Doch wenn man nur Behauptungen in den Raum stellt, ist es unheimlich schwer, diese kritisch zu hinterfragen.
Lustig. Und ich hab immer gedacht, wenn jemand nur Behauptungen in den Raum stellt ohne denen ein argumentatives Gerüst mitzugeben, dann sind sie um so leichter als Humbug zu enttarnen. Natürlich fällt es dann schwer, sie streng logisch zu widerlegen - aber
belegen lassen sie sich nunmal auch nicht, was dem ganzen doch deutlich an GLaubwürdigkeit nimmt.
Das gilt vor allem, wenn Modelle aufgestellt werden, zu denen man noch nicht einmal ein Modellrahmen bzw. Modellannahmen konstruiert. Der dann damit verbundene Allgemeingültigkeitsanspruch ist so nicht zu halten. Und wenn er nicht explizit gemacht wird, dann wird er dadurch implizit geäußert. Folglich ist die Auseinandersetzung geprägt von persönlichen Werturteilen. Und damit ist die Auseinandersetzung unproduktiv, weil jeder seine Meinung abgibt, sich aber gleichzeitig dahinter verschanzen kann (= unangreifbar) - womit ich wieder bei Wjassulas Anfangsbeitrag bin.
Diese Problematik hast Du aber auch bei hieb- und stichfest formulierten und experimentell untermauerten Theorien. Wer sie nicht glauben will, der glaubt's auch nicht. Daran sind nicht die Modelle/Theorien, die hier meist Gegenstand der Diskussion sind schuld. Bei diesen fällt es natürlich leichter, sich hinter seiner Meinung zu verschanzen, weil es eben keine Datenbasis gibt und weil in dem Bereich eben furchtbar viel vpn der eigenen Interpretation abhängt.
Das bedeutet, dass die sogenannten Theorien selbst wohl mit ihrem Niveau für die polarisierende Diskussion - und damit für die unproduktive Reflektion - verantwortlich sind. Entsprechend müsste das Niveau der Theorie angehoben werden.
Ich würde gerne mal erfahren, was Du unter dem "Niveau" einer Theorie verstehst.
Im Naturwissenschaftlichen Sprachgebrauch ist eine Theorie ein Gedankengerüst, daß zum einen bestehende Phänomene erklärt und Vorhersagen erlaubt. Je genauer sie beides ermöglicht, desto besser. Ich denke, in den Geisteswissenschaften ist der Theoriebegriff ähnlich gefasst - aber was man unter Niveau verstehen soll ist mir schleierhaft.
Das kann durchaus zur Folge haben, dass sie etwas "fremder" wirkt
Ist Niveau bei einer Theorie also ein Maß dafür, wie schwer verständlich sie ist? Nein, nicht zwangsläufig. Nein, sogar im Gegenteil. Die Kunst ist es ja, einen Sachverhalt in Kürze darstellen und fassbar machen zu können (ok - es hängt auch von Sujet ab; manches lässt sich nicht ganz simpel erklären). Allerdings braucht man zum Verständnis immer auch ein gewisses Hintergrundwissen, ohne das nun mal nichts läuft.
Einschränkung zu dieser Aussage: Der Gegenstand der Theorie (manches Lässt sich nicht einfach erklären) und der "Detailgrad" der Erklärung (wenn man alles zu 100% mit reinnehmen will, dann kann man nun mal nicht sehr vereinfachen).
Zu einer sinnvollen Diskussion gehört aber trotzdem immer ein gewisses Hintergrundwissen:
Ich (und andere sicher auch) verlangen aber schon, dass jemand sich erst mit der Theorie beschäftigt, bevor er sie in Grund und Bode kritisiert. Ich verlange also ein bestimmtes inhaltliches Niveau der Kritik, bevor ich mich sinnvoll damit auseinandersetzen kann.
