Autor Thema: Erfahrungsbericht: Universalis  (Gelesen 6936 mal)

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Offline Lord Verminaard

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Erfahrungsbericht: Universalis
« am: 16.09.2004 | 15:11 »
So, nach unserer zweiten Session hier mal ein erster Erfahrungsbericht. Ich bin etwas in Eile, hoffe, es wird brauchbar. Die erste Schwierigkeit ist natürlich, dass es sowohl mein erstes Chat-RPG als auch meine erste Runde Universalis war. Insofern sind vielleicht einige Schwierigkeiten eher dem Kommunikationsmedium als dem Spiel an sich geschuldet. Ich habe versucht, das herauszufiltern.

Universalis unterscheidet sich in seiner Struktur grundsätzlich von allen anderen Rollenspielen, die ich kenne. Charaktere und Erzählgewalt sind einzelnen Personen nur temporär zugeordnet und können jederzeit von anderen Mitspielern übernommen werden. Jeder kann Fakten in die Spielrealität einführen, Szenen setzen und Konflikte beginnen. Ist es noch Rollenspiel? Reine Definitionssache und mir piepegal. Jedenfalls kommt direkte Rede und "schauspielerische" Darstellung auch vor (okay, das letztere im Chat natürlich nicht, aber vom Prinzip her). Das herkömmliche Rollenspiel ermöglicht sicherlich eine stärkere Identifikation mit einem bestimmten Charakter. Auf der anderen Seite kann man mit Universlis jede Art von Geschichte erzählen, während im "klassischen" Rollenspiel bestimmte Dinge deutlich schwerer umzusetzen sind. Eine monumentale Schlacht. Eine Geschichte, in der genau eine Person die Hauptrolle spielt. Oder zwei Personen (klassische Love Story). Oder in der verschiedene Handlungsstränge parallel an verschiedenen Orten spielen (mit unterschiedlich vielen Protagonisten).

Diese ungewohnte Struktur von Universalis eröffnet also viele Möglichkeiten, hat aber auch ihre Tücken:

  • Das Spiel erfordert viel Konzentration von den Mitspielern. Man muss versuchen, all die geschaffenen Fakten und auch die "Tenets", die vor dem Spiel gemachten Vorgaben über Setting, Flair, Thematik und Inhalte, die ganze Zeit im Kopf zu behalten und bei der Erzählung zu berücksichtigen. Natürlich muss auch ein SL im "klassischen" Rollenspiel diese Dinge im Kopf behalten, aber das ist einfacher, weil es erstens größtenteils seine eigenen Ideen sind und er sie sich vorher in Ruhe überlegt hat. Bei Universalis hingegen muss man den Input aller Mitspieler aufnehmen, und es kommt ständig etwas neues hinzu.


Nun haben wir es uns in unserer Chat-Runde auch recht schwer gemacht, da wir recht viele "Tenets" gewählt haben, vor allem auch viele, die nicht nur Setting und Flair, sondern auch die Story betrafen. Außerdem hatte Fredi die Idee, die Geschichte als Rückblende zu erzählen, was zwar sehr stylish ist, aber dazu führt, dass man an noch mehr Dinge denken muss. Ich denke daher, dass man hier, wenn man die Geschichte linear erzählt und nur ein paar wenige, setting- und flair-bezogene Tenets wählt, es sich ein bisschen leichter machen kann. Routine ist sicherlich auch ein Faktor, der vieles leichter macht. Trotzdem würde ich immer noch sagen, es erfordert mehr Konzentration als "normales" Rollenspiel.

  • Der Ablauf ist stark formalisiert. Durch die Beschränkung der Münzen kann man nicht draufloserzählen, wie man will, sondern muss erst mal überlegen, was man sich leisten kann. Das war gerade für mich schwierig, da ich normalerweise gerne sehr detailreich beschreibe. Andererseits ist das natürlich gerade so gewollt, damit nicht ein Spieler bereits die komplette Szene fertig ausgestaltet, sondern alle ihren Anteil haben. Und wenn man ein bisschen maßvoll rangeht und den Begriff "Color" (als Gegensatz zu "Fakt") weit auslegt, kann man trotzdem noch einigermaßen poetisch beschreiben.


