Was war noch mal „Hartwurst“? Hartwurst war unser despektierlicher Ausdruck für eine Spielweise, die wir (= Fredi, Cay, ich und andere) als langatmig und nervig empfinden. Eine Spielweise, die auf Techniken wie Scene Framing und Conflict Resolution vollständig verzichtet. Bei der alles, was passiert, ausgespielt werden muss. Bei der für jede Handlung eines Charakters gewürfelt wird. Bei der ein Charakter einen Gegenstand nur dabei hat, wenn er auf dem Charakterbogen steht. Wenn die Charaktere irgendwo hingehen wollen, wird auf der Karte nachgeguckt, wo das ist, bzw. im Settingband nachgeschlagen, ob es so was hier in der Gegend überhaupt gibt. Und wenn’s das nicht gibt, dann ist das eben Pech.
Ein anderer liebevoll elch’scher Ausdruck für Hartwurst war seinerzeit „Simulationistenkacke (tm)“. Meine Behauptung: Hartwurst ist nicht Sim gleichzusetzen.
Na gut, manchmal schon, aber eher selten.
Der einfache Teil, bei dem mir niemand widersprechen wird: Die oben geschilderten Verhaltensweisen sind Techniken, die für sich genommen neutral sind und höchstens als Indizien für eine CA gewertet werden können. Ebenso gut kann es sein, dass die Spieler es nur so machen, weil sie gar nicht daran denken, dass es eine Alternative dazu geben könnte. Hartwurstiges Spiel könnte also auch inkohärent und dysfunktional sein.
Der etwas schwierigere Teil: Hartwurst als Teil einer kohärenten CA muss nicht Sim sein. Hartwurst bedeutet Exploration Schritt für Schritt. Das ist erst mal völlig neutral. Man kann es mögen oder nicht. Es hat vielleicht nichts mit Adressing Premise und auch nichts mit Stepping On Up zu tun. Aber es hat auch nichts mit The Right to Dream zu tun, in dem Sinne, dass es den „Traum“ besser fördert als, sagen wir mal, Scene Framing. Selbst das immersivste Charakterspiel hält locker jedes Scene Framing (durch den SL) aus.
Also kann ich mir durchaus Narrativistische oder Gamistische Runden vorstellen, bei denen jede Handlung der Charaktere nacheinander weg ausgespielt wird, und die Spieler auch Spaß daran haben. Selbst wenn dabei eine ganze Weile nichts „thematisches“ oder „herausforderndes“ vorkommt. Solange die kritischen Momente, die „hard choices“, kohärent „Adressing Premise“ oder „Stepping On Up“ sind, ist die CA Nar bzw. Gam.
Hartwurst bedeutet außerdem, dass die vom SL oder dem Setting/Szenario-Autoren im Voraus festgelegten Tatsachen nicht nachträglich abgewandelt, sondern als Gesetz hingenommen werden. Wenn das gerade von den Spielern gewollt ist und etwas anderes als falsch empfunden wird, kann das in der Tat ein Anzeichen für Sim sein, im Sinne von „Eigenständigkeit der Spielwelt“.
Es könnte aber auch eine Ausprägung von Gam sein, bei der es im Interesse der Fairness und Chancengleichheit erforderlich ist, dass die „Siegbedingungen“ vorher feststehen. Gerade diese unselige „was nicht auf dem Charakterbogen steht, hast du auch nicht dabei“-Regel ist in meinen Augen, wenn überhaupt, eher geeignet, Gam zu unterstützen als Sim. Gleiches gilt für das „Würfeln für jede Handlung“.
Oder es ist einfach nur eine Technik, die ohne Nachdenken angewandt wird und die CA nicht fördert, ggf. gar behindert, und deren Abschaffung dem Spiel zuträglich wäre. Das schließt das Vorhandensein einer gemeinsamen CA ja noch nicht aus.
So.