürfele, wie viele die Charaktere haben und das geheim halte.
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Offline 1of3

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b.) Sie sind so definiert, dass das Schicksal dem Charakter irgendwie aus der Klemme hilft und er gerettet wird. In diesem Fall ist es halt so, dass der Spieler genau weiß: So lange ich einen solchen Punkt habe, der quasi eine "Du kommst aus dem Gefängnis frei"-Karte darstellt, kann meinem Charakter effektiv nix passieren. Die Auswirkungen auf Spannung und Spielerverhalten sind offensichtlich.

Sind sie? Kann ich nicht mitreden. Egal ob Primetime Adventures (wir würfeln nur Dinge, die wir wollen), Masks (Moment of Truth gewinnt die Szene, maximal 2x pro SC) und genrell Spiele, wo den Charakeren einfach nichts passieren kann, waren nie ein Problem. Du scheinst einen gewissen Stil mit gewissen Bedürfnissen und Prämissen zu pflegen. Fein. Denke aber daran, dass das keine universelle Wahrheit ist.

Offline Skaeg

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Kann ich nicht mitreden.
Davon gehe ich aus.
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Offline Zed

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Ich bin die nächsten 10 Tage beruflich stark eingespannt und überlege, diesen Thread hier solange zuzumachen. Zum einen konnte dieser Thread das Subthema "Schummeln" ja nicht völlig an sich ziehen - es wird darüber ja ebenso eifrig im Vertrauensthread übers "Schummeln" diskutiert - zum anderen würde ich gerne erst mal eine Art Zwischenfazit als eigenen Beitrag ziehen wollen, damit Neueinsteigende nicht automatisch alles lesen müssen.

Wenn nichts dagegen spricht, dann würde ich hier heute Abend ab 18 Uhr für 10 Tage zumachen - und der Vertrauensthread würde dann weiter zum Thema "Schummeln" für die eifrig Diskutierenden offen stehen.

Offline Ma tetz

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War es dieser Thread von 2021: Muss der Spielleiter ein Falschspieler sein?

Mir war der Thread damals entgangen, glaube ich. Darin wird auch Caillois zitiert. Spricht Caillois über nur Schach, Fussball und Mensch-ärgere-Dich-nicht oder auch über Rollenspiele? Weil - es gibt da ja schon essenzielle Unterschiede.

Ja das könnte der Faden gewesen sein.
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Offline Alter Weißer Pottwal

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Ich hätte es nicht besser schreiben können  >;D
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Offline 1of3

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War es dieser Thread von 2021: Muss der Spielleiter ein Falschspieler sein?

Mir war der Thread damals entgangen, glaube ich. Darin wird auch Caillois zitiert. Spricht Caillois über nur Schach, Fussball und Mensch-ärgere-Dich-nicht oder auch über Rollenspiele? Weil - es gibt da ja schon essenzielle Unterschiede.

Nein, eigentlich nicht. Die Regeln von Rollenspielen sind genauso bindend, wie die Regeln von anderen Spielen. Nur sind das, was Rollenspielende gern als Regeln bezeichnen nicht notwendig die oder alle Regeln ihres Rollenspiels.

Wenn da steht, "Die SL darf ihre Würfelwürfe ignorieren, wenn sie der Geschichte im Weg stehen" (im verlinkten Thema zitiert aus Earthdawn), dann ist eben das eine Regel. Wir haben es also mit einer Hierarchie von Regeln zu tun. Die Regel, die hier der SL erlaubt gewisse andere Regeln zu ignorieren, und jene Regeln, die die SL unter bestimmten Bedingungen ignorieren darf.

Das ist im Grunde Rollenspieltheorie 101.

Offline felixs

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Zur Kultur? Fraglich. Selbstverständlichkeit? Nein. Gerade der jüngeren Generation musste ich das schon erklären, dass es das früher gab und das manche SL es so machen, weil sie damit sozialisiert wurden. Vor meiner Erklärung hätten sie gar nicht daran gedacht, dass es überhaupt jemand machen könnte.

Na eben. Für die Älteren gehört es teilweise dazu. Sag ich ja.
Ob es das für die Jüngeren tut, weiß ich nicht. Keine Ahnung, was DSA da derzeit predigt; keine Ahnung was in der D&D-Welt dazu erzählt wird. Bin ich total raus.
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Offline Alter Weißer Pottwal

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Wir haben hier doch zwei Fronten. Zum einen ghoul als Verfechter der ARS. Mit dem was er sagt, hat er spieletheoretisch völlig recht. Aber sein moralisierender Duktus ist übertrieben und für viele Spieler wiederum dysfunktional. Der übertriebende moralisierende Duktus der ARS-Bewegung ist aber auch ein Ergebnis der Erzählonkel-Würfeldreher-Bewegung und deren Umgang mit den ARSlern vor einigen Jahren. Da kann man ghouls extreme Meinung auch einfach mal so hinnehmen und locker durch die Hose atmen, anstatt sich aufzuregen.

