Autor Thema: [Forge] Social Contract  (Gelesen 6201 mal)

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Offline Dom

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[Forge] Social Contract
« am: 10.02.2006 | 16:13 »
Hallo Theoretiker!

Ich möchte mal ein Thema ansprechen, von dem ich als Mathematiker wenig Ahnung habe: dem Social Contract (SoCo). Dieser steht ja irgendwie über allem und ist wirklich grundlegend für das Zusammenspiel der Gruppe an sich; aber es wird nur selten Bezug drauf genommen.

Drauf gekommen bin ich in einer Diskussion mit einem Kumpel, als wir versucht haben, den ominösen "Casual Player" von Laws (zur Erinnerung: der spielt mit, weil ihm die Leute gefallen und nicht wegen des Rollenspiels an sich) in das Big Model einzuordnen. Er braucht nicht wirklich eine der drei bekannten Creative Agendas (denn die beziehen sich ja aufs Rollenspiel). Also kann er seinen Spaß nur aus dem Social Contract ziehen?!

Zur Diskussionsanregung ein paar Fragen:
1. Wie sieht so ein SoCo üblicherweise aus? Damit meine ich nicht die Definition des SoCo, sondern eher sowas in der Art wie: Gibt es Elemente, die immer drin sind oder solche die hier nix zu suchen haben? Ich behaupte einmal, dass die Kultur eine gewisse Rolle spielt (ohne wirklich zu wissen, was Kultur überhaupt ist).
2. Was passiert, wenn der SoCo gebrochen wird? Kann dann eine Gruppe dann überhaupt weiterspielen?
3. Kann ein "guter" SoCo ein Ersatz für eine CA sein, d.h. der eigentliche Spaß bei Spiel entsteht durch die SoCo?

Dom

Offline Dr.Boomslang

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #1 am: 10.02.2006 | 17:16 »
Der Social Contract ist wie der Name sagt eine Einigung auf sozialer Ebene und enthält alles was zum Spielen nötig ist. Das wichtigste was für das unmittelbare Spielgeschehen aus dem SoCo hervorgeht ist sicherlich System. Allerdings enthält er auch alles was den Umgang der Spieler untereinander für den Verlauf des Spiels betrifft, z.B. das man sich gegenseitig ausreden lässt, dass man pünktlich zum Beginn der Runde erscheint usw.
Viele Probleme die im Rollenspiel auftreten sind eigentlich soziale Probleme unter den Spielern und müssen daher auf der Ebene des SoCo gelöst werden und nicht erst durch System, CA oder gar bestimmte Techniken im Spiel. Für alle die Spieler die das Spiel mehr als soziales Ereignis sehen liegen die bedeutsamen Punkte auch eher im Bereich des SoCo und nicht erst in den darunter liegenden Ebenen.

Es gibt sicher wichtige Punkte die ein SoCo immer enthalten sollte damit er nachher auch funktioniert. Mir fallen dazu grade folgende Dinge ein:
Wie kommt das Spiel zu stande?
- Dazu gehören Terminabsprachen und logistische Dinge, wie die Anzahl der Spieler, wo gespielt wird und wer was mitbringt.
Wie läuft das Spiel als Interaktion ab?
- Dazu gehört die Festlegung wann jemand "dran" ist, wann und wofür das Spiel unterbrochen werden darf, was Spiel ist und was nicht, wie man miteinander redet.
Wie wird das Spiel gespielt?
- Hier wird das System festgelegt und man sollte möglichst explizit machen worum es dabei geht, also an welche Prozeduren und Regeln man sich halten muss um einen bestimmten Effekt im Spiel zu erreichen. Es gehört aber auch dazu welche Autorität welcher Teil im System hat und wie das System verändert werden kann.
Vielleicht noch: Was bedeutet das Spiel?
- Welche Erwartungen setzen die Spieler in das Spiel? Was darf man machen und was nicht? Wollen die Spieler leiden, Angst haben, nur lachen...?

Wenn ein Spieler den SoCo bricht, wird das vermutlich zu Konflikten auf der ein oder anderen Ebene führen. Das Spiel kann zwar weiter gehen ist aber gestört und der entsprechende Spieler wird merklich oder unmerklich ausgesondert und/oder gemaßregelt. Aber ich bin kein Soziologe oder Psychologe, wir haben hier sicher Leute die das genauer beschreiben können.

Der Spaß beim Spiel hängt maßgeblich vom SoCo ab. Ein schwachsinniges oder sogar langweiliges Spiel kann trotzdem ein interessantes soziales Ereignis sein, nur wäre es dann garnicht wirklich nötig zu spielen. Warum das so ist und warum Leute manchmal nur das Spiel als Anlass für ein solches Ereignis brauchen kann ich auch nicht so richtig beantworten, möglich ist es aber bestimmt.

Offline Merlin Emrys

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #2 am: 11.02.2006 | 04:48 »
Der Social Contract ist wie der Name sagt eine Einigung auf sozialer Ebene und enthält alles was zum Spielen nötig ist.
Wie grenzt sich dieser "Sozialvertrag" eigentlich gegen "Umgang" ab? Ich meine, das Sich-Treffen in Raeumen zu Zeiten und mit oder ohne Futteralien ist ja nichts, was sich auf Rollenspiele(r) beschraenken wuerde... Ist er also nur eine andere Formulierung fuer "(lockere) Freundschaft" bzw. "Bekanntschaft" und "normalen Umgang miteinander"? Oder was grenzt ihn davon eigentlich ab und macht ihn zu einem spezifischen Begriff des Rollenspiels (wenn er das denn ist)?

Offline 1of3

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #3 am: 11.02.2006 | 11:02 »
Nein, genau dieses "Wir treffen uns um 17:00 bei Conni, bestellen Pizza, labern kurz über dies und das und fangen dann an." ist gemeint. Das hat mit Rollenspiel eigentlich noch nichts zu tun.

Offline Dr.Boomslang

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #4 am: 11.02.2006 | 13:14 »
Der SoCo ist eigentlich wirklich "nur" der "normale" Umgang. Ich denke der SoCo wird deshalb als für das Rollenspiel so zentral angesehen, da das Rollenspiel selbst beinahe nur aus sozialer Interaktion besteht. Im Gegensatz zu anderen Spielen oder Tätigkeiten in der Gruppe ist das Regelwerk und die Spielutensilien beim Rollenspiel viel weniger selbsterklärend und scharf determiniert. Viele soziale Gegebenheiten schlagen daher viel leichter bis auf Spiel durch als z.B. beim Schach, oder beim Computerspielen. Außerdem ist es sicher ein Hinweis auf das Spiel als soziale Tätigkeit an sich.

Offline Merlin Emrys

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #5 am: 12.02.2006 | 12:23 »
Der SoCo ist eigentlich wirklich "nur" der "normale" Umgang.
Vielleicht sollte man dann den Begriff einfach im deutschen auch so verwenden? Ich meine, ziemlich viel klaert sich von selbst, wenn man nicht irgendeinen meines Wissens nach nie geschlossenen "Vertrag" annimmt, sondern davon spricht, dass man halt als zivilisierter Mensch gewisse Umgangsformen einhalten sollte...