Das ist vollkommen richtig. Ich kriege jedesmal die Krätze, wenn ich irgendwo wieder lese "Einstein hat sich geirrt - Relativitätstheorie ist falsch". Nein, die ist nicht "falsch". Es gibt einfach nur extreme Umgebungsbereiche, wo sie nicht greift. Newton ist ebensowenig "falsch", und das zu behaupten käme auch niemand in den Sinn - in allen Fällen, die in unserer normalen Umgebung vorkommen, genügen seine GLeichungen vollauf - nur wenn man nahe an die Lichtgeschwindigkeit kommt, eben nicht mehr - dann greift Einstein.
Aber ich schweife ab.
Leute die schreiben "Relativitätstheorie ist falsch" haben sie höchstwahrscheinlich nicht verstanden (oder wollen nur ein paar Exemplare mehr ihres "interessanten Magazins" verkaufen). Leute die Relativitätstheorie mit den Worten "alles ist Relativ" erklären haben sie
mit Sicherheit nicht verstanden. Aber jeder Depp redet drüber und tut so, als wüßte er Bescheid (für`s Protokoll: Ich hab wenigstens die spezielle verstanden, die Allgemeine einigermaßen von den Implikationen her - die Mathematik der Allgemeinen lass ich mal außen vor - die werde ich NIE verstehen).
Und was will ich mit dem ganzen Sermon sagen?
Ganz einfach: Fredi hat recht.
Wenn man sich mit einer Theorie nicht auseinandergesetzt hat,
wirklich auseinandergesetzt, sie gelesen, überdacht, verschiedene Interpretationsansätze gehört, diese überdacht, Fallbeispiele gelesen/gesehen und wieder überdacht hat, kann man keine fundierte Kritik an eben dieser Theorie üben.
Das ist, als würde die Bildzeitung titeln "Einstein hatte Unrecht".
Also sollte man, wenn man keine Ahnung von der Theorie vom Fachvokabular, vom gesamten Unterbau hat, nicht in einen Thread spazieren, der im Theoriechannel liegt und auch noch entsprechend betitelt ist, und sich wundern, daß man nichts versteht. Man kauft sich ja auch nicht das "American Journal of Physics" und schreibt dann Leserbriefe, weil es so unverständlich ist und die Physikkentnisse der 8. Klasse nicht ausreichen um mitzukommen.
Daß Sachverhalte auch einfach und verständlich ausgedrückt werden können ist allerdings auch eine Tatsache. Dazu sollte man vielleicht einen eigenen Bereich einreichten oder die Threads entsprechend kennzeichnen - Vorschläge wurden da ja schon gemacht. Allerdings sollten sich die Leser immer im klaren sein, daß bei einer vereinfachten Darstellung einer Sache immer etwas von Ihrer Substanz verloren geht.
Wie bei Einstein: Ich kann die spezielle Relativitätstheorie darauf reduzieren: Je schneller die Bewegung, desto schwerer der Körper und desto langsamer die Zeit und desto kleiner/kürzer der bewegte Körper; schneller als Lichtgeschwindigkeit geht nicht; bei Lichtgeschwindigkeit wäre die Masse unendlich.
Das ist zwar der Kern, aber bei weitem nicht alles. Aber wenn ich es genauer erklären wollte, würde es kompliziert.
Puh, zu viele Beispiele, langer Text.
Was ich sagen will:
Wer wirklich mitdiskutieren will, sollte sich wenigstens ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt haben.
Es sollte ein Bereich "Theorie für Laien" eingeführt werden (um den Begriff "Dummies" zu vermeiden).
Die Laien sollten sich im klaren sein, daß vereinfachte Erklärungen eben vereinfachen und nicht zu 100% alles darstellen.
Man sollte akzeptieren, daß es nur
Theorien sind - keine unumstößlichen Wahrheiten, schon gar keine
absoluten Wahrheiten und ganz sicher nicht der Weisheit letzter Schluß. Und wenn das beide Seiten akzeptieren, dann dürfte das Klima deutlich besser werden.
Edit: Formulierung, Rechtschreibung, Formatierung.