Was allerdings ein Nebeneffekt dieses "Nach-und-nach-Ausgestaltens" ist, ist die Tatsache, dass eine Szene zu ihrem Beginn noch recht farblos und neutral ist, jedenfalls am Anfang des Spiels, wenn noch nicht viele Fakten eingeführt sind. Es sind drei Charaktere anwesend, aber nur einer hat einen Namen und keiner ein Aussehen. Ebenso unscharf ist die Umgebung. Da man sich zwangsläufig irgend ein Bild macht, muss man dieses ständig korrigieren und anpassen, wenn neue Fakten geschaffen werden. In verschärfter Form tritt die beim "Challenge" auf, wenn Fakten sogar nachträglich abgeändert werden. Dadurch ermöglicht Universalis keine so dichte und lebhafte Vorstellung von dem imaginären Geschehen, wie sie bei "klassischem" Rollenspiel möglich ist.

  • Man muss die geschaffenen Eigenschaften von Spielkomponenten festhalten, um später bei Konflikten darauf zurückgreifen zu können. Das ist eine Menge Schreibarbeit, und wenn es zum Konflikt kommt, muss man erst mal das Spiel unterbrechen, um die Listen nach hilfreichen Eigenschaften zu durchforsten. Dieses umständliche Procedere scheint mir leider alternativlos und nervt schon ein bisschen. Wobei es im RL wahrscheinlich besser abzuwickeln ist als im Chat, wo man ja nun mal niemandem über die Schulter gucken kann.

Fazit: Universalis ist wirklich mal was ganz anderes. Nachdem ich nach der ersten Sitzung doch noch sehr skeptisch war, hat mir die zweite richtig Spaß gemacht. Ein paar Kleinigkeiten empfinde ich schon als störend, aber diese sind wohl unvermeidlich. Die Alternative wäre allenfalls totales Freeform-Spiel (was sicher nicht die schlechteste Alternative ist). Andererseits bietet da System von Universalis eine recht gut durchdachte Hilfestellung, um sowohl Konflikte als auch eine gleichmäßige Beteiligung aller Mitspieler an der Erzählung zu gewährleisten. Ich kann nur jedem empfehlen, mal einen Blick drauf zu werfen, allein schon um den eigenen Horizont zu erweitern.
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Offline Wawoozle

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #1 am: 16.09.2004 | 15:22 »
Das verstärkt meinen ersten Eindruck von Universalis, dass es sich ein paar exzentrische Autoren ausgedacht haben, die gezwungen wurden gemeinsam ein Drehbuch zu schreiben ;)
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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #2 am: 16.09.2004 | 15:25 »
 :d Schöner Erfahrungsbericht! :d

Lasst euch nicht von Wawoozles Spekulationen von dem Spiel abhalten! ;)
« Letzte Änderung: 16.09.2004 | 15:37 von Caynreth »
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aga g.

Offline Wawoozle

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #3 am: 16.09.2004 | 15:28 »
War ja nicht negativ gemeint, im Gegenteil, es ist ganz lustig.
Eine Art formalisiertes "Es war einmal" (wie die meisten Spiele dieser Kategorie) und somit auf jeden fall einen Blick wert :)
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Offline Schwules Lesbenpony

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #4 am: 16.09.2004 | 15:38 »
Hab ich auch nicht negativ verstanden!  :D

Nochmal ein kleiner Nachtrag: Das Medium Chat macht das Spielgeschehen wesentlich abgehackter und hölzerner als es beim normalen Spiel ist. Man muss halt alles tippen und man kann nicht wirklich schauspielern. Da geht so einiges an Erlebnisintensität flöten und es ist wesentlich schwieriger in die Geschichte reinzukommen. Auch die Buchhalterei (die auch beim Spiel von Angesicht zu Angesicht notwendig ist) macht im Chat das Spiel wesentlich schwerfälliger.
« Letzte Änderung: 16.09.2004 | 16:37 von Caynreth »
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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #5 am: 20.09.2004 | 14:01 »
Tatsächlich? OK, der organisatorische Teil kann anstrengend werden.

