Autor Thema: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?  (Gelesen 3899 mal)

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Offline Haukrinn

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Vorab: Folgende Begriffe werden von mir in diesem Thread verwendet:
  • Task resolution: Regeltechnische Auflösung von mehr oder minder detaillierten Einzelsituationen. Beispiele: Angriffe im Kampf, mehrere Schleichproben, um unbemerkt ins Schloß einzudringen.
  • Conflict resolution: Regeltechnische Auflösung eines Konfliktes im Ganzen, ohne detaillierter auf die Einzelhandlungen einzugehen. Beispiele: Kann Steve seine Schüchternheit überwinden und spricht Thelma an? Wählt der Killer spontan ein Opfer aus, um seine Gelüste zu befriedigen oder wartet er lieber ab, um die Lage besser sondieren zu können, aber zugleich zu riskieren, daß alle potentiellen Opfer entkommen?
  • Charakterspiel: Ausspielen des Charakters in all seinen Facetten. Wichtig für meine Definition von Charakterspiel in diesem Thread ist vor allem die Entscheidungsfreiheit (Free Will  ;) ) des Charakters, die vollständig durch den Spieler kontrolliert wird. Regeltechnische Mechanismen können die Handlungen eines Charakters scheitern lassen. Seine Entscheidungsfreiheit beschränken sollen sie jedoch in diesem Fall nicht.


In diesem Thread driftete die Diskussion vom ursprünglichen Thema etwas ab. Irgendwann kam dann von Bitpicker diese sehr interessante Äußerung:

Zitat
Dein Beispiel beschreibt das, was ich meine. Der Wurf entscheidet, ob ich sie anspreche oder nicht. Ist der Würfel gefallen, kann ich das Ergebnis noch bunt ausmalen, aber das ist Malen nach Zahlen - das Bild ist vorgegeben. Löse ich dieselbe Situation mit Task Resolution, brauche ich z.B. einen Wurf auf Willenskraft oder Mut für eine direkte Ansprache. Klappt das nicht, ist dieser direkte Weg versperrt und ich muss mir eine Alternative überlegen. Wenn mir eine einfällt und auch diese einen Task Resolution Wurf verlangt, habe ich also noch eine Chance. Erst wenn alle Würfe gescheitert sind, endet der Spannungsbogen mit dem letzten Wurf und der Charakter spricht das Mädchen eben gar nicht an. Gegenüber Malen nach Zahlen ist das ein Mal-Vorgang, bei dem das Bild zu Anfang nicht feststeht, bis zuletzt nicht beendet ist, Malpatzer übermalt werden können und das Ganze erst auf dem Müll landet, wenn es wirklich nicht mehr zu retten ist.

Vermutlich ist für Spieler, die den CR-Ansatz mögen, das Interessante, was der erzählende Spieler aus der Vorgabe des Wurfes macht. Für mich ist interessanter, was der Spieler eigentlich mit seinem Charakter vorhat (er erzählt / plant ja zuerst), dann entscheidet der Wurf über den Erfolg des Plans.

sowie

Zitat
Ich stehe nun auf dem Standpunkt, dass wichtige Konflikte nicht vorab gelöst werden dürfen, weder durch einen einzelnen Wurf vor der Situation, noch (erst recht) durch Festlegung vorab, wie es ausgehen soll (plump gesagt: David gewinnt auf jeden Fall, die Frage ist nur, mit welcher Hand er die Schleuder bedient und wie oft er sie kreisen lässt).

Wie seht ihr das. Sind Charakterspiel und Konflikt-Resolution (beides nach nach obiger Definition) miteinander unvereinbar, da sie von gegensätzlichen Annahmen ausgehen? Oder geht das doch irgendwie?
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Joe Dizzy

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #1 am: 14.09.2005 | 11:39 »
Gemäss deinen Definitionen, nur teilweise.

Da du beim Charakterspiel auf vollständige Entscheidungsfreiheit der Figur bestehst, können keine inneren Konflikte der Figur durch die Regeln gefasst werden. Innere Konflikte können ja nur dann gelöst/entwickelt werden können, wenn eine Entscheidung gefällt wird.

