Hi-
ich habe diesen Thread zwar interessiert verfolgt, will mich da aber nicht im Einzelnen reinhängen.
Für alle die sich gerne näher mit dem Thema Literaturwissenschaft befassen möchten und vielleicht den einen oder anderen Unfug ausbügeln möchten, den der Deutschlehrer oder Reich-Ranicki in punkto Literatur angerichtet haben, denen kann ich nur "Einführung in die Literaturtheorie" von Terry Eagleton empfehlen, erschienen im Metzler Verlag.
Eagleton schreibt im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen sehr verständlich und präzise,auch für "Laien" verständlich und mit kanpp 200 Seiten ist das Buch auch nicht zu lang. Kostet auch nicht viel, ich glaube so 10, 12, 14 Euro.
Neben einer sehr guten Einführung mit dem Titel "Was ist Literatur?" (in der so gut wie alle Fragen, die hier im Thread aufgeworfen werden auch behandelt werden), stellt Eagleton die grossen wissenschaftlichen Schulen des 20. Jhdts. vor: Formalismus, Hermeneutik, Rezeptionsästhetik (Reader/response-Theory), New Criticsim, Strukturalismus, Poststrukturalismus und Psychoanalyse, sowie marxistische und feministische bzw. gender/queer Theory.
Eagleton bemüht sich um eine angenehm faire, ausgeglichene Darstellung, die auch kritisch mit den einzelnen Ansätzen umgeht, hält aber auch mit seiner eigenen Meinung (neomarxistisch-poststrukturalistisch) nicht hinterm Berg. Ist ja auch mal nett, wenn jemand nicht so bemüht scheinobjektiv daherkommt.
Kann ich nur empfehlen.
So, und als Kostprobe und meinen einzigen Beitrag zur Diskussion hier:
"Literatur und Unkraut sind,wie die Philosophen sagen würden, eher 'funktionale' als 'ontologische' Begriffe: sie sagen etwas darüber aus, was wir tun, aber nicht über das Wesen der Dinge. Sie machen eine Aussage über die Rolle eines Textes oder einer Distel im sozialen Kontext, ihre Beziehung zu und Unterschiede von ihrer Umgebung, ihr Verhalten darin, den Zwecken denen sie dienen können, und die menschlichen Praxisfelder, die sie umgeben. 'Literatur' ist in diesem Sinne eine rein formale, leere Art der Definition[...]
Werturteile haben allem Anschein nach eine Menge damit zu tun, was als Literatur eingeschätzt wird und was nicht - nicht unbedingt in dem Sinn, dass ein Text 'gut' sein muss, um literarisch zu sein, aber muss *von der Art* sein, die für gut gehalten wird[so dass] wir ein für alle Mal die Illusion fallen lassen können, dass die Kategorie 'Literatur' 'objektiv' im Sinne von ewig und unwandelbar ist. Alles kann Literatur sein, und alles was [zu einem bestimmten Zeitpunkt] als Literatur angesehen wird, kann eines Tages keine Literatur mehr sein. [Das] bedeutet, dass der sogenannte 'literarische' Kanon als *Konstrukt* erkannt werden muss, das von bestimmten Leuten aus bestimmten Gründen in einer bestimmten Zeit gebildet wurde.
Die Werturteile, die 'Literatur' konstituieren,[haben] selbst eine enge Verbindung zu den gesellschaftlichen Ideologien. Sie verweisen letzten Endes nicht auf einen privaten Geschmack, sondern auf die Grundannahmen, mit denen bestimmte soziale Gruppen Macht über andere ausüben und erhalten."
Und um nu doch noch mal zum Thema zurückzukommen und das ganze mal praktisch zu unterfüttern: Wat sächt uns das über Elke Heidenreich , und warum sie keine kleinen Leute mit pelzigen Ohren mag?
Naja, dass Frau Heidenreich hier gerne Literatur definieren möchte, indem sie bestimmte Dinge ausschliesst, nämlich Fantasy-Literatur. Und indem sie die Definitionshoheit über den Begriff Literatur hat, gewinnt sie auch was, nämlich das schöne Gefühl, auf der Seite der "guten" Literatur zu stehen. Und warum macht sie das? Weil sie im Bereich des Entertainment tätig ist (und mit Literaturkritik oder gar Literaturwissenschaft so viel am Hut hat wie Peter Lustig mit einem Atomreaktor), und Zuschauer binden muss.
Und um diese Zuschauer richtig zu bedienen, muss sie ihnen einerseits Literatur als Gefühlserlebnis verkaufen, und nicht als verkopften Spinnkram. Sie darf in ihrer Sendung nicht gross mit Theorien ankommen, sondern muss viel darüber reden, wie das Buch auf sie gewirkt hat, ob es sie emotional berührt hat und blablabla. Damit setzt sie sich aber andererseits der Gefahr aus, nicht "ernst" genug rüberzukommen, denn ihr bildungsbürgerliches Publikum möchte sich zwar gut unterhalten, aber doch bitte mit Niveau. Und die Abgrenzung zu dem, was dann vermeintlich "Schund" ist, hebt im Umkehrschluss ihre Art von Literatur eine Stufe höher in Richtung des Guten, Schönen und Wahren.
Sowas passiert jeden Tag, und auch hier im Forum, wenn man sich plötzlich bemüssigt fühlt, sich Gründe auszudenken, warum Tolkien doch "so richtig echte Literatur", sprich: Teil des als gut anerkannten Kanons ist, oder wie man diesen und jenen Autor dann doch noch ganz aktuell und gesellschaftskritisch aufarbeiten kann. Haben wir doch gar nicht nötig. Fanatsy ist halt eine ANDERE Art von Literatur, und vor den Massstäben, die im Bereich der Fantasy gelten, knicken Bücher aus anderen Gattungen vollständig ein. Machen wir doch lieber unseren eigenen Kanon, anstatt um einen Platz in der "Hochkultur" zu betteln.
So, jetzt reichts aber echt. Ist schon wieder viel zu lang, verdammt.