@ Fredi:
Gut, dann mache ich das mal ganz „einfach“ und bleibe bei Deinem Beispiel.
1) Die Rollenspielgruppe kommt zusammen und ist erstmal basisdemokratisch. Das nennen die GR Anbahnungsphase – die kannst Du nach belieben noch weiter untergliedern. Dort wird u.a. geklärt, wie das Rollenspiel (Rollenspielphase) ablaufen soll. Das bezieht sich u.a. auch auf die
Gestaltungsrechte, d.h. darüber, wie entschieden wird – es wird ein Rahmen geschaffen.
2) Dann kommt es zum Rollenspiel - die Rollenspielphase. Diese spielt sich in dem vorher vereinbarten Rahmen ab.
3) Schlussendlich die Schlussphase – auch hier können noch weitere und feinere Abstufungen gefunden werden; und auch hier ist die Gruppe wieder basisdemokratisch.
Was ist nun das Problem? Du sagst, dass die Abstimmungsphase immer gelten würde. Die GR sagen, dass dies nur gilt, wenn dies auch so vorgesehen ist.
Angenommen, es wurde vereinbart, dass der Spielleiter das letzte Wort hat und die Spieler praktisch nur das Tun ihrer Charaktere bestimmen – etwaige strittige Situationen werden über den SL geregelt, also OHNE Spieler. Dann gilt das LP nur indirekt, weil die Spieler vorher darüber abgestimmt haben. Ist es so, dass vorher vereinbart wurde, dass die Spieler über
bestimmte Bereiche im Spiel bestimmen können („verwandte“ NSCs z.B.), dann gilt das LP auch nur eingeschränkt, weil es Bereiche gibt, die ggf. NUR vom SL bestimmt werden. Soll alles weiterhin basisdemokratisch geregelt werden, dann kann praktisch auf die Anbahnungsphase verzichtet werden – zumindest im Bezug auf die Verteilung von GR, denn es werden ja keine verteilt. Sie entfällt praktisch vollends, wenn nur „indirekt“ darüber abgestimmt wird, dass alles im Rollenspiel basisdemokratisch zu bewerkstelligen ist.
Damit bilden die GR den Rahmen, in dem das LP gelten
kann. Sie sehen auch vor, dass das LP nur eingeschränkt – auf bestimmte Bereiche – gelten kann.
Diese Demokratische Gruppe gibt sich dann Regeln, die die Macht AUF EINER TIEFEREN EBENE verteilen. Das meine ich die ganze Zeit mit den 2 Ebenen.
Insofern ist das vorher Geschriebene auch zu verstehen – in Phase 1 und 3 sind mit hoher Sicherheit basisdemokratische Gruppen anzutreffen. Für Phase zwei kann (!) das weiter gelten, muss es aber nicht – es kann dort etwas anderes vereinbart werden.
Und nun das Problem: Wenn ich für das Rollenspiel – Phase 2 – meine Gestaltungsrechte eingeschränkt habe, dann gilt in diesen Fällen eben keine Basisdemokratie mehr. Und genau in dem Punkt hattest Du bzgl. des LP immer widersprochen. Fredi, das LP ist nur dann der Fall, wenn ich vorher die Möglichkeit dazu geschaffen habe. Ansonsten gilt das LP nur beschränkt oder – im Extremfall – gar nicht.
Ich glaube, hier liegt (lag) auch das große Missverständnis.
Oder mal ganz ketzerisch:
Wickle mal ein Fussballspiel mit dem LP ab! – da wird Gottschalk mit seinen beanspruchten Sendezeiten richtig alt aussehen; die Diskussionen dürften übrigens auch interessanter sein als bei Blondienchen am Sonntag
Du fragst nun mit Recht, was das Besondere an dieser Sicht ist.
Erstmal ist es interessant zu sehen, dass der Entscheidungsprozess in verschiedene Teilbereiche untergliedert werden kann; das wird hier ganz bewusst gemacht. Mit der Einteilung der Gestaltungsrechte (indirekt/direkt; neutral usw.) kann weiterhin versucht werden, den Rollenspielprozess näher zu charakterisieren. Aus dem bisherigen Modell lassen sich daher verschiedene Dinge ableiten. Unter anderem ...
