Vielmehr betrachte ich es als vollkommen unspannend, wenn Spieler A nicht nur die Handlungen seines Charakters, sondern auch noch die Reaktionen der Umwelt auf diese Handlungen beeinflussen kann. Das nimmt dem Spiel nämlich den Erlebnischarakter und lässt es (aus meiner Sicht) zum reinen kollaborativen Geschichtenbasteln verkommen, bei dem man sich nachher beglückwünscht, was für eine tolle Geschichte das gewesen wäre, wenn man sie gelesen oder als Film gesehen hätte.
Noch vor zwei Monaten hätte ich eloquent gegen Deine Aussage gewettert. Ich beschäftigte mich damals recht intensiv (für meine Begriffe) mit der Forge und war, nach 22 Jahren Spielleitertums, in einer kreativen Krise, zumindest was das Rollenspiel angeht.
Ich wandte mich also wieder der Forge zu, die ich bereits vor einiger Zeit besucht hatte, und fand dort theoretische Betrachtungen zum Wechsel des Erzählrechts. Player Empowerment ist ja immer noch das Wort der Stunde auf der Forge.
Aber nachdem wir einige der Indies gespielt hatten, stellten wir fest, dass all die Regeln fürs Erzählrecht (die Spieler dürfen z.B. auch bestimmen, wie ihre Umwelt auf die Aktionen der Charaktere reagiert, etc) zwar die Erschaffung einer gemeinsamen Geschichte förderten, aber überhaupt nicht (und das war unsere Erfahrung) das Ausleben, das Aufgehen im Charakter (=meine Definition von Immersion). Wir, die wir vor dem Spiel schon mal Übungen aus dem Impro-Theater machen, um möglichst tief in die Charaktere reinzufinden, standen bei diesen Systemen neben unseren Charakteren und beobachteten sie von außen.
Deshalb stimme ich Robin zu, dass es im Rollenspiel eine klare Aufteilung von Rechten und Pflichten gibt: Der Spieler hat Zugriff auf seinen Charakter, während der SL Zugriff auf alles andere hat. Das heißt nicht, dass diese Regel in Stein gemeisselt ist, aber prinzipiell ist das die Basis. Ich halte mich da ans Impro-Theater: neue Ideen für den Spielverlauf immer, aber das sind Vorschläge, die die Mitspieler akzeptieren oder blockieren können.
Und, Georgios, sorry, aber Deine provokant formulierte Frage "Spiel für Untertanen?" kann ich nicht ernst nehmen.
Illusionismus oder Einengung wird es erst dann, wenn der SL neben einer plausiblen Darstellung seines Charakters (also des Settings) auch noch seine Story durchdrücken will und seine Macht dazu missbraucht. Was ein Spieler übrigens in einem gewissen Rahmen mit seinem Charakter auch tun kann. Es wurde weiter oben ganz richtig gesagt: die Story erzählt eben keiner, sie entsteht im Spannungsfeld der Charakteraktionen. It's not a bug, it's a feature.
Zustimmung auch hier. Im Theater und Film heißt es "character is story". Aktionen bewirken Reaktionen, und daraus entsteht die Geschichte. Das mag manchmal, um John Kim sinngemäß zu zitieren, von außen betrachtet eine völlig banale und langweilige Geschichte sein, aber wenn man als Charakter in die Geschichte verwickelt ist und in ihr lebt, bekommt sie ganz andere, positive, Qualitäten.
Norbert