Autor Thema: Mathematik & Naturwissenschaften: Wie fit sollte ein Rollenspieler sein?  (Gelesen 20969 mal)

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Eulenspiegel

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Abgesehen davon, ich will doch gar nicht die perfekte Realität in einem RPG. Ich will nur Konsens.
Ich will Immersion im RPG.
Und wie erreiche ich Immersion: Durch Suspension of Disbelief.
Und wie erreiche ich eine gute Suspension of Disbelief: Durch scheinbare Realität.

Preacher

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aber soll ich auf Jahre des Studiums verzichten? Massig Wissen brachliegen lassen, weil man nicht recht haben könnte? Tut mir Leid, seh ich nicht ein. Bei manchen Runden wär ich doch bekloppt, das nicht zu nutzen!
Naja, ich kann mir wirklich bessere Orte vorstellen, das Wissen zu nutzen als den Spieltisch. Ich meine, wenn es Euren Spielspaß erhöht, mehrstündige Diskussionen über die Statik eines Wolkenkratzers oder die thermodynamischen Vorgänge des menschlichen Körpers zu diskutieren, dann haut rein. Ich finde das im Spiel überflüssig und langweilig.
Solche Themen spare ich mir für Diskussionen mit Fachleuten aus den entsprechenden Gebieten auf, dann sind diese Gespräche wirklich befruchtend und bringen einen weiter. Von Amateur mit Halbwissen zu Amateur mit Halbwissen werden da nur zu leicht falsche Informationen weitergegeben.

Und wie gesagt: Wo erhöht das den Spielspaß?
Beispiel:
Ich bin Ingenieur. Ich hab auf dem Treffen eine wirklich coole Runde PtA gespielt, der Hauptschauplatz war ein riesiges Luftschiff mit Luxushotel und angeschlossenem Casino. Ich hab ja auch nicht angefangen durchzurechnen, wie groß der Auftriebskörper sein müsste, welche Antriebsleistung man für welche Geschwindigkeit benötigt etc. - das hätte ich nämlich gekonnt. Höchstwahrscheinlich hätte ich rausgefunden, daß so ein Luftschiff überhaupt nicht möglich wäre - und was hätte ich davon gehabt? Grad mal gar nix, außer einem häßlichen Misston in meinem Vorstellungsraum.

Das sorgt dann dafür, dass beide leichter ihre Immersion ausleben können.
Also genau zu wissen, ob ich mit einem Kettenhemd in der Wüste 10 oder doch vielleicht 11 Liter Wasser am Tag brauche erhöht den Spielspaß für alle Spieler derart, daß eine mehrstündige Diskussion, die nicht mithilfe von Fachwissen sondern von "vorstellungskraft" geführt worden ist gerechtfertigt wird? Merkwürdige Vorstellung...

Aber abnehmen? Du hörst doch nicht plötzlich auf, logisch zu denken, nur weil du Wissen gesammelt hast.
Nein, natürlich nicht. Aber GMV hat mit logischem Denken (ich rede von formaler Logik) auch erstmal nicht viel zu tun. Abgesehen davon beinhaltet der GMV auch die Fähigkeit, zu beurteilen, wann ein höherer Detailgrad keinen Sinn mehr ergibt.
Man neigt einfach dazu, Fachwissen auch anzubringen. Und über das Ziel hinauszuschießen.

Wenn ich mir alleine ansehe, was für Anforderungen an Filtersysteme von Müllverbrennungsanlagen oder an die Reinigung von Maschinen gestellt werden, dann schüttele ich den Kopf. Diese Vorgaben wurden von intelligenten Menschen mit jeder Menge Fachwissen erstellt und sind nicht willkürlich. Wenn ich mir dann aber die Szenarien ansehe, die aufgestellt wurden, und wie wahrscheinlich das Eintreten dieses Falles ist, auf dem die Anforderungen beruhen, UND dann noch die Auswirkungen des Eintretens gegen den Aufwand der Vorbeugungsmaßnahmen abwäge, dann komme ich unweigerlich zu dem Schluß, daß das mit GMV nicht sonderlich viel zu tun hatte.

