Hier meine Erfahrungen mit der PTA-Runde auf der Odyssee 2006:
Die Gruppe hatte vier Spieler. Alles Leute ohne vorherige PTA-Erfahrung, was mir sehr wichtig war, da es mir auf der Odyssee vor allem darum ging Leuten Spiele zu zeigen, die sie noch nicht kannten.
Der Serienentwurf lief per Brainstorming. Recht gut, wenn auch für meinen Eindruck teilweise etwas schleppend. Ich denke man sollte den Serienentwurf nicht als Charaktererschaffung-Äquivalent und Spielvorbereitung sehen, sondern als Anfangsphase des Spiels. Das Spiel beginnt nicht mit der Folge selbst, sondern bereits wenn man die Serie erschafft.
Die Serie: Guano Creek (eine Mystery-Serie in einer US Kleinstadt. Eine Kreuzung aus Akte X und Picket Fences. Ich dachte eher an Eerie, Indiana). Wir einigten uns auf einen Season-Plot bzw. ein großes Geheimnis das im Laufe der Staffel aufgedeckt wird und der Men in Green, die damit irgendwie zusammenhingen. Bei den MiG handelte es sich um eine Firma, die die Vorgärten der Stadt bearbeitet und auf Vordermann hält.
Die Figuren:
Mathilda, die alleinerziehende Mutter und Besitzerin der Kinokneipe. Ihre Issue: Fernweh
John, die Physiklehrervertretung aus der Stadt, Seine Issue: Minderwertigkeitskomplex
der Sheriff, der in seiner Freizeit an einem Roman schreibt, Seine Issue: Künstlerseele, später Beschützer der Kleinstadt
Carter, der Überlebensfreak und Waffennarr mit eigenem Schutzbunker, der aber noch bei seiner Mutter lebt; Seine Issue: Paranoia
Die Screen Presence-Verteilung lautete: 1/2/2/3
Die ersten Szenen liefen in rückläufigen Flashbacks (wie die meisten es aus Memento kennen). Das erwies sich sowohl als recht hilfreich, als auch als Stolperstein. Es war dahingehend hilfreich, dass die Agenda einer Szene durch die vorherige gegeben war. Der Unterschied zwischen Agenda und Konflikt einer Szene wurde damit durch das Spielen selbst veranschaulicht. Es wurde jedoch zunehmend schwerer Szenen zu finden, die ihre Agenda erfüllten und dabei noch Platz für Issues und Konflikte ließen. Daher haben wir das nach einigen Szenen wieder gelassen. Die Sache mit der Flashbacksequenz werde ich jedoch übernehmen um zu zeigen, weshalb Agenda =/= Konflikt ist.
Spätere Szenen erspielten sich nach einer kurzen Warmwerdphase recht schnell. Ein Spieler (ich denke es war Nephilim) konnte sofort mit der Erzählfreiheit, die PTA den Spielern am Tisch zur Verfügung stellt, gut umgehen. Ich habe den Eindruck dass viele Rollenspieler instinktiv davor zurückschrecken, das Setting mit eigenen (relevanten!) Ideen zu erweitern oder dem Producer Vorschläge zu unterbreiten was es mit der Hintergrundgeschichte und den NSCs „wirklich“ auf sich hat. Nachdem jedoch Nephilim mit leuchtendem Beispiel voran ging, begannen auch andere Spieler über ihren Charakter hinaus zu denken und immer mehr die gesamte Story ins Auge fassen.
Der letzte Sprung zurück zur Issue wollte aber nicht so recht stattfinden. So kam es, dass wir manchmal Schwierigkeiten hatten den Konflikt einer Szene zu finden. Um den Spielfluß nicht völlig anzuhalten, wich ich in diesen Szenen auf reine Plot-Konflikte zurück, in der die Issue keine nennenswerte Rolle spielte. Als wir jedoch einige Konflikte hatten, in der die gesamte Szene um die Issue des Charakters kreiste und der Konflikt genau traf, wurde es langsam deutlich worum es in PTA geht. Eine Verhörszene zwischen Carter und einem als Geisel genommenen Gärtner kreiste einzig und allein um Carters Verfolgungswahn. Ging es zu Beginn der Spielerverhandlungen noch darum, ob Carter die Wahrheit aus Jimbob herausbekommen würde, so kamen wir schnell darauf, dass in Wirklichkeit Carters Verfolgungswahn auf dem Spiel stand und welche Auswirkungen dieses Verhör auf ihn haben würde.