Aber ansonsten hab ich bis jetzt bei der Stimmung beim Chat-Rollenspiel nur gute Erfahrungen gemacht.

Offline Schwules Lesbenpony

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #6 am: 20.09.2004 | 14:28 »
Aber ansonsten hab ich bis jetzt bei der Stimmung beim Chat-Rollenspiel nur gute Erfahrungen gemacht.

Die Stimmung war klasse. Mir hat auch das Spiel sehr gut gefallen! Mir ging es ausschließlich um die Unterschiede von Chat-Spiel zum "normalen" Spiel, bei dem man zusammen sitzt und spielt.
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Offline Der Nârr

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #7 am: 2.11.2004 | 23:04 »
Universalis klingt sehr interessant, aber kann mir jemand sagen, wo man es beziehen kann? Ich habe leider bislang keinen Rollenspielladen ausmachen können, der es führt :(.
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Offline Selganor [n/a]

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #8 am: 2.11.2004 | 23:14 »
Die Homepage (mit Bestellformular) ist unter:

http://universalis.actionroll.com/
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Offline Schwules Lesbenpony

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #9 am: 3.11.2004 | 10:05 »
In deutschen Läden wirst du es eher nicht finden. Es ist ja trotz allem ein Indie-Nischenprodukt. Zum Glück kann man es mitlerweile ja von der Web-Seite auch als Europäer kaufen. Ich musste mir das noch mitbringen lassen.

Ich kann es nächsten Dienstag ja mal mitbringen, so zum Reinschauen und ein wenig Schnuppern. ;)
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Offline Der Nârr

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #10 am: 3.11.2004 | 14:25 »
Das wäre toll :D.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #11 am: 4.11.2004 | 18:22 »
So, nachdem unsere Chat-Runde nun beendet ist, kann ich mal ein Fazit ziehen.

Wie schon gesagt, Universalis bietet ein Spielgefühl, das sich sehr stark von klassischen Rollenspielen unterscheidet. Es eröffnet die genannten neuen Möglichkeiten und hat ein paar recht interessante Mechanismen. Ein Problem, das bei dem von Woozle immer wieder so gerne zitierten "Es war einmal" (auch Freeform-Erzählspiel genannt) auftritt, bekommen aber auch die Regeln von Universalis nicht in den Griff: Jeder Spieler hat eine unterschiedliche Vorstellung.

Eine unterschiedliche Vorstellung von den Figuren. Beim klassischen Spiel sind die Charaktere fest zugewiesen. Spieler können vielleicht mehr als einen Charakter übernehmen (Troupe-Style) oder temporär einen NSC zugewiesen bekommen, aber es findet nicht das ständige Übergeben und Übernehmen der Charaktere wie bei Uni statt. Einhergehend ist beim klassischen Rollenspiel eine relativ gleichbleibende und verlässliche Darstellung und Handlungsweise der Charaktere gewährleistet.

Bei Universalis ist das nicht der Fall. Wegen der Münzen kann man auch nicht gleich beim ersten Auftauchen eines Charakters eine Vielzahl von Details über ihn festlegen. Trotzdem macht man sich natürlich ein gewisses Bild (ergo Gedanken über Hintergrund und Persönlichkeit des Charakters) und lässt diesen entsprechend handeln. Die Mitspieler allerdings können unmöglich aufgrund von dem bisschen Darstellung erkennen, worauf man hinaus wollte, d.h. sie spielen den Charakter möglicherweise ganz anders. Also bei unserem Spiel waren schon ein paar Brüche drin, denke ich. Wahrscheinlich würde jeder Mitspieler die Brüche an anderer Stelle festmachen, da jeder ein anderes Bild von den Charakteren hatte, das sich, so wie ich das sehe, auch bis zum Schluss nicht so ganz angeglichen hat.