Und auf der anderen Seite haben wir Zed, der ganz offensichtlich an einer kognitiven Dissonanz leidet. Er weiß, dass würfeldrehen schummeln ist. Weil er das aber aus den besten Absichten macht und es dazu beiträgt, dass seine Runden funktionieren, will er den für ihn negativ konnotierten Begriff nicht akzeptieren. Aber bleibt halt trotzdem schummeln. Akzeptiere es und komm damit klar, mach weiter wie bisher und alle sind happy. Niemand muss hier ganz normale Begriffe als Kampfbegriffe framen.

Alles was aus dieser Diskussion sinnvoll herauszuholen ist, ist dass Zed und ghoul nicht in einer Runde spielen sollten. Ich hab aber noch zwei Beispiele:

Ich leite D&D5 "Grabmal der Vernichtung". Ich hab die Grupppe mehrfach darauf hingewiesen, dass die Begegnungen Zufall sind, nicht gebalanced und dass sie auf Gegner treffen können, gegen die sie keine Chance haben. Sie treffen also eine Magierin aus Thay, samt Gefolge. Die Gruppe bleibt unentdeckt und entschließt sich nachts anzugreifen. Ein Himmelfahrtskommando. Dazu kommt schlechte Planung und Absprachen in der Gruppe und in Runde zwei erwischt es den Charakter einer Spielerin mit eine One-Hit-Kill als Kollateralschaden (Flächenzauber, der eigentlich hauptsächlich auf einen anderen SC gewirkt war, und den auch locket überlebt hat). Ich hab das alles fair und transparent gehandhabt, ofen gewürfelt und alle Schritte wie es dazu kam auch nochmal erklärt. Dann hatte ich da eine den Tränen nahe Spielerin, ein scheiß Gefühl und am Ende hat das die Runde zerschossen. Klar lag das an der Spielerin, aber hätte ich geschummelt und sie überlebt, hätten wir noch lange Spaß an der Kampagne haben können. Vielleicht wäre da schummeln gut gewesen? Ich bin da nach Jahren immernoch unsicher.

Beim zweiten Beispiel hab ich geschummelt und es war klasse. Wir haben Scion gespielt und zwar One-on-One. Der SC bekam eine Prophezeiung. Dafür habe ich Tarotkarten gelegt. Ich hab mir daheim angeschaut wie sowas geht, hab mir alles zurecht gelegt und die gewünschten Karten in die Hosentasche gesteckt. Die anderen Karten hab ich dann vor mich gelegt und mehrfach auffällig gemischt. Als der Spieler dann abgelenkt war, hab ich die gewünschten Karten obendrauf gelegt. Als es dann los ging, war der Spieler total geflashed und gehyped, wie toll die Prophezeiung gepasst hat. Er war richtig euphorisch. Am Ende des Abends hab ich ihn dann aufgeklärt und mein schummeln "gebeichtet". Das fand er auch klasse und lustig, dass ich ihn so an der Nase herum geführt habe. Das Gefühl, die Faszination der Täuschung, das blieb ihm aber trotzdem. Ähnlich wie bei einem Bühnenmagier, die ja auch täuschen und schummeln und jeder weiß es. Da hat das Schummeln einen echten Mehrwert erbracht.

Ich bin also nicht grundsätzlich gegen schummeln und sehe schummeln auch nicht immer negativ. Gerade bei Rollenspielen ist es durchaus ambivalent.
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Offline Zed

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Nein, eigentlich nicht. Die Regeln von Rollenspielen sind genauso bindend, wie die Regeln von anderen Spielen. Nur sind das, was Rollenspielende gern als Regeln bezeichnen nicht notwendig die oder alle Regeln ihres Rollenspiels.

Wenn da steht, "Die SL darf ihre Würfelwürfe ignorieren, wenn sie der Geschichte im Weg stehen" (im verlinkten Thema zitiert aus Earthdawn), dann ist eben das eine Regel. Wir haben es also mit einer Hierarchie von Regeln zu tun. Die Regel, die hier der SL erlaubt gewisse andere Regeln zu ignorieren, und jene Regeln, die die SL unter bestimmten Bedingungen ignorieren darf.

Das ist im Grunde Rollenspieltheorie 101.

