Stimmt, geb ich dir Recht. Nur bezweifle ich eben, dass Menschen, selbst wenn sie jemanden im Kampf und in Notwehr erschießen, keinerlei Probleme damit haben werden.
Oh, das bezweifle ich auch. Und selbst wenn es so wäre, würde ich trotzdem nicht kategorisch davon ausgehen. Dafür sind die Bewältigungsmechanismen viel zu interessant.
Ex-Militärs beispielsweise haben ja durchaus schonmal Tötungserfahrung, und wurden diesbezüglich auch schon in gewissen Maßen psychologisch betreut und indoktriniert. Sie würden dann vermutlich am ehesten versuchen, Getötete in ihr Feind-Schema zu pressen, und falls das nicht klappt, eben in Richtung Selbsterhaltungstrieb ausweichen.
Haben wir auf der anderen Seite beispielsweise einen Ganger, so würde er seine Rechtfertigung wohl stark an der Art seines Gegners festmachen. Den anderen Ganger hat er abgeknallt, weil der seinen Gangkumpel krankenhausreif geschlagen hat. Den Cop hat er umgenietet, weil er das marodierende Fußvolk von diesem Drecks Fascho-Staat ist. Und den Runner hat er umgelegt, weil er ihn auf seinem eigenen Turf dumm angemacht hat, und er sich das nicht bieten lassen konnte.
Würde das Privatleben schon auch ausspielen lassen. Nur eben nicht einen ganzen Abend lang. Und klar kann man auch das Privatleben spannend gestalten. Das ginge dann aber für mich schon eher wieder in Richtung Abenteuer, dann halt mal kein Run.
*shrugs* Die Übergänge sind da fließend. Damit es ein echtes (Nicht-Solo-)Abenteuer werden kann, muss man aber meist einen Weg finden, den Rest der Gruppe einzubinden. Das geht, aber erfordert Vorbereitung, die schon bei der Charaktererschaffung beginnt. Runner sind ja ein paranoides Völkchen, und beziehen nicht mal eben jeden in ihr Privatleben ein. Da ist es dann hilfreich wenn die Runner untereinander verwandt sind, oder sich von früher kennen. Oder gemeinsame Bekannte haben. Die Vampirjägerin in meiner letzten Runde war beispielsweise mit der Deckerconnection meines Schamanen liiert; damit hatte der Decker quasi die Funktion eines Mittlers, und hat geholfen ein besseres, vertrauensvolleres Verhältnis aufzubauen.
Welche SR Gruppe macht das? Hat man während einem Run wirklich die Zeit, drauf zu achten niemanden zu erschießen, wenn es hart auf hart kommt? Hab in einigen Gruppen gespielt, wurde nie groß drauf geachtet.
Bei mir war das öfters mal der Fall. Aber nicht "während des Runs" und "wenn es hart auf hart kommt", sondern in der Planungsphase. Da hat man dann klar festgelegt, was man an Bewaffnung mit sich herumträgt, und wie die Notfallpläne aussehen.
Ich hatte auch meist (und bin selbst so einer) SLs, die die Reaktionen der Welt gut ausgespielt haben. Wer ständig Leute umbringt, hat bald eine eigene SoKo am Hals, und am Sonntagmorgen ein SWAT-Team zu Besuch. Johnsons heuern einen nur noch für Wetwork-Aufträge an, und der Schieber will nicht mehr von einem wissen, oder verlangt völlig überhöhte Preise, weil die Chars zu viel Wind machen, und Aufmerksamkeit auf ihn lenken könnten. Und dann gibt's natürlich noch die Freunde und Verwandten der Toten. Nur einmal in einer Bar mit einer MP herumballern, und man hat Feinde für eine ganze Horde Chars. Und wenn die Bar dann noch der Mafia gehört, dann hat an richtige Probleme. Wenn die Welt mal auf die Aktionen der Charaktere reagiert, dann gehen sie auch von sich aus viel überlegter und unblutiger vor.
Oder es führt dazu, jemanden mit einem Messer gleich umzunieten, weil ist ja gefährlich.
Sofern ich dem Messerträger keine suzidialen Gedanken unterstelle, muss ich das gar nicht. Immerhin hab ich eine Schusswaffe, und er hat ein Messer. Sobald die Distanz zwischen uns mehr als ein paar Meter beträgt, wird er wohl der Aufforderung nachkommen, das Messer fallenzulassen.
Gerade deshalb würde ich als Runner auf Nummer sicher gehen und die Gegner umnieten, weil ich sonst eventuell verletzt werde, was ich auf keinen Fall riskieren will.
Wer verletzt am Boden liegt, konzentriert sich für gewöhnlich eher darauf, sich in Sicherheit zu bringen, oder zumindest still und leise den Rest der Schlacht zu überstehen. Naja, es sei denn wir reden hier von Elitetruppen. Aber meistens reduziert sich das Interesse an den Gegnern enorm, wenn man erstmal eine heftige Verletzung eingefangen hat.
Allles, was ich sagen will, ist, dass Runner zu großer Wahrscheinlich dazu neigen keine normale Familie mehr zu haben, weil ihnen ihr Leben das nicht gestattet.
