Ah, gut dass du das schreibst, Leonie. Ich glaube, du hast bis zu einem gewissen Grad recht, aber aber ich sehe grade dadurch das paradoxerweise befreiende des Archetyps: Sie ist als Pornodarstellerin Opfer und Projektionsfläche männlicher Fantasien und Machtverhältnisse, aber sie kehrt dieses Verhältnis um, indem sie aus dieser Position heraus die Macht manipuliert, Indem sie alle männlichen Sexismen verkörpert, kann sie mit ihnen arbeiten, und gewinnt so durch die totale Macht durch totale Unterwerfung.
Deshalb erscheint sie auch so schillernd: Eben weil die patriarchale Ordnung Frauen in so vielfältige Korsetts gesteckt hat (femme fatale, Gummipuppe, ewig williges Lustobjekt, unerreichbare Schöne, auch das sexuell freizügige und selbstwusste Gegenüber), und das kollektive Unterbewusstsein hier so wandelbar ist. Wie schon Simone de Beauvoir wusste, sind Frauen im Patriarchat immer nur das, was der Mann nicht ist.
Die fliegende Frau versucht, ausserhalb dieser Ordnung zu stehen, und ein Anderes zu erschaffen, das sich nicht auf den Mann bezieht. Die Nackte Göttin versucht, das System mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen.
Sie ist nicht fassbar, weil sie immer genau das ist, was DU willst, sie zieht sich sozusagen DEIN bevorzugtes geistiges Fetischoutfit an - aber letztendlich zu ihren Bedingungen.
Ich finde, deshalb ist die Naked Godess auch das Paradebeispiel eines Archetyps, weil nirgendwo sonst so deutlich wird, wie sehr ein Archetyp und diejenigen, die ihn aus ihrem Unterbewusstsein erschaffen, miteinander verknüpft sind. Weder sie hat die Macht, noch ihre Anhänger - die Macht entseht sozusagen zwischen ihnen.