Außerdem haben die Spieler eine unterschiedliche Vorstellung vom Plot. Wenn man nicht schon im Voraus relativ detailliert festlegen will, wohin der Plot läuft, bleibt es nicht aus, dass jeder Spieler Pläne schmiedet. Ich meine, man kann keine Geschichte erzählen ohne ein bisschen voraus zu denken. Schon wegen Spannungsbogen und neue Konflikte und so. Dabei wird es aber in den seltensten Fällen so sein, dass alle Mitspieler die gleiche Vorstellung davon haben, in welche Richtung die Geschichte läuft. Natürlich versucht man schon, auf die anderen Spieler einzugehen, aber deren Absichten sind eben auch nicht immer so transparent.

Folglich entsteht keine richtig runde Erzählung, sondern die Geschichte entwickelt immer wieder Blindgänger und Brüche. Das gilt besonders für die Dichte und Plausibilität der Handlung, aber auch für das Flair und die Genre-Konventionen. Wenn man die Geschichte, die das Produkt unseres Chat-Spiels war, als zusammenhängende Prosa aufschreiben würde, wäre es keine sonderlich gute Geschichte. Es ist eben auch wesentlich schwerer, als Mitspieler von Universalis den Blick für das Gesamtbild der Spielsituation zu behalten, als für den SL beim klassischen Spiel.

Fazit: Es hat Spaß gemacht, weil es eine Runde mit netten Mitspielern war und weil es immer Spaß macht, etwas Neues auszuprobieren. Aber bekehrt bin ich noch nicht. ;)
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Miriamele

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #12 am: 9.11.2004 | 22:30 »
Hm, das Fazit klingt sehr nachvollziehbar und nicht so wahnsinnig begeistert. Ich habe mir eure Logs durchgelesen und bin geneigt, dem Lord zuzustimmen.

Wir haben das früher auch mal gemacht, dass wir einfach eine Geschichte erzählt haben, ganz ohne Regeln, einfach jeder erzählt ein Stück und gibt dann ab. Hat mir aber nicht gefallen, genau aus den Gründen, die du nennst. Entweder man versucht, zu raten, worauf die anderen hinaus wollen, was aber nicht klappen kann, oder man versucht, selbst etwas einzufädeln, was aber ebenso wenig klappt. Bei uns artete das dann in hemmungslosem Slapstick aus. Ebenso auch bei meiner bisher einzigen Runde InSpectres. Kann mir gut vorstellen, dass dieses Problem auch bei Universalis auftritt.

Also, ganz so dumm ist die herkömmliche Aufgabenteilung anscheinend doch nicht. ;)

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #13 am: 10.11.2004 | 02:41 »
Genau so wie die "herkömmliche Aufgabenverteilung" erfordert halt auch das "gemeinsame Erzählen" einen gewissen Aufwand damit es auch ein gelungener Spielabend wird. Ebensowenig wie ein unerfahrener Spielleiter einfach mal so einen erfolgreichen Spielabend ohne ausreichende Vorbereitung improvisieren kann, genausowenig kann eine unerfahrene Spielrunde einfach so mal einen erfolgreichen Spielabdn ohne ausreichende Absprache improvisieren.

Und genau das wird oft übersehen: was für den "klassischen Ansatz" die Vorbereitung des Spielleiters ist, ist für den "neuen Ansatz" die Absprache unter den Mitspielenden, bzw Autoren. Wer nur Geschichte erzählt und sich keine Zeit für (Metaspiel)Absprachen unter den Mitspielenden nimmt, wird nur einen unbefriedigenden Spielabend erleben. All das was der Spielleiter sonst für sich während des Vorbereitens oder der Kaufabenteuer Autor beim Schreiben entscheidet, muss nun innerhalb der Gruppe im offenen Gespräch entschieden werden. Autorenteams, wie zB das der Gezeitenwelten, sprechen sich auch untereinander ab und reich sich auch nicht einfach kommentarlos reihum die Tastatur weiter.
« Letzte Änderung: 10.11.2004 | 02:46 von Gelasma »