Fuer mich ergibt sich daraus eigentlich ziemlich von selbst, was ich auf Doms Fragen antworten wuerde:
1.) Was zu einem guten Umgang miteinander beitraegt, gehoert zu "Umgangsformen" / zum "Sozialvertrag". Das kann eventuell so tief im Konsens verankert sein, dass es nicht weiter auffaellt. (Beispielsweise wuerde niemand in unserer Wohnung auf den Boden spucken... aber das ist eigentlich keine Frage einer Vereinbarung, sondern der allgemeine Respekt vor dem Eigentum anderer und der Muehe, die sich verschiedene Personen machen, dies Eigentum in gutem und angenehmen Zustand zu halten. Weshalb auch z.B. Saeuglinge immer eine Ausnahmegenehmigung bekommen, sogar auf Teppichboeden.)
2.) Es kann gute Gruende geben, die allgemein-ueblichen Umgangsformen fuer einen Moment zu brechen, um ein Signal abzugeben. Das ist aber seinerseits Teil von Umgangsformen und insofern auf einer tieferen Ebene kein "Bruch". Wenn ein solcher vorliegt, haengt es am Zusammenhalt der Gruppe, wie sie reagiert. Unter Freunden ist ziemlich viel erlaubt, und wenn da einer stockbesoffen ankommt, wird man wohl weniger daran denken, ihn auszuschliessen, als zu fragen, was los ist (und derweil das Rollenspiel vertragen) - zumindest in den Gruppen, in denen ich spiele. Nur eine Gruppe, die keinen weiteren Zusammenhalt hat als das gemeinsame Rollenspiel, kann etwas, das als ungerechtfertigter Bruch oder fortgesetzter Bruch betrachtet wird, vermutlich nicht tolerieren.
3.) Ja. Ich kann durchaus aus dem Wunsch nach Gemeinschaft Dinge mitmachen, die ich als solche nicht allzusehr schaetze. Ich verabscheue es beispielsweise, Essen zu gehen - ich tue es aber trotzdem, wenn es die Hoeflichkeit verlangt, es dem Zusammenhalt einer Gemeinschaft (AG) dient, oder ich die Leute besonders schaetze. Ich tue es in letzerem Fall also sogar in bestimmter Hinsicht gerne, auch wenn ich die Taetigkeit als solche eher unangenehm finde.

Daraus ergibt sich meines Erachtens uebertragen fuer zumindest einen moeglichen Fall von Gelegenheitsspielern: Ihnen ist der Umgang mit resp. Kontakt zu den andern so wichtig, dass sie ihn der eigentlichen Taetigkeit (des Rollenspiels) ueberordnen und aus z.B. der Freundschaft zu anderen das Mass an "positiver Stimmung" ziehen, das sie zum Mitmachen brauchen. Sie werden sich also bezueglich ihres Spielverhaltens dadurch auszeichnen, dass sie ihre eigenen Wuensche konsequent einem moeglichst positiven Gesamten (oder  den Vorstellungen zumindest eines anderen) unterordnen, d.h. sich trotz eines (geheimen?) Hangs zu einer Spielweise jederzeit auf jede andere einlassen, die die Stimmung der Gruppe (oder zumindest eines anderen) insgesamt verbessert.  Das bedingt uebrigens als solches nicht, dass sie "nur nebenher" oder "nachlaessig" spielen; sie koennen im Gegenteil sogar sehr "aktive" und "gute" Spieler sein - wenn sie Rollenspiel nicht gerade verabscheuen und andererseits durch ihre leicht distanzierte Perspektive merken, welche "Luecken" zu fuellen dem Spiel der Gruppe foerderlich ist.

Offline Dr.Boomslang

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #6 am: 12.02.2006 | 13:34 »
Ich meine, ziemlich viel klaert sich von selbst, wenn man nicht irgendeinen meines Wissens nach nie geschlossenen "Vertrag" annimmt, sondern davon spricht, dass man halt als zivilisierter Mensch gewisse Umgangsformen einhalten sollte...
Das finde ich schon ein bischen zu wenig. Man muss hier eine feine Nuance beachten. Beim SoCo geht es nicht nur um den Umgang ganz im Allgemeinen, sondern natürlich schon aufs Rollenspiel bezogen. Contract also Vertrag wird es genannt, um diese Übertragung gewisser sozialer Grundsätze auf das Spielgeschehen zu formalisieren. Das Rollenspiel ist eben im wesentlichen ein Gespräch meist unter Freunden oder Bekannten. Es ist aber eben auch nicht irgend ein Gespräch, sondern ein Spiel, bei dem möglicherweise andere Grenzen beachtet werden müssen, und bestimmte Umgangsformen neue Bewertung finden können. Deshalb sollte man sich vor dem Spiel darauf einigen wie man diese Grundsätze auf das Spiel bezogen anwendet und dabei sollte möglicherweise auch mehr explizit gemacht werden, als das bei einer x-beliebigen anderen sozialen Tätigkeit der Fall wäre. Die etwas hochtrabende Bezeichnung "Vertrag" soll eigentlich nur auf diesen Umstand hinweisen.
Wie man sehen kann sind deine Hinweise dann auch eher sehr allgemein und meine oben waren schon aufs Rollenspiel bezogen, das ist aber der wesentliche Punkt.

Offline Dom

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #7 am: 12.02.2006 | 22:48 »
Zitat von: Merlin Emrys
Ich meine, ziemlich viel klaert sich von selbst, wenn man nicht irgendeinen meines Wissens nach nie geschlossenen "Vertrag" annimmt, sondern davon spricht, dass man halt als zivilisierter Mensch gewisse Umgangsformen einhalten sollte...
Ja, sowas in der Art hatte ich mit meiner Kultur-Anmerkung gemeint, allerdings etwas spezieller auf Rollenspiel bezogen. Also nicht nur "nicht auf den Tisch kotzen" u.ä., sondern auch religiöse Fragen und ethische Dinge, die sich auch auf das, was in den SIS eingebracht werden darf, auswirken (Stichwort Mohammed-Karrikaturen). Und dann wäre der Bezug zum Rollenspiel stärker als das, was 1of3 mit "Das hat mit Rollenspiel eigentlich noch nichts zu tun" nahelegt.

Zu 1.:
Zitat von: Dr. Boomslang
Wie kommt das Spiel zu stande?
- Dazu gehören Terminabsprachen und logistische Dinge, wie die Anzahl der Spieler, wo gespielt wird und wer was mitbringt.
Ja, das sieht vernünftig aus.

Zitat von: Dr. Boomslang
Wie läuft das Spiel als Interaktion ab?
- Dazu gehört die Festlegung wann jemand "dran" ist, wann und wofür das Spiel unterbrochen werden darf, was Spiel ist und was nicht, wie man miteinander redet.
Das "dran" sein gehört mMn eher zum System, denn hier wird ja die Exploration an sich geregelt (ok, das System ist Teil des SC, aber es ist klar, was ich meine). Anders sieht es mit dem Rest aus: Das ist nicht System, gehört aber trotzdem dazu.

Zitat von: Dr. Boomslang
Wie wird das Spiel gespielt?
- Hier wird das System festgelegt und man sollte möglichst explizit machen worum es dabei geht, also an welche Prozeduren und Regeln man sich halten muss um einen bestimmten Effekt im Spiel zu erreichen. Es gehört aber auch dazu welche Autorität welcher Teil im System hat und wie das System verändert werden kann.
Vielleicht noch: Was bedeutet das Spiel?
- Welche Erwartungen setzen die Spieler in das Spiel? Was darf man machen und was nicht? Wollen die Spieler leiden, Angst haben, nur lachen...?
ACK.

Zu einer solchen Liste würde ich dann auch noch -- wie oben erwähnt -- sowas wie "Kultur", "Ethik" o.ä. hinzufügen wollen.

Hierbei frage ich mich: Können/sollten auch Dinge außerhalb des Systems in den Spielregeln festgelegt werden? Z.B. eine Kleiderordnung, bestimmte Musik oder besondere Umgangsformen? Sowas wird a la "System matters" das Spielgefühl verändern und durch bestimmte Stimmungen evtl. eine bestimmte CA/einen Spielstiel fördern.

zur 2. Frage: Das, was Merlin Emrys schreibt, klingt für die normalen Umgangsformen eigentlich sehr vernünftig und lässt sich wohl auf den SoCo übertragen. Man muss wahrscheinlich auch nach der Schwere des Verstoßes unterscheiden. Insbesondere Verstöße gegen "Formalia" wie die Anfangszeit können problemlos besprochen werden.

zu 3.: Das finde ich die spannenste der drei Fragen. Klar ist offenbar, wie Merlin schrieb, dass man auch Dinge wegen der Gemeinschaft tut (bzw. dass es Menschen gibt, die Dinge wegen der Gemeischaft tun). Die Regeln der Gemeinschaft selbst wiederum werden durch den SoCo festgelegt.
Kühne Behauptung: Für die Erfüllung des SoCo bekommt man positives Feedback.
Dann wäre das eine Bestätigung, wie es sie auch bei einer funktionalen CA gibt. Merlins Post bestärkt mich in meiner Meinung, dass der SoCo eine Art Ersatz-CA sein kann, auch wenn die Gruppe an sich inkohärent ist. Insbesondere könnten Spieler, die selbst an der Spielweise der Gruppe wenig gefallen finden, dort ihre Bestätigung finden.
Eine vierte CA ist der SoCo wohl kaum, da er sich ja außerhalb des eigentlichen Spieles befindet (das "Creative" fehlt). Aber vielleicht eine Erklärung, warum eine funktionale, inkohärente Gruppe existieren kann.

