Das finde ich schon ein bischen zu wenig. Man muss hier eine feine Nuance beachten. Beim SoCo geht es nicht nur um den Umgang ganz im Allgemeinen, sondern natürlich schon aufs Rollenspiel bezogen.
Darf ich daraus schliessen, dass bei Euch Treffen in unterschiedlicher Weise ausgehandelt werden, je nachdem, ob es sich um Treffen zum Rollenspiel oder zu einer anderen Geselligkeit handelt? Komisch, bei uns ist das eigentlich kein Unterschied. - Anders ausgedrueckt: Wo ziehst Du dann die Grenze zwischen "Sozialvertrag" und "Umgang"? Oder nennst Du Dinge mal so, mal so, je nachdem ob sie sich auf ein Rollenspiel beziehen oder nicht?
Contract also Vertrag wird es genannt, um diese Übertragung gewisser sozialer Grundsätze auf das Spielgeschehen zu formalisieren.
Einen Moment, jetzt bin ich verwirrt. Ich hatte (als Neuling in dieser Theorie) angenommen, der "Sozialvertrag" bezoege sich
ausschliesslich auf das "Drumherum" des Spiels, aber nicht auf den Bereich, den ich als "in-time" zu bezeichnen gewoehnt bin? (Ich hatte vermutet, das sei durch die "Creative Agenda" mit abgedeckt?)
Und wie passt die "Uebertragung gewisser sozialer Grundsätze auf das Spielgeschehen" mit folgender Aussage zusammen:
Eine vierte CA ist der SoCo wohl kaum, da er sich ja außerhalb des eigentlichen Spieles befindet (das "Creative" fehlt).
Das bekomme ich noch nicht bruchlos zusammen.
Was mich an dem Begriff "Vertrag" oder "Kontrakt" wohl am meisten stoert, ist, dass es meiner Meinung nach keine "unausgehandelten" Vertraege geben kann, und dass mein "Umgang" teilweise unverhandelbar ist. Gegenseitiger Respekt, die Vermeidung bestimmter Begriffe und Verhaltensweisen usw. sind fuer mich einfach nicht verhandelbar, und sie haengen nicht am Umgang der anderen untereinander und mir gegenueber. Strenggenommen muesste es sich dabei um den Bruch eines Sozialvertrages handeln... oder eben auch nicht, denn diesen Vertrag habe ich ja gerade niemals "unterzeichnet" und kann ihn mithin nicht brechen... ?
Das Rollenspiel ist eben im wesentlichen ein Gespräch meist unter Freunden oder Bekannten. Es ist aber eben auch nicht irgend ein Gespräch, sondern ein Spiel, bei dem möglicherweise andere Grenzen beachtet werden müssen, und bestimmte Umgangsformen neue Bewertung finden können.
Jetzt wird es deutlich schwieriger, weil ich einen extremen Unterschied zwischen dem Benehmen "in-time" und "out-time" gewoehnt bin. "In-time" sind Dinge erlaubt, die "out-time" absolut verpoent waeren, und andersherum. Es gibt also in einem bestimmten Moment ein Umschalten von einem Verhalten ("Umgang") zu einem anderen ("Spiel"), und es gehoert zu den mehr oder minder nie thematisierten Grundregeln des Rollenspiels (der Gruppen, in denen ich spiele), dass die beiden sich moeglichst nicht gegenseitig beeinflussen.
Das, was ich unter "Sozialvertrag" bisher verstanden hatte, verliert mit dem Beginn des Spiels seine Gueltigkeit und wird durch das Eintauchen in eine gemeinsame Fiktion
ersetzt.
Ja, sowas in der Art hatte ich mit meiner Kultur-Anmerkung gemeint, allerdings etwas spezieller auf Rollenspiel bezogen. Also nicht nur "nicht auf den Tisch kotzen" u.ä., sondern auch religiöse Fragen und ethische Dinge, die sich auch auf das, was in den SIS eingebracht werden darf, auswirken (Stichwort Mohammed-Karrikaturen). Und dann wäre der Bezug zum Rollenspiel stärker als das, was 1of3 mit "Das hat mit Rollenspiel eigentlich noch nichts zu tun" nahelegt.
Tut mir leid, aber kannst Du mir kurz verraten, was es mit "SIS" auf sich hat? Der Begriff faellt zuweilen, mir fehlt aber die Definition, um damit umzugehen und im Begriffsdefinitionen-Faden konnte ich ihn auch nicht finden. Oder gibt es noch einen anderen, in dem "Sozialvertrag", "Creative Agenda", "Exploration" und "SIS" und dergleichen definiert sind, und den ich noch nicht gefunden habe?
Entsprechend verstehe ich jetzt nicht, was Dein Ausflug in die Ethik jetzt besagen will? Ich meine: Wenn ich in einer fiktiven, aber der "Jetztzeit" angelehnten Rollenspielwelt spiele, gehoert ein Geschehen, dass Mitteleuropa und den mittleren Osten in Brand setzen kann, schon ins Spiel, und ggfs. auch eine charakterkonsistente Meinungsbildung und Unterhaltung darueber. In Mittelerde oder "Dogs in the Vineyard" waere es eben fehl am Platz... Aber darum ging es vermutlich auch gar nicht?
