Diese Frage bzw. Feststellung kam mir gestern, als ich mit meiner Freundin über unser aller Hobby redete. Sie ist absolute Nicht-Rollenspielerin und kann uns mit unserem "bescheuerten" Hobby auch nicht verstehen. Zwar lässt sie mich machen und unternimmt natürlich auch nichts dagegen, aber sie würde auch nie auf die Idee kommen, selbst mitzuspielen.
Gestern war es also mal wieder so weit: ich erzählte ihr wieder einmal über unser Hobby, versuchte ihr unser Interesse an einigen Beispielen näher zu bringen:
Rollenspiel...
- ist wie Theater ohne Publikum
- ist wie gemeinsam in einer Gruppe eine Geschichte zu erzählen oder ein Buch zu schreiben
- ist wie einen Film gucken, bei dem man selbst mitspielt und die Handlung beeinflussen kann.
Und genau der letzte Punkt war der Ausgangspunkt für die weitere Diskussion und meine Problematik:
Meine Freundin bemängelte, dass wenn wir Rollenspiele spielen, immer so unnatürliche, überirdische, und irgendwie nicht menschliche Dinge behandeln. Zunächst widersprach ich ihr. Wir spielen ja schließlich nicht nur StarWars oder sonstige Spiele mit Aliens. Doch je weiter ich meine bisherigen Rollenspielerfahrungen abklapperte, umso dringlicher sah ich, dass fast alle Rollenspiele sich mit Übernatürlichem, Außerirdischen und Nicht-Normalem befassen.
Das brachte mich zu der eigentlichen Frage, die auch Anlass für diesen Thread war: Warum brauchen wir im Rollenspiel so viel Widernatürliches wie Magie oder Außerirdische, während wir im Film eher selten darauf stoßen und normale Filme deswegen trotzdem toll finden??
Zur Erläuterung: Ich liebe z.B. den Film "Good Will Hunting". Aber ich könnte mir nie im Leben vorstellen, das als Rollenspiel aufzugreifen. Eher würz ich das ganze mit subtilem Horror á la Unknown Armies und *schwups* hab ich ein spannendes Setting.
Die Frage ist nun, weshalb man Filme wie "Good Will Hunting", die sich nur mit der profansten Welt beschäftigen, nicht als Konfliktbasis für Rollenspiele nimmt, sondern immer etwas absurdes mit reinbringen will.
Die einzige Lösung, die ich parat hatte, war die: Durch die Regeln des Rollenspiels, die Findungszeit und alle anderen Elemente, die das Spiel in ihrem Fluss bremsen, dehnt sich die Handlung. Sie wird länger und deshalb greifen wir auf spannendere Elemente, wie z.B. Übernatürliches zurück, um die Kurzweile zu erhalten.
In einem Film, der, wenn man ihn sieht, ja schon fertig ist. Alles ist im Prinzip schon "ausgewürfelt", die Handlungen wurden schon "erfunden". Deshalb kann man hier eine weniger "facettenreiche" Kulisse akzeptieren, weil die Kurzweile durch die gestraffte Handlung bzw. einfach die Zeit gewährleistet wird.
Kommen wir also zur Auflösung dieses Problems: Kann man die Gefahr der Langeweile umgehen, indem man auf möglichst viel Regelwerk verzichtet? Indem man nicht per Task Resolution, sondern Conflict Resolution Konflikte bewältigt? Damit man einfach "Zeit spart". Denn IMO wird nur so gewährleistet, dass trotz eines eher langweiligen Settings, die Gefahr der Langeweile gering bleibt.
Ich weiß, dass viele, die dies lesen, sagen werden: Mir gefallen übernatürliche Settings aber eh viel besser! Oder: Was soll dies alles? Hast du Langeweile, sowas aufzuschreiben?
Was ich damit versuche zu erreichen, ist das Bewusstsein zu schärfen und darauf aufmerksam zu machen, dass durch das Spieltempo, das von vielen Rollenspielsystem-Faktoren abhängt, auch die Notwendigkeit von Übernatürlichem in den Hintergrund gestellt wird.
Als Beispiel soll hier mal PtA dienen: Es hat super wenig Regeln und behandelt Konflikte nach dem Conflict Resolution Prinzip. Das fördert das Spieltempo ungemein. Der Spielfluss wird nicht durch lästige und bremsende Faktoren wie ein fettes Regelgerüst und kurzschrittige Konfliktbewältigung verlangsamt und unterbrochen.
Vielleicht wird das Rollenspiel durch die Vereinfachung von solchen Faktoren auch für Feinde von Aliens, Magie, Zwergen und allem anderen Widernatürlichem attraktiver. Und wer weiß, vielleicht kann ich dann sogar meine Freundin dazu bewegen, mal eine Session mit uns zu spielen...?
Es ist jetzt etwas lang und unübersichtlich geworden. Ich hoffe, ihr könnt trotzdem meinem Roten Faden folgen. Vielleicht ist es auch alles Blödsinn, selbstverständlich oder total überflüssig. Aber ICH fand das gestern sehr interessant und meine Freundin hat mir damit die Augen geöffnet.
Gruß
Alrik