Rollenspiel ist allerdings, im Unterschied zur Kunst, die das unter den Bedingungen der Kulturindustrie immer ist, nicht warenförmig. Die Regelwerke usw. werden natürlich produziert und verkauft; das Spiel selbst aber nicht (man denke an die Diskussion hier im Forum: die Spielleitung zu bezahlen, erscheint den meisten einfach absurd). Zudem findet es fast ausschliesslich im Privatraum oder halbprivat (auf Cons) statt. Dabei sind die Teilnehmenden so gut wie immer auch und gleichzeitig das Publikum. Es gibt auch kein professionelles Rollenspiel; die Aktivität findet in relativ fest stehenden Gruppen statt, die auch noch befreundet oder sich zumindest sympathisch sind, und meist über längere Zeit zusammen bleiben. Auch das ist in allen anderen Kunstformen anders. Trotz dieser anscheinenden Intimität ist Rollenspiel kein Ort, der gesellschaftlich und politisch unberührt ist; die Teilnehmenden bringen ihre Prägungen, Ansichten, Vorurteile, Wertvorstellungen mit an den Tisch und können gar nicht anders, als sie ins Spiel einzubringen.
Die einzelnen Spiele sind nicht reproduzierbar, sie entstehen immer erst im Moment der Aufführung, und zwar zu einem guten Teil ungeplant (wie gross dieser Teil ist, hängt von Spiel und Gruppe ab).
In Anbetracht dessen finde ich, dass Rollenspiel am Besten mit Gestaltungsformen zu vergleichen ist, die sich in einem ähnlichen Zwischenraum von Öffentlichkeit und Privatheit, Warenwelt und Indivdualität, Intimität und Allgemeinheit bewegen. Das ist einerseits Performance - Art, viel stärker aber noch Sex, vor allem S/M - Sex, wo es ja auch darum geht, zwischen allen Beteiligten eine Ordnung auszuhandeln und einen gemeinsamen Vorstellungsraum zur allseitigen Zufriedenheit auszugestalten, wobei die Kommunikation immer von den gesellschaftlichen Umständen bedingt wird.
Nicht umsonst bekommt man erst mal Hinweise auf S/M - Seiten, wenn man "Rollenspiel" googelt. Vielleicht wäre es ganz fruchtbar, wenn man da nicht sofort erschrocken abwiegelte, sondern überprüfte, wo es da Parallelen gibt, die zum Verständnis beitragen.