Servus.
Habe mir die ersten 4 Seiten und die letzten zwei Seiten dieses Threads durchgelesen. Daher betrachte ich diesen Thread einfach mal als Ventil - aber nicht für mich. Mal schaun, ob ich bereits gesagtes wiederholen kann und vielleicht sogar ergänzen ...
Wenn ich für jeden in Gedanken ermordeten Spieler 'nen Oiro gekriegt hätte, ich wär' Millioinär!
Immer wieder gemachte Erfahrung: Spieler machen
NIE das, was man als Spielleiter annimmt. So verwinkelt kann man nicht denken, wie sich Spieler bisweilen verhalten können.
Oder vielmehr: So irre und verrückt und mit Null-Intelligenz kann man nicht gesegnet sein, um eine ansatzweise legendäre Prognose zu erstellen, was möglicherweise der Spieler X mutmaßlicherweise alles mit seinem Charakter in der und der Situation am wahrscheinlichsten unternehmen könnte. (Richtig gelesen! Na, Stabilitätscheck geschafft?)
Nicht mal bei einem simplen Charakterkonzept und einem immer wieder fast schon typischen Auftreten ist das möglich.
Ich habe lange gebraucht, diese Wahrheit nicht nur von der Ratio her zu rallen, sondern es auch schließlich in meine Planungen als Desillusion einfließen lassen.
Viele haben recht: Es ist extrem sinnvoll, wenn man als Spielleiter mit seinen Spielern wenigstens im Vorfeld abtastet, was man sich eigentlich vorstellt. Aber das Müsliriegel- und Kräuterteeauspacken in einer Encountergroup mal bei einer Spielsitzung: Das funzt net. Das hat eine kürzere Halbwertszeit als ein Wahlprogramm jeder x-beliebigen Partei. Und das will was heißen. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass noch die selbe Rollenspielsitzung mit der Encountergroup wirklich 'besser' verläuft.
Also: Im Vorfeld klären und im Zweifel es SEIN LASSEN! Das spart Nerven und erlaubt es jedem, seine Zeit spaßiger zu verbringen.
Jeder hat recht der sagt: Spieler nicht bestrafen. Das wär' extrem unsinnig. Es hilft niemandem. Es macht die Dinge nur unnötig kompliziert. Und der Frust steigt. Außerdem: Wo setzt man das Maß der Mittel an? Was, wenn die Strafe zu groß oder zu klein ist?
Fette Monster, immer extremere Begegnungen ... ? Neeneenee ... Das hilft nischt.
Und Spieler für ihr aktives Verhalten Maßregeln? Kurzer 4-Augenschnack, Spieler seine Sachen packen lassen und raus ... Kein Gruppenentscheid, ein Spielleiterentscheid.
Für mich ganz wichtig: Ein Spielleiter muss Fehler eingestehen können. Auch vor der Gruppe. Es hilft nichts, sich beharrlich an einer Regelanwendung festzubeißen, wenn offenkundig was anderes sinnvoll scheint. Es ist auch niemandem gedient, wenn der Spielleiter das Verhalten von Nichtspielerfiguren plötzlich umdeutet oder verändert, als es in der Vergangenheit tatsächlich der Fall ist. Das hat hier zwar eher wenig zu suchen; aber es spielt dann eine Rolle, wenn das dämliche Verhalten ganzer Spielgruppen sich daraus ergibt, weil der Spielleiter einfach ein konsequenter Trottel ist - überspitzt formuliert.
Wie es in den Wald schallt, so schallt es heraus. Und wenn der Spielleiter dann die Signale nicht versteht, dann bellt er entsprechend zurück, und die Sache verschärft sich unnötig. Also: Eigenreflektion, Eigenkritik. Bei Spielern und beim Spielleiter extrem wichtig.
Das Grundproblem ist ja grundsätzlich, das die Erwartungshaltungen nicht erfüllt werden. Ist nicht schlimm. Erlebe ich jeden Tag allein im Straßenverkehr, außerdem auf der Arbeit und in jedem anderen Lebensbereich. Wenn Spieler Dinge tun, die sie eigentlich nicht tun sollten, dann lasst es sie tun.
Das Problem, das der Spielleiter dann ja hat, ist ganz einfach dies: "Was machst Du??????" In Gedanken:
Oh je, und nu'? Wat mach' ich nu'??? Früher bin ich da nie rausgekommen. Zu Gunsten der Spieler hatte ich früher dann einfach gehandelt. Stadtwachen wurden Butterweich. Die Spieler konnten Dinge kaufen, die ich unter besser vorbereiteten Bedingungen am Markt nie vorgehalten hätte. Oder anderes Extrem: Zufallsbegegnungen ... Und immer und stets wieder 'zu Gunsten der Spieler' gewürfelt.
Früher hatten mich diese Spielerentscheidungen relativ leicht aus dem Konzept geworfen.
Ich würde lügen, wenn ich behauptete: Das hat sich geändert.
