Aus gegebenem Anlass. Letzten Sonntag war ich mal wieder in der Situation: Mein Charakter tritt in Aktion, geht ein beträchtliches Risiko ein, damit die Handlung des Abenteuers voran kommt und wir alle uns nicht langweilen. Aber eigentlich hat mein Charakter gar keinen wirklich vernünftigen Grund, in Aktion zu treten und ein beträchtliches Risiko einzugehen. Eigentlich könnte er sich ebenso gut einen bauen und in der Ecke sitzen.
Die meisten Rollenspieler legen wert auf eine Handlung und auf interessante Konflikte. Andere finden es interessanter, eine alltägliche und völlig konfliktfreie Situation auszuspielen, an diese richtet sich dieser Thread nicht. Aber wenn man Konflikte will, sollte man eine Grundregel dramatischer Geschichten berücksichtigen: Man muss die Charaktere im Schmelztigel halten. Die Idee des "Schmelztigels" stammt von Moses Malevinsky ("The Science of Playwriting", 1925). Sie bedeutet: Die Motivation der Charaktere, den Konflikt fortzusetzen, muss größer sein, als die Motivation, den Konflikt abzubrechen. Es darf keinen einfachen Ausweg geben.
Zugegeben. Manchmal stürzen sich verrückte Leute in völlig unnötige Konflikte, obwohl es eine ganz einfache und für alle bessere Lösung gäbe. Aber auch dafür gibt es einen Grund, und dieser liegt eben genau in der Motivation der Charaktere. Ergo: Wer im Rollenspiel einen interessanten Konflikt inszenieren möchte, muss die Motivationen der beteiligten Charaktere genau kennen. In der Regel macht der SL die Konflikte, also sollte jeder SL eine verdammt gute Vorstellung davon haben, was die Spielercharaktere an- und umtreibt. Und, als ob das nicht schon genug wäre, sollte der SL auch noch eine Idee davon haben, welche dieser Triebfedern den Spieler besonders interessieren.
Schön und hilfreich ist es dafür, wenn man sogenannte "Flags" zur Verfügung hat, also Informationen auf dem Charakterbogen, die einem dabei helfen, die Motivationen des Charakters zu erkennen. Ein gutes Beispiel sind die Temperamente in Unknown Armies. Wenn man so etwas nicht hat, hilft es ungemein, einfach mal mit dem Spieler über seinen Charakter zu quatschen, und dabei aufmerksam zuzuhören. Auch die Vorgeschichte, wenn es so was gibt, kann wertvolle Anhaltspunkte enthalten.
Ein guter Konflikt ist immer einer, bei dem Davonlaufen keine Option ist, weil etwas viel zu Wichtiges auf dem Spiel steht. Oder wenn der Charakter doch davon läuft, muss es eine verdammt schwere Entscheidung sein.
Und bevor jetzt wieder irgendwelche Schlaumeier mit irgendwelchen halbgaren GNS-Interpretationen kommen: Das hier hat mit GNS nichts zu tun, sondern mit guten Konflikten. Gute Konflikte kann man in jeder Creative Agenda gebrauchen. Also, bitte kein GNS in diesem Thread.