Da du diese Entscheidungen jedoch vom Spieler treffen lassen willst, kann es nicht zu einer regeltechnischen Auflösung eines solchen Konflikts kommen.

Ein

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #2 am: 14.09.2005 | 11:53 »
Warum sollen sie nicht vereinbar sein. Ich kann zwar als Person fliegen können wollen (Freier Wille), aber durch die Naturgesetze werden ich daran gehindert.

Offline Haukrinn

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #3 am: 14.09.2005 | 11:56 »
Es geht nicht um die Verhinderung der Handlung, sondern um die Verhinderung des freien Willens. Ich schrieb ja oben:
Zitat
Regeltechnische Mechanismen können die Handlungen eines Charakters scheitern lassen. Seine Entscheidungsfreiheit beschränken sollen sie jedoch in diesem Fall nicht.
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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #4 am: 14.09.2005 | 12:02 »
Wie soll der Freie Wille eingeschränkt werden? Erst einmal hat ein Charakter keinen Freien Willen, weil er nur eine Figur und kein Individuum ist. Also liegt der Freie Wille beim Spieler. Das ist der fundamentale Fehler an dieser Stelle. Der Charakter existiert nicht, er ist nur eine Maske des Spielers.

Und ob dessen Freier Wille eingeschränkt wird, ist wenn überhaupt, dann von Situation zu Situation abhängig. Mit den verwendeten Techniken hat das erstmal überhaupt nichts zu tun, sondern allein mit Entscheidungsprozessen. Hinzukommt dabei dann noch der Fakt, dass niemand wirklich frei ist, man muss sich immer in die Spielregeln der Gesellschaft oder der Natur einfügen.

Offline Roland

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #5 am: 14.09.2005 | 12:32 »
Ich sehe keinen Grund, warum CR und Charakterspiel unvereinbar sein sollen. Wie Du schon selber sagst:

Regeltechnische Mechanismen können die Handlungen eines Charakters scheitern lassen. Seine Entscheidungsfreiheit beschränken sollen sie jedoch in diesem Fall nicht.

Ob ich nun unfassende oder kleinteilige Würfelmechanismen nutze, ändert doch nichts an meiner Entscheidungsfreiheit als Spieler. Es gibt sicher Spieler die nicht alles auf einen Würfelwurf setzen wollen (was sie auch bei CR nicht müssen) aber so lange die Wahrscheinlichkeiten der beiden Würfelmethoden gleich bleiben, ist die Entscheidung doch einfach Geschmackssache.   
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Offline Thalamus Grondak

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #6 am: 14.09.2005 | 12:37 »
IMHO sind beide Stile durchaus vereinbar, mann muss sich nur vorher fragen, wo man bei der Konfliktresolution ansetzt.
Der freie Wille von Steve ist ja ersteinmal Thelma ansprechen zu wollen, der wird nach obigem Bsp. also garnihct berührt, in keinem Fall.
Sein freier Wille würde eingeschränkt werden, wenn ich Regeln dafür aufstelle, ob er Steve überhaupt das Bedüfniss verspürt Thelma anzusprechen, also eine Vergleichende Charisma Probe meinetwegen.
Habe ich jetzt durch die Regeln herausgeunden, das Steve Mutig genug ist, Thelma anzusprechen, kann ich das ausspielen, was mein Charakterspiel nicht negativ beeinflußt.
Wenn ich den direkten Vergleich aber mit dem Kampf ziehe, dann müsste ich nicht fragen, "Spricht Steve Thelma an" sondern "schaft Steve es, mit ihr ein Date zu verabreden". Auch da, werde ich nihct in meinem Charakterspiel beeinflußt, denn der Wurf(oder ähnliche Regeltechnische bestimmung) wird ja erst ausgeführt, wenn ich mit meinem freien Willen äußere, überhaupt die absicht zu haben, mich mit Thelma zu verabreden.
Auch, wenn diese konfliktresolution nichts ist, nach dem ich Spielen wollen würde, beschränkt es das Charakterspiel eigentlich nicht.
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Offline Bitpicker

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #7 am: 14.09.2005 | 13:38 »
Ich glaube eigentlich auch nicht, dass ein CR-Mechanismus das Charakterspiel als solches benachteiligt. Bei TR und Spiel im klassischen Sinne legt man die Handlungen des Charakters vorab als Plan fest und sieht dann nachher anhand der Ergebnisse der TR, ob die Handlungen gelingen oder nicht. Bei CR wird ja auch ein für den Charakter möglicher Ausgang (Erfolg oder Fehlschlag) festegelegt und dann entsprechend der CR-Ergebnisses erzählerisch ausgekleidet. In beiden Fällen wird der erzählte Teil sich, wenn man Charakterspiel will, auch an der Charakterbeschreibung orientieren.

