Warum solche Spiele keine Regeln haben dürfen, weil sonst der klare Fokus auf die Story, durch Charakterelemente verwässert wird. Wenn ein Spieler von Hausdach zu Hausdach springen will, dann darf es an sich keine Regel geben mit der er eine Probe ablegen darf. In dem Moment werden die Regeln über die Story gestellt. Wenn ner nun die Probe versaut fällt der Charakter/Figur auf die Fresse und der "Bösewicht" tötet das Opfer und verschwindet. Der Spieler hat eigentlich geplant das Opfer in letzter Sekunde zu retten... der "Böswewicht" solllte trozdem entkommen. Das ganze ist als Beispiel zu sehen. Aber hier haben die Regeln klar den fokus auf die Story verwässert und die Spieler einschränkt. Das zum einen.
Die Regeln eines Erzählspiels dienen der Konstruktion einer Geschichte. Die Regeln eines Rollenspiels dienen der Konstruktion eines Charakters und seiner Fähigkeiten. In einem Rollenspiel erwarte ich, dass mein Charakter in dem von dir genannten Beispiel eine Art von probe macht, weil das Gelingen einer solchen Aktion außerhalb seiner Entscheidungsgewalt steht. So wie ein Olympia-Teilnehmer nicht einfach entscheidet, einen Weltrekord aufzustellen, sondern bestenfalls durch einen Test seiner Fähigkeiten versuchen kann, das zu tun, so kann ein Spieler im klassischen Rollenspiel nicht einfach entscheiden, dass sein Charakter den Sprung schafft. Wenn ein Spiel eine Regel hat, die eine Probe der Fertigkeit darstellt, dann ist es ein Rollenspiel. Wenn das Spiel hingegen eine Regel hat, nach der der Spieler das Gelingen des Sprungs als Plot-Element erkauft, dann ist es ein Erzählspiel.
Zum anderen mir will immer noch nicht in den Kopf, das bei dieser Art von Spiel kein Rollenspiel betrieben wird.
Heißt das die Figuren stehen die ganze Zeit stumm in der Gegend rum und interagieren mit keiner anderen Figur???
Kann ich mir nur sehr schwer vorstellen.
Das hast du missverstanden. In einem klassischen Rollenspiel hast du eine Gruppe von Charakteren (nennen wir sie 'fünf Freunde'), und jeder der Spieler spielt exakt einen dieser Charaktere und nichts sonst. In einem reinen Erzählspiel könnte es dieselbe Gruppe von Charakteren geben, aber sie sind Gemeingut und werden vonn allen gemeinsam geführt - nach dem Motto 'lasst uns heute die Geschichte erzählen, wie die fünf Freunde den großen Cthulhu besiegt haben'. Dann erkaufen sich die Spieler reihum das Recht, die Geschichte fortzuspinnen, und erschaffen so gemeinsam eine Geschichte, ohne dass dem einzelnen Spieler ein Charakter zugeordnet wäre.
Im Rückblick kann die Handlung, die sich so ergibt, in beiden Fällen durchaus dieselbe sein. Im Fall des Rollenspiels kannst du als Spieler auf den Einfluss deines Charakters zurückblicken, der teilweise zu dem Ergebnis geführt hat, beim Erzählspiel kannst du auf die von dir eingebrachten Plot-Elemente zurückblicken, die teilweise zu dem Ergebnis geführt haben. Obwohl also die Handlung letztendlich dieselbe ist, sind die Mechanismen, die zu diesem Ergebnis geführt haben, grundverschieden - mehr noch, als wäre es nur der Unterschied zwischen einem Würfelsystem und einem Kartensystem z.B. Deshalb finde ich, dass es zwei Begriffe geben sollte.
Dass praktisch alle genannten Spiele noch keine reinen Erzählspiele sind, liegt daran, dass die Trennung noch nicht vollständig vollzogen wurde. Als D&D anfing, hat man sich auch nicht aus den Höhlen rausgetraut, weil die Offenheit außerhalb eines Gangsystems irgendwie unheimlich erschien - wie kann ich die Spieler bei der Stange halten, wenn sie wirklich alle Optionen haben? Von einem Überhang an Kampffertigkeiten entwickelte sich das Rollenspiel zu einer ganzheitlicheren Darstellung der Charaktere. Jetzt gibt es eben eine Entwicklung weg vom Charakter und hin zum Plot-Element als dem primären Vehikel für das Spiel. Wenn es jetzt noch keine Spiele geben sollte, die diese Entwicklung vollständig vollzogen haben, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit.
Robin