Egal. An sich wollte ich nicht weiter darüber diskutieren, sondern nur mal zum Nachdenken anregen.


Die zentrale Frage also nochmal in Kürze:
Inwieweit wirkt sich die naturwissenschaftliche Kenntnis bzw. ihre Anwendung auf den Spielspaß aus?

Und nach Beantwortung dieser Frage weiß man auch, wie viel Wissen man als Rollenspieler benötigt:
Genau so viel, wie es den Spielspaß noch erhöht und nicht schmälert!

Und diese Grenze ist von Runde zu Runde je nach Präferenz und Spielstil vollkommen unterschiedlich - einen Katalog mit "Mindestanfoerderungen" für den potentiellen Rollenspieler anzulegen ist imnsho völliger Unsinn.

Offline Boba Fett

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Ich will Immersion im RPG.
Und wie erreiche ich Immersion: Durch Suspension of Disbelief.
Und wie erreiche ich eine gute Suspension of Disbelief: Durch scheinbare Realität.

Suspension of Disbelief bedeutet erst einmal, dass ein Rezipient den Inhalt einer fiktionalen Geschichte nicht hinterfragt, sondern sich darauf einlässt.

Wenn ein Spieler sich in seiner virtuellen Realität gestört fühlt, weil er etwas dargestellt bekommt,
von dem er weiß, dass es anders sein müsste, stört das natürlich seine Immersion.
Wenn dieser Spieler dann aber das Diskutieren beginnt, dass es anders sein müsste,
stört das die Immersion ALLER Spieler.

Anmerkung:
Ich finde es lustig... Wenn ein Computerrollenspiel Einschränkungen in der realität besitzt, springt keiner
auf, greift zum Telefon und macht den Spiele-Entwickler mit den einleitenden Worten "Das ist doch total unlogisch..."
zur Schnecke. Da begreift jeder, dass die Technik einfach die Möglichkeiten einschränkt.
Im Rollenspiel erwartet jeder Perfektion. Vom Spielleiter, vom Regelwerk, von der Eintauchtiefe der Immersion.
Da begreifen die wenigsten dass Wissen, Flexibiltät, Würfelmechanik, Tagesform und 1000 Dinge
die Möglichkeiten einschränken. Da wird wild diskutiert...

Gruß

Boba

der glaubt, dass die meisten dieser Diskussionen nicht dazu dienen, die Immersion zu verbessern,
sondern dass der Besserwissende meist mit seinem Wissen glänzen und durch "Recht haben" nur
sein Ego aufpolieren will... ::)
« Letzte Änderung: 21.12.2006 | 09:46 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Chiungalla

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Ich denke auch, dass man in vielen Fällen beim Versuch über wissenschaftliches Fachwissen Plots und Settings glaubwürdiger zu machen, scheitern wird.

Einfach weil man dadurch, dass man sich mit der Materie auseinander setzt, zeitgleich die Ansprüche und die Aufmerksamkeit für Ungereimtheiten erhöht.

Problematisch wird es vielleicht nur immer dann, wenn jemand eh schon hohe Ansprüche und eine geschärfte Aufmerksamkeit in einem bestimmten Bereich mit an den Spieltisch bringt, und diese dann nicht einfach abschalten kann.

Viele Spieler haben ja weitreichende Interessen und Qualifikationen (seien es nun Wissenschaften wie Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, Medizin u.s.w. oder Hobbys wie ihr Schützenverein, Mittelalterverein, u.s.w.).

Und wenn man dann z.B. bei Shadowrun mit Fachwissen über Feuerwaffen sitzt, dann ist die Aufmerksamkeit für Defizite im System schon sehr ausgeprägt vorhanden. Und dann stören unzulänglichkeiten im System schon sehr schnell die Immersion.