Was für mich der entscheidende Unterschied ist, ist, dass die Spannungskurve bei TR gehalten oder sogar gesteigert wird, weil sie sich durch taktische Situationen hangelt, bis ich weiß, was am Ende dabei rumkommt. Bei CR endet die Spannungskurve für mich mit dem CR-Wurf, weil ich dann schon weiß, welches Ergebnis kommt, egal, ob der Spieler sich noch durch zwei Stunden unterhaltsame und charaktergenaue Beschreibung hangelt. Wenn man aber besonders an diesen Beschreibungen interessiert ist und dabei sogar noch weiteren Input anderer Spieler erwartet und verarbeitet, dann ist CR womöglich der richtige Ansatz. Am Ende hat man dann auch seinen Charakter gespielt.

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Offline Roland

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #8 am: 14.09.2005 | 14:00 »
Die Spannungkurve kann man auch bei CR aufrecht erhalten. 

In Heroquest und Dogs in the Vineyard gibts Bietmechanismen, Dogs hat zusätzlich noch die "Escalation" (kommt man mit einer Methode nicht weiter, versucht man eine drastischere), in The Shadow of Yesterday kann man versuchen eine drohende Niederlage mit "Bringing Down the Pain" (grob gesagt, man hängt sich noch mal richtig rein, nimmt aber Schaden) abzuwenden.
« Letzte Änderung: 14.09.2005 | 14:02 von Roland »
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Offline Bitpicker

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #9 am: 14.09.2005 | 14:09 »
@ Roland: Ok, das zeigt, dass die Spannungskurve also auch für Spieler, die CR-Systeme mögen, wichtig ist, und dass es notwendig ist, auf CR noch zusätzliche Systeme aufzusetzen, um das auch zu erreichen.

Ich nehme auch an, dass die Spannungskurve im Wesentlichen davon abhängt, wo das Zufallselement hinkommt - unter Vermeidung der Fachbegriffe, würfele ich vorher, während oder nachher? Sind TR und CR zwingend von bestimmten dieser Möglichkeiten abhängig, oder können beide an allen drei Positionen vorkommen?

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Online 1of3

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #10 am: 14.09.2005 | 14:35 »
Ja, können sie. Haben wir irgendwo schon mal diskutiert.

Ach ja, wenn du mir jetzt erzählst, dass Attacke-Parade-Attacke... bei DSA einen Spannungsbogen erzeugt, krieg ich Zwerchfellrisse. Erhaltung eines Spannungsbogen ist offenbar keine intrinsische Eigenschaft von TR.

Joe Dizzy

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #11 am: 14.09.2005 | 14:37 »
@ Roland: Ok, das zeigt, dass die Spannungskurve also auch für Spieler, die CR-Systeme mögen, wichtig ist, und dass es notwendig ist, auf CR noch zusätzliche Systeme aufzusetzen, um das auch zu erreichen.

Ich finde nicht, dass man solche allgemeingültigen Aussagen über Spielpreferenzen und Regeln treffen kann.

CR führt zu einem anderen Spielfluß, als TR es tut. Diese zusätzlichen Regeln sehe ich eher als Kompromiss zwischen den beiden Möglichkeiten an. Die von dir erwähnte Spannungskurve etwa empfinde ich als für das Charakterspiel irrelevant, wenn nicht sogar störend. Ich schalte geistig immer um, wenn es zum Würfeln, d.h. zur Entwicklung einer solchen "Spannungskurve" kommt. Vor allem weil ich sie als nicht sonderlich 'spannend' empfinde.

