Hallihallo!
@Vermi
[...] Hat es wirklich eine Relevanz für das Spiel, ob deine Beinkleider aus Hanf oder Jute, ob das Haus mit Riet oder mit Brettern bedeckt ist etc.? IMO nein, denn es ist nur Color.
Sagt mal, es gibt doch dieses hübsche Wort "Lokalkolorit". Es hat die Vorteile, dass man es im Duden nachschlagen kann, und dass es nicht amerikanisches Englisch ist, und dass es auch das bezeichnet, was hier wohl unter "Color" verstanden wird. Btw, "local color" bedeutet nach Pons sogar "Lokalkolorit"... warum das Rad neu erfinden?
Meiner Meinung nach ist Lokalkolorit nicht nur Füllsel ohne Relevanz, sondern trägt zur Atmosphäre bei. Und ich benutze es sehr gern, um dann einen Kontrast bewirken zu können zu wirklich anderen Gegenden/Wesen/Situationen. Platt gesagt, nur wenn meine SpielerInnen die Reet-gedeckten Häuser mit weißer Tünche einmal als "normal" kennengelernt haben, wissen sie, dass das Haus aus grauem Stein mit den grauen Steinschindeln nicht hierher passt. (Oder dass sie jetzt wirklich nicht mehr in der Nähe der Küste sind.)
Ich find's halt besser, das Besondere im Spiel darzustellen, als explizit zu sagen, dass dieses Haus hier nicht hergehört. "Show, don't tell", das versuche ich als Motto durchzuziehen.
Aber ich fahr' ja auch den "Rollenspiel-ist-eine-Geschichte"-Ansatz. Daher ist für mich historische Authentizität nur insofern wichtig, als sie mir hilft eine gemeinsame Basis (und damit Sicherheit) zu schaffen für meine Gruppe. Oder weil ich grade ganz viel darüber weiß und es unbedingt reinbringen will...
Andere Spielstile haben da ganz andere Bedürfnisse.
Oder interessiert es irgendwen, dass es die Kartoffel und die Tomate und die Bohne erst nach Kolumbus' Reise in den Westen hier in Europa gegeben hat? Aber dass man ein Zweihandschwert nie gemeinsam mit was-weiß-ich antreffen konnte, das ist wichtig? Hm.
Ich möchte mal die Spielrunde sehen, die eine wahrhaft spannende Kampagne darum führt, wie das Rezept von Marzipan geklaut wird, oder das der Herstellung von Porzellan oder das Geheimnis der Herstellung von Seide. *Das* ist auch historische Authentizität.
(Lesetipp: Gert von Paczensky, Anna Dünnebier,
Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, btb, 1994)
Sicherlich werden die HistorikerInnen am Spieltisch Magengrimmen bekommen bei den meisten Runden, aber die bekomme ich auch als Spielerin, wenn der SL den Figuren ein Frühstück mit Brot und Wildbret hinstellt. Will sagen: jedeR SpezialistIn bekommt am Spieltisch hin und wieder Magengrimmen. Das wird sich kaum vermeiden lassen, fürchte ich.
Liebe Grüße
Rána ;->