In der finalen Szene in denen der verrückte Kleinstadtarzt erklärte wie er mit seiner Armee an genetisch manipulierten Supersoldaten (die ehemalige Bewohner von Guano Creek waren) ein globales Imperium aufspannen wollte („erst Guano Creek, dann South Guano Creek, dann Bottrop und dann die GANZE WELT!“), versuchte jeder am Tisch seine Issue in die Mitte zu hauen. Rückblickend waren unsere Versuche etwas ungeschickt. Anstatt die Issue während der Szene einzubringen, hätten wir bereits bei der Szenenerschaffung ein Auge auf die Issue des Charakters werfen sollen und die Szene dementsprechend entwerfen. Hier kommt wie ich finde eine Eigenheit der rein kooperativen Spielart von PTA zum tragen. Als Producer kann ich die anderen Spieler nicht dazu zwingen mir die Bälle zuzuspielen, die das Spiel antreiben. Ich muss als Producer immer darauf warten, dass die Spieler das Spielkonzept begreifen und die Funktion der einzelnen Elemente auf ihrem Blatt erfassen, bevor wir gemeinsam Szenen und Konflikte im PTA-Stil durchziehen können.
Die Runde war sehr unterhaltsam und die vollkommen abgedrehte Verschwörung, die wir am Ende der Folge entlarvt hatten, hatte einen sehr coolen, spleenigen Charme. Ich fühlte mich stark an Maniac Mansion erinnert (das Spiel nicht die Serie).
Zwei Punkte, die mir noch wichtig scheinen seien kurz angemerkt.
PTA ist kein Spiel für ruhige Menschen. Den Verdacht hatte ich bereits nach der Runde auf dem Sommertreffen, und es wurde mir auf der Odyssee bestätigt. Einer der Spieler war sehr ruhig und zurückhaltend. Während einer Pause sprach ich kurz mit ihm und er versicherte mir dass seine Stille weniger auf Langeweile oder Desinteresse beruhte, sondern seine übliche Spielart sehr ruhig und vorsichtig sei. Ich denke PTA braucht ein gewisses Maß an Extrovertiertheit um flüssig zu laufen (auf jeden Fall, wenn ich mitspiele). Es gehört mMn einfach zum Spiel dass Leute viel miteinander reden; dass sie Vorschläge machen, überarbeiten, ablehnen und generell stark interagieren. Manchmal muss man sich – wie Jasper schon bemerkte – ein wenig dazu aufputschen. Aber es ist Teil des Spiels, wie ich denke. Genauso wie man viel Schwimmen muss, um gut Wasserball zu spielen.
Ein letzter Punkt, der mir während des Spiels auffiel war, dass es einigen Spieler schwer fiel eine Zielsetzung für ihre Charaktere zu finden. So kam es vor, dass ein Charakter in den eigenen Szenen rein reaktiv gespielt wurde. Er schien kein Ziel zu verfolgen außer auf die Dinge zu reagieren, die andere Spieler in die Szene brachten. Diese Szenen endeten meist ohne Konflikt, weil der Charakter nichts aus eigenem Antrieb zu verfolgen schien und es keinen erkennbaren Interessenkonflikt gab. Die Issue sollte dem Spieler helfen eine Zielsetzung für die Figur in einer Szene zu finden. Wenn man etwa Selbswertgefühl als Issue hat, dann sollte man seine Figur versuchen in der Szene in eine Position zu bringen, in der das Selbstwertgefühl der Figur zum Ausdruck kommt. Allerdings sind diese Vorgaben durch die Issue recht vage und abstrakt. Sie liefern dem Charakter selbst keine möglichen Handlungsabsichten. Gibt es eine Möglichkeit den Spielern da unter die Arme zu greifen, oder fällt auch das wieder unter dem Punkt, dass man erst den PTA-Blick auf das Spiel finden muss, um auch den Charakter aktiv agieren zu lassen?
Alles in allem, fand ich die Runde sehr unterhaltsam und hatte sehr viel Spaß dabei. Großen Dank an meine Mitspieler.