Offline Monkey McPants

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #12 am: 14.09.2005 | 14:53 »
Ach ja, wenn du mir jetzt erzählst, dass Attacke-Parade-Attacke... bei DSA einen Spannungsbogen erzeugt, krieg ich Zwerchfellrisse. Erhaltung eines Spannungsbogen ist offenbar keine intrinsische Eigenschaft von TR.
Meine Meinung.

Keine der beiden Methoden inherent überlegen was Spannungskurve oder Charakterspiel angeht.

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Offline Bitpicker

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #13 am: 14.09.2005 | 15:05 »
@ 1of3: Bei DSA vielleicht nicht, aber bei einem dramatischer ausgerichteten System, wo es ab dem ersten Fehler für den Charakter steil abwärts geht, schon. Natürlich bedeuten viele Würfe nicht unbedingt viel Spannung, aber ein einzelner Wurf vorab bedeutet für mich Null Spannung.

@ Joe: ich hätte besser 'sein kann' geschrieben. Manche Spieler finden die Erzählung und das Konstruieren derselben spannend, da sind solche Mechanismen nicht nötig und CR gut augehoben, andere finden die Ereignisse spannend, egal wie sie erzählt werden, und da fährt man m.E. mit Task Resolution besser. Will man beides und trotzdem CR, muss man anscheinend zusätzliche Regeln aufpfropfen.

@ Monkey: was die Spannungskurve angeht, die ich meine, (also an die Ereignisse und Ergebnisse gebunden) bin ich von CR allein noch immer nicht überzeugt.

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Offline Lord Verminaard

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #14 am: 14.09.2005 | 15:34 »
Es kommt natürlich immer sehr darauf an, wie die TR oder CR im Einzelfall regeltechnisch ausgestaltet ist. Wenn du CR mit Spieler-Erzählrecht hast, hast du totale Entscheidungsfreiheit über deinen Charakter – und sogar auch über alles andere. Es bleibt dir völlig selbst überlassen, wie die Szene verläuft. Im Übrigen ist es bei CR-Situationen oft so, dass du als Spieler auch über das, was auf dem Spiel steht, mit entschieden hast. Auch hier also hattest du die Wahl.

Der entscheidende Unterschied ist die unterschiedliche Art der Entscheidungen, die der Spieler zwischen den einzelnen Würfelwürfen fällen muss. Bei Task Resolution musst du dir etwas einfallen lassen, um dein Nahziel zu erreichen. Du musst auf die sich verändernden Umstände reagieren und deinen Plan anpassen. Dein Charakter muss sich klug und effektiv verhalten. Insofern würde ich auch sagen, dass z.B. Dogs in the Vineyard eine Mischung aus Task und Conflict Resolution beinhaltet. Die einzelnen Sees und Raises sind durchaus Task Resolution. Bei einem reinen CR-System wie PtA oder The Pool ist die Herausforderung des „sich klug Verhaltens“ innerhalb eines einzelnen Konfliktes komplett weg.

Diese Tatsache führt aber nicht dazu, wie viele meinen, die es noch nie ausprobiert haben, dass das Spiel langweilig und bar jeder Herausforderung wird. Die Herausforderung verschiebt sich in andere Bereiche, die außerhalb der Abwicklulng von Konflikten liegen. Ich meine, das eigentlich Interessante bei TR liegt ja auch außerhalb der Abwicklung der einzelnen Handlung. Bei TR geht es darum, für welche Handlung du dich entscheidest. Kletterst du die Klippe rauf oder gehst du außenrum? Wo legst du den Hinterhalt? Wann schlägst du los? Wen greifst du zuerst an?

Dementsprechend geht es in einem CR-System warum, für welchen Konflikt du dich entscheidest. Für und gegen wen agierst du, welche Ziele setzt du dir? Diese Art von Systemen umspannen viel breitere Erzähl-Einheiten. Während eines Abends PtA passiert wesentlich mehr mit den Charakteren als während eines Abends CoC.

