Weniger Theorie, mehr Diary und mehr Rezis. Das ist der Plan für 2006. Und los geht es mit einer Rezi für Capes.
Name: Capes
Verlag:
Muse of Fire GamesAutor: Anthony Lower-Bash
Preis: 10,- USD (PDF) bzw. 20,- USD (Buch +PDF), Bestellung direkt über die Webseite
Format PDF: 160 Seiten, schwarz-weiß, Abbildungen in Grau
Format Buch: Softcover, A5- ähnlich 160 Seiten (ich habe das Buch selbst nicht)
Capes ist ein modernes Superhelden-Rollenspiel, das der Frage nachgeht „Power is fun, but do you deserve it?“. Es orientiert sich an klassischen Comic-Heften, kann aber durchaus auch modernere Varianten nachstellen. Es hat keinen Spielleiter sondern verteilt die gesamte Erzählgewalt gleichmäßig auf alle Spieler.
AufmachungDa ich das Buch nicht habe, kann ich nur etwas zum PDF sagen. Es hat brauchbare schwarz-weiß Abbildungen und ein gutes Layout. Allerdings ist es eben Home-Made, also darf man die Aufmachung nicht mit professionellen Werken wie denen von WotC oder WW vergleichen. 160 Seiten neue Regeln wirken erst einmal recht viel, aber die Schriftart ist relativ groß und es gibt viele Beispiele, die mit Skizzen erläutert sind. Somit enthält das Buch alles, was man braucht und es sind keine weiteren Ergänzungen (Villains-Handbook, Book of Noch-Mehr-Superpowers u.a.) geplant.
Insgesamt: brauchbare Aufmachung, nicht umwerfend.
InhaltCapes beginnt nach einer kurzen Einleitung mit einer Regelzusammenfassung. Beides enthält interessante Punkte, ist aber doch etwas kurz gehalten und trägt beim ersten Lesen eher zur Verwirrung bei. Besonders die Regelzusammenfassung entmutigt zunächst, da sich die Regeln hier noch komplizierter anhören als sie sind.
Danach folgen die eigentlichen Regeln des Spiels. Auch hier fällt es schwer beim ersten Lesen alles zu verstehen. Die Regeln des Spiels sind zwar eigentlich deutlich simpler als z.B. die von D&D oder DSA, aber sie werden sehr kompakt präsentiert, so dass jeder Satz wichtig ist. Das macht das Verständnis zunächst sehr schwer.
Dann folgt zum Glück ein sehr ausführlicher Teil mit Beispielen für tatsächliches Spielgeschehen. Dieser Teil ist sehr schön gestaltet und ohne ihn wären die Regeln gar nicht verständlich. So wird aber sehr schön erläutert, wie genau der Spielablauf funktioniert und mehrere Sonderfälle werden in den Spielfluss eingebaut.
Der Aufbau dieser ersten Teile von Capes ist in meinen Augen etwas ungünstig. Es empfiehlt sich, zunächst die Regeln zu lesen bzw. zu überfliegen und sich nicht daran zu stören, dass man nicht alles versteht. Danach sollte man die Beispiele lesen und dabei immer wieder in den Regeln nachschlagen. Danach sollte man alles eine Weile liegen lassen und es noch einmal von Anfang an lesen. Das hört sich jetzt nach viel Arbeit an, aber wie gesagt sind die Seiten nicht besondern voll mit Text. Also geht es relativ schnell und verspricht am meisten Erfolg.
Danach erst kommt das Buch zur Charaktererschaffung. Danach wird das innovative „Click ’n’ Lock“-System vorgestellt, dass es ermöglicht Charaktere innerhalb von wenigen Minuten zu erstellen. IMO wirklich eine tolle Sache. Die Vorlagen dafür nehmen dann auch 17 Seiten in Anspruch.
Zum Schluss werden Optionale Regeln und Möglichkeiten der Personalisierung von Capes sowie Strategien und Taktiken des Spiels vorgestellt.
Wie funktioniert das?Abwechselnd starten die einzelnen Spieler Szenen, zu deren Beginn reihum Charaktere gewählt werden. Genau, man hat bei Capes keine festgelegten Charaktere, sondern prinzipiell kann jeder Spieler jeden Charakter spielen. Es gibt zwar Regeln dafür, dass jeder Spieler einen festen „Spotlightcharakter“ bekommt, aber davon abgesehen werden die Charaktere erst zu Beginn der Szene gewählt.