Zitat von: Merlin Emrys
sie koennen im Gegenteil sogar sehr "aktive" und "gute" Spieler sein
Das "aktiv" schließt Laws ja gerade aus. Das liegt aber wahrscheinlich weniger an der Tatsache, dass alle diejenigen, die ihre Bestätigung aus dem SoCo ziehen, immer passiv spielen müssen, sondern daran, dass Laws die seiner Meinung nach häufiger auftretenden Gelegenheitsspieler mit ihrem Verhalten (eher passiv) aufgeführt hat. Also kann ich dieser Aussage mit einem "verallgemeinerten Casual Gamer" zustimmen.

Dom.

Offline Merlin Emrys

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #8 am: 13.02.2006 | 06:01 »
Das finde ich schon ein bischen zu wenig. Man muss hier eine feine Nuance beachten. Beim SoCo geht es nicht nur um den Umgang ganz im Allgemeinen, sondern natürlich schon aufs Rollenspiel bezogen.
Darf ich daraus schliessen, dass bei Euch Treffen in unterschiedlicher Weise ausgehandelt werden, je nachdem, ob es sich um Treffen zum Rollenspiel oder zu einer anderen Geselligkeit handelt? Komisch, bei uns ist das eigentlich kein Unterschied. - Anders ausgedrueckt: Wo ziehst Du dann die Grenze zwischen "Sozialvertrag" und "Umgang"? Oder nennst Du Dinge mal so, mal so, je nachdem ob sie sich auf ein Rollenspiel beziehen oder nicht?

Contract also Vertrag wird es genannt, um diese Übertragung gewisser sozialer Grundsätze auf das Spielgeschehen zu formalisieren.
Einen Moment, jetzt bin ich verwirrt. Ich hatte (als Neuling in dieser Theorie) angenommen, der "Sozialvertrag" bezoege sich ausschliesslich auf das "Drumherum" des Spiels, aber nicht auf den Bereich, den ich als "in-time" zu bezeichnen gewoehnt bin? (Ich hatte vermutet, das sei durch die "Creative Agenda" mit abgedeckt?)
Und wie passt die "Uebertragung gewisser sozialer Grundsätze auf das Spielgeschehen" mit folgender Aussage zusammen:
Eine vierte CA ist der SoCo wohl kaum, da er sich ja außerhalb des eigentlichen Spieles befindet (das "Creative" fehlt).
Das bekomme ich noch nicht bruchlos zusammen.

Was mich an dem Begriff "Vertrag" oder "Kontrakt" wohl am meisten stoert, ist, dass es meiner Meinung nach keine "unausgehandelten" Vertraege geben kann, und dass mein "Umgang" teilweise unverhandelbar ist. Gegenseitiger Respekt, die Vermeidung bestimmter Begriffe und Verhaltensweisen usw. sind fuer mich einfach nicht verhandelbar, und sie haengen nicht am Umgang der anderen untereinander und mir gegenueber. Strenggenommen muesste es sich dabei um den Bruch eines Sozialvertrages handeln... oder eben auch nicht, denn diesen Vertrag habe ich ja gerade niemals "unterzeichnet" und kann ihn mithin nicht brechen... ?

Das Rollenspiel ist eben im wesentlichen ein Gespräch meist unter Freunden oder Bekannten. Es ist aber eben auch nicht irgend ein Gespräch, sondern ein Spiel, bei dem möglicherweise andere Grenzen beachtet werden müssen, und bestimmte Umgangsformen neue Bewertung finden können.
Jetzt wird es deutlich schwieriger, weil ich einen extremen Unterschied zwischen dem Benehmen "in-time" und "out-time" gewoehnt bin.  "In-time" sind Dinge erlaubt, die "out-time" absolut verpoent waeren, und andersherum. Es gibt also in einem bestimmten Moment ein Umschalten von einem Verhalten ("Umgang") zu einem anderen ("Spiel"), und es gehoert zu den mehr oder minder nie thematisierten Grundregeln des Rollenspiels (der Gruppen, in denen ich spiele), dass die beiden sich moeglichst nicht gegenseitig beeinflussen.
Das, was ich unter "Sozialvertrag" bisher verstanden hatte, verliert mit dem Beginn des Spiels seine Gueltigkeit und wird durch das Eintauchen in eine gemeinsame Fiktion ersetzt.

Ja, sowas in der Art hatte ich mit meiner Kultur-Anmerkung gemeint, allerdings etwas spezieller auf Rollenspiel bezogen. Also nicht nur "nicht auf den Tisch kotzen" u.ä., sondern auch religiöse Fragen und ethische Dinge, die sich auch auf das, was in den SIS eingebracht werden darf, auswirken (Stichwort Mohammed-Karrikaturen). Und dann wäre der Bezug zum Rollenspiel stärker als das, was 1of3 mit "Das hat mit Rollenspiel eigentlich noch nichts zu tun" nahelegt.
Tut mir leid, aber kannst Du mir kurz verraten, was es mit "SIS" auf sich hat? Der Begriff faellt zuweilen, mir fehlt aber die Definition, um damit umzugehen und im Begriffsdefinitionen-Faden konnte ich ihn auch nicht finden. Oder gibt es noch einen anderen, in dem "Sozialvertrag", "Creative Agenda", "Exploration" und "SIS" und dergleichen definiert sind, und den ich noch nicht gefunden habe?
Entsprechend verstehe ich jetzt nicht, was Dein Ausflug in die Ethik jetzt besagen will? Ich meine: Wenn ich in einer fiktiven, aber der "Jetztzeit" angelehnten Rollenspielwelt spiele, gehoert ein Geschehen, dass Mitteleuropa und den mittleren Osten in Brand setzen kann, schon ins Spiel, und ggfs. auch eine charakterkonsistente Meinungsbildung und Unterhaltung darueber. In Mittelerde oder "Dogs in the Vineyard" waere es eben fehl am Platz... Aber darum ging es vermutlich auch gar nicht?

Hierbei frage ich mich: Können/sollten auch Dinge außerhalb des Systems in den Spielregeln festgelegt werden? Z.B. eine Kleiderordnung, bestimmte Musik oder besondere Umgangsformen? Sowas wird a la "System matters" das Spielgefühl verändern und durch bestimmte Stimmungen evtl. eine bestimmte CA/einen Spielstiel fördern.
Brr... nein, keinesfalls. Erstens: Wer soll denn die Kleidung bezahlen? Wer ist verpflichtet, die gesammelte Musik der Weltgeschichte bei sich verfuegbar zu haben - nur um einem Rollenspielregelwerk gerecht zu werden?
Und ausserdem... ein 3-Zentner-Brocken wuerde in einem fuer seine Rolle vorgesehenen Dirndl irgendwie nicht (naja, nicht konstruktiv) zur Stimmung am Tisch beitragen... finde ich jedenfalls. Gut, man koennte sagen, es geht nur um den generellen Stil der KLeidung - aber ich wuerde in schwarzem Leder und mit Silberkettchen wohl genauso albern aussehen. Das lenkt nur ab.
Ja, genau: Das lenkt nur ab. Es mag sein, dass ich durch meine Herkunft, Lebensweise und Berufswahl extrem darauf getrimmt bin, Aesserlichkeiten vollstaendig auszublenden. Es fiele mir nicht ein, mich von einem fast bewegungsunfaehigen, durch viel Technik am Leben erhaltenen Koerper ablenken zu lassen, wenn ich einem bemerkenswerten Physiker zuhoere. Darauf - dass er im Rollstuhl sitzt, was er anhat, sogar, wie er spricht - kommt es doch nicht an. Das Wort zaehlt.
Aber es ist - zumindest fuer mich - unendlich viel leichter, das Uebliche auszublenden, als das Ungewoehnliche, Stoerende, Laecherliche.