Der große Unterschied bei vielen Rollenspielsystemen zu Nicht-Spielen lässt sich für mich am deutlichsten ablesen an der Vielfalt der Aufgaben, die eine Spielleitung hat.

Ich kenne kein Spiel mit Schiedsrichter:in, das eine ähnliche Aufgabenverteilung hat, wie das Rollenspiel. Das wäre so, als würde ein:e Schiedsrichter:in beim Fußballspiel sowohl entscheiden, ob in der Halle, auf Rasen, in den Dünen oder Unterwasser gespielt wird, als auch die gegnerische Mannschaft auswählen und anleiten. Ah, Tageszeit und Wetter und ob überhaupt mit einem Fußball gespielt wird - das liegt zusätzlich noch in derselben Hand. Und dann geht es im Gegensatz zu Fußball und Mensch-ärgere-Dich-nicht noch nicht einmal darum, wer die meisten Tore schießt/alle Hütchen ins Trockene gebracht hat. Von allem, was dann noch lange Kampagnen ausmacht, mal abgesehen.

Für mich macht all das das "Rollenspiel" im Grundsatz unvergleichbar mit Spielen, wie Roger Caillois sie gekannt hat. Mögen einige Aspekte seiner Thesen trotzdem auch im Rollenspiel gelten, so lässt sich jedenfalls nicht jeder Aspekt von Caillois' Thesen aufs Rollenspiel übertragen.

Offline ghoul

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Beim zweiten Beispiel hab ich geschummelt und es war klasse. Wir haben Scion gespielt und zwar One-on-One. Der SC bekam eine Prophezeiung. Dafür habe ich Tarotkarten gelegt. Ich hab mir daheim angeschaut wie sowas geht, hab mir alles zurecht gelegt und die gewünschten Karten in die Hosentasche gesteckt. Die anderen Karten hab ich dann vor mich gelegt und mehrfach auffällig gemischt. Als der Spieler dann abgelenkt war, hab ich die gewünschten Karten obendrauf gelegt. Als es dann los ging, war der Spieler total geflashed und gehyped, wie toll die Prophezeiung gepasst hat. Er war richtig euphorisch. Am Ende des Abends hab ich ihn dann aufgeklärt und mein schummeln "gebeichtet". Das fand er auch klasse und lustig, dass ich ihn so an der Nase herum geführt habe. Das Gefühl, die Faszination der Täuschung, das blieb ihm aber trotzdem. Ähnlich wie bei einem Bühnenmagier, die ja auch täuschen und schummeln und jeder weiß es. Da hat das Schummeln einen echten Mehrwert erbracht.

Haha, das finde ich kreativ und schlau. "Die Karten lügen nie". Das Schicksal bestimmt die Karten und das Schicksal warst in dem Fall du. Der Bühnenmagiertrick war IMHO angebracht.
Das ist etwas anderes als einen regulären vorgeschriebenen Mechanismus zu benutzen und dann einmal spontan heimlich abzuändern.
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Offline ghoul

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Der große Unterschied bei vielen Rollenspielsystemen zu Nicht-Spielen lässt sich für mich am deutlichsten ablesen an der Vielfalt der Aufgaben, die eine Spielleitung hat.

Ich kenne kein Spiel mit Schiedsrichter:in, das eine ähnliche Aufgabenverteilung hat, wie das Rollenspiel. Das wäre so, als würde ein:e Schiedsrichter:in beim Fußballspiel sowohl entscheiden, ob in der Halle, auf Rasen, in den Dünen oder Unterwasser gespielt wird, als auch die gegnerische Mannschaft auswählen und anleiten. Ah, Tageszeit und Wetter und ob überhaupt mit einem Fußball gespielt wird - das liegt zusätzlich noch in derselben Hand. Und dann geht es im Gegensatz zu Fußball und Mensch-ärgere-Dich-nicht noch nicht einmal darum, wer die meisten Tore schießt/alle Hütchen ins Trockene gebracht hat. Von allem, was dann noch lange Kampagnen ausmacht, mal abgesehen.

Für mich macht all das das "Rollenspiel" im Grundsatz unvergleichbar mit Spielen, wie Roger Caillois sie gekannt hat. Mögen einige Aspekte seiner Thesen trotzdem auch im Rollenspiel gelten, so lässt sich jedenfalls nicht jeder Aspekt von Caillois' Thesen aufs Rollenspiel übertragen.

Naja, der Wargame-Referee mit ebenso mächtigem Aufgabenbereich wie im Rollenspiel war vor Caillois schon da, oder der Vertraute, wie er im preußischen Kriegsspiel heißt.
Ich weiß aber nicht, ob Caillois den bedacht hat.
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Offline Zed

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Beim zweiten Beispiel hab ich geschummelt und es war klasse.
Du hast nicht nur geschummelt: Du hast "betrogen", Deinen Spieler "entmündigt", ihn für "dumm" verkauft, "Spielkultur besudelt" und Du warst ein schlechter Spielleiter. Es hat auch keinen Spaß gemacht, weil es "langweilig" gewesen ist.