Offline Fredi der Elch

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #14 am: 10.11.2004 | 11:27 »
Ich kann hier Gelasma nur 100% zustimmen. Eine "gute" Geschichte (was immer das sein mag) ist aufwändig. Und bedarf auch neben der eigentlichen Spielzeit Vorbereitung. Die klassische Verteilung bürdet die gesamte Arbeit einem Spieler (dem SL) auf. Dafür erhält der dann die Möglichkeit, den Spielern seine Geschichte vorzusetzen, wohingegen die Spieler wenig Einfluss auf die Geschichte haben (jaja, gibts auch anders, aber klassisch ist das so).

Bei Universalis ist von jedem Spieler Arbeit gefordert. Für eine richtig gute Geschichte neben den Absprachen während der Spiels sicher auch Vorbereitungsarbeit zwischen den Sitzungen. Beides kam bei unsere Online-Runde etwas kurz (Absprachen waren relativ wenig, auch aus Zeitgründen, Vorbereitung habe ich zumindest nicht gemacht). Trotzdem hat es viel Spaß gemacht, weswegen ich glaube, dass die fertige Geschichte weniger wichtig ist als der Weg dorthin.

Fazit: Sicher ist Universalis nicht das Ultimative Spiel überhaupt. Es ist eine gute Alternative. Und genauso wie ich sicher nicht den Rest meines Lebens nur D&D oder The Pool spielen möchte, möchte ich auch nicht für immer nur Universalis spielen. Aber die Probleme der Online-Runde jetzt zu stark zu gewichten halte ich für völlig falsch: denkt an eure erste Runde als Spielleiter zurück (und ich war der erste Spielleiter in meiner Runde, hatte vorher noch nie gespielt) und sagt allen ernstes, dass dabei eine Super-Geschichte rausgekommen ist. Das wäre gelogen. Nach ein paar Universalis-Spielen werden sich einige Probleme sicher relativieren. Hey, ich habe als SL Jahre gebraucht, um wirklich gute Abenteuer zu leiten. Dafür war die Uni-Runde richtig gut! :D
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Offline Lord Verminaard

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #15 am: 12.11.2004 | 19:08 »
Okay, Übung macht den Meister, das ist sicher richtig. Und nicht nur den Meister, sondern auch den Erzählspieler. :D Wobei mir das mit den Vorabsprachen immer noch nicht so richtig gefallen will. Soll nicht auch beim Erzählspielern noch Raum für Überraschungen bleiben? Beeinflusst nicht der Ausgang eines Konflikts den Verlauf der Story entscheidend?

Klar, wenn ich SL-e, plane ich auch im Voraus. Aber ich mache eben gerade kein Railroading, d.h. es kann nachher ganz anders kommen, als ich geplant habe. Und das liegt daran, dass die Spieler meinen Plan eben gerade nicht kennen. Wenn aber der Plan gemeinsam besprochen wird, dann wird hinterher auch keiner mehr davon abweichen. Diese Perspektive finde ich nicht so prickelnd.
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Offline Schwules Lesbenpony

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #16 am: 13.11.2004 | 16:51 »
Ich kann jetzt nicht für meine Vorredner sprechen, aber die Planung und Vorabsprachen beim Erzählspiel sehe ich nicht auf die Story im Sinne eines Plots bezogen. Denn der Sinn des Erzählspiels - in meinen Augen - ist ja die Schaffung der Story und damit des Plots im Spiel (Narr lässt grüßen).

