Es ist sich jeder bewusst, dass, wann immer hinter dem Schirm gewürfelt wird, das Resultat nicht vom Würfelergebnis abhängen muss.
Das ist aber auch der Fall, wenn der Spielleiter würfelt, ohne zu sagen, worauf. Oder wenn er den Wurf beeinflussende Modifikationen nicht nennt. Oder wenn man die Spieler würfeln lässet, ohne ihnen zu sagen, was man als Spielleiter aus dem Wurf herauszulesen gedenkt.
Meines Erachtens ergibt es ohnehin nicht viel Sinn anzunehmen, "willkürlich" und "zufällig" würden sich ausschliessen und das Resultat könnte notwendigerweise nur von
einem von beidem abhängen. Ich kann als Spielleiter durchaus einen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen ich dann nicht selbst entscheide (weil ich mich z.B. für befangen halte). Ich kann mir also einen "worst case" und einen "best case" definieren und dann den Raum zwischen beiden halbwegs gleichmässig quanteln und sehen, welches Quantum der Würfel anspricht. Willkürlich ist in dem Fall die Defintion der Grenzen, zufällig das Geschehen innerhalb dieser - und das Geschehen hängt von beidem ab. Im Prinzip, auch wenn ich das seltener anwende, kann ich auch andersherum vorgehen, durch zwei Würfe "worst case" und "best case" definieren lassen (was nur ein Schema voraussetzt, auf das es sich bezieht) und dann zwischen den beiden willkürlich entscheiden. Nur in Ausnahmen achte ich darauf, dass eine meiner Entscheidungen ganz frei von Willkür ist, d.h. einem unmodifizierten bzw. nach einem vorgegebenen Schema modifizierten Würfelwurf.
Die Illusion ist die, dass jeder so tut, als wäre der Spielleiter nicht die höchste Instanz.
Jeder tut so, als wären die Würfel die höchste Instanz, wenn sie hinter dem Schirm fallen.
Wenn der Spielleiter das Recht hat, die Wuerfelwuerfe zu interpretieren,
tut niemand so, als ob der Würfel die "höchste Instanz" wäre - auch das wieder völlig unabhängig vom Vorhandensein eines Schirms oder nicht. Die Interpretation erfolgt "über" das Interpretierte; die interpretierende ist also schon von der Logik her die höhere Instanz. Die Würfel können
nur dann die höchste Instanz unter den Anwesenden sein, wenn ihre Interpretation nicht einem der Anwesenden überlassen wird. Das ist denkbar, wenn das Regelwerk für jeden Würfelwurf vorgibt, wie er zu interpretieren ist (dafür reichen wieder Schemata, es muss nicht explizit sein). Wo das nicht der Fall ist...
Desweiteren möchte ich die These aufstellen:
Der Schirm hat die Funktion, dass der Spielleiter sich der Verantwortung für die von ihm willkürlich entschiedenen Resultate entziehen kann.
Wenn das eine "Funktion" sein soll, setzt sie
voraus, dass die Spieler dem Spielleiter seine Verantwortung (mit ihren Folgen) neiden oder übelnehmen - sonst müsste er sich ihrer ja nämlich nicht "entziehen" wollen. Aber das beides wäre für meinen Geschmack keine besonders angenehme Spielsituation, ich bevorzuge Spiel in neidloser und freundschaftlicher Atmosphäre.
Wenn Spielleitern, die einen Schirm verwenden, pauschal unterstellt wird, sie wollten sich "ihrer Verantwortung entziehen" (was eine entsprechende Gruppensituation impliziert), eine andere Instanz wider die Logik als die "höhere" vortäuschen, "Placebos einsetzen" und "Illusionen aufbauen" usw., ist das in meinen Augen nicht besonders freundlich. Es wird auch nicht wirklich besser, wenn man dazu sagt, das wäre nicht böse
gemeint - es klingt in meinen Ohren verächtlich und verletzend, ob nun absichtlich oder versehentlich; es liegt einfach in der Wortwahl und dem, was die Fomulierungen implizieren. Was auch nicht böse gemeint ist, es ist lediglich eine Feststellung über das, was in Aussagen, die ich hier gelesen habe, so mitschwingt - und was für mich Wolfs Verhalten schon verstehbar macht.
(Nebenbei, ich verwende keinen Schirm, weil ich keinen habe. Wenn ich Notizen unbemerkt lesen will bzw. Material zu Rate ziehen, was meine Spieler nicht sehen sollen, verwende ich anderes Material, was gerade zur Verfügung steht, als Sichtschutz. Und würfeln tue ich, wenn ich leite, offen oder verdeckt oder überlasse es den Spielern. Solange ich interpretiere, was dabei herauskommt, weiss auch keiner ausser mir, wohin die Reise geht, und das ich der "Reiseleiter" bin und jedes "ausgedruckte Tagesprogramm" nur vorläufig ist, darauf haben wir uns geeinigt, bevor ich angefangen habe zu leiten...)