Da das Thema hier ein Erfahrungsbericht ist:
(und auch wenn das schon mal hier erläutert wurde)
@ thalamus und boba fett
inwiefern hat d&d konkret euer "rollen"spiel behindert? sind es die talente? das multiklassensystem? die prestigeklassen? welcher aspekte der dritten edition hat den fokus des spiels in die charakteroptimierung gedrängt?
Das ist sehr schwer zu beantworten.
Zunächst einmal:
Da ich größtenteils bei D&D den Spielleiter gemacht habe, sind die gemachten Erfahrungen zum großen Teil Beobachtungen, die ich in der Runde gemacht habe. Allerdings konnte ich diese Beobachtungen auch an mir selbst feststellen.
Von einer Behinderung durch das System möchte ich auch nicht sprechen.
Es ist nicht so, dass jemand sich "eingeengt" gefühlt hat, nach dem Motto, "wir können dies oder jenes nicht, was man in anderen Systemen aber kann"...
Es war vielmehr so, dass sich das Verhalten der Spieler änderte.
Es ist für meine Runde typisch, dass sich die Spieler in Gesprächen abseits vom Spiel über das Rollenspiel unterhalten und austauschen.
Vor D&D lag der Fokus in den Gesprächen auf Themen, die den Kampagneninhalt betrafen.
Dass sie sich endlich den Erzfeind vom Hals schaffen wollen, was jemand sich gerne anschaffen möchte, Wiederholungen von wirklich gelungenen Szenen, etc. pp.
Während D&D änderte sich das. Der Fokus lag dann auf "wann man endlich die Stufe X schaffen, und das Talent bekäme, dass man sich dann und dort endlich den Zauber beherrschen oder wieviel Trefferpunkte man hat, etc.
Der Fokus lag plötzlich bei Spielwerten, bei taktischen Manövern, die durch die Spielregeln möglich waren und dergleichen.
Was ich an der Taktik hervorheben möchte, ist, dass das Gespräch nicht ablief nach dem Motto, "wenn wir den Typen in einer Situaion X haben, kannst Du ihn mit dem Feuerball und ich mit dem Bogen...". Es lief nach dem Motto ab, "wenn der Typ in einen Bereich Z kommt, kannst Du mit dem Zauber X, der hat Reichweite Y und ich mit dem Talent..."
Die Spieltermini, die in den Regeln festgehalten sind, waren Inhalt der Gespräche.
Der Fokus der Aufmerksamkeit verlagerte sich vom Spielgeschehen auf die Metabene - auf die Regeltechnischen Auswirkungen.
Die Charakterentwicklung wurde taktischer. Die Spieler fingen an, die Charaktere im Voraus durchzusteigern. Ein Spieler hatte sich seinen Charakter 10 Stufen im Voraus gesteigert und dabei verschiedene Wege ausprobiert.
Ein anderer fing in diversen Foren an, nachzulesen, welche die optimalsten Wege für die Steigerung wären.
Vor und auch nach D&D3E habe ich das nicht erlebt.
Man könnte (und ich habe auch eine Zeit lang) die Ursache bei den Spielern suchen.
Aber es sind die gleichen Spieler, die in anderen Systemen mit ähnlichem Minmaxing Potential (Shadowrun, Earthdawn) genau das eben nicht taten.
In anderen Rollenspielen liegt die Aufmerksamkeit im Spielgeschehen, im "Erlebten". Bei D&D liegt die Aufmerksamkeit auf der Regelmechanik, also in der Taktik.
Soweit meine Erfahrungen.
Wie gesagt, ich will deswegen D&D nicht schlechtreden. Ich will auch nicht sagen, dass meine Spieler daran keinen Spaß gehabt hätten, aber derjenige (ich) der bei uns die Spielleitere übernimmt, und diesbezüglich auch die Geschichten schmiedet, hatte daran keinen Spaß.
Auch schon erwähnt: Ich bin da eben eher "Storyteller", bei mir liegt die Geschichte im Vordergrund, nicht der Wettbewerb.
Und wenn die Spieler nur noch über den Wettbewerb sprechen, geht mir etwas das Feedback ab, denn ich möchte viel mehr erfahren, wie ihnen meine Geschichte gefallen hat. Das ist auch ein bisschen egoistisch, gebe ich zu.
Das aberwitzigste ist, dass ich in der Rolle der Spielers selbst immer wieder in diese "Taktisch denken"-Falle getappt bin.
Gemerkt habe ich das meistens erst im Nachhinein. Meistens dadurch, dass mir meine Charaktere nicht gefallen und ich merkte, dass ich ihnen eben keine Rolle sondern nur eine Werteansammlung verliehen hatte.
Das heisst, dass das Spiel auch mich selbst beeinflusst hat, sogar ohne dass ich es gemerkt habe. Mein Verhalten änderte sich.
Und im Nachhinein hat es mich gestört, weil ich merkte, dass ich keinen Spaß hatte und das die Ursache darin lag, dass ich nicht so gespielt habe, wie ich es normalerweise am liebsten mache.
Nach langem überlegen denke ich, dass dieser Einfluss sich wahrscheinlich legen könnte, wenn man alle "optimalsten Wege" einmal gegangen ist und die ausprobiert hat. Wenn dann nichts mehr "bleibt", was noch besser, stärker, schneller ist, dann kommt man vielleicht zurück auf den Weg, dass man wieder weg vom taktischen Denken kommt.
Das Problem ist nur, dass D&D da immer brav nachliefert, dass durch neue Feats und Prestigeklassen immer wieder neue taktische Optionen getestet werden können. Das Ausprobieren des "taktisch günstigsten Weges" ist also nie zu ende.
Ich glaube jedem, des sagt, dass es bei ihm anders läuft, dass er diese Beeinflussung nicht erlebt.
Für mich selber ist D&D aber inzwischen etwas, das ich nicht wieder ausprobieren möchte.
Ich habe mich davon entfernt, inzwischen auch andere Systeme schätzen gelernt und festgestellt, dass bei diesen Systemen meine Runde sich "anders" verhält. Inzwischen denken wieder alle an das, was in der Geschichte passiert und nicht an die Werte, die auf einem Zettel stehen.
Wie gesagt, es ist keine Einschränkung, die D&D mit sich bringt, die ich wahrgenommen habe, sondern eine Veränderung die in den Köpfen der Spieler stattfindet. Und man muss diese auch nicht als negativ empfinden.
Bei mir war das allerdings der Fall.