Ihr dürft daher nicht fragen: „Wie schleiche ich mich mit TR in ein Haus, und wie mit CR?“ Dieser Vergleich bringt euch nicht weiter. Natürlich ist das mit TR viel spannender und facettenreicher, schließlich bringt ihr ja auch eine Stunde Spielzeit damit zu, während es bei CR zwei Minuten dauert. Was ihr fragen müsst, ist: „Was passiert zwischen 20 Würfen in einem TR-System, und was passiert zwischen 20 Würfen in einem CR-System?“

Und damit kriegt ihr auch die Sache mit dem Spannungsbogen hin: Der Spannungsbogen bei PtA oder The Pool zieht sich logischerweise nicht über einen einzelnen Konflikt hin, wäre ja auch albern. Sondern er zieht sich über eine Reihe von Konflikten und Entscheidungen der Spieler hin, die am Ende so etwas wie eine Geschichte bilden.
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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #15 am: 14.09.2005 | 15:48 »
Schön gesagt, Vermi. Keine Frage, was du bezüglich CR und Spannung da beschreibst, mag für viele spannend sein. Für mich bleibt es trotzdem (und ich beziehe mich da auf die Spielbeispiele z.B. von PtA in den Diaries) Malen nach Zahlen und damit wenig verlockend. Geschmäcker sind eben verschieden.

Die Frage in diesem Thread war ja eigentlich, ob CR Charakterspiel widerspricht, und da sind wir scheinbar alle soweit der gleichen Meinung.

Robin
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Offline Lord Verminaard

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #16 am: 14.09.2005 | 15:59 »
Wer noch Vorbehalte gegen "Malen nach Zahlen" hat, es aber anders als Robin einmal ausprobieren möchte, der möge folgendes versuchen: Haltet die Beschreibung nach dem Wurf kurz. Haltet sie genauso kurz, wie ihr eure gelungenen Angriffe oder Klettern-Proben beschreibt. Voilà: Kein Malen nach Zahlen, aber total CR. ;)
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Miriamele

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #17 am: 14.09.2005 | 18:00 »
Ach Robin, alter Stinkstiefel! ;) Wirst du’s denn nie müde?

@ Vermi: Zustimmung. Ist doch nur logisch, dass in einem CR-System andere Entscheidungen wichtig sind als in einem TR-System. Okay, du kannst in einem TR-System auch solche Entscheidungen haben, die im CR-System wichtig sind, und die sind dann auch im TR-System wichtig. Aber sie kommen halt viel seltener vor und stehen nicht im Mittelpunkt.

Offline Haukrinn

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #18 am: 14.09.2005 | 19:14 »
Vielleicht wären ja einfach mal ein paar Beispiele angebracht für Entscheidungen, die sowohl in CR- als auch TR-gewichtigen Spielen wichtig sind und wie diese dort aufgelöst werden?
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Offline Lord Verminaard

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #19 am: 14.09.2005 | 19:45 »
Okay, hier ein Beispiel:
Ich entscheide mich, dass mein Charakter die Frau seines Bruders begehrt.
Ich entscheide mich, dass mein Charakter versucht, sie zu verführen.
Ich entscheide mich, dass mein Charakter Gewissensbisse hat und es seinem Bruder beichtet.

Diese Entscheidungen treffe ich als Spieler, egal ob TR oder CR. (Disclaimer: Ich will nicht ausschließen, dass es auch irgendwo ein System gibt, das einen inneren Konflikt zwischen „Wollust“ und „Anstand“ vorsieht, aber jetzt mal generell gesprochen.) Der Unterschied liegt dann in der Umsetzung dieser Entscheidungen:

Wenn ich z.B. DSA spiele, muss ich jetzt erst mal zusehen, dass ich eine geeignete Situation abpasse, um die Alte rumzukriegen. Vielleicht versuche ich es sogar mehrfach und es kommt immer was dazwischen. Wenn ich dann soweit bin, wird die Szene ausgespielt und am Ende eine Betören-Probe gewürfelt. Vielleicht wurden zwischendurch noch andere Proben fällig, um mich auf ihr Zimmer zu schleichen etc. Die Szene, wo ich dann meinem Bruder beichte, wird ebenfalls ausgespielt. Der SL entscheidet wahrscheinlich nach seinem freien Gutdünken, wie mein Bruder reagiert. Vielleicht lässt er mich eine Probe auf Bekehren/Überzeugen würfeln, um ihn zu beschwichtigen.