Oder Du kannst auf der Bandbreite der Möglichkeiten auf viele Arten und Weisen Spaß haben.

Genau darum geht es in diesem Thread.

Offline Zed

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Naja, der Wargame-Referee mit ebenso mächtigem Aufgabenbereich wie im Rollenspiel war vor Caillois schon da, oder der Vertraute, wie er im preußischen Kriegsspiel heißt.
Ich weiß aber nicht, ob Caillois den bedacht hat.
Bei Wargames geht es in allererster Linie schon darum, dass man die gegnerische Flagge erobert oder Gelände eingenommen hat, richtig?

Offline gunware

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Beim zweiten Beispiel hab ich geschummelt und es war klasse.
Ich möchte dich nicht enttäuschen, aber meiner Meinung nach hast du nicht geschummelt.
Wie ich geschrieben habe, ich sehe es als Schummeln erst dann, wenn eine ins Spiel reingekommene Tatsache, nachträglich heimlich geändert wurde.

EDIT: obwohl es sehr grau ist, weil man auch sagen könnte, dass der Würfelwurf noch nicht im Spiel ist, solange man ihn nicht verkündet. Daran habe ich nicht gedacht, weil ich offen würfle.
Hm, schwierig. EDIT ENDE

Ich bin also nicht grundsätzlich gegen schummeln und sehe schummeln auch nicht immer negativ. Gerade bei Rollenspielen ist es durchaus ambivalent.
So auch ich. Aber ich finde es halt nett, wenn ich es von Anfang an weiß, worauf ich mich einstellen soll.
« Letzte Änderung: Gestern um 18:00 von gunware »
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"

Offline 1of3

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Ich kenne kein Spiel mit Schiedsrichter:in, das eine ähnliche Aufgabenverteilung hat, wie das Rollenspiel. Das wäre so, als würde ein:e Schiedsrichter:in beim Fußballspiel sowohl entscheiden, ob in der Halle, auf Rasen, in den Dünen oder Unterwasser gespielt wird, als auch die gegnerische Mannschaft auswählen und anleiten. Ah, Tageszeit und Wetter und ob überhaupt mit einem Fußball gespielt wird - das liegt zusätzlich noch in derselben Hand. Und dann geht es im Gegensatz zu Fußball und Mensch-ärgere-Dich-nicht noch nicht einmal darum, wer die meisten Tore schießt/alle Hütchen ins Trockene gebracht hat. Von allem, was dann noch lange Kampagnen ausmacht, mal abgesehen.

Deshalb ist SL keine gute Kategorie für die Analyse von Rollenspielen. Hatten wir ja oben schon mal. Die Existenz der SL und was sie dann genau tut, ist ein Teil der Regeln und ganz unterschiedlich geregelt werden.

Wenn du so willst, ist SL als größte Schnittmenge lediglich diejenige Person, die alle Figuren spielt, die niemand anders spielen will.

Natürlich kann diese Person viele weitere Aufgaben ebenfalls übernehmen. Organisation des Spieltermins und -orts. Regeln erklären. Scene Framing. Pacing. Etc. Aber wir können das halt alles auch beliebig anders zuteilen.


Offline Ma tetz

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Bei Wargames geht es in allererster Linie schon darum, dass man die gegnerische Flagge erobert oder Gelände eingenommen hat, richtig?

Vor allem gab es beim preußischen Kriegsspiel auch schon Schiedsrichter, die Spielzüge aufgrund Ihrer realen Felderfahrung und eben nicht nach Regeln bewertet haben, zumindest hat Jon Peterson das in Playing at the World oder the elusive shift so dargestellt. Die haben also auch schon geschummelt.
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Offline ghoul

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Offline Streunendes Monster

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Vor allem gab es beim preußischen Kriegsspiel auch schon Schiedsrichter, die Spielzüge aufgrund Ihrer realen Felderfahrung und eben nicht nach Regeln bewertet haben, zumindest hat Jon Peterson das in Playing at the World oder the elusive shift so dargestellt. Die haben also auch schon geschummelt.

Oder die haben mit Augenmaß und Verstand geregelt  >;D
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> brings more HârnMaster and RoleMaster to the par:T: <

Offline felixs

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Oder die haben mit Augenmaß und Verstand geregelt  >;D

Des einen Augenmaß ist des anderen Schummeln  :d
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