Eine sinnvolle Vorabsprache beim Erzählspiel wäre z.B. die (von Dir so verdammte) Prämisse. Wir spielen ein Erzählspiel und einigen uns darauf, Ehre als Thema und Ausgangspunkt für die Prämisse zu nehmen.: Was würdest Du für die Erhaltung Deiner Ehre opfern? Wie weit würdest Du gehen, um als ehrenvoll zu gelten? Was würdest du tun, wenn Du Deine Ehre verloren hättest, um sie wieder zu gewinnen?
Bei der Ausgestaltung des Plots gilt es als Vorabsprache, dass die Storyelemente, die wir schaffen, sich mit diesen Fragen beschäftigen sollen. Auch wird es dann klar, dass wir Szenen und Aktionen schaffen wollen, die diese Prämisse thematisieren und immer wieder neu beleuchten.
Beispiel: Der große Krieger Zhou gilt als besonders ehrenvoll. Er ist einer jungen Dame aus dem Hause Mei-Lio versprochen. Da wäre es doch spannend zu schauen, was passiert, wenn die Familie Mei-Lio entehrt würde.

Hier gibt es keine Planung der Story im Voraus. Nichtsdestotrotz haben alle Spieler einen Leitfaden für die Szenengestaltung. Genau diese Art der Absprachen, dynamischer Absprachen bedarf großer Übung, und zwar von allen Spielern. Das ist genau der Punkt, den Fredi trifft: Im klassischen RPG fällt diese Art der Übung und Arbeit dem SL zu. Warum wohl gibt es mehr Leitfäden, Tips, Ideen und auch Fragen zum "besseren Meistern", und so gut wie keine fürs "bessere Spielen"?
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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #17 am: 14.11.2004 | 15:39 »
Ich kann jetzt nicht für meine Vorredner sprechen, aber die Planung und Vorabsprachen beim Erzählspiel sehe ich nicht auf die Story im Sinne eines Plots bezogen. Denn der Sinn des Erzählspiels - in meinen Augen - ist ja die Schaffung der Story und damit des Plots im Spiel (Narr lässt grüßen).

Du übersiehst hier dass diese "Vorabsprachen" Teil des Spieles sind. Sprich wenn man beim "Vorabsprechen" die Geschichte erschafft ist das im Spiel geschehen - Director Stance lässt grüssen... >;D


Zitat
Eine sinnvolle Vorabsprache beim Erzählspiel wäre z.B. die (von Dir so verdammte) Prämisse. Wir spielen ein Erzählspiel und einigen uns darauf, Ehre als Thema und Ausgangspunkt für die Prämisse zu nehmen [...]

Das ist ja das spezielle an Universalis! Dort beginnt das Spiel vor diesem Punkt und die Spielmechanismen regeln bereits diese "Vorabsprache".

Miriamele

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #18 am: 15.11.2004 | 23:49 »
Ähm, auf die Gefahr hin, dass der Thread gleich explodiert oder irgendwas anderes schlimmes passiert: Was ist eine Prämisse? ??? Nö okay, ich hab das Hick-Hack im GNS Thread gelesen. ;D Ich sage nicht, dass ich es verstanden habe, aber ich habe es gelesen. ;)

Ich kann aber den Punkt des Lords schon verstehen, dass man keine Konstanz in die Darstellung hineinkriegt, wenn alle Charaktere reihum gereicht werden wie ein Joint. Dieser Kritikpunkt richtet sich also nicht gegen Narrativismus an sich, sondern eher gegen das SL-lose Spiel, was ja zwei paar Socken sind.

Denn egal ob man es Prämisse oder Thema nennt: Eine Geschichte über Ehre zu erzählen, macht noch keine guten Charaktere. Und gute Charaktere sind nun mal das Herz und der Pulsschlag jeder guten Geschichte. Ich habe ja nun nur euer Log gelesen, aber es ist Universalis anscheinend immanent, dass die Charaktere am Anfang ziemlich konturlos sind. Das ist ein nicht wegzudiskutierender Nachteil. ::)
« Letzte Änderung: 15.11.2004 | 23:56 von Miriamele »