Mit der Musik ist es nicht besser. Bei Musik kommt viel auf die Wahrnehmung durch den Hoehrer an. Gerade im Rollenspiel kann es dabei zu Verwirrung fuehren, wenn man das nicht beachtet. Ich hatte den Fall als Spieler - ein Spielleiter wollte mich wohl auf etwas neugierig machen und hat dafuer zu einer Aufnahme gegriffen, die fuer ihn wohl "froehliche Geselligkeit" ausdruecken sollte. Meine (Merlins, nicht meines Charakters!) Reaktion war - Angst. Genau diese "Geraeusche" kannte ich aus fuer mich sehr bedrohlichen Momenten. Mein Charakter R. hat also die Flucht angetreten. Der Spielleiter hat mich spaeter per NSC darauf hingewiesen, an diesen Geraeuschen sei doch nichts Bedrohliches - und mit anderen Ohren gehoert, konnte ich nachvollziehen, was er meinte. Der Hinweis: "R. hoert in der undurchdringlichen Dunkelheit etwas, dass ihm wie eine froehliche Gesellschaft vorkommt", haette mir aber den besseren Eindruck vermittelt, und ich haette R. anders reagieren lassen. Auch, welche Musik ich mit "Dramatik", "Spannung", "Unterhaltung", "Angst", "Unruhe", "Ruhe", "Froehlichkeit" verbinde, unterscheidet sich teils stark von dem, was andere in der Spielrunde damit verbinden. Die Wirkung der Musik ist damit ueberhaupt nicht absehbar, und eventuell zerstoert sie mehr, als sie beitragen koennte.
Musik gut auszuwaehlen, ist eine Faehigkeit, die ein Spielleiter haben kann, aber nicht ein Regelwerk - weil das Regelwerk die spezifischen Spieler nicht kennt. Und wenn die Spieler sehr "inhomogen" sind, mag es fuer eine gegebene Gruppe einfach auch keine "gute" Musik geben - weil das, was dem einen "oh, angenehm" vermittelt, einen anderen "bloss weg hier" denken laesst.   

Das dritte, Umgangsformen... Ich haette gesagt, die werden von der Fiktion, also dem Spiel, vorgegeben. Andererseits muss man Vorkenntnisse mitbringen, um zu wissen, was solche Vorgaben ausdruecken wollen. Wenn diese Vorkenntnisse nicht vorhanden sind - und das darf man meines Erachtens beim Schreiben eines Regelwerks nicht voraussetzen - hilft ein entsprechender Hinweis nicht viel. Da ist es besser, innerhalb des Regelwerks die noetigen Informationen mitzuliefern.
(Bspw. wuerde mir der Hinweis "Verhalten Sie sich wie ein Samurai" nicht weiterhelfen, weil ich nicht weiss, wodurch sich das Verhalten eines Samurai auszeichnet - ich kenne nur die Verzerrungen, die einzelne Filme, Buecher und andere Veroeffentlichungen daraus gemacht haben und von denen ich nur eines mit Sicherheit weiss: Das hat nicht mehr viel mit dem "Verhalten eines Samurai" zu tun...) 

Kühne Behauptung: Für die Erfüllung des SoCo bekommt man positives Feedback.
Was an der Behauptung ist kuehn? So funktioniert unsere Zivilisation.

Offline Azzu

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #9 am: 13.02.2006 | 09:02 »
Was mich an dem Begriff "Vertrag" oder "Kontrakt" wohl am meisten stoert, ist, dass es meiner Meinung nach keine "unausgehandelten" Vertraege geben kann, und dass mein "Umgang" teilweise unverhandelbar ist.

Wenn ich als Jurist kurz klugscheißen darf: Die große Mehrzahl der Verträge im Alltag wird nicht explizit ausgehandelt, sondern durch schlüssiges Verhalten, der Jurist sagt "konkludent" geschlossen. Ohne, dass sich auch nur eine der Vertragsparteien bewusst sein müsste, dass ein Vertrag geschlossen wird. Der Begriff "Vertrag" ist daher nicht so unpassend, wie du aus dem alltäglichen Sprachgebrauch heraus vielleicht meinst - eine schriftliche Form oder ein Handschlag sind jedenfalls nicht erforderlich, damit ein Vertrag zustande kommt!

Der "Social Contract" ist demnach das, was alle Spieler übereinstimmend voneinander erwarten - sowohl in ihrem Spielverhalten, als auch neben dem Spiel. Das läuft fast immer völlig unbewusst ab. Probleme ergeben sich dann, wenn ein einzelner Spieler mehr erwartet, als die anderen, so dass seine Erwartungen eben nicht Teil des Social Contract werden, und sich niemand daran hält. Oder eben wenn ein Spieler den Social Contract bricht.

Zu diesem "Bruch" nochmal etwas juristische Korinthenkackerei: Der Spieler, der den Vertrag gebrochen hat, würde, wenn man plötzlich anfängt, von Sozialverträgen zu reden, statt über Umgangsformen, wahrscheinlich einwenden: "In diesem Punkt habe ich niemals zugestimmt!" Aus seiner Sicht hat er da auch absolut Recht. Da liegt wahrscheinlich auch dein Problem mit dem Vertragsbegriff. Aber die Antwort des Juristen lautet: "Doch, aus der maßgeblichen Sicht der anderen schon"! Weil man aus dem bisherigen Verhalten des Spielers schließen konnte, dass er die am Spieltisch herrschenden Umgangsformen insgesamt akzeptiert.

Und weil es im Problemfall fast immer zu solchen Missverständnissen kommt, kann es (muss aber nicht) sinnvoll sein, einzelne Aspekte des Sozialvertrages schon im Vorfeld bewusst anzusprechen.

---

Zitat
Das dritte, Umgangsformen... Ich haette gesagt, die werden von der Fiktion, also dem Spiel, vorgegeben.

Das verstehe ich nicht. Du willst also, dass sich ein Spieler, der einen Ork spielt, auch neben dem Spiel verhält, wie ein Ork? So jemanden würde ich ziemlich schnell aus meiner Wohnung werfen. ;)

Offline Merlin Emrys

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #10 am: 13.02.2006 | 09:35 »
Das verstehe ich nicht. Du willst also, dass sich ein Spieler, der einen Ork spielt, auch neben dem Spiel verhält, wie ein Ork? So jemanden würde ich ziemlich schnell aus meiner Wohnung werfen. ;)
Nein - aber ich erwarte, dass er sich im Spiel so verhaelt, wie sich gemaess den Spielregeln im Spiel ein Ork verhalten sollte (und nicht unbedingt wie ein Ork gemaess eines anderen Regelspiels, Romans oder wessen auch immer). Wie gesagt, ich sehe einen scharfen Bruch zwischen "in-time" und "out-time". Wenn ein Spieler "in-time" beschreibt, dass "er" (d.h. natuerlich sein Charakter) rennt, bleibt der Spieler ja auch trotzdem sitzen :-).
Andererseits beschreibt der Spieler ggfs. eine Aesserung, indem er sie einfach sagt. In diesem Fall erwarte ich, dass er - soweit er kann und es ihm nicht peinlich ist - die zum Charakter passendste Sprachform waehlt, d.h. hier wird der "fiktive Umgang" sprachlich auch in der Realitaet umgesetzt. Und wenn mich dann einer, der einen Ork spielt, "in-time" dumm anmacht, schiebe ich das einfach dem Ork in die Schuhe und nicht dem Spieler :-).

P.S.: Das mit den Vertraegen wusste ich nicht. Ist es dann ein Vertrag, dass man sich beim ersten Sehen morgens mit "Guten Morgen" begruesst? Darf man den Vertrag auch statt ueber "Guten Morgen" ueber eine Pruegelei abschliessen und sich darauf berufen, wenn andere sich gestoert fuehlen?  Ist alles, was man mehr als zweimal getan hat, schon ein "Vertrag"? Wo endet in diesem Fall der Vertragsbegriff?