Hierbei frage ich mich: Können/sollten auch Dinge außerhalb des Systems in den Spielregeln festgelegt werden? Z.B. eine Kleiderordnung, bestimmte Musik oder besondere Umgangsformen? Sowas wird a la "System matters" das Spielgefühl verändern und durch bestimmte Stimmungen evtl. eine bestimmte CA/einen Spielstiel fördern.
Brr...
nein, keinesfalls. Erstens: Wer soll denn die Kleidung bezahlen? Wer ist verpflichtet, die gesammelte Musik der Weltgeschichte bei sich verfuegbar zu haben -
nur um einem Rollenspielregelwerk gerecht zu werden?
Und ausserdem... ein 3-Zentner-Brocken wuerde in einem fuer seine Rolle vorgesehenen Dirndl irgendwie nicht (naja, nicht
konstruktiv) zur Stimmung am Tisch beitragen... finde ich jedenfalls. Gut, man koennte sagen, es geht nur um den generellen Stil der KLeidung - aber ich wuerde in schwarzem Leder und mit Silberkettchen wohl genauso albern aussehen. Das lenkt nur ab.
Ja, genau:
Das lenkt nur ab. Es mag sein, dass ich durch meine Herkunft, Lebensweise und Berufswahl extrem darauf getrimmt bin, Aesserlichkeiten vollstaendig auszublenden. Es fiele mir nicht ein, mich von einem fast bewegungsunfaehigen, durch viel Technik am Leben erhaltenen Koerper ablenken zu lassen, wenn ich einem bemerkenswerten Physiker zuhoere. Darauf - dass er im Rollstuhl sitzt, was er anhat, sogar, wie er spricht - kommt es doch nicht an. Das
Wort zaehlt.
Aber es ist - zumindest fuer mich - unendlich viel leichter, das Uebliche auszublenden, als das Ungewoehnliche, Stoerende, Laecherliche.
Mit der Musik ist es nicht besser. Bei Musik kommt viel auf die Wahrnehmung durch den Hoehrer an. Gerade im Rollenspiel kann es dabei zu Verwirrung fuehren, wenn man das nicht beachtet. Ich hatte den Fall als Spieler - ein Spielleiter wollte mich wohl auf etwas neugierig machen und hat dafuer zu einer Aufnahme gegriffen, die fuer ihn wohl "froehliche Geselligkeit" ausdruecken sollte. Meine (Merlins, nicht meines Charakters!) Reaktion war - Angst. Genau diese "Geraeusche" kannte ich aus fuer mich sehr bedrohlichen Momenten. Mein Charakter R. hat also die Flucht angetreten. Der Spielleiter hat mich spaeter per NSC darauf hingewiesen, an diesen Geraeuschen sei doch nichts Bedrohliches - und mit
anderen Ohren gehoert, konnte ich nachvollziehen, was er meinte. Der Hinweis: "R. hoert in der undurchdringlichen Dunkelheit etwas, dass ihm wie eine froehliche Gesellschaft vorkommt", haette mir aber den
besseren Eindruck vermittelt, und ich haette R. anders reagieren lassen. Auch, welche Musik ich mit "Dramatik", "Spannung", "Unterhaltung", "Angst", "Unruhe", "Ruhe", "Froehlichkeit" verbinde, unterscheidet sich teils stark von dem, was andere in der Spielrunde damit verbinden. Die
Wirkung der Musik ist damit ueberhaupt nicht absehbar, und eventuell zerstoert sie mehr, als sie beitragen koennte.
Musik
gut auszuwaehlen, ist eine Faehigkeit, die ein Spielleiter haben kann, aber nicht ein Regelwerk - weil das Regelwerk die spezifischen Spieler nicht kennt. Und wenn die Spieler sehr "inhomogen" sind, mag es fuer eine gegebene Gruppe einfach auch keine "gute" Musik geben - weil das, was dem einen "oh, angenehm" vermittelt, einen anderen "bloss weg hier" denken laesst.
Das dritte, Umgangsformen... Ich haette gesagt, die werden von der Fiktion, also dem Spiel, vorgegeben. Andererseits muss man Vorkenntnisse mitbringen, um zu wissen, was solche Vorgaben ausdruecken wollen. Wenn diese Vorkenntnisse nicht vorhanden sind - und das darf man meines Erachtens beim Schreiben eines Regelwerks nicht voraussetzen - hilft ein entsprechender Hinweis nicht viel. Da ist es besser, innerhalb des Regelwerks die noetigen Informationen mitzuliefern.
(Bspw. wuerde mir der Hinweis "Verhalten Sie sich wie ein Samurai" nicht weiterhelfen, weil ich nicht weiss, wodurch sich das Verhalten eines Samurai auszeichnet - ich kenne nur die Verzerrungen, die einzelne Filme, Buecher und andere Veroeffentlichungen daraus gemacht haben und von denen ich nur
eines mit Sicherheit weiss: Das hat nicht mehr viel mit dem "Verhalten eines Samurai" zu tun...)
Kühne Behauptung: Für die Erfüllung des SoCo bekommt man positives Feedback.
Was an der Behauptung ist kuehn? So funktioniert unsere Zivilisation.