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #19 am: 16.11.2004 | 00:37 »
Nur um kurz auf das Charakterproblem einzugehen: Man kann sich in der Vorbereitungsphase wesentlich mehr Zeit lassen und dort alles soweit ausgestalten, wie es der Gruppe passt. Damit bekommt man so viele Konturen, wie man haben will. Wir hatten uns im IRC für eine sehr kurze Vorbereitungszeit entschieden, weil IRC halt alles länger dauert und wir mitten ins Erzählgeschehen wollten.
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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #20 am: 16.11.2004 | 03:04 »
Der Begriff der Prämisse bezeichnet ein Leitmotiv - die Übersetzung von engl 'theme' ist nachwievor Leitmotiv und nicht Thema, das wäre engl 'topic' - welches im Rollenspiel angesprochen werden soll. Meist ist diese eine moralische oder ethische Fragestellung, zb: Heiligt der Zweck die Mittel? Ist zwischen Mann und Frau Freundeschaft möglich, oder kommt immer Sex dazwischen? Darf ein künstlicher Mensch, zB Golem, leben? Muss man an die Götter glauben, nur weil man weiss, dass es sie gibt? Wie lange hält ein Charakter einen Gewissenskonflikt aus? Stelle ich mein Leben über das eines Freundes? Darf man das Leben eines einzelnen Opfern um tausende zu retten? Darf man auch schwangere Schurkinnen im Kampf töten? Darf man seinen Vater töten um die eigene Ehre wiederherzustellen? etcetera...

Zitat
Und gute Charaktere sind nun mal das Herz und der Pulsschlag jeder guten Geschichte.

Nein, Plot ist das Herz eines guten Romans und nicht Charakter. Grübel wo hab ich bloss meine Zitatsammlung hingespeichert, hätte da ein sooo schönes Zitat griffbereits gehabt.

« Letzte Änderung: 16.11.2004 | 03:06 von Gelasma »

Offline Fredi der Elch

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #21 am: 16.11.2004 | 11:26 »
Ich habe ja nun nur euer Log gelesen, aber es ist Universalis anscheinend immanent, dass die Charaktere am Anfang ziemlich konturlos sind. Das ist ein nicht wegzudiskutierender Nachteil. ::)
Was du hier schreibst ist nicht wegzudiskutierender Blödsinn. (auch ::)>;D
1. Bei jedem Rollenspiel sind die Charaktere am Anfang ziemlich konturlos. Das ist bei D&D, HERO, whatever nicht anders. Also kein spezifischer Nachteil von Universalis. Die bereits genannte Möglichkeit das zu ändern: mehr Vorbereitung. Diese Vorbereitung macht normalerweise der SL, die könnte man bei Uni auch machen (muss man aber nicht).
2. Vergiss nicht: es war IRC-Rollenspiel. Face-to-Face funktionieren die Absprachen besser (weil schneller) und auch die Konstanz der Charaktere läuft besser, weil man schneller mal einen Einwand eingeworfen und geklärt hat. An manchen Stellen habe ich mich zurückgehalten und nicht gesagt, dass in die momentane Charakterdarstellung nicht zu den bereits etablierten Fakten passt, weil ich einfach die Zeit nicht zumüllen wollte. Und das ging den anderen sicher auch so.

Also mein Tipp: Selber spielen bevor man "nicht wegzudiskutierende Nachteile" eines Spiels beschreibt, dass man nur aus dem Internet-Log eine Erstlingsgruppe kennt. Oder wie weise Leute sagen: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten." (wünschte, ich würde das selber mal berücksichtigen...) Gelle? ;)
« Letzte Änderung: 16.11.2004 | 11:28 von Fredi der Elch »
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Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

Miriamele

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #22 am: 16.11.2004 | 12:58 »
Ja los, peitscht mich! ;D

Na gut, die Vorbereitung könnte man nutzen, um den Charakteren von Anfang an mehr Profil zu verleihen. Das hatte ich nicht bedacht.

@ Plot vs. Charaktere: Beides ist wichtig, würde ich mal sagen. Mal kann es funktionieren, die interessantesten und abgefahrensten Dinge einem total langweiligen Charakter passieren zu lassen. Aber in der Regel wird die Geschichte durch komplexe, widersprüchliche Protagonisten wesentlich besser. IMHO.