Es ist immer noch so. Aber mittlerweile richte ich im Unterschied zu früher das Spiel nicht an den Spielern aus. Und deshalb hat sich das Blatt gewendet. Ich werde nicht mehr aus dem Konzept geworfen, weil ...
Logisch: Es gibt die Haupt-Handlung(en) des Abenteuers und / oder der Kampagne. Die orientieren sich latuernich sehr an dem, was die Spieler unternehmen soll(t)en. Entsprechend Konkretes bereite ich vor. Oder ich versuche es zumindest.
Aber: Die Spielwelt, in der sich die mutmaßlichen Helden bewegen, besteht ja zum Glück aus einer endlichen, aber unendlich scheinenden Zahl von Nichtspielerfiguren. Daraus ergeben sich folgende Ansagen an meine Spieler:
1. Die Welt ist lebendig. Erwartet nicht, dass ich die Geschehnisse an Euch anpasse. Eure Gegner werden Euch kennenlernen. In genügenden Fällen auch einschätzen. Sie werden ihrerseits auf Euch reagieren. Und entweder sie suchen Euch! Oder aber sie versuchen zu "fliehen", so lange sie können.
2. Die Welt ist lebendig. Alles, was Ihr tut, hat eine Wechselwirkung. Es wird Leute oder Mächte gegeben, die auf Euch aufmerksam werden. Glaubt nicht, weil Ihr Helden seid oder sein wollt, dass Euch die Welt zu Füßen liegt; auch nicht, dass Euch die Welt ignoriert. Die meisten "einfacheren" Leute werden zu Euren Gunsten handeln; nicht Eure Neider, nicht die mit eigenen Interessen, vor allem nicht Eure Feinde bzw. diejenigen, die selber noch nicht wissen, dass sie Eure Feinde sind ...
3. Wenn Ihr Eure Charaktere am Riemen reißt, dann werdet Ihr Erfolge erleben, wie wir sie in früheren Kampagnen [von mir] nicht erlebt haben. Am Riemen reißen heißt: Ihr kennt Eure Charaktere am besten; Ihr kennt Ihre Eigenschaften und Fähigkeiten. Verspielt Eure Chancen nicht, weil Ihr nicht wisst, wie Ihr Eure Helden spielt. Denn ein heroischer Erfolg kann leicht verspielt werden.
4. Und noch was: Ihr wisst, dass ich kein Freund von Hack& Slay bin. Aber seid Euch sicher: Die paar Kämpfe, die es geben wird ... Früher scheute ich den Charaktertot bei Spielern, aber heute? Wenn Ihr Euch für eine kämpferische Lösung entscheidet, dann seid Euch sicher: Viele Feinde fassen das Schwert am falschen Ende an, aber ein paar werden wissen, wie sie Euch anfassen können und vor allem werden!
5. Übrigens: Dies ist ein Rollenspiel. Verschwendet keine Skillpunkte auf Diplomatie und so einen Mumpitz. Ihr werdet in den aktiveren Begegnungen andere Skills viel nötiger haben!
Mit anderen Worten: Wenn ich Abenteuer und Kampagnenelemente vor- und nachbereite, dann sehe ich mir an, was die potentiellen Gegner und Verbündeten oder sonstigen mächtigeren Nichtspielerfiguren so alles unternehmen, welche Zeiten diese Aktivitäten in Anspruch nehmen, welche Reisen erforderlich sind, was für Ressourcen bewegt werden. Im Grunde resümiere ich die Spielwelt, in der die Spieler sich bewegen. Denn das alles hinterlässt auch Spuren und kann unter Umständen den Spielern auch Hinweise liefern über das, was um sie herum jenseits des aktuellen Abenteuers passiert.
Dabei kommt es ständig vor, dass die einen oder anderen Nichtspielerfiguren oder Kreaturen auf die Spieler warten, von ihnen abhängen oder sogar bewusst mit den Spielercharakteren planen. Aber es gibt eben auch die anderen Fälle.
Der Erfolg liegt bei mir erlebt auf der Hand: Wenn die Spieler nicht das Erwartete unternehmen, noch nicht mal das Unerwartete sondern das, was bekanntermaßen immer anders kommt, und zwar noch anders, als man denkt,
dann ärgere ich mich, dass ich wieder keine diversen Oiros für diese
Spieler... Grrrr... am liebsten würde ich sie würgen erhalten habe; aber nach einer kurzen hysterischen Implosion meiner Vorstellungskraft begnüge ich mich damit, dass sich die Spielwelt weiterhin dreht. Und vor allem gerate ich nicht aus dem Tritt.
Denn ein Gutes hat diese Spontanität meiner Spieler auch: Solche unerwarteten Vorkommnisse bieten auch Gelegenheiten und neue Möglichkeiten ... Und die dann nachbzubereiten, das ist mir stets eine Freude, weil die Kampagne oder das Abenteuer ganz neue Facetten bekommt. Und insofern: Wirklich ärgern ... Neee, nicht
die ...
Übrigens: Bei Zufallsbegegnungen richte ich mich mittlerweile auch nach den tatsächlichen Würfelergebnissen ...
In diesem Sinne
ClemLOR