Offline Dom

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #11 am: 13.02.2006 | 09:51 »
Tut mir leid, aber kannst Du mir kurz verraten, was es mit "SIS" auf sich hat? Der Begriff faellt zuweilen, mir fehlt aber die Definition, um damit umzugehen und im Begriffsdefinitionen-Faden konnte ich ihn auch nicht finden. Oder gibt es noch einen anderen, in dem "Sozialvertrag", "Creative Agenda", "Exploration" und "SIS" und dergleichen definiert sind, und den ich noch nicht gefunden habe?
@Merlin: Für halbwegs klärende Begriffsdefinitionen lies einfach mal Lord Verminaards Big-Model Erklärung, da hat Vermi den beschreibenden Teil des Big Models, in dem wir uns jetzt erstmal befinden, erklärt. Von Vermis CA-Erklärung (hier) bin ich nicht 100%ig begeistert; da verweise ich einfach auch mal auf meinen eigenen Theorie-Erklärungsversuch, Abschnitt 4.

(EDIT: Anmerkung: Ich finde Vermis Erklärungen zum Big Model und zur CA beide wirklich gelungen und recht ausführlich; ich möchte Vermi hier an dieser Stelle noch mal für diese Erklärungen danken! Das einzige, was mich an der CA-Erklärung stört ist, dass meiner Meinung nach die CA nicht personenbezogen sondern gruppenbezogen ist.)

Zu meiner Aussage "Eine vierte CA ist der SoCo wohl kaum, da er sich ja außerhalb des eigentlichen Spieles befindet (das "Creative" fehlt).": Die ist vielleicht nicht so ganz klar ausgedrückt. Klar ist, das das Rollenspiel Teil des "sozialen Ereignisses" ist und somit dem SoCo unterliegt. Die bekannten CAs beziehen sich jedoch ausschließlich auf das Rollenspiel. Mit dem "außerhalb" meine ich, dass Dinge wie Freundschaft, Pünklichkeit und gutes Essen auch ohne das Rollenspiel an sich existieren.

Zitat
Das, was ich unter "Sozialvertrag" bisher verstanden hatte, verliert mit dem Beginn des Spiels seine Gueltigkeit und wird durch das Eintauchen in eine gemeinsame Fiktion ersetzt.
Niemand taucht so sehr in das Spiel ein, dass der Sozialvertrag ungültig wird... Außerdem gibt es auch Rollenspiele, die nicht auf das "Eintauchen" (Immersion) ausgelegt sind sondern bei denen das Erzählen einer spannenden Geschichte im Vordergrund steht.

Zitat
Entsprechend verstehe ich jetzt nicht, was Dein Ausflug in die Ethik jetzt besagen will?
Ein Rollenspiel, das z.B. Kinderpornographie oder Nationalsozialismus als positiv und erstrebenswert darstellt, kommt bestimmt nicht in jeder Runde gut an. Auch "verteufeln" immer noch manche Kirchenvertreter Fantasy-Rollenspiel als satanistisch. Daher denke ich, dass der SoCo auch ethische und kulturelle Grenzen umfasst.

Dom.
« Letzte Änderung: 13.02.2006 | 11:15 von Dom »

Joe Dizzy

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #12 am: 13.02.2006 | 10:26 »
Einen Moment, jetzt bin ich verwirrt. Ich hatte (als Neuling in dieser Theorie) angenommen, der "Sozialvertrag" bezoege sich ausschliesslich auf das "Drumherum" des Spiels, aber nicht auf den Bereich, den ich als "in-time" zu bezeichnen gewoehnt bin? (Ich hatte vermutet, das sei durch die "Creative Agenda" mit abgedeckt?)

Ist auch richtig so.

Die Diskussionen hier reissen die Begriffsdefinitionen nur in völlig neue Welten. Ob das wirklich nötig ist hängt ganz davon ab, wofür du die Theorie benutzen willst. Ich hab noch nicht herausbekommen wofür die "Umdefinierer" die Theorie benutzen wollen.


Offline Dom

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #13 am: 13.02.2006 | 10:51 »
Die Diskussionen hier reissen die Begriffsdefinitionen nur in völlig neue Welten. Ob das wirklich nötig ist hängt ganz davon ab, wofür du die Theorie benutzen willst. Ich hab noch nicht herausbekommen wofür die "Umdefinierer" die Theorie benutzen wollen.
Zur Diskussion hier: Ich möchte keinen neunen SoCo-Begriff schaffen oder ihn irgendwie umdefinieren. Worum es mir geht, steht im Eingangspost.

Die Definition des SoCo von Edwards:
Zitat von: The Provisional Glossary
Social Contract
All interactions and relationships among the role-playing group, including emotional connections, logistic arrangements, and expectations. All role-playing is a subset of the Social Contract.
Danach gehört sogar das Rollenspiel selbst zum SoCo dazu, es ist also nicht nur das Drumherum.

Dom.

Offline Merlin Emrys

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #14 am: 13.02.2006 | 10:53 »
@Merlin: Für halbwegs klärende Begriffsdefinitionen ...
Ah, danke! Ich bin mal 'ne Weile weg...  Ich komme wieder, wenn ich sowas wie eine Ahnung habe, worum es geht :-)

Offline Azzu

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #15 am: 13.02.2006 | 12:43 »
P.S.: Das mit den Vertraegen wusste ich nicht. Ist es dann ein Vertrag, dass man sich beim ersten Sehen morgens mit "Guten Morgen" begruesst? Darf man den Vertrag auch statt ueber "Guten Morgen" ueber eine Pruegelei abschliessen und sich darauf berufen, wenn andere sich gestoert fuehlen?  Ist alles, was man mehr als zweimal getan hat, schon ein "Vertrag"? Wo endet in diesem Fall der Vertragsbegriff?

Vorsicht Missverständnis: Ich wollte absolut nicht sagen, dass der "Social Contract" ein Vertrag im juristischen Sinne wäre (ist er nicht, weil sich dabei niemand rechtlich binden will)! Ich wollte nur deutlich machen, dass der Vertragsbegriff nicht unpassend gewählt worden ist, und dass du aus der Begriffswahl "Contract" nicht ohne Weiteres herleiten kannst, dass der Social Contract nur Dinge enthielte, denen du ausdrücklich zugestimmt hast.

Wenn du mehr über konkludent geschlossene Verträge im juristischen Sinn wissen willst, PM an mich, das gehört hier nicht hin. ;)

Joe Dizzy

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #16 am: 13.02.2006 | 12:49 »
Zur Diskussion hier: Ich möchte keinen neunen SoCo-Begriff schaffen oder ihn irgendwie umdefinieren. Worum es mir geht, steht im Eingangspost.

Deine Fragestellung ist etwas problematischer als du vielleicht vermutest. Es handelt sich um zwei grundverschiedene Betrachtungsweisen zum Thema Rollenspiel, die du zu kombinieren versuchst. Das Big Model bezieht sich auf Rollenspielvorgänge, bzw. konkrete Handlungen am Tisch. Laws spricht von Spielertypen und ihren Vorlieben. Das wäre so als würdest du die Analyse eines Fußballspiels (Big Model) mit den verschiedenen Spielerpositionen (Laws' Spielertypen) kombinieren. "Kann ein Libero spielen, wenn er nur auf dem Platz rumstehen will?"

Darauf kann man schwer eine Antwort finden.

Zitat
1. Wie sieht so ein SoCo üblicherweise aus?

Der normale, freundschaftliche Umgangston mit allem was dazu gehört. Es gibt nichts was nicht in den SoCo gehören kann, da der SoCo die gesamte Interaktion zwischen den Spielern erfasst.

Zitat
2. Was passiert, wenn der SoCo gebrochen wird?

Es kommt zum Streit oder zumindest zu einer feindseligen Haltung zwischen bestimmten Spielern. Jedes Spiel, dass jetzt noch folgt, ist mEn zur Dysfunktionalität verdammt.

Zitat
3. Kann ein "guter" SoCo ein Ersatz für eine CA sein, d.h. der eigentliche Spaß bei Spiel entsteht durch die SoCo?

