Ein hartnäckiges Gerücht hält sich in der Rollenspiel-Szene; das Gerücht, in einer Gruppe müssten die SCs möglichst unterschiedlich sein!
Halte ich - wie ja andere auch - fuer
kein Geruecht. Die Frage ist eher:
Worin muessen sie unterschiedlich sein, worin duerfen, worin sollten sie sich aehneln? Ich kann mir schon vorstellen, dass das Spielen einer Gruppe von Klonen schon auch interessant ist, aber irgendwie... ein bisschen Individualitaet waere vielleicht doch auch ganz nett. Und Unterschiede machen sich meines Erachtens nicht zuerst an den Werten fest, sondern daran, wie die Charaktere "gefuehrt" werden. Man kann einen Krieger ja durchaus so zurueckhaltend spielen, dass der etwas rauflustige Magier seine Kampftalente deutlich haeufiger nutzt...
Was bringt die Gruppe ins Abenteuer? In homogenen Gruppen ist das sehr einfach: Ähnliche Charaktere haben ähnliche Ziele. Die Suche nach irgendwelchen Magischen Artefakten oder Büchern ist in einer Magier-Gruppe ein Selbstläufer, während in der "klassischen" Gruppe zumindest eine Belohnung oder ein äußerer Anreiz da sein muss.
Bei homogenen Gruppen ist das einfach: Die bleiben einfach da, wo es ihnen am besten gefällt, und alle sind zufrieden.
Hmm... okay, wir haben die 25ste Buechersuche gut hinter uns gebracht... und nun?
Homogene Gruppen haben ihre Spezialgebiete, fuer die die innere Motivation ausreichend ist. Aber was macht sie sonst? Einen Grund, sich mit etwas "abwegigem" zu befassen, kann kaum existieren - schliesslich koennte man dabei auf triviale Probleme stossen, die fuer diese Gruppe mangels Fachmann aber nicht loesbar sind. Die Magier werden sich schwerlich auf etwas einlassen, wo sie von einer Gruppe Wegelagerer zu Klump gehauen werden, weil sie halt nicht kaempfen koennen. Die Krieger waeren schoen doof, wenn sie sich mit einem faehigen Magier einliessen, der sie aus ausreichender Distanz in ausreichend harmlose Kroeten verwandeln kann, weil ihnen der Schutz gegen Magie fehlt. Und die Diebe... naja, man klaut mal hier, man klaut mal da, fein... Die einzige Moeglichkeit waere, sich ein beliebig komplexes groesserez Ziel vorzunehmen und es ueber eine Kampange hin zu verfolgen. Aber wenn man ein grosses gemeinsames Ziel hat, kann man auch eine heterogene Gruppe zusammenschweissen.
Aber was würde passieren, wenn die Priester-Gruppe auf einmal dringend durch eine verschlossene Tür müsste oder die Barbaren-Gruppe ein bestimmtes Buch in einer Bibliothek finden? Tada, auf einmal wird es spannend.
Wenn der Spielleiter auf sein gewohntes Repertoir zurueckgreifen darf, wird es nicht spannend, sondern langweilig, weil das Abenteuer mehr oder weniger in der Sackgasse ist. Okay, man kann immer noch versuchen, dies und das zu drehen - aber wenn die Tuer zu ist und keiner sie aufmacht, oder wenn man als Analphabet ein Buch sucht, dass sich nicht durch seine Abbildungen verraet, ist an der Stelle Schluss. Sicher, man kann das alles ausgleichen, indem man NSCs , Artefakte und sonstwas zur Verfuegung stellt - aber mal ehrlich, ist das auf Dauer spannender als zusammen darum zu bibbern, ob der Freund es noch packt, bevor...?
Ich denke, fuer eine homogene Gruppe mag es leichter sein, ein paar Sachen zu finden, die sich leicht ergeben, aber dafuer desto schwerer eine *vernuenftige* Begruendung, mal etwas abseits des Gewohnten zu tun. Es ist einfach zu wahrscheinlich, dass man an Trivialitaeten scheitert, die ein entsprechender "Fachmann" loesen kann, die aber ohne letzteren kaum zu knacken sind. Das
Spektrum, was eine heterogene Gruppe erleben kann, ist ungleich weiter - und bietet, wenn man denn so spielen mag, Raum fuer wunderbare Freundschaftsgeschichten. Wenn der halbtote Krieger sich nochmal in den Kampf wirft, um den zwar noch deutlich lebendigeren, aber eben kampfungewohnten Magier zu schuetzen, hat das in meinen Augen mehr soziales Potential als ein halbes Dutzend Krieger, die sich gegenseitig nicht helfen muessen, weil ja jeder sich verteidigen kann, oder sich auch nicht mehr helfen koennen, weil man laengst ein halbes Dutzen weitgehend harmloser Kroeten ist, was mithin eine feine Chance fuer einen Magier gewesen waere, sich mal vor den Krieger zu werfen und zu zeigen: "Das macht mir keiner mit meinen Freunden!"
Okay - Freunde muessen sie erstmal werden. Aber das kann in einer homogenen Gruppe genauso schwer sein wie in einer heterogenen. Fuenf arrogante, egoistische, nur auf den eigenen Gewinn bedachte Typen werden in keiner Konstellation eine gute Gruppe werden. Wenn die fuenf dagegen aufgeschlossen, neugierig und hilfsbereit sind, koennen sie sich beinahe ungeachtet des jeweiligen "Spezialgebiets" zusammenraufen.
Also, langer Rede kurzer Sinn: Die Werte und "Archetypen" duerfen ruhig unterschiedlich sein (oder auch gleich), solange die Charaktere gruppentauglich sind und / oder ein gemeinsames Ziel vorhanden ist.