1) Ist es gut, sich vorher einen Kopf zu machen, wie das Rollenspiel aussehen soll.
2) Wenn es im Rollenspiel nicht richtig funktioniert, sollte auch auf die Verteilung der Gestaltungsrechte geachtet werden. Unter Umständen lässt sich mit einer Neuregelung etwas optimieren.
2a) Wenn auf Schnelligkeit und zu viel Diskussion verzichtet werden soll, dann kann dies mit der Übertragung von GR bewerkstelligt werden; damit geht die Einschränkung von GR bei einer Rollenspielpartei einher.
2b) Leidet der direkte Spielspaß, kann es vielleicht daran liegen, dass eine Partei zu viel Gestaltungsrechte besitzt. Eine Umverteilung könnte da ebenfalls Positives bewirken.
3) Langfristig geltende Regelungen (Hausregeln) sollten vorab geklärt werden. Werden kurzfristige und schnelle Lösungen erfordert, ist es besser, dies mit einem schnellen Entscheidungsmechanismus zu bewerkstelligen – im Extremfall mit einem Machtwort des Spielleiters. Durch den wiederkehrenden Zyklus der Verteilung von Gestaltungsrechten ist somit am Ende der Spielrunde (Schlussphase) die Möglichkeit gegeben, unliebsame Entscheidungen für das nächste Mal auszuschließen oder abzuändern. Die Spieler müssen also nicht fürchten, sich langfristig zu schaden.
4) Strittige Entscheidungen können durch die Verlagerung auf „neutrale Gestaltungsrechte“ (Rollenspielregeln) „akzeptabler“ gemacht werden. Die Entscheidung wird dann von einem „neutralen“ Mechanismus abhängig gemacht. Dieser Punkt könnte vorallem auch für „basisdemokratische“ Gruppen interessant sein; ein Lösungsansatz wäre, in solchen wirklich strittigen Fragen eine „50:50“- Schlichtungsregel zu vereinbaren.
5) Da sich die Gestaltungsrechte im Rollenspiel auf verschiedene Bereiche beziehen, können unzählige Nuancen in der Verteilung von Gestaltungsrechten vereinbart werden.
6) Das Problem von Charakterwissen und Spielerwissen, kann insofern ins Modell eingebracht werden, als dass diesbezüglich zwischen den Entscheidern Informationsasymmetrien bestehen. Man kann jetzt weiter fragen, wie diese eventuell abgebaut werden könnten; dies kann u.a. auch mit einer Neuausgestaltung von Gestaltungsrechten – hier insbesondere auf bestimmte Bereiche – versucht werden.
... etc.
Weiterführende Fragen könnten gerade auch an letzten Punkt anknüpfen: Wie ist die Wahrnehmung im Rollenspiel? Wie kann ich die positiv beeinflussen? ... etc. ...
All das ist mit Themen und Problemen verbunden, die durchaus auch sehr viel mit der Rollenspielpaxis zu tun haben. [Damit sind u.a. auch jene „Beispiele“ angesprochen, die ich oben meinte. Wie gezeigt, handelt es sich um ein weites Feld (!), was nach und nach abgebarbeitet werden kann (Fragen z.B. nach dem Spielleiter-Stil, nach optimalen Regeln oder einer "optimalen" Gruppe ...). Die aufgezeigten Dinge sind daher nur als „Ausblick“ zu verstehen und müssten bei Bedarf vertieft werden.]
-gruß,
Arbo
P.S.: Lieber Fredi, von Überlegenheit habe ich übrigens nichts geschrieben; ich würde mir diesen Begriff auch verbitten, weil mir nicht nach einer ideologisch geführten Debatte ist und ich Wert auf eine gepflegte Diskussionskultur lege. Außerdem habe ich auch nicht behauptet, dass diese Sicht die EINZIG richtige ist oder gar frei von Fehlern wäre. Diesen Eindruck würde ich erwecken, wenn ich von Überlegenheit schreiben würde.