... ich will zum Denken anregen und zwar darüber, wie hoch der Anteil an Authentizität sein muss. Meiner Meinung nach liegt der Anspruch bei vielen Runden einfach zu hoch!
Es gibt ein Phänomen, dass man den "professionellen Pseudorealismus" nennen könnte, der sich über alle denkbaren Fachgebiete erstreckt, die im Rollenspiel irgendwann mal Bedeutung haben könnte.
Das Phänomen wirkt sich dergestalt aus, dass irgendjemand, der von einem speziellen Bereich profunde Kenntnis besitzt (also "Ahnung hat" [oder zumindestens meint, er hätte welche]) in diesem speziellen Gebiet dann Wert darauf legt, dass das Spiel möglichst plausibel (Ersatzwort für "realistisch") zu sein hat.
Mein lieber Kumpel Waldi (kein Dackel, sondern Spielleiter) ist zum Beispiel Wirtschaftswissenschaftlich eine echte Spitzenkraft und jede Hintergrundswelt, die wirtschaftlich nicht funktioniert (Handel, Ökonomie und so) weil sie instabil wäre, wird mal eben in der Luft zerrissen.
Mein anderer Kumpel Axel hat es Medizinisch echt drauf und kennt sich mit allem was den Körper beeinträchtigt oder was den beeinträchtigten Körper wieder in eine lebenswerte Lage zurückbringt aus. Den darf ich nicht fragen, was er von den abstrakten Regeln von Verletzung oder Heilung hält, wenn ich möchte, dass er mitspielt (insbesondere, wenn irgendein System noch versucht, realistisch zu sein).
Dann habe ich noch den Informatiker, der alles was in Sachen Matrix / Netrunn und KI verdammt und den Physiker, der mir jedes Science Fiction Rollenspiel zerlabert (jeden SciFi Film übrigens auch), weils absoluter Humbug sei...
Wollen wir mal einen Geschichtsspezialisten fragen, wie authentisch es denn bitte sein darf?
Kommen wir zurück zum Thema?!
Die Frage wird jeder anders beantworten. Die Antwort ist abhängig vom Wunsch ob es möglichst (!!!) authentisch sein soll (ja oder nein, oder nuancen dazwischen) und von der Kenntnis desjenigen, der gefragt wird.
Geschichte ist mir persönlich beispielsweise nur in groben Zügen interessant. Ich will nicht wissen, wie man 1521 an Pest starb, wie die Leute 1348 in Worpswede geredet haben und welche Menschen wann was trugen, aßen, wer schreiben konnte und wie.
Dementsprechend ist mir persönlich dieser Grad an Authenzität egal. Und das muss auch jeder tolerieren, der mit mir spielt.
Ich kann aber verstehen, wenn jemand da echt Lust zu hat, sich da zu informieren und dieses Wissen auch umzusetzen.
Der hat dann eben an anderen Dingen Lust im Spiel. Schön für ihn, dann spielt man eben nicht gemeinsam.
Und wahrscheinlich wird er auch wenig Leute finden, die das genau so sehen - also wird er mit gewisser Wahrscheinlichkeit seine Erwartungen herabsetzen müssen, um Mitspieler zu finden....!
Also kurz:
Der gewünschte Grad der Authenzität ist bei jedem verschieden..!
Selbst wenn mehrere Personen sagen: "Möglichst hoch!", ist er noch verschieden,
denn dann hängt er immer noch vom Kenntnisstand der Betreffenden (und auch deren Mitspieler) ab.
Er ist vom GruppenKonsens und vom machbaren abhängig.