Welche Erfahrung habt ihr mit Reiseabenteuern durch die Wildnis, auf was hat man als Spielleiter zu beachtet, was habt ihr als Spieler als Schikane erlebt, was hat den Reiz ausgemacht?
Ich habe mal meine Lieblingsrunde auf eine laengere Reise gehen lassen - Titel: "Der halbe Kontinent ist weit".
Allerdings hatten sie eine eigene Motivation (irgendwas wollten sie erst im Norden und dann im Sueden). Das Abenteuer ist ganz gut angekommen, ohne dass ich genau wuesste, warum.
Was ich ausgearbeitet hatte:
- NSCe. Viele, viele verschiedene NSCe. Informationsquellen, reine Flairgestalten, Helfer fuer eine kurze Etappe (die Floesser waren klasse), laengerfristige Begleiter, die aber in eigener Sache unterwegs waren und nur den gleichen Weg hatten... In vielen Faellen hatten die Charaktere die Auswahl, mit welchen sie zusammenbleiben wollten. Die Haelfte der Charaktere sind nur in einem oder zwei Saetzen vorgekommen, dann waren sie wieder unwichtig.
- Details zur wechselnden Fauna und Flora: Versuch, ein bisschen Lektuere dazu zu finden. Richtung Norden werden die Baeume kleiner, fast nicht mehr von Bueschen zu unterscheiden. Das Unterholz der Waeldchen wird spaerlicher; dafuer kommen groessere, lockere Birkengehoelze vor. Dann verschwinden die Baeume allmaehlich ganz - woraus wird jetzt Feuer gemacht? Brennholz mitschleppen geht nur begrenzt; warmes Essen wird zum Luxus, der Normalfall ist ein Essen aus vorgekochten oder rohen Sachen. Das Gras wird kleiner, von Moos durchsetzt, und irgendwann tauchen die ersten Flecken blanken Bodens auf...
- Aber es ist nicht so, dass es hier oben uninteressant waere - manche Pflanzen gedeihen ja nur hier; ein entsprechend ausgebildeter Held darf also ruhig mal ein bisschen umherwandern. Dafuer hatte ich eine ganze Menge von Moeglichkeiten zusammengestellt und den Char dann einfach mal suchen lassen. Je nach Probenqualitaet kam dann "Da ist was, das koennte irgendeine Art von Petersilie sein." oder auch: "Das sieht irgendwie aus wie eine Abbildung von..., und Du hast dunkel das Gefuehl, dass auch die Umgebung passt."... oder bei einer nicht so gelungenen Probe: "Wenn hier was Nettes waechst, erkennst Du es derzeit nicht." Und damit verbockte Proben nicht immer so einen Kummer machen: "Du wolltest gerade einen Strauch ansehen, als Du hinfaellst und mit der Hand eine Pflanze streifst... und als Du Dich dem Busch naeher zuwendest, merkst Du, dass ein Geruch an Deiner Hand haengengeblieben ist... wuerfel nochmal. Die Probe ist erschwert (oder modifiziert), aber ich sag Dir nicht, um wieviel."
- Letzteres war einer der am haeufigsten verwendeten Saetze bei all diesen Situationen: Der Charakter kann eventuell einschaetzen, wie sich seine Situation verhaelt, aber er kann es kaum genau wissen. Auf die Weise konnte ich das, was passiert ist, ein Stueck weit an die Wuerfelergebnisse anpassen: War das Ergebnis ueberragend, ist der Charakter auf etwas Nuetzliches aufmerksam geworden; waren sie eher nicht so brilliant, konnte er ueber etwas stolpern, was ihm ueberhaupt nicht weitergeholfen hat, usw.
- Meine Helden waren aus bestimmten Gruenden ziemlich oft mit der Futtersuche beschaeftigt, aber nicht anders kann man die Suche nach einem Weg regeln. Und je nachdem, wo sie sich herumtreiben, koennen sie auch unerwartet Gluecks- oder Zufallsfunde machen. Ich weiss nicht, wie geizig Ihr mit Ausruestung und dergleichen seid, aber es hebt die Stimmung in der Runde schon, wenn auch mal etwas klappt, wovon man nichtmal erwartet hat, dass es ueberhaupt vorkommen wuerde, oder man etwas findet, was man schon gebrauchen kann.
In Eis und Schnee werden natuerlich die Optionen geringer. Aber auch da gibt es eine Menge an Variationen, ueber was man sprechen kann; Schnee kann alles andere als "nur Schnee" sein:
- Tiefer Neuschnee ist ein echtes Hindernis fuer Fuessgaenger (und auf "Skier" sind die Chinesen schon vor ein paartausend Jahren gekommen), aber wenn der Schnee ein paarmal angetaut und ueberfroren ist, kann er so hart und glatt wie Asphalt werden - ganz bequem, um darauf zu laufen. (Ja, wirklich, konnte ich ausprobieren.) Andererseits, wenn mal Wasser darauf gestanden hat, das gerade gefroren ist, hat man schlichtweg Glatteis - haben die Leute schonmal was von Spikes gehoert? Tolle Erfindung!