Oha.. jetzt wird's happig. CA beschreibt wie die einzelnen Elemente des Big Models (Social Contract, Exploration, etc.) für eine bestimmte Spielgruppe im Zusammenhang stehen. CA gibt die Zielsetzung dieser Spielgruppe an. Du kannst die CA genausowenig durch den SoCo ersetzen, wie du "sich sportlich messen wollen" durch das Fußballspiel als solches ersetzen kannst.

Du könntest höchstens dem Casual Gamer eine 4. CA zuordnen: "Being There-ism". Das Problem an dieser 4. CA ist die Tatsache, dass sie kein Spiel benötigt um erreicht zu werden. Daher ist sie für die Betrachtung des tatsächlichen Rollenspiel-spielens (Big Model) gänzlich irrelevant.

Zitat
Die Definition des SoCo von Edwards: (...)
Danach gehört sogar das Rollenspiel selbst zum SoCo dazu, es ist also nicht nur das Drumherum.

Das Big Model muss man sich ein wenig wie die "Erklärung von Mengen" in der Mathematik vorstellen. Es gibt die ganz große Menge: den SOCIAL CONTRACT. Dieser beinhaltet die Teilmenge EXPLORATION. In der Teilmenge EXPLORATION gibt es wiederum die Teilmenge TECHNIQUES, usw. usf.

Wenn man die Mengen von einander trennen möchte, kann man schon den SOCIAL CONTRACT als das "drumherum" bezeichnen und alles was unter EXPLORATION stattfindet als In-Game.
« Letzte Änderung: 13.02.2006 | 12:56 von Joe Dizzy »

Offline Dom

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #17 am: 13.02.2006 | 14:10 »
Deine Fragestellung ist etwas problematischer als du vielleicht vermutest. Es handelt sich um zwei grundverschiedene Betrachtungsweisen zum Thema Rollenspiel, die du zu kombinieren versuchst. Das Big Model bezieht sich auf Rollenspielvorgänge, bzw. konkrete Handlungen am Tisch. Laws spricht von Spielertypen und ihren Vorlieben. Das wäre so als würdest du die Analyse eines Fußballspiels (Big Model) mit den verschiedenen Spielerpositionen (Laws' Spielertypen) kombinieren. "Kann ein Libero spielen, wenn er nur auf dem Platz rumstehen will?"
Von Fußball habe ich leider keine Ahnung.. was zum Geier ist ein Libero ??? (Aber das will ich eigentlich auch gar nicht wissen.)
Ich denke nicht, dass man mit dem Big Model nur konkrete Rollenspielrunden analysieren kann (=Analyse eines Fußballspieles). Der "einfache" Teil des Big Model ist eine allgemeine Beschreibung von Rollenspiel, wohingegen die CAs versuchen, die Frage "was wollen die Spieler" zu beantwortet. Daher bin ich bisher davon ausgegangen, es ist ein Modell für Rollenspiel an sich und man kann damit sowohl für ein konkretes Spiel als auch im Allgemeinen Schlüsse ziehen.
Wenn aber das Big Model eine in diesem Sinne geeignete Beschreibung für Rollenspiel ist, so muss man die verschiedenen Typen auch wiederfinden können. Klar ist, dass Laws sowas wie die "persönlichen Vorlieben" und das, was im Big Model mit "Techniken" bezeichnet wird, vermischt. Es ist also keine wirkliche Analyse, sondern nur eine (nicht erschöpfende) Aufzählung von häufig beobachteten Typen, zusammen mit ihren Wünschen und den meist benutzten Techniken. Dadurch finden sich auch nicht alle Spieler in diesen Typen (oder in Kombinationen davon) wieder.

Zur 2. Frage:
Es kommt zum Streit oder zumindest zu einer feindseligen Haltung zwischen bestimmten Spielern. Jedes Spiel, dass jetzt noch folgt, ist mEn zur Dysfunktionalität verdammt.
Zitat von: Merlin Emrys
Es kann gute Gruende geben, die allgemein-ueblichen Umgangsformen fuer einen Moment zu brechen, um ein Signal abzugeben. Das ist aber seinerseits Teil von Umgangsformen und insofern auf einer tieferen Ebene kein "Bruch". Wenn ein solcher vorliegt, haengt es am Zusammenhalt der Gruppe, wie sie reagiert. Unter Freunden ist ziemlich viel erlaubt, und wenn da einer stockbesoffen ankommt, wird man wohl weniger daran denken, ihn auszuschliessen, als zu fragen, was los ist (und derweil das Rollenspiel vertragen) - zumindest in den Gruppen, in denen ich spiele. Nur eine Gruppe, die keinen weiteren Zusammenhalt hat als das gemeinsame Rollenspiel, kann etwas, das als ungerechtfertigter Bruch oder fortgesetzter Bruch betrachtet wird, vermutlich nicht tolerieren.
Das, was Merlin Emrys geschrieben hat, klingt für mich eher einleuchtend. Es müssen ja auch nicht gleich feindselige Haltungen sein.

Die dritte Frage habe ich absichtlich etwas provokativ in den Raum gestellt ;) Jedenfalls habe ich hier mehr Klarheit bekommen:
Zitat von: Merlin Emrys
Du könntest höchstens dem Casual Gamer eine 4. CA zuordnen: "Being There-ism". Das Problem an dieser 4. CA ist die Tatsache, dass sie kein Spiel benötigt um erreicht zu werden. Daher ist sie für die Betrachtung des tatsächlichen Rollenspiel-spielens (Big Model) gänzlich irrelevant.
Genau, das war der Punkt, wieso ich meine, dass man das nicht als 4. CA sehen kann. Wenn positives Feedback aus dem SoCo erwächst, dann ist der Teil des Gruppenvertrags, der über die Exploration hinausgeht, auch eine Quelle für ein "gutes" Rollenspiel.

Weitere Begründung, warum "Beingthereism" (das ist ein sehr schönes Wort *g*) keine 4. CA ist: Das ganze läuft parallel zu den anderen CAs. Wenn ich eine funktionale, kohärente Gruppe habe, dann können alle zusätzlich zur CA aus dem Nicht-Rollenspiel-Teil des SoCo weiteres positives Feedback ziehen; manche vielleicht mehr als andere. Wenn dagegen die Gruppe hingegen keine CA besitzt (d.h. das Spiel ist inkohärent) und trotzdem funktional ist, so könnte ein Großteil der sozialen Bestätigung vom SoCo kommen. Die einzelnen CAs hingegen schließen sich gegenseitig aus.

Dom.

Offline Dr.Boomslang

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #18 am: 13.02.2006 | 15:40 »
Darf ich daraus schliessen, dass bei Euch Treffen in unterschiedlicher Weise ausgehandelt werden, je nachdem, ob es sich um Treffen zum Rollenspiel oder zu einer anderen Geselligkeit handelt?
Ja ganz genau so ist es. Rollenspiel ist etwas anderes als etwas anderes ::)
Ich will nur darauf hinaus, dass es natürlich Dinge gibt die spezifisch für das Rollenspiel als soziale Tätigkeit sind, und über die muss natürlich auch Einigkeit herrschen, nicht mehr und nicht weniger leistet der SoCo.

Oder nennst Du Dinge mal so, mal so, je nachdem ob sie sich auf ein Rollenspiel beziehen oder nicht?
Ganz genau. Ich nenne die Dinge anders damit man weiß worüber ich rede wenn ich den Begriff benutze. SoCo ist eben Grundlage aller Einigungen bzgl. des Rollenspiels. Natürlich kann man sagen es gäbe einen ähnlichen "Vertrag" für jede soziale Aktivität, nur sähe der auch sicher im Konkreten ganz anders aus und darüber reden wir hier auch nicht, weil es eben um Rollenspiel geht.

