Vorneweg: Das Impossible Thing before Breakfest ist ein Forge-Begriff. Es bedeutet, dass in vielen Regelwerken so etwas steht wie „Der SL kontrolliert die Story, die Spieler die Protagonisten / Charaktere“ und dass das (rein logisch) unmöglich ist. Was will uns der Autor damit aber sagen? Ich will hier aber ab vom Forge-Begriff die Grundlagen und Auswirkungen des Phänomens diskutieren (deswegen auch „Offen“).
Ich wollte es hier nur mal kurz auf den Punkt bringen: Was will uns das Impossible Thing before Breakfest sagen? Oder besser: was denke ich, dass uns das ITBB sagen will?
Das ITBB ist ein Problem des menschlichen Denkens und auch ein Kommunikationsproblem. Ich werde mal die Schritte des Phänomens (so wie sie oft ablaufen) hier kurz auflisten (einigen wird das aus einem gewissen Wushu-Thread bekannt vorkommen).
1. Eine Person liest in einem Regelwerk das ITBB. Diese Textstelle ist sehr undeutlich (was die direkte Handlungsanweisung angeht) bis hin zur tatsächlichen logischen Unmöglichkeit.
2. Die Person erlebt ganz kurz diesen Moment des „Das kann er so ja nicht gemeint haben“. Da die Passage so nicht klar verständlich ist, entsteht bei der Person ein Interpretationsbedarf.
3. Dieser Interpretationsraum wird sofort von der Person gefüllt. Dies geschieht sehr, sehr schnell, meist sogar so schnell, dass der Person gar nicht auffällt, dass die Textpassage unklar war. Der Text wir gelesen und es wird sofort eine „korrekte“ Bedeutung gefunden
meist ohne dass der Person auffällt, dass sie bereits die Ebene des reinen Texts verlassen hat und sich auf der Ebene der subjektiven Interpretation befindet.4. Die Person hat also nach dem Lesen den subjektiven Eindruck, die vom Autor intendierte „wirkliche“ Bedeutung des Texts verstanden zu haben. (ob das wirklich der Fall ist, kann im Einzelfall wohl nur der Autor sagen [wenn überhaupt!] – die Person hat aber subjektiv den Eindruck, es richtig verstanden zu haben). Der Person
fällt gar nicht auf, dass sich andere Interpretationen genauso gut aus dem Text ableiten lassen! Subjektiv ist die einzig mögliche Interpretation gefunden (obwohl objektiv andere Interpretationen ebenfalls möglich sind)!
5. Die Person wendet ihre Interpretation im Spiel an. Oft ist der Leser des Regelwerks der SL. Durch seine hervorgehobene soziale Stellung wird seine Interpretation von den anderen Spielern akzeptiert (oft haben sie die Regeln nicht oder nur teilweise gelesen).
6. Die Interpretation funktioniert im Spiel (weil alle Spieler sie teilen, nicht weil es die objektiv richtige ist [es gibt keine objektiv richtige!]). Das bestärkt die Spieler darin, die richtige Interpretation zu haben.
Das ist soweit erst einmal kein Problem. Ein Problem entsteht aber, wenn zwei Personen aufeinander treffen, die beide unterschiedliche Interpretationen haben. Jeder hat eine im Spiel funktionierende Interpretation und ist davon überzeugt, dass er die einzige richtige Interpretation hat und der andere ja ein Depp sein muss, der die Regeln nicht richtig gelesen, geschweige denn verstanden hat. Und siehe da, genau dieses Phänomen beobachtet man immer wieder im Internet und auch dann, wenn neue Spieler mit Spielerfahrung in Gruppen kommen oder sich ganz neue Gruppen bilden (z.B. auf Cons). Da jeder a) nicht gemerkt hat, dass er interpretiert hat und b) davon überzeugt ist, die Regeln „richtig“ verstanden zu haben, wird man sich um so verbissener streiten, da keiner auf den Ursprung des Problems kommt: den unglaublich unklaren Basistext.
Das ITBB, wie Spieler damit umgehen und zu welchen Konsequenzen es führt, kann also reale Streitigkeiten erklären helfen. Und das gilt nicht nur für das ITBB, sondern auch für alle möglichen anderen unklaren Regeln und Handlungsanweisungen in Rollenspielregelwerken. Und deswegen sollte man immer im Kopf haben: Als Designer, damit man den Effekt unklarer Regeln immer vor Augen hat und als Spieler, damit man mal darüber nachdenkt, ob der Mitspieler mit der anderen Meinung nicht vielleicht gar kein gehirnamputierter Volltrottel ist, sondern der Regeltext einfach grottenschlecht geschrieben ist.
Das war meine Verteidigung des ITBB. Und auch schon wieder alles.