Offline Schwules Lesbenpony

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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #23 am: 16.11.2004 | 13:01 »
@Gelasma:
Du übersiehst hier dass diese "Vorabsprachen" Teil des Spieles sind. Sprich wenn man beim "Vorabsprechen" die Geschichte erschafft ist das im Spiel geschehen - Director Stance lässt grüssen... >;D
Danke für den Hinweis. Du hast natürlich Recht: Alles was in Universalis irgendwie erschaffen wird - egal in welcher Phase des Spiels - gehört schon zum Spiel. Ich wollte nur etwas mehr Aufmerksamkeit auf die Vorbereitungsphase lenken, weil sie dafür genutzt werden kann, die hier genannten Probleme anzugehen.

Zitat
Das ist ja das spezielle an Universalis! Dort beginnt das Spiel vor diesem Punkt und die Spielmechanismen regeln bereits diese "Vorabsprache".
Auch hier wollte ich nur darauf hinaus, dass man sich in der Vorbereitungsphase solcher Dinge annehmen kann, die dann das Szenenspiel konsistenter machen können.

@Miriamele
Das mit der Prämisse hat Gelasma schon erklärt: Eine Fassung des Leitmotivs in Form einer Frage.
Warum denn eine Frage? In einem Roman wird das Leitmotiv in Form einer Aussage ausgedrückt, weil der ganze Roman ja so eine Art Aussage/Antwort bezüglich des Leitmotivs ist (Liebe ist stärker als Hass, Familie steht über allem, ...). Im Narr-Rollenspiel wollen wir nicht die Antwort/Aussage direkt haben, sonst wüsste ja jeder, worauf das Ganze hinaus läuft. Daher wird das Leitmotiv in Form einer Frage formuliert, die dann im Spiel bearbeitet werden soll. Im Spiel soll durch die Entscheidungen und Handlungen der Protagonisten die Frage beantwortet werden. [Hört sich komplizierter an, als es ist.]

Was die Konstanz in der Darstellung und Figurenkonsistenz angeht: Auch wenn Fredi das mal wieder "besonders charmant" ausgedrückt hat, gebe ich ihm inhaltlich Recht.
1. Vorbereitung: Wenn sich im klassischen RPG die Spieler schlecht vorbereiten, werden sie langweilige Figuren spielen. Wenn sich der SL schlecht vorbereitet, wirds auch wackelig. Dieselben Regeln gelten für Narr oder SL-lose Spiele oder Universalis, nur ist die Aufgabenverteilung anders.
2. IRC: Ich habe Universalis schon mehrfach live gespielt, und da sieht das wirklich anders aus. Es fehlt im IRC die Möglichkeit der Empathie. Wenn ich Leuten gegenüber sitze, kann ich an einem Blick, an einem Laut ausmachen, ob ich in die richtige Richtung gehe, oder ob ich gerade völlig ins Klo greife. Sprechen und Sehen funktionieren besser, umfangreicher und schneller als Tippen und Lesen.

Ich kann Dir nur empfehlen, das Spiel mal selber mit netten Leuten auszuprobieren. Für mich waren die Spiekonzepte von Universalis und dann auch im Folgenden von Narr anfangs sehr schwer zu verstehen, auch wenn sie mich gereizt haben. Nachdem ich sie nun mehrfach in der Anwendung ausprobiert habe, erscheinen sie mir völlig klar.
Ist wie normales Rollenspiel: Erklär es jemandem, der noch nie was davon gehört hat, aber Brettspiele kennt. Der wird das wahrscheinlich auch nicht kappieren, bis er's mal versucht hat.
Nicht weil die Dinge schwierig sind, wagen wir sie nicht,
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Re: Erfahrungsbericht: Universalis
« Antwort #24 am: 16.11.2004 | 13:05 »
Nachtrag: Der Plot entsteht durch interessante Entscheidungen der Protagonisten. Ohne Protagonisten kein Plot, aber interessante Charaktere machen noch keinen interessanten Plot.
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