- In Huegelland oder Bergland kann der Schnee steile "Kanten" bilden (Foto auf Anfrage). Allerdings sollte ein fester Gegenstand genuegen, um einfache Trittstufen hineinzuschlagen. Und fuer Lawinen, wenn auch nur ganz kleine und nicht lebensbedrohliche, genuegen schon ziemlich kleine Huegel. Man muss ja nicht immer gleich in Lebensgefahr geraten, wenn man mal einen Hang hinunterpurzelt, schon das Einsammeln des Gepaecks ist ausreichend aergerlich.
- Ganz hanebuechen dagegen wird es, wenn es mal etwas waermer wird; Schneematsch und Tauwasser auf altem Schnee durchnaessen nach einer gewissen Zeit so gut wie alles. Spritzer und Eisreste machen die Schuhe und Maentel nass und schwer - und kalt! Eine (morgendliche oder abendliche) frische Eisschicht ueber Schneematsch ist eine besonders boese Sache: Zerbricht beim Drauftreten wie Eis ueber Wasser, und die entstehenden Bruchkanten sind *scharf* - die Schuhe leiden! Und offene Schuhe bedeutet eindringende Kaelte und schlimmstenfalls auch eindringendes Wasser, und damit eine massive Gefahr erfrorener Zehen!
- Schneematsch ist tueckisch, man kann leicht an einer Unebenheit umknicken und hinfallen, und dann ist man zu allem Uebel auch noch ordentlich nass. (Wobei man sich fragen sollte, woher die Unebenheit eigentlich gekommen ist. Hat da jemand vorzeiten mal ein bis dahin tapfer mitgeschlepptes Buendel Brennholz verloren, ueber dessen Aeste der frustrierte Wanderer nun gefallen ist? Das haette gleich noch einen Nutzen:)
- Naesse bedeutet Waermeverlust, was bei entsprechenden Bedingungen (Wind!) durchaus riskant werden kann. Ohne Wechselkleidung wird man schwerlich weit kommen, aber auch mit: Bei Kaelte und ohne Wind trocknen die Sachen nur sehr, sehr langsam. (Jeans brauchen unter solchen Bedingungen meiner Erfahrung nach mehrere Tage, bis sie wieder trocken sind; Leder ist da sicher nicht besser.) Also - was tun, wenn alle Sachen nass sind? Lagerplatz suchen oder herstellen, und dann Zusammendraengeln und Geduld haben? Klingt immer noch besser als Weitergehen und mit den nassen Sachen am Koerper schlichtweg unterkuehlen. Ein Iglu oder eine Schneehoehle sind die beste Option, haben allerdings den Nachteil, dass man die Sachen sinnvollerweise zum Trocknen draussen laesst und dann nicht mehr unter Kontrolle hat. Ploetzlicher Wind oder ein neugieriger Vierbeiner koennen da schnell zum Aergernis werden. Ein Feuer dagegen beschleunigt das Trocknen ungemein - hier bietet sich also an, eine Situation zu konstruieren, die Schaden und Ausgleich in einem bietet, eventuell mit dem einen oder anderen "Mehrwert" fuer die Wanderer.
- Erfrierungen merkt man nicht sofort. Die Koerperteile sind zu dem Zeitpunkt, in dem sie erfrieren, bereits taub von der Kaelte. Das "Auftauen" wird dann allerdings sehr schmerzhaft!
- Nicht ueberall, wo es immer kalt ist, liegt auch Schnee. Schnee verdunstet, insbesondere wenn es langanhaltenden Wind gibt (d.h. z.B. zwischen Felsen, die einen "Windkanal" bilden). Es kann also auch im hohen Norden kahle, schneefreie Stellen geben - oder sogar solche, wo ein wenig Moos, ein paar Flechten, im Extremfall sogar kleine Bluetenpflanzen leben.
Ganz allgemeine Ratschlaege:
- Versuch, Augenmass zu bewahren. Quael` Deine Spieler nicht zu sehr. Da, wo das Ueberleben hart ist, aber noch Menschen leben, gibt es oft eine Kultur gegenseitiger Hilfeleistungen: Huetten, die jeder aufsuchen darf, der dann aber bitte das Brennholz auffuellt, bevor er wieder geht, sind so ein Beispiel. Und die 'Einheimischen' werden (natuerlich je nach Menschenschlag, aber doch ueberwiegend) Fremde nicht einfach ins Verderben rennen lassen. Gib ihnen per NSC Warnungen, Hinweise, Vorschlaege - nicht alle muessen immer das Optimum sein, aber zumindest besser als ein: "Dann lauft mal los, werdet schon sehen, was Ihr davon habt!"
- Versuch, ihnen bei Misserfolgen trotzdem etwas zuzuspielen, womit sie etwas anfangen koennen (siehe das Brennholzbeispiel; vielleicht ist ja in der Schneehoehle ein im Winterschlaf erfrorener und gut tiefgekuehlter Baer zu finden...)
- Lass sie unterschiedlich schnell vorankommen. Mal werden sie unertraeglich oft aufgehalten, dass es zum verzweifeln ist, mal gehen zwei, drei Tage mit wundersamer Geschwindigkeit und so angenehm, dass es nur zum Vergnuegen zu sein scheint... bis dann wieder was passiert.