Vermi,
Du hast völlig Recht. Jemandem Vorwürfe zu machen, weil er nicht den (übermäßigen?) Enthusiasmus für ein Hobby an den Tag legt, wie jemand anderes, ist Blödsinn. Es gibt einfach Leute, die nehmen ein Hobby ernster und Leute, die nehmen es weniger ernst. So ein Spieler:
Ich rede nicht von Spielern, denen Rollenspiel egal ist. Ich rede von Spielern, die Spaß am Rollenspiel haben und sich während der Spielsitzung auch einbringen. Aber die eben nie in einem Regelwerk lesen, keine Lust haben, lange Vorgeschichten für ihre Charaktere zu schreiben, und die es nervt, sich alle paar Monate auf ein neues Setting und neue Regeln einzustellen. Die niemals selbst den Spielleiter-Posten übernehmen würden. Die einfach ihren Charakter spielen und das Abenteuer lösen bzw. die Story erleben wollen.
Nehmen es sicher weniger ernst und investieren weniger Arbeit als ein Fanatiker wie wir. Ihnen dafür Vorwürfe zu machen ist unangemessen. Genauso, wie jemandem, der es ernster nimmt, Vorwürfe zu machen, unangemessen wäre.
Und weil das bisher viel zu kuschelig war und ich das ja als bekannter Forenkuschler nicht so lassen kann, nun zwei (oder zweieinhalb) bittere Wahrheiten, die daraus folgen:
Bittere Wahrheit Nr. 1a: Wie gesagt, unterschiedliche Ansprüche an ein Hobby sind nichts „Böses“. Wenn Leute mit unterschiedlichen Ansprüchen zusammen etwas unternehmen wollen, müssen sie einen Kompromiss finden, mit dem beide gut leben können. Und jetzt einer der beiden Parteien mehr Vorwürfe zu machen, weil sie sich nicht auf einen bestimmten Kompromiss einlassen will/kann ist IMO Blödsinn. Du nimmst den Konsum-Spieler in Schutz, wenn er sagt: „Ich spiele gerne mit, aber nur, wenn ich die Regeln nicht lernen muss usw.“ Ok, von mir aus. Ich nehme jetzt mal den Fanatiker in Schutz, der genauso das Recht hat zu sagen: „Ich spiele gerne mit, aber nur, wenn du die Regeln lernst usw.“ Beide Standpunkte sind berechtigt. Wenn sich hier kein Kompromiss finden lässt, ist der Fanatiker genauso viel oder wenig „Schuld“ wie der Konsum-Spieler.
Was, noch nicht bitter genug? Ok, ok, here goes…
Bittere Wahrheit Nr. 1b: Wenn man keinen Kompromiss finden kann, kann man versuchen Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber du hast IMO Recht: viele Konsum-Spieler werden sich nie zu mehr „Engagement/Fanatismus“ bewegen lassen. Und dann wird man keinen Kompromiss zwischen konsum-Spieler und Fanatiker finden können. Und das ist Wasser auf die (Gebets-)Mühlen, die ich immer wieder mahlen lasse (und Juhanito hat es schon angedeutet):
Wenn es keinen Kompromiss gibt, sollte sich die Gruppe trennen. Und das gilt besonders, wenn auch Überzeugungsarbeit nichts genutzt hat. Denn dann nutzen nur noch andere Leute. Und auch hier sollte man keine Schuldzuweisungen machen: unterschiedliche Sicht des Hobbys + keine zufrieden stellende Kompromisslösung = Sorry, wir können nicht zusammen spielen. Und da hat der Fanatiker genauso das Recht angepisst zu sein, dass seine Ansprüche nicht befriedigt werden, wie der Konsum-Spieler (dessen Anspruch ist: „Ich will ein bisschen Spaß, aber lass mich mit den Regeln usw. in Ruhe“). Und deswegen eben auch das Recht (und IMO im Sinne seiner psychischen Gesundheit auch die Pflicht) zu sagen: „Leute, ich mag mit euch nicht weiter spielen.“
Was? Reicht immer noch nicht? Überhöhtes Anspruchsniveau… *Grummel* Nu, dann was für einen Flamewar…
Bittere Wahrheit Nr. 2: Wir hatten es schon - unterschiedliche Ansprüche an ein Hobby sind nichts „Böses“. Aber ich will auch mal mit dieser verdammten Gleichmacherei Schluss machen. Wenn man mal davon ausgeht, dass Wissen über Rollenspielen und auch die Fähigkeit zu spielen (nach verschiedenen Kriterien…) nicht einfach vom Himmel fällt und man nichts daran ändern kann, sondern dass Rollenspielen wie jede andere Beschäftigung durch Lernen und Übung veränderbar ist, dann ist eines doch völlig klar: Fanatiker sind bessere Rollenspieler als Konsum-Spieler. Ha! Bitter genug?
Ich denke in jedem Hobby ist das ganz klar einleuchtend: Wenn jemand mehr Zeit investiert, dann wird er besser. Er weiß mehr, kann mehr, kann mehr unterschiedliche Dinge usw. Und genau das gilt auch fürs Rollenspielen (nur dass da die Maßstäbe für „besser“ nicht so eindeutig sind). Konsum-Spieler sind keine schlechteren Menschen und sie haben jedes Recht ein Hobby nicht so ernst zu betreiben. Ist ja ihre Freizeit. Aber genauso wie der einfache Stammtisch-Skatspieler nicht Deutscher Meister werden wird, der Sonntagsbolzer nicht in die Bundesliga kommt und ich gerne mal ins Kino gehe aber niemals Filmkritiker sein werde, soll sich der Konsum-Spieler auch nicht einbilden, dass er von Wissen über und Fähigkeit zum Rollenspiel mit jemandem mithalten kann, der das fünffache an Zeit und Arbeit in das Hobby investiert. Und wir sollten diese Gleichmacherei und unangemessene Political Correctness beiseite lassen und diesen Standpunkt hier nicht immer vertreten.
Kurze Zusammenfassung: Jeder kann Ansprüche an seine Hobby haben, wie er will (hab ich auch). Prinzipiell ist kein Anspruch schlechter als ein anderer. Wenn man aber keinen Kompromiss findet, braucht man andere Leute, mit anderen Ansprüchen. Und: Zeit und Arbeit, die man in eine Aktivität steckt, gehen üblicherweise mit besserer Kompetenz diese Fähigkeit betreffen einher.
Bitter, aber wahr.