Einen Moment, jetzt bin ich verwirrt. Ich hatte (als Neuling in dieser Theorie) angenommen, der "Sozialvertrag" bezoege sich ausschliesslich auf das "Drumherum" des Spiels, aber nicht auf den Bereich, den ich als "in-time" zu bezeichnen gewoehnt bin?
Das ist ein wichtiger Punkt. Das was du unter "In-Time" verstehst kann erst durch den SoCo zustande kommen. Es muss z.B. überhaupt ersteinmal klar sein, dass es so eine Unterscheidung gibt und wie man diese treffen kann. Insofern ist alles weitere Rollenspiel ein Teil des SoCo.
Es gibt also in einem bestimmten Moment ein Umschalten von einem Verhalten ("Umgang") zu einem anderen ("Spiel"), und es gehoert zu den mehr oder minder nie thematisierten Grundregeln des Rollenspiels (der Gruppen, in denen ich spiele), dass die beiden sich moeglichst nicht gegenseitig beeinflussen.
Dies ist ein gutes Beispiel für einen SoCo. Diese "nie thematisierte Grundregel" ist Teil der Einigung. Die kommt sicher irgendwo her. Auf jeden Fall ist ein solches Umschalten z.B. nicht Teil jeder beliebigen sozialen Aktivität.
"In-time" sind Dinge erlaubt, die "out-time" absolut verpoent waeren, und andersherum.
Genau solche Dinge sind im SoCo festgelegt.

Das, was ich unter "Sozialvertrag" bisher verstanden hatte, verliert mit dem Beginn des Spiels seine Gueltigkeit und wird durch das Eintauchen in eine gemeinsame Fiktion ersetzt.
Der SoCo kann seine Gültigkeit nicht verlieren, denn am Tisch sitzen immer noch die selben Menschen wie vorher die sich unterhalten. Die Fiktion ersetzt nicht die Umgangsformen dieser konkreten Menschen, sondern gibt nur ein gemeinsames Ziel des Interesses vor. Du hast hier selbst wieder ein gutes Beispiel geliefert:
aber ich erwarte, dass er sich im Spiel so verhaelt, wie sich gemaess den Spielregeln im Spiel ein Ork verhalten sollte. Wie gesagt, ich sehe einen scharfen Bruch zwischen "in-time" und "out-time". Wenn ein Spieler "in-time" beschreibt, dass "er" (d.h. natuerlich sein Charakter) rennt, bleibt der Spieler ja auch trotzdem sitzen :-).
Was ist im Spiel und was nicht? Wie verhält sich der Spieler im Spiel wie ein Ork, aber nicht am Tisch? Die Vorstellungen darüber können auseinander gehen.
Darf er etwas sagen, was der Ork sagt? Sicher.
Darf er sprechen wie ein Ork? Höchstwahrscheinlich.
Darf er brüllen, schreien, sabbern wie ein Ork? Vielleicht.
Darf er Leute verprügeln wie ein Ork? Mit ziemlicher Sicherheit nicht.
Ich will nur deutlich machen, dass dies ein Kontinuum ist, innerhalb dessen es allgemeine und spezielle Verhaltensregeln geben kann. Diese definiert erst der SoCo. Alles was du hier schilderst ist das deine Gruppe wohl einen fest gefügten und gut funktionierenden SoCo hat, wenn du all diese Fragen als selbstverständlich ansiehst.
Du siehts es als selbstverständlich, dass ein Spieler sitzen bleibt, wenn sein Charakter rennt. Bei mir in der Gruppe war es z.B. üblich bestimmte Situationen im Kampf auch körperlich nachzustellen, damit man sie sich besser vorstellen kann. Es mag auch üblich sein Zeichnungen zu machen oder Figürchen auf dem Tisch zu verschieben. Das alles gehört zu den möglichen Einigungen.


@ Joe
Böse "Umdefinierer" wie ich wollen nichts weiter als ersteinmal definieren, damit es eine gemeinsame Grundlage gibt. Rollenspieltheorie muss es ja wenigstens ersteinmal leisten können, über Rollenspiel in einer tiefergehenden, differenzierten Weise sprechen zu können. Das dies jetzt noch nicht so ist, sieht man z.B. daran, dass immer wieder Leute ihr eigenes Verständnis der Dinge als schon allgemein gegeben ansehen.
Du sagts z.B. SoCo seien nur die Dinge "drumherum", allerdings ist der Begriff so nicht gemeint gewesen, dazu brauchen wir nicht umdefinieren. Deine Betrachtung zu Mengen ist ja genau richtig. Allerdings ist alles was Teil einer Teilmenge von SoCo ist auch Teil von SoCo selbst. Zum SoCo gehört daher insbesonder auch alles was das Rollenspiel im speziellen ausmacht, natürlich aber auch das was nicht speziell ist, insofern gibt es wenig was nicht dazu gehören kann.
Auch zu System, hattest du eine andere Vorstellung, die wahrscheinlich nicht mit der "offiziellen" Forge Version übereinstimmt. Es geht nicht darum wer Recht hat.
Lieber einmal mehr definieren, meinetwegen auch umdefinieren, das ist mir egal, hauptsache, danach weiß man genauer wovon man spricht.

@ Ersatz-CA
Der Begriff ist natürlich irreführend, da damit impliziert werden kann, dass nur eine CA für Spielspaß sorgt. Spaß ist wie wir wissen aber auch ohne Rollenspiel möglich, deshalb ist es auch nicht nötig von einem Ersatz für irgendetwas rollenspielspezifisches zu sprechen. Warum der Casual Gamer nun natürlich ausgerechnet Rollenspiel spielen muss um dabei seinen Spaß garnicht aus dem kreativen Spiel zu beziehen ist sicher eine interessante Frage. Die kann ich aber garnicht so richtig beantworten, auf jeden Fall nicht mit einen Rollenspielmodell, eher schon mit einem sozialen.
Dabei fällt mir ein: Hier liegt vielleicht auch noch ein Knackpunkt für den Begriff des funktionalen Spiels. Ist es einfach nur Spiel das Spaß macht oder Spiel das aus einem bestimmten Grund, der fürs Rollenspiel spezifisch ist, Spaß macht? (So weit war übrigens auch schon die Diskussion über funktionale Inkohärenz gekommen. siehe Letzter Post)
Hier eröffnet sich ein neues Paradies für Umdefinierer ;D

Joe Dizzy

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #19 am: 13.02.2006 | 16:03 »
@ Joe
Böse "Umdefinierer" wie ich wollen nichts weiter als ersteinmal definieren, damit es eine gemeinsame Grundlage gibt. Rollenspieltheorie muss es ja wenigstens ersteinmal leisten können, über Rollenspiel in einer tiefergehenden, differenzierten Weise sprechen zu können.

Das ist der Punkt wo unser Verständnis des Big Model auseinander geht. Dom und du sind der Meinung, dass es darum geht "Rollenspiel" zu definieren. Ich bin der Meinung, dass es darum geht die Vorgänge während des Rollenspiels zu erkennen und begrifflich zu erfassen. Das mag sich hier und da überschneiden, führt aber aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen irgendwann zum Konflikt. Im Forge Glossary wird das Big Model als "description of procedures" (Beschreibung von Vorgängen) und nicht als Definition des Rollenspiels erklärt.

Wenn du Rollenspiel als solches definieren willst (viel Spaß dabei), dann solltest du mMn versuchen die Forge Begriffe soweit es geht zu vermeiden, um Mißverständnisse auszuschliessen.

Zitat
Du sagts z.B. SoCo seien nur die Dinge "drumherum", allerdings ist der Begriff so nicht gemeint gewesen, dazu brauchen wir nicht umdefinieren.

Nicht ganz. Ich sagte, wenn man den Social Contract von der Exploration unterscheiden möchte, dann kann man das eine das "Drumherum" nennen und das andere "in-game".

Zitat
Auch zu System, hattest du eine andere Vorstellung, die wahrscheinlich nicht mit der "offiziellen" Forge Version übereinstimmt.

Wie kommst du darauf? Ich habe lediglich System nach dem Lumpley Principle benutzt.


Offline Dom

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #20 am: 13.02.2006 | 16:36 »
Das ist der Punkt wo unser Verständnis des Big Model auseinander geht. Dom und du sind der Meinung, dass es darum geht "Rollenspiel" zu definieren. Ich bin der Meinung, dass es darum geht die Vorgänge während des Rollenspiels zu erkennen und begrifflich zu erfassen. Das mag sich hier und da überschneiden, führt aber aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen irgendwann zum Konflikt. Im Forge Glossary wird das Big Model als "description of procedures" (Beschreibung von Vorgängen) und nicht als Definition des Rollenspiels erklärt.

