Live-Rollenspiel kommt ursprünglich aus England und hat sich erst in den letzten zehn Jahren langsam in Deutschland entwickelt. Ein Live-Rollenspiel, auch ''Larp'' (Live-Action-Role-Playing) oder ''Con'' (Convention) genannt, findet meist im Grünen statt, abseits der Zivilisation. Häufig werden auch Zeltplätze von den Phantasten heimgesucht, Burgruinen oder Burg-Jugendherbergen sind ebenfalls beliebte Locations.
Eingeladen von der Spielleitung (SL), die oft als Lehnsherr des Landes oder als eine andere wichtige Persönlichkeit auftritt, sammeln sich die "Helden" zum gemeinsamen Spiel; ihre Zahl variiert dabei zwischen ca. zehn bis mehreren tausend! Die Dauer eines Cons variiert dabei von einem Tag bis zwei Wochen. Ein Held kann zum Beispiel ein Zwerg sein, ein Kobold, eine Elfe, ein Zauberer und sonst auch alles, was ihr wollt.
In einem von der Spielleitung erfundenen Land wird nun gespielt. Es gibt in der Regel auf jedem Larp eine Hauptaufgabe, die bis zum Spielende gelöst werden sollte. Daneben sind die Spieler auch noch mit kleineren Quests und dem selbstständigen Spiel beschäftigt, d.h. die Interaktion mit den anderen Spielern, aus der sich stets interessante Ereignisse entwickeln!
Du mußt versuchen Dir eine andere Welt vorzustellen, in der Dir die Charaktere mit ''mittelalterlicher Sprache'' begegnen, daß heißt es wird z.B. ''Ihr'' und ''Euch'' statt ''Du'' oder ''Sie'' verwendet. Krieger ziehen in Kettenhemd und Plattenpanzer in die Schlacht, Gaukler und Narren belustigen das Volk, des Herrschers Untertanen zeigen nur Respekt vor ihm, wenn er gerade mal anwesend ist, die Barden geben am Lagerfeuer ihre Lieder zum Besten, auf dem Marktplatz pöbeln sich Elben und Zwerge an, Händler bieten ihre Waren feil und abends spuckt ein Gaukler Feuersbrünste in den Himmel. Du kannst diese Welt erleben und wirst hineingezogen, sobald Du Dich gehen läßt. Ich habe nicht selten reale Angst bekommen, wenn uns ein Trupp Dämonen freundlich entgegengrinste und zum Angriff schritt.
Um hunderte von Leuten im Zaum zu halten müssen natürlich ein paar Regeln her, die dem Spiel einen Rahmen geben sollen. Viele ''Regelsysteme'' verkomplizieren das Larp allerdings nur unnötig und hindern den freien Spielfluß. Ständig hört man den Hilferuf ''Wo is'n die SL?'' Es gibt inzwischen eine Vielzahl an Regelsystemen, wobei häufig auf den Larps das Sinnvollste aus mehreren Systemen vermischt wird. DragonSys ist z.B. ein auf Punkten basierendes System, das weit verbreitet ist. In den Regelwerken werden meist so elementare Dinge wie Kampf und der Einsatz von Magie geregelt.
Auf die Punktesysteme werde ich hier aber nicht weiter eingehen, da ich selbst Real-Fantasy praktiziere, ein ''System'', welches auf dem Prinzip ''Du kannst, was Du kannst'' beruht. Behauptest Du, Du könntest fliegen, dann spiele es so überzeugend, daß jeder es Dir glaubt und Du kannst es!
Kämpfe gehören ebensp zum Larp wie das Ambientespiel, leider wird das in der Presse oft vergessen. Wir treffen uns jedoch nicht um uns zu erschlagen, sondern um gemeinsam in eine andere Welt einzutauchen und Leben zu spielen, nicht das Sterben! Gekämpft wird selbstverständlich nicht mit echten Schwertern, sondern mit Polsterwaffen, die fast immer von den Spielern selbst gebaut werden. ''Echt'' ist dafür aber alles andere, wie z.B. die Kettenhemden und Plattenpanzer, die auch schon mal zwanzig bis dreißig Kilo wiegen können.
AMBIENTE wird überhaupt sehr groß geschrieben, deshalb versuchen wir, möglichst alle Ambientekiller zu vermeiden. Das gilt vor allem für Gegenstände wie Walkman, Dosenfutter, Plastikgeschirr,... Ein paar Dinge aus unserer Welt dienen allerdings auch dazu, bestimmte Effekte zu kreieren. Eine Taschenlampe zum Beispiel gilt allgemein als Lichtzauber, bleibt also den Magiern vorbehalten, ebenso wie Fotoapparate mit Blitzlicht, die dann als Blitzzauber ihren Dienst verrichten. Wenn jemand eine Kamera mitnimmt, versucht er sie so gut wie möglich zu verbergen, vor allem nachts, da diese Dinger doch manchmal ganz gehörig stören (Du liegst gerade schlaftrunken am Lagerfeuer im Schoß deiner Liebsten und lauschst den Klängen eines Barden, als dich plötzlich ein grelles Licht blendet und aus deinen Träumen reißt) Außerdem haben manche Charaktere auch Angst vor diesen sogenannten ''Seelenfängern'' und reagieren zuweilen äußerst unfreundlich darauf.
