Es ging mir nicht um akademische Beschäftigung mit dem Rollenspiel. Ich wollte nur aufzeigen, dass die typisch deutsche Art, Kunst mit inhaltlichem Wert gleichzusetzen, bedeutet, dass etwas Unkünstlerisches, Triviales, Unterhaltsames nicht mit einer Theorie bedacht wird. Man wehrt sich sogar dagegen und betrachtet es als Vorwurf, wenn etwas als Kunst bezeichnet wird, weil man es ja weiterhin 'nur' als Unterhaltungsmittel benutzen will.
Die Beschäftigung mit der Theorie macht einen noch nicht zum Praktiker. Du kannst dein Leben lang Philosophie studieren, aber das heißt nicht, dass du jemals einen originellen Gedanken haben wirst. Du kannst der Meister aller Literaturwissenschaftler sein, aber das heißt nicht, dass du auch nur einen Funken schriftstellerisches Talent hast. Umgekehrt brauchst du keinerlei theoretisches Wissen, um Talent zu haben und zu nutzen.
Was ich sagen wollte, ist, dass auf der Basis deutscher Denke die Bereitschaft zu theoretischer Auseinandersetzung mit dem Phänomen 'Rollenspiel' geringer ist, weil man es damit aus dem Bereich 'Unterhaltung und Spiel', wo man es haben will, auf das Podest 'Kunst' hebt, wo es nicht mehr unterhaltsam sein darf und keinen Spaß mehr machen darf. Wir haben doch alle in der Schule die Erfahrung gemacht, dass etwas, das man vielleicht sogar ganz gern gelesen hat, durch theoretische Analyse 'zerredet' wurde. Wir haben gelernt, dass alles interpretiert werden muss, und zwar nach Möglichkeit so, wie es der Lehrer tut. Im Grunde dürfte es für viele so sein, dass sie Interpretation jeder Art scheuen wie der Teufel das Weihwasser, weil dabei nichts Gutes herumkommt. Aber Theoriebildung ist Interpretation.
Um den Kontrast zu verdeutlichen: während meines Literaturstudiums hatte ich ein Seminar in der Germanistik zum Thema 'Trivialliteratur' (ein Begriff, der so wertend nur in der deutschen Literaturwissenschaft existiert). Von vornherein wurde deutlich, dass es sich um minderwertige Literatur für die Masse handelt, die aus niederen Beweggründen mit niederer stilistischer Kunstfertigkeit usw. geschrieben wurde. Praktisch alles, was man gerne liest, wurde unter diesem Begriff eingeordnet.
In der Anglistik hingegen gab es z.B. konstruktive Seminare zum Thema Cyberpunk, Krimi usw. Ein neueres Buch zur amerikanischen Literaturwissenschaft erwähnt mit einigem Detail Cyberpunk, Stephen King, Comics usw.; deutsche Bücher zur deutschen Literaturwissenschaft haben Mühe, sich überhaupt von lange toten Autoren zu lösen und zählen bestenfalls lebende Autoren, die Reich-Ranicki gefallen, listenartig auf. Da wird vielleicht ein Günter Grass erwähnt, weil man ihn schlecht ignorieren kann, aber niemals würde ein Konsalik oder ein Hohlbein auch nur eines Blickes gewürdigt.
Das deutsche Denken hat da m.E. ein gewaltiges Defizit.
Robin