Hi.
Ich habe schon mehrfach gehört - besonders von meinem werten Kollegen Frank / Vermi -, dass mal handfest über Hintergrund geredet werden sollte.
Das möchte ich hiermit tun und ein paar Thesen auf- und zur Diskussion stellen.
Definition - Was ist Hintergrund?Man muss hier unterscheiden, denn wie bei den Regeln gibt es den Hintergrund im Buch und den Hintergrund in der Runde. Nochmal zur Erinnerung:
- Die tatsächlichen Regeln sind Methoden, auf deren Einsatz sich die Runde geeinigt hat.
- Die geschriebenen Regeln (die RAW) sind Methoden deren Einsatz der Autor des Rollenspiels empfiehlt.
Was ist also tatsächlicher Hintergrund? Ich mach mal eine Arbeitsdefinition:
Tatsächlicher Hintergrund ist fiktionaler Inhalt auf dessen Gültigkeit sich die Gruppe vor dem Spiel einigt. Es handelt sich also nicht um Themen, Genre-Konventionen, Erwartungen an das Spiel, sondern um Fakten, die tatsächlich handfest im Vorstellungsraum auftauchen können.
Dabei kommt ein besonderes Problem zum Tragen, denn anders als bei den tatsächlichen Regeln kann man den tatsächlichen Hintergrund nicht feststellen, wenn man das Spiel beobachtet. So könnten wir festlegen, dass der Hintergrund von SR 3.01D gelten möge. Dann wird Amazonien von einer geflügelten Schlange beherrscht, auch wenn wir Amazonien im Spiel mit keinem Wort erwähnen. Es ist also möglich Hintergrund en bloc festzulegen.
Das ganze wird noch ein bischen abgehobener: Es muss noch nicht mal jeder wissen, dass Amazonien überhaupt existiert. Aber: Jeder muss Zugang zum Hintergrund haben. Also in unserem Fall muss jeder das Grundregelwerk nehmen können und da nachlesen, was in Amazonien geht. Nehmen wir dagegen mal das folgende Beispiel:
OK, Jungs. Ich möchte für euch ein bischen Vampire: Requiem leiten. Das ist also ein Spiel, wo ihr Vampire spielt. Ich sag mal wir spielen in New York im Jahre 2006 und ihr baut erstmal normale Menschen. Ich behalte mir ansonsten vor, was im Buch steht etwas anzupassen.
Dann ist der tatsächliche Hintergrund deutlich kleiner als der geschriebene, denn die ganzen Clans, Bünde, etc. gehören nicht dazu. Die wurden nicht als gültig vereinbart. Natürlich kann man der tatsächliche Hintergrund umgekehrt auch Dinge enthalten, die nicht geschrieben stehen. Etwa wenn man vor dem Vampire-Spiel festlegt, wie die Domäne aussieht.
AbgrenzungWas kann man also sinnvoll im Rahmen der Rollenspieltheorie betrachten? Mit Sicherheit nicht, wie der Inhalt im Einzelnen aussieht. Genauso wie an allen anderen Stellen (Das hat sich in diesem Kanal schon mehrfach gezeigt.) kommen wir an den fiktionalen Inhalt nicht ran.
Auch Aussagen wie "Ein guter Hintergrund enthält Konflikte" lassen sich nicht ableiten. Das Beispielzitat oben enthält zum Beispiel keine.
Das "mehr" als FeatureWie gesagt kann Hintergrund en bloc eingeführt werden. Diese besondere Eigenschaft erlaubt es einen Vorrat bereitzuhalten, auf den im Spiel zurückgegriffen und der von allen gemeinsam weiterentwickelt werden kann. Das ist Unterschied zu Beispielzitat oben. Hier hat der Spielleiter zwar ein ganzes Buch als Munition zur Verfügung, die er beliebig in die Runde schießen kann, aber die anderen Teilnehmer können
nicht damit arbeiten.
Man könnte also sagen, dass der tatsächliche Hintergrund als gemeinsames Munitionsdepot für die Runde dienen kann. Dieser Effekt lässt sich natürlich besonders gut, wenn der vereinbarte Inhalt möglichst klar ist.
Und das bringt uns zur...
Struktur von geschriebenem InhaltGehen wir nun davon aus, dass der geschriebene Hintergrund eines Rollenspiels mehr oder weniger komplett für das Spiel übernommen wurde.
Ausgehend vom letzten Abschnitt behaupte ich nun also, dass die Art und Weise, wie der geschriebene Hintergrund präsentiert wird, das Spiel beeinflusst - selbst dann, wenn alle Teilnehmer ihn komplett kennen. (Wenn man den letzten Teilsatz weglässt, wäre die Aussage schon klar, und ließe sich mit Beobachtungen zum Leseverhalten gut in den Griff bekommen.)
Soweit ich das Überblicken kann, gibt es nun verschiedene Ansätze um den geschriebenen Hintergrund zu strukturieren. Ich stelle diese Ansätze jetzt da und mach dann mit der Betrachtung weiter:
- Der Geographische Ansatz. Kommt häufig in Fantasy-Spielen vor. Der Hintergrund wird in Regionen zerlegt, die dann einzeln beschrieben werden. Wichtiges Hilfsmittel ist eine Landkarte. Die Gruppe muss sich vor dem Spiel einigen
wo sie spielen wollen.
- Der chronologische Ansatz. Den kenn ich so nur aus Mechwarrior. Zwar haben viele Rollenspiele eine Historie, aber meistens gibt es sowas wie eine Jetzt-Zeit. Es wird also angenommen, dass das Spiel zu einem bestimmten Zeitpunkt startet und sich dann in die Zunkunft entwickelt. Beim chronologischen Ansatz entscheidet die Gruppe dagegen,
wann sie spielen will und hat nach vorne und hinten Luft.
- Der soziologische Ansatz. Bekannt geworden durch White Wolf. Die Beschreibung orientiert sich an verschiedenen sozialen Gruppen und die Frage ist vielleicht,
wen man spielen will.
- Der Schnipsel-Ansatz. Hier werden gewisse Informationen bewusst ungeordnet präsentiert. Das kenn ich nur aus Nobilis. Wichtig ist dabei zu beachten, dass diese Schnipsel auch alle gültig sein müssen. Das ist was anderes, als mehrere Varianten bereitzustellen und die Gruppe dann auswählen zu lassen. Dabei würde es sich nicht um Hintergrund handeln, sondern um einen Prozess zur Erstellung von Hintergrund.
Jetzt passiert was interessantes. Je nach Strukturierung scheint sich das Spiel in bestimmten Regionen des Hintergrunds zu bewegen. Beim geografischen Ansatz ist das ganz offensichtlich und die Vampire-Spieler werden auch bestätigen können, dass in einer Camarilla-Kampage der Sabbat weit weg ist. Der Punkt ist nun, dass die Gruppe quasi durch den Hintergrund reisen kann.
Ich kann also als Autor steuern, wie sich die Gruppe durch den Hintergrund bewegt, wobei diese Strukturierungen als eine Art Reisekatalog von möglichen Zielorten dient. Der Schnipsel-Ansatz ist dann die Methode auf diese Steuerung zu verzichten.
Bin gespannt auf eure Meinungen.