Charaktere werden dementsprechend oft erst zu Beginn der Szene erschaffen (Wenn sie vorher noch nie gespielt wurden). Dies geht aber dank des Click ’n’ Lock Systems sehr schnell. Man schiebt einfach zwei Charakterteile zusammen und füllt sie schnell aus. Hat ein wenig was von Bastelstunde.
Danach geht es Reihum mit dem Starten von Konflikten. Spieler können Konflikte starten, bei denen sie für bestimmte Ziele die Bedingung setzen, dass sie nur mit einem Konflikt erreicht werden können. Damit kann kein Spieler diese Ziele einfach erzählen, sondern muss den Konflikt nach der Regelmechanik auflösen.
Aufgelöst werden die Konflikte mit Aktionen. Dabei erzählt der Spieler, was sein Charakter tut und würfelt einen Würfel auf dem Ziel. Danach kann jeder andere Spieler reagieren. Wer nach mehren Aktionen den Würfel mit dem höchsten Wert (oder die höchste Summe mehrerer Würfel) auf einem Ziel besitzt, der gewinnt das Ziel und darf den Ausgang (mit Erfolg oder Misserfolg) erzählen.
Besonders interessant ist, dass man Chips dafür einsetzen kann Würfel auf einem Ziel zu spalten, danach also zwei oder mehr Würfel mit der gleichen Augensumme zu besitzen. Danach wird noch weiter gewürfelt. So kann man seine Gewinnchancen deutlich erhöhen, da man nur so über eine Würfelsumme von 6 kommen kann. Je wichtiger der Konflikt einem Spieler ist, desto eher wird er bereit sein, seine Chips zum Spalten der Würfel einzusetzen.
Und jetzt kommt der Clou des ganzen Spiels: Gewinnt am Ende des Konflikts der Spieler, der Chips gesetzt hat den Konflikt, so erhält der Spieler, der den Konflikt erschaffen hat, die Chips als Storypunkte. Das heißt, dass man dann besonders viele Storypunkte bekommt, wenn man Konflikte erschafft, die den anderen Spielern wichtig sind, es ihnen dann schwer macht sie zu gewinnen (damit sie ihren Würfel spalten müssen) und sie dann am Ende knapp gewinnen lässt. Somit sorgt die Spielmechanik quasi von alleine für spannende, knappe Konflikte, die die Spotlightcharaktere dann aber doch meistens gewinnen. Eben wie im Comic!
Ich werde so bald wie möglich meine ersten Spielerfahrungen in einem Thread im Diary of Sessions zum Besten geben.
Bewertung, eigener EindruckIm Spiel bereiten die Regeln zunächst einige Probleme. Sie sind zu Beginn etwas verwirrend. Einen Charakter pro Spieler (zusätzliche mit Storypunkten kaufen), dann einen Konflikt besetzen pro Spieler, eine Aktion pro Charakter, wieder eine Reaktion pro Spieler… Bis man das flüssig hinbekommt, vergeht etwas Zeit. Auch ist das System insgesamt sehr „arbeitsintensiv“, d.h. man verbringt relative viel Zeit damit, zu Würfeln usw. wobei (wie bei
Dogs in the Vineyard) dies immer mit Erzählung verbunden ist, d.h. System und Erzählung zu einer Einheit verschmelzen. Trotzdem ist das Spiel nichts für Regelhasser, die am liebsten gar keinen Kontakt zum System hätten.
Das Spiel hat allerdings auch Vorteile: Es ist spielleiterlos und somit ohne Vorbereitung schnell einsetzbar. Die Charaktererschaffung geht unglaublich schnell. Das System regelt die Ressourcen sehr schnell und effektiv, so dass man sich als Spieler schon bald überlegt, wie man die Konflikte aufbauen soll, damit man ein paar Storypunkte abbekommt.
Insgesamt schafft das Spiel es, das Comicflair ziemlich gut einzufangen. Die entstehenden Geschichten ähneln denen aus Comicheften. Zu Beginn sind die Storyfäden etwas verworren, aber wenn die Geschichte fahrt aufnimmt, bessert sich dies. Auch besteht zu erwarten, dass mit zunehmender Erfahrung mit dem System dieses weiter in den Hintergrund rückt und auch mehr Augenmerk auf die Story gelegt werden kann.
Alles in Allem ist das Spiel eine lohnenswerte Anschaffung für alle, die gerne mal den Superhelden raushängen lassen und gleichzeitig keine Angst vor neuen Wegen des Rollenspiels haben. Capes zeigt, dass es auch ohne Spielleiter geht.