Wenn du Rollenspiel als solches definieren willst (viel Spaß dabei), dann solltest du mMn versuchen die Forge Begriffe soweit es geht zu vermeiden, um Mißverständnisse auszuschliessen.
Ich war schon drauf und dran eine Antwort zu schreiben, denke aber, das  wir das in einem eigenen Thema behandeln sollten. Denn die Frage "Was definiert das Big Model?" passt nicht ganz hierher... (genausowenig wie Diskussionen zum System)

Zur Spaß aus dem SoCo:
Stimmt, das ist genau der Punkt, wo die Diskussion zur Inkohärenz geendet hat.
Was wir eigentlich mal diskutieren sollten ist, dass man seinen Spaß nicht aus der kreativen Ebene ziehen muss. "Spaß" kann auch auf technische oder soziale Agenda zurückzuführen sein. Und deswegen glaube ich, dass inkohärente Gruppen mit Spaß diesen vermutlich zu großem Teil aus den anderen Ebenen beziehen. Aber das ist vermutlich ein anderer Thread...
Soziale Agenda klingt gut. Ich kann mir allerdings noch nicht vorstellen, was eine technische Agenda ist.
Den Begriff "Ersatz-CA" hatte ich gewählt, da ich bisher genau davon ausgegangen war: Der Spielspaß kommt aus dem Rollenspiel und der CA. Insgesamt passt Fredis Post sehr gut zu meiner dritten Frage und beantwortet sie sozusagen mit "ja".

Dom.

Offline Lord Verminaard

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #21 am: 14.02.2006 | 12:10 »
Ja, das war mal ein Vorschlag von Ben Lehman:

Social Contract --> Social Agenda
Exploration --> Creative Agenda
Techniques --> Technical Agenda

Wobei TA und CA wohl eng zusammen hängen, während SA zunächst mal relativ losgelöst davon existiert. Da aber die SA so losgelöst von Exploration und damit dem Rollenspiel an sich ist, lässt sie sich durch Design-Konzepte kaum unterstützen und ist auch ansonsten für eine theoretische Betrachtung jenseits der Erkenntnis, dass es sie gibt, wohl relativ uninteressant. Oder?

Ich finde den Begriff "Gruppenvertrag" auch eher irreführend und spreche lieber vom "sozialen Kontext".
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Offline Purzel

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #22 am: 14.02.2006 | 13:51 »
Ich finde den Begriff "Gruppenvertrag" auch eher irreführend und spreche lieber vom "sozialen Kontext".

Eine andere sinnvolle Übersetzung wäre vielleicht "Gruppenkonsens".

Offline Dr.Boomslang

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #23 am: 14.02.2006 | 14:45 »
Social Contract --> Social Agenda
Exploration --> Creative Agenda
Techniques --> Technical Agenda
Die Sache mit der sozialen Agenda kann ich nachvollziehen, ich würde aber wirklich sagen, dass diese außerhalb der Batrachtung liegt die wir hier anstellen. Man muss sich bewusst sein, dass die soziale Agenda immer im Hintergrund liegt und man darf auch nicht unterschätzen welche Bedeutung ihr zukommt. Allerdings sollte man für die Rollenspieltheorie einfach davon ausgehen, dass jemand das Spiel spielt um das Spiel zu spielen, d.h. also dass die Gründe, die Motivation und der Gewinn der Aktivität speziell im Rollenspiel liegen. Dies wäre dann fast ein neues Axiom für die Rollenspieltheorie...

Den Zusammenhang zwischen technischer Agenda und kreativer Agenda finde ich interessant. Es ist ersteinmal natürlich fraglich ob es sowas wie eine unabhängige technische Agenda überhaupt geben kann, oder ob dies immer eine Spezifizierung von CAs darstellt. Es ist sicher vorstellbar, dass jemand darauf besteht bestimmte kreative Ziele mit bestimmten Techniken zu verfolgen, andere können das lockerer sehen oder bestimmte andere Techniken für die einzig angemessenen halten. Ich weiß nicht so recht wo diese Überlegungen hinführen...
Zumindest bin ich mir recht sicher, dass eine eventuelle technische Agenda kein Ersatz für eine echte CA ist. Eine Technik ansich verfolgt immer irgend einen Zweck und ist nicht wirklich Quelle des Spaßes oder Ziel der Exploration.

Eine andere sinnvolle Übersetzung wäre vielleicht "Gruppenkonsens".
Dabei ginge das Soziale verloren um das es hier geht.
« Letzte Änderung: 14.02.2006 | 14:48 von Dr.Boomslang »

Offline Dom

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Re: [Forge] Social Contract
« Antwort #24 am: 14.02.2006 | 15:34 »
Ich finde den Begriff "Gruppenvertrag" auch eher irreführend und spreche lieber vom "sozialen Kontext".
Ich bleib möglichst bei SoCo und hatte "Gruppenvertrag" eigentlich nur verwendet, um eine Wiederholung zu vermeiden. Ansonsten wäre ich tatsächlich für "sozialer Vertrag" um zu betonen, dass es sich in gewisser Weise um eine Einigung handelt, die man nicht so ohne weiteres ignorieren kann. Teile davon, wie z.B. Beginn der Sitzung, sind ja auch tatsächlich ausgehandelt.

Wobei TA und CA wohl eng zusammen hängen, während SA zunächst mal relativ losgelöst davon existiert. Da aber die SA so losgelöst von Exploration und damit dem Rollenspiel an sich ist, lässt sie sich durch Design-Konzepte kaum unterstützen und ist auch ansonsten für eine theoretische Betrachtung jenseits der Erkenntnis, dass es sie gibt, wohl relativ uninteressant. Oder?
Die Sache mit der sozialen Agenda kann ich nachvollziehen, ich würde aber wirklich sagen, dass diese außerhalb der Batrachtung liegt die wir hier anstellen.
Das sehe ich anders. Ich meine, wenn man z.B. vorschreibt, dass die Gruppe die Charaktere gemeinsam entwirft, ist das eine Regelung, die den SoCo betrifft. In Dogs ist es sogar laut Regelwerk erwünscht, die Szenen der anderen offen zu loben oder zu kritisieren, was sicherlich nichts mit Exploration an sich zu tun hat. Auch die Benutzen von Spielkarten statt Würfeln ist eine Änderung im "Drumherum", also der SoCo, was für Western-Spiele die Stimmung steigern könnte.
Außerdem implizieren viele Regeln eine gewisse Grundstimmung (z.B. wird in einem Horror-Rollenspiel eine "stimmungsvolle" Gruppe an einem albernen Spieler kaum Spaß haben). Viele Regeln machen halt keine direkten Vorschriften für den SoCo. Aber möglich ist das schon.

Den Zusammenhang zwischen technischer Agenda und kreativer Agenda finde ich interessant. Es ist ersteinmal natürlich fraglich ob es sowas wie eine unabhängige technische Agenda überhaupt geben kann, oder ob dies immer eine Spezifizierung von CAs darstellt.
Erstmal ist das Verhältnis von SoCo und Exploration ein sehr ähnliches wie das von Exploration und Techniques. Von daher ist die Frage nach einer unabhängigen TA ähnlich zu der einer unabhängigen CA.
Ich kann mir Spaß an einer TA gut vorstellen; z.B. eine Gruppe, die an taktischen Kämpfen auf einem Spielbrett viel Spaß hat, aber lieber Rollenspiele als Tabletops spielt, da sie auch die "Geschichte drumherum" ganz nett findet. Da im Prinzip jede Technik für jede CA benutzt werden kann (ok, einige sind wahrscheinlich geeigneter als andere; gibt es eigentlich die Aussage "Technique matters"? *g*) sind CA und TA mMn recht unabhängig. Der soziale Zusammenhang der Gruppe spielt hier eine ähnliche Rolle wie bei der CA.

Dom.