Hallo liebe Grofafos,
nach vielen Jahren Rollenspiel und unzähligen Irrwegen über verschiedene Regelsysteme bin auch ich irgendwann bei meiner (wie häufig bei alten Hasen) sehr einfachen Version eines "optimalen" Regelsystems angelangt. Es juckt mir in den Fingern, dieses System auch mal anderen Rollenspielern zu erklären und ich würde mich sehr freuen, wenn eine kleine Diskussion daraus entsteht. Ein paar Worte vorweg: Ich habe eigentlich immer recht komplexe Systeme gespielt (vor allem DSA 3) und war damit auch lange Zeit glücklich, bis es mir irgendwann zu blöd wurde, dass gerade spannende Spielsituationen nicht ausgespielt, sondern ausgewürfelt und nur mit ein paar Randbemerkungen erklärt wurden. Ich will ein System, das Spieler und Spielleiter dazu zwingt, ihre Handlungen auszuspielen. Natürlich geht das generell in allen Systemen. Ich möchte D&D-Spielern nicht absprechen, dass sie in ihrem System gutes Rollenspiel fabrizieren. Allerding möchte ich behaupten, dass komplexe Systeme mit unzähligen Werten, Tabellen, Würfeln etc. eines Ausspielens nicht gerade förderlich sind. So sehr man auch versucht, ein guter Spielleiter zu sein, ein komplexes System nimmt doch zu viel Platz in Kopf und zu viel Verwaltungszeit während des Spielens ein und substituiert schnell das eigentliche Erzählen. Natürlich werden jetzt Leute schreien: "Wir haben komplexe Regeln, weil wir viel Realismus in unserem Spiel wollen". Ich möchte bezweifeln, dass das eine das andere bedingt. Ein Regelwerk kann nie so realistisch sein, wie die Fantasie und Interpretationskraft von Spielern und Spielleitern. Und ich möchte keine tausend Spezialregeln für "Lesen bei schwachem Licht", "Maximale Fortbewegungsrate bei sumpfigen Untergrund" und "Kämpfe unter Wasser". Man kann schlicht nicht alles regeln und spassig ist es meiner Meinung nach auch nicht.
Lange Rede kurzer Sinn. Ich praktiziere seit kurzer Zeit das folgende System: Die Spielercharakter bestehen lediglich aus einer Beschreibung (Aussehen, Herkunft, Ausbildung etc.), also so einer Art ausführlichen Hintergrundgeschichte. Was ein Charakter kann / weiss usw. ergibt sich aus dieser Hintergrundgeschichte. Ich gehe also davon aus, dass ein gelernter Schmied relativ kräftig ist, auch wenn das in der Hintergrundgeschichte nicht explizit erwähnt ist, oder, dass ein Krieger auch etwas von Waffenpflege und Kriegstaktig versteht, ohne das dafür irgendwelche Talente mit Werten aufgeschrieben werden müssen. Während des Spielens lege ich die Hintergrundgeschichte der Charaktere also danach aus, ob jemand etwas bestimmtes kann oder jemand bestimmten kennt, etc. Zunächst also ganz deterministisch. Und damit etwas langweilig. Es fehlt noch ein kleines Zufallselement.
Als Zufallselement könnte man nun alles möglich verwenden. Man könnte sagen, dass in ganz kritischen Situationen ein Würfel geworfen werden muss und der Spielleiter in Abhängigkeit von der Schwierigkeit und der Hintergrundgeschichte des Charakters einen Probenwert vorgibt. Mache ich aber noch etwas anders. Auf dem Spieltisch liegen fünf Kartenstapel. In jedem der Kartenstapel befinden sich fünf Arten von Karten mit unterschiedlichen Symbolen: Eine Karte repräsentiert eine Art "Exzellente Aktion", eine zweite eine "geglückte Aktion", eine dritte eine "weder geglückte noch missglückte Aktion", eine eine "missglückte Aktion" und die letzte Kartenart einen "Patzer". Die Symbole auf den Karten wähle ich passend zum Setting, also zum Beispiel mystische oder magische Zeichen bei Fantasyrollenspielen. Die Kartenarten sind in den fünf Stapeln nun aber unterschiedlich verteilt. Während in dem ganz linken Kartenstapel sehr viele gute und nur wenig schlechte Karten vorhanden sind, befinden sich in dem ganz rechten fast nur missglückte Aktionen und Patzer. Je nach dem, welcher Charakter was versucht, entscheide ich (eventuell zusammen mit anderen Spielern) von welchem Stapel der Spieler des Charakters eine Karte ziehen soll. Die Aktion wird dann in diese Richtung interpretiert.
Jetzt werden natürlich einige Leute sagen: zu wenig Realismus. Aber ich will gleich widersprechen. Ich halte das System für extrem realistisch, da es - wie oben angedeutet - zunächst sehr deterministisch ist. Der Spielleiter interpretiert sämtliche Variablen, die auf den Ausgang einer Aktion Einfluss nehmen könnten und bestimmt danach die "Wahrscheinlichkeit" für einen guten / schlechten Ausgang, indem er den Stapel vorgibt, von dem gezogen werden soll. Ist ein Charakter schwer verletzt, so sollte es ihm schwerer fallen, eine Tür einzutreten. Wenn der Spielleiter die Situation über einen Zufallsmechanismus entscheiden will, berücksichtigt er diesen Umstand einfach bei der Wahl des Kartenstapels. Komplexe Systeme können allein von ihrer Anlage her nicht alles berücksichtigen. Ein guter Spielleiter mit gesundem Menschenverstand schon.
Also gut. Ich würd jetzt gern eure Meinungen hören. Habt ihr auch schon mit solch einfachen und wertefreien Systemen gespielt? Was haltet ihr davon, dem Spielleiter so viel Verantwortung zu übertragen?