Wie das Leben so spielt, so auch das Larp. Die meisten Wesen sterben einmal und verwirken damit unwiderruflich ihre Daseinsberechtigung. Doch im Larp bekommt man manchmal eine zweite Chance... Sollte Dein Charakter unvorsichtigerweise sein Leben aushauchen gibt es mehrere Möglichkeiten, die dem Spiel wieder einen Sinn geben können. Deine Freunde könnten beschließen Dich wiederzubeleben - hier zeigt sich der Vorteil einen mächtigen Magier und dessen Kollegen zum Freund zu haben (leider gelingen die Rituale nicht immer und sind auch nicht ganz ungefährlich!). Desweiteren kannst Du auch eine Weile als Geist Dein Unwesen treiben und Dich um eine Wiederbelebung bemühen. Vielleicht findest Du auch Gefallen an Deinem neuen Dasein und beschließt in der Geisterwelt zu bleiben? Die Letzte Möglichkeit, die ich nennen möchte, ist einen ''Übergangscharakter'' zu entwerfen und diesen den Rest des Cons zu spielen. Häufig avanciert dieser auch zum neuen Stammcharakter. Einige Spieler neigen auch dazu ihrem Charakter eine große Sippschaft anzudichten, in der seltsamerweise alle identisch aussehen. Beim plötzlichen Beenden des Lebens tritt sofort ein neuer Charakter an die Stelle, der sich nicht sonderlich von seinem Vorgänger unterscheidet. Auf diese Weise wird also ''Charakterrecycling'' betrieben. Es ist nicht besonders schön und ungern gesehen, weil es nur zu Verwechslungen führt.
Außer akuter Suchtgefahr ist Live-Rollenspiel übrigens keinesfalls gefährlich, wenn Du nicht gerade als Freeclimber eine feindliche Burg auskundschafften willst oder andere idiotische Aktionen wagst. Verletzungen kann man nicht ausschließen, sie sind aber auch nicht an der Tagesordnung. In Kämpfen kommt es schon mal zu Prellungen, aber selbst die lassen sich vermeiden, wenn man nicht unbedingt ohne Rüstung auf Kamikazekurs geht. Ich persönlich habe mir bisher immer ein paar Schrammen geholt und einmal den Fuß umgeknickt, als ich nach etwas Met unbedingt jemanden herausfordern mußte. Die Polsterwaffen werden vor jedem Spiel gecheckt und Unzureichende nicht zugelassen. Es wird jederzeit auf ein Höchstmaß an Sicherheit geachtet! Nicht nur vor dem Spiel werden Vorkehrungen getroffen (fast immer ist unter den Spielern der eine oder andere Sanitäter), im Spiel gibt es den sogenannten ''Stop-Befehl'', auf den hin das Spiel sofort unterbrochen wird. Diese Unterbrechung ist notwendig, wenn Spieler sich unbewußt in Gefahr begeben (z.B. sich beim Kämpfen auf einen Abhang zu bewegen, etc...) oder wenn es reale Verletzungen gibt. Im Spiel selbst werden ''Spielverletzungen'' natürlich ordentlich ausgespielt und wenn möglich von fachkundiger Heilerhand behandelt (hoffentlich gerät man hier nicht an einen Quacksalber).
All' das klingt verlockend, ist jedoch nicht ganz umsonst: zwischen 10 und 400 DM muß man hinblättern. Der Preis hängt natürlich von vielen Faktoren ab, wie Platz- oder Hausmiete, Voll-, Teil- oder Selbstverpflegung, Requisiten, Versicherung, ... In den meisten Fällen verdienen die Veranstalter nichts oder wenig an den Cons.
Übrigens wird auf Larps weder Okultismus noch Satanismus praktiziert - keine Spur davon. Zwar werden im Zusammenhang mit Magie oft Pentagramme verwendet, doch dieses Symbol ist aus der Magie nun mal nicht wegzudenken. Auf Schnoggeloch IV sollte ein Ritual zur Beschwörung eines Engels abgehalten werden. Einige Stunden zuvor tauchte eine Schrift auf, die beim Ritual verlesen werden sollte und mehrfach das Wort ''Satan'' enthielt. Das Spiel wurde kurz unterbrochen, das Schriftstück unter Jubel aller Spieler verbrannt! Also, so etwas wird es auf einem Larp nicht geben.
Auch Schlägernaturen, die gerne mal mit Schwertern (auch wenn sie gepolstert sind) anderen den Schädel einschlagen wollen, sind auf Larps fehl am Platze. Gottlob bin ich solchen Leuten in meinen sieben Larp-Jahren noch nicht einmal begegnet. Ich denke sie stellen, wenn es sie denn gibt, eher die Ausnahme und würden ohne Umschweife vom Larp verbannt werden.
Einer der wichtigsten Punkte beim Live-Rollenspiel: Warte nicht darauf, daß die Spielleitung Dir den nächsten Story-Happen vorsetzt und Dich Dein gesamtes Charakterleben umherschickt, sondern mache Dein eigenes Spiel - auf diese Weise kann man auch Längen, die jedes Larp mit sich bringt, überbrücken! Die Qualität eines Larps hängt nicht nur von der SL ab, sondern vor allem von den Spielercharakteren (SC). Eben damit dieses selbstständige Spiel funktioniert solltest Du Deinen Charakter genau kennen und ihn dementsprechend ausspielen. Als Live-Rollenspieler (Larpie) benötigst Du zunächst einige Ideen zu Deinem Charakter, den Du verkörpern willst. Du solltest als Anfänger darauf achten, Dich bei Deinem Erstcharakter nicht allzu fest zu legen, sondern Dir nur die Grundzüge zu überlegen, der Rest ergibt sich von selbst.
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