Wenn ich z.B. PtA spiele, sage ich selbst die Szene an. Charakter-Szene, Ort: ihr Zimmer, Personen: ich und sie, Agenda: ich versuche, sie zu verführen. Der SL leitet die Szene ein, wir spielen den Dialog aus, solange wir mögen, würfeln dann den Konflikt (wobei ich zusätzliche Würfel für meine Edge „Unwiderstehlich“ und meine Connection „Frau meines Bruders“ bekomme). Danach spielen wir die Szene je nach Ausgang zuende, wobei einer von uns beiden das Erzählrecht gewinnt, dieser aber trotzdem den anderen wahrscheinlich „mitnimmt“. Wenn ich wieder an der Reihe bin, frame ich die Szene mit meinem Bruder. Wir würfeln einen neuen Konflikt, mit den Stakes: Verzeiht mein Bruder mir?

Du siehst also, PtA schränkt deine Entscheidungsfreiheit über deinen Charakter nicht ein. Bei DSA steht die Frage „was willst du?“ ganz am Anfang, und die wesentlich häufiger gestellte Frage ist: „Und wie willst du das anfangen?“ PtA konzentriert sich hingegen voll auf das „was willst du?“ und fügt hinzu: „Und was machst du, wenn du es bekommst/nicht bekommst?“
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Offline Haukrinn

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #20 am: 14.09.2005 | 21:40 »
Wenn ich z.B. DSA spiele, muss ich jetzt erst mal zusehen, dass ich eine geeignete Situation abpasse, um die Alte rumzukriegen. Vielleicht versuche ich es sogar mehrfach und es kommt immer was dazwischen. Wenn ich dann soweit bin, wird die Szene ausgespielt und am Ende eine Betören-Probe gewürfelt. Vielleicht wurden zwischendurch noch andere Proben fällig, um mich auf ihr Zimmer zu schleichen etc. Die Szene, wo ich dann meinem Bruder beichte, wird ebenfalls ausgespielt. Der SL entscheidet wahrscheinlich nach seinem freien Gutdünken, wie mein Bruder reagiert. Vielleicht lässt er mich eine Probe auf Bekehren/Überzeugen würfeln, um ihn zu beschwichtigen.

Wenn ich z.B. PtA spiele, sage ich selbst die Szene an. Charakter-Szene, Ort: ihr Zimmer, Personen: ich und sie, Agenda: ich versuche, sie zu verführen. Der SL leitet die Szene ein, wir spielen den Dialog aus, solange wir mögen, würfeln dann den Konflikt (wobei ich zusätzliche Würfel für meine Edge „Unwiderstehlich“ und meine Connection „Frau meines Bruders“ bekomme). Danach spielen wir die Szene je nach Ausgang zuende, wobei einer von uns beiden das Erzählrecht gewinnt, dieser aber trotzdem den anderen wahrscheinlich „mitnimmt“. Wenn ich wieder an der Reihe bin, frame ich die Szene mit meinem Bruder. Wir würfeln einen neuen Konflikt, mit den Stakes: Verzeiht mein Bruder mir?

Du siehst also, PtA schränkt deine Entscheidungsfreiheit über deinen Charakter nicht ein. Bei DSA steht die Frage „was willst du?“ ganz am Anfang, und die wesentlich häufiger gestellte Frage ist: „Und wie willst du das anfangen?“ PtA konzentriert sich hingegen voll auf das „was willst du?“ und fügt hinzu: „Und was machst du, wenn du es bekommst/nicht bekommst?“

Gutes Beispiel, Vermi, danke...  :d

Nun aber meine Frage. Angenommen, ich stelle bei DSA das Ganze um: Erst "Betören" würfeln, und dann anhand des Ergebnisses die Sache ausspielen. Habe ich dann CR oder TR?
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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #21 am: 14.09.2005 | 23:20 »
Oh Mann Haukrinn, jetzt machen wir ein Fass auf. Lass es uns lieber nicht tun. Zwischen TR und CR gibt es keine trennscharfe Abgrenzung. Bei BARBAREN! würdest du z.B. über eine Verführungs-Szene für jeden einzelnen Annährungsversuch würfeln. Das ist "taskiger" als DSA, aber DSA ist weniger "konfliktig" als PtA. Aber gleichzeitig ist das Werben bei BARBAREN! eine Art erweiterter Konflikt, wegen der limitierten Ressourcen.