Ja! Das kann ja auch so sein. Laut einem Spiegel-Artikel zum KSK liegt die Scheidungsrate der Mitglieder so bei mindestens 50% IIRC. Es hat ja auch keiner gesagt, es wäre leicht. Aber das hindert die wenigsten Menschen daran, es zu versuchen. Und wenn sie dabei scheitern... tja, das ist Pech. Aber für die Story ist das letztendlich interessanter, als wenn sie es nie versucht hätten.
Laut Regelwerk (definitiv SR3, bei SR4 weiss ich's nicht) schont man sich ja gegenseitig (Ne Truppe, die Gel-Muni verwendet, wird, falls sie ertappt werden, auch am Leben gelassen - bei toedlicher Gewalt bekommen sie ne Kugel in den Kopf). Ich halte das fuer teilweise, sagen wir, schwierig. Aber ich bin auch sehr von Cyberpunk 2020 gepraegt.
Na, solche Pauschalisierungen finde ich auch etwas unsinnig. Aber die Begleitumstände einer Tat sind natürlich wichtig. Kommen wir mal mit einem etwas extremen Beispiel. Sagen wir mal, du bist irgendwo eingebrochen, hast einen Familienvater mit einem Elektroschocker ausgeschaltet und den Haussafe ausgeräumt. Egal wie man es dreht, das sind gleich mehrere Verbrechen. Aber sowohl für das Gericht als auch deine Mithäftlinge macht es einen Unterschied, ob du anschließend noch seine Frau erschossen, seine Tochter vergewaltigt und seinen Hund in Brand gesetzt hast.
Runner sind Verbrecher, aber Verbrecher sind auch nur Menschen. Und das weiß auch jeder Richter, jeder Polizist und jeder Profiler. Wenn man so Jemanden erwischt hat, dann blickt man nicht bloß darauf, was er gerade eben getan hat, und was er in seine Waffen geladen hat, sondern auch wie er sonst drauf ist, und was er in seiner Vergangenheit schon so getan hat.
Ich persoenlich verwende immer Sachen/Erfahrungen/Berichte aus dem Militaer. Wenn so ein Kommando-Soldat (sagen wir: SAS) den Befehl bekommt, sagt er zu seiner Frau/LAG/Freundin: "Tschuess, Schatz, ich bin jetzt ein paar Wochen weg." Die Frauen wissen nichts ueber die Einsaetze, und duerfen sie auch nicht. Schon zu ihrer eigenen Sicherheit.
Naja, der Vergleich ist nett aber auch nur begrenzt anwendbar. Bei Scheidungen von Soldaten ist der Hauptgrund meist entweder die veränderte Mentalität oder die lange Abwesenheit (bei Spezialeinheiten und Schiffsbesatzungen oft der Fall). Das dürfte einen Shadowrunner nicht so sehr betreffen, selbst wenn er öfter mal international arbeitet. Identitäts- und Wohnortwechsel dürften da schon schwerer wiegen. Die Tatsache, dass sie Verbrecher sind... naja, viele Verbrecher haben auch Kontakt zur Familie und leben in Beziehungen... es gibt ja sogar Frauen, die Brief-Verhältnisse mit Gefängnisinsassen beginnen. Und natürlich gibt es auch mehr als genug weibliche Verbrecher, oder einfach nur Frauen, die weit genug unten sind, dass sie der Legalitäts-Kram eh nicht mehr interessiert.
Da wird vermutlich die Gefährlichkeit des Berufs der gröbste Beziehungskiller sein. Nicht unbedingt weil man andere da mit reinzieht - die Gefahr kann man minimieren, wenn man intelligent arbeitet - aber wenn man selbst mal angeschossen nach Hause kommt, dürfte das Geschrei groß sein.
Klar, wenn man enttarnt wird und der Kon Zugriff auf die Familie bekommt, das ist bitter.
Naja, Konzerne sind auch nicht die SS oder die League of Evil. Ein Runner muss schon eine riesige Menge Scheiße gebaut haben, wenn ein Konzern zu solchen mittel greift.
Nicht zuletzt zeigt die Menge an Privatleben auch, wieviel man noch "(Meta-)Mensch" ist und ueberhaupt noch "dazugehoert". Auf der anderen Seite spiele ich SR reht duester, das heisst, hohe Scheidungsraten, galoppierender Egoismus, und alles ist beliebig und oberflaechlich. "Familie" ist da ganz sicher nicht zu idyllisch, wie "heute" - ich konzentriere mich dann eher auf die dunkle Seite, das beliebige und das fiese - oder das voellig beliebige.
Himmel, ja! Warum auch nicht? Was ist an einer Happy-Sunshine-Familie denn auch interessant? Konfilktpotential ist wichtig und macht die Sache spannend. Tochter nimmt Drogen, Sohn tritt einer Gang bei, Vater hat Schulden, und so weiter. Alles klasse Stoff für Runs in Eigenregie (selbst wenn es nur Soloruns werden). Wie gesagt, es ist interessanter, das Scheitern zu beobachten, und vielleicht weitere Versuche, als wenn es gar nicht erst versucht wird. Und wenn es irgendwann mal klappt, dann verdeutlicht das nur, dass solche Dinge nicht selbstverständlich sind, und man dafür kämpfen muss.