Er begrüßte Andrei mit Handschlag, wie üblich.
Andrei schloß ihm den Wagen auf, daß Vadim seine Knarren und Halfter unterbringen konnte, dann drückte er ihm seine Trainingstasche gegen den Bauch. "Ich hab dir nen neuen Gürtel besorgt", sagte Andrei und sah ihn an, lächelte.
"Ja, der andere war ziemlich durch."
Vadim beschlich immer wieder das Gefühl, daß Andrei auf kosmetische Chirurgie zurückgegriffen hatte, um "menschlicher" auszusehen. Also weniger wie ein Ork. Die kleinen Zähne gerichtet, die großen Zähne etwas abgeschliffen. Er war auf eine Art und Weise attraktiv, die einfach zu viele Klischees erfüllte, um echt zu sein.
Na gut, das hielt Andrei wohl auch über Wasser, es gab fast nichts, was der nicht machte, hatte angeblich als Animateur gearbeitet, im Eskort-Bereich (mit anderen Worten, er ging mit Leuten ins Bett), und als Fitness-Trainer - sein Traum war es, Schauspieler zu werden; mehr als ein paar Photo-Shootings waren aber noch nicht dabei rumgekommen, sonst wäre Vadim der erste gewesen, der es erfahren hätte.
Zu einem richtigen Verbrecher hatte Andrei nicht die Nerven, Vadim wußte, daß er schonmal gelegentlich kleinere Sachen für die Vory gemacht hatte, Kurierdienste, Schnüffelei, aber nie etwas Großes, nie etwas, wofür er eine Waffe gebraucht hätte. Er hatte mehr das Gefühl, daß Andrei mit dem Verbrechen flirtete, mit dem Image des großen bösen Russen, das irgendwie in Deutschland besonders gut funktionierte.
Sie trabten hinüber zu der abgehalfterten Werkshalle, über der zitronengelb das Schild "24-7--Fit!" leuchtete und sich drehte, als sei es ein UFO kurz vorm Abheben.
Witzigerweise hatte die Tatsache, daß da drin fast alle Burschen groß und böse waren, den Effekt, daß jeder sich um seinen eigenen Kram kümmerte. In den drei Monaten, in denen Vadim Mitglied war, hatte er erst eine Schlägerei gesehen, und die beiden Kontrahenten wurden ziemlich schnell von noch größeren stärkeren Jungs nach draußen getragen.
Der Geruch von Eisen, und vor allem nach Schweiß empfing ihn. Wofür Belüftung, wenn der Raum groß war. Die Oberlichter waren zwar auf, aber die Luft wollte sich nicht so richtig bewegen.
Er hatte immer einen Satz alter Sachen bei Andrei, weil er ihn meistens von zuhause abholte, um den faulen Sack zum Training zu schleifen. Umziehen, dann aufwärmen.
Das Laufband machte seltsame surrende Geräusche, aber das machte es schon ziemlich lange - Vadim rannte, bis sein Herz so hart pumpte, daß er es in den Schläfen spüren konnte, und dann rannte er noch etwas und hieb dann auf den roten "Aus" Knopf, sprang rechts und links neben das Band und griff nach dem Handtuch, wischte sich das Gesicht ab.
Andrei reichte ihm die Flasche. "Du bist irgendwie sauer, oder?"
Vadim trank und wischte sich den Mund ab. "Nicht ... richtig sauer. Wir ... hatten nur ... ein Meet; lief ganz ... okay." Anders als bei Iwan mußte er sich nicht rechtfertigen. Andrei hatte wohl auch oft genug Fensterkitt gefressen, um den Bauch irgendwie voll zu kriegen. "Ich meine, ich ... sollte mich daran ... gewöhnen, an diese... Arroganz."
Er hob die Schultern und legte den Gewichtheber-Gürtel an. Nett - irgendein plastikartiges Zeug, das sich ihm angenehm fest um die Taille legte. Er ging hinüber zu den Gewichtbänken, legte sich das Handtuch um den Nacken. "Shadowrunner. Du weißt schon: "Meiner ist größer als deiner." Das Pack." Er seufzte, legte sich die Scheiben auf die Langhantel, schob die Sicherungsklammer dazu. "Du zuerst?"
Andrei schob die Lippen vor. Das >Schmollgesicht<. "Ich glaube, du brauchst es dringender, mein Lieber."
Vadim legte sich auf die Bank, zog die Handschuhe fest und prüfte das Gewicht kurz. Oh ja. Genau, was er gebraucht hatte. Die Pecs aufzupumpen war eine gute Alternative dazu, jemandem die Fresse zu polieren. Hinterließ dasselbe angenehme Brennen und das Gefühl, was geschafft zu haben.
Er legte das Gewicht ab, Andreis Hände waren auf der Hantel und halfen etwas auf den letzten Zentimetern. "Jaroslav Weizmann. So|n Kittel, der einigen Russen abhanden gekommen ist. AG Chemie. Wäre nicht schlecht, wenn sich was rauskriegen ließe. Nur, damit ich meinen Job besser machen kann. Ich weiß gern, warum ich mir Kugeln fange." Er blickte hoch, suchte Andreis Blick.