Lass uns lieber sagen: PtA fokussiert sich auf die Frage: "Was willst du?" Du kannst, durch das Recht, Szenen zu framen und Konfliktausgänge ggf. selbst zu erzählen, für dich die Parameter bestimmen, um dein Vorhaben umzusetzen. Du kannst durch Fanmail und die richtige Wahl deiner Traits für eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit sorgen. Der SL hat keine Möglichkeit, die Umstände so abzuwandeln, dass du keine Erfolgschance hast.

DSA fokussiert sich auf die Frage: "Wie willst du es anstellen?" Der SL kann dir nach freiem Gutdünken Hindernisse in den Weg setzen, und du musst dir bei jedem Hindernis neu überlegen, wie du damit umgehen willst. Das ist der eigentiche, fundamentale Unterschied. Solange wir den verstanden haben, brauchen wir nicht mit der Rasierklinge zwischen TR und CR abzugrenzen.
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Offline Fredi der Elch

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #22 am: 14.09.2005 | 23:36 »
Nur eine kurze Anmerkung:

  • Task resolution: Regeltechnische Auflösung von mehr oder minder detaillierten Einzelsituationen. Beispiele: Angriffe im Kampf, mehrere Schleichproben, um unbemerkt ins Schloß einzudringen.
  • Conflict resolution: Regeltechnische Auflösung eines Konfliktes im Ganzen, ohne detaillierter auf die Einzelhandlungen einzugehen. Beispiele: Kann Steve seine Schüchternheit überwinden und spricht Thelma an? Wählt der Killer spontan ein Opfer aus, um seine Gelüste zu befriedigen oder wartet er lieber ab, um die Lage besser sondieren zu können, aber zugleich zu riskieren, daß alle potentiellen Opfer entkommen?
Das ist nicht die Forge-Definition von CR! Das ist die Haukrinn-Definition! Und in einem offenen Thread darf Haukrinn definieren wie er will, ist völlig ok. Ich erwähne das nur, damit mir nachher keine Klagen kommen, dass die Theorie so verwirrend ist und deswegen saugt. Bedenkt immer: die Forge-Theorie kann nichts dafür, was haukrinn hier so rumdefiniert!

Ansonsten: mit CR und TR gehts mir ein wenig so wie mit GNS - juckt mich nicht mehr so. Ich rede lieber über konkrete Systeme und die Umsetzung bei der Resolution. Vor Allem weil die Trennung tatsächlich unscharf ist. Aber wie man immer an den furchtbaren Missverständnissen sieht (wo CR immer fälschlicherweise für Ein-Wurf-Resolution gehalten wird) bringt die Definition auch nichts. Dementsprechend: Fredi ist schuld und das Thema ... naja die Definition ist durch. ;)
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Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

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Re: [Offen] Charakterspiel und Konfliktresolution unvereinbar?
« Antwort #23 am: 15.09.2005 | 10:15 »
Nur eine kurze Anmerkung:
Das ist nicht die Forge-Definition von CR! Das ist die Haukrinn-Definition! Und in einem offenen Thread darf Haukrinn definieren wie er will, ist völlig ok. Ich erwähne das nur, damit mir nachher keine Klagen kommen, dass die Theorie so verwirrend ist und deswegen saugt. Bedenkt immer: die Forge-Theorie kann nichts dafür, was haukrinn hier so rumdefiniert!

Exakt! Worauf ich hinaus möchte mit meiner Definition ist einfach nur 'ne Skala, auf der man sich durchaus fließend bewegen kann. An einem Ende das, was ich als TR definiert habe, am anderen Ende das, was ich als CR definiert habe. Je nachdem, wie die eigentliche Fragestellung lautet...
What were you doing at a volcano? - Action geology!

Most people work long, hard hours at jobs they hate that enable them to buy things they don't need to impress people they don't like.