Gleiches bei Verhaltensbiologen und absolut unrealistischem vom SL beschriebenen Tierverhalten.
Polizisten und unrealistischem Vorgehen der Polizei im Spiel.
u.s.w.

Da muss man sich dann schon überlegen, in wie weit man sich auf Fachwissen der Spieler einlassen möchte, damit ihnen das Spiel mehr Spass macht.

Vielleicht blendet man aber auch einfach den Bereich aus, indem man keine klassischen Tiere einbringt in einer Runde mit einem Biologen, sondern sich auf reinrassige Monster und "menschliche" NSCs versteift.
« Letzte Änderung: 21.12.2006 | 10:03 von Chiungalla »

Ein

  • Gast
@Chiungalla
Ich weiß wirklich nicht, wo das Problem ist, dieses Wissen abzuschalten. Ich rege mich auch nicht über Religionen aus, die nur dem Namen nach existieren, fragwürdigen Sozialstrukturen, Hochkulturen ohne Kulturschaffende etc. auf. Warum? Weil es beim Rollenspiel darum geht Rollen zu spielen und nicht das Leben zu simulieren. Sagt doch schon der Name.

Zitat von: Boba
der glaubt, dass die meisten dieser Diskussionen nicht dazu dienen, die Immersion zu verbessern, sondern dass der Besserwissende meist mit seinem Wissen glänzen und durch "Recht haben" nur sein Ego aufpolieren will...

Die Beobachtung teile ich. Ich muss leider auch sagen, dass ich selber es eher von Naturwissenschaftlern und solchen, die sich dafür halten, kenne. Aber das mag Zufall sein. (Oder doch nicht?)

Chiungalla

  • Gast
Man wird nicht Naturwissenschaftler, wenn man nicht von Natur aus neugierig und von seinem Thema begeistert ist.
Wer wirklich Karriere machen möchte, ist in vielen anderen Bereichen weit besser aufgehoben.

Zitat
Weil es beim Rollenspiel darum geht Rollen zu spielen und nicht das Leben zu simulieren.

Nur ist es schwer eine konsequente Rolle in einer inkonsequenten und unrealistischen Welt (oder einem blöden Stück) zu spielen.

Und das Wort Rollenspiel sagt erst einmal aus, dass es ein Spiel ist.
Und Spiele haben unter anderem den Sinn einer Vermittlung von Erfahrungen und Wissen.

@ Boba:
Zitat
der glaubt, dass die meisten dieser Diskussionen nicht dazu dienen, die Immersion zu verbessern,
sondern dass der Besserwissende meist mit seinem Wissen glänzen und durch "Recht haben" nur
sein Ego aufpolieren will...

Könntest Recht haben.
Aber "die meisten" ist ja nicht das selbe wie "alle".
« Letzte Änderung: 21.12.2006 | 10:25 von Chiungalla »

Ein

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Zitat
Man wird nicht Naturwissenschaftler, wenn man nicht von Natur aus neugierig und von seinem Thema begeistert ist.
Das sollte Akademiker heißen. ;)

Zitat
Nur ist es schwer eine konsequente Rolle in einer inkonsequenten und unrealistischen Welt (oder einem blöden Stück) zu spielen.
Allerdings sind Konsequenz und Realismus zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Ich kann ganz konsequent eine durch und durch surrealistische Welt erstellen und bespielen.

Ob ein Stück "blöd" ist, ist wiederum Geschmackssache. Es sollte "schlecht geschrieben" heißen. Nur hilft einem beim Gutschreiben kein einziges der Naturgesetze, denn Kultur ist nun mal halt nichts natürliches. Aber selbst dabei, was "gut" ist, werden sich die Geister scheiden. Was man "gut" findet hängt auch von der soziokultureller Prägung ab.

Die Unterscheidung von "realistischen" (aka. technophilen, "hard") und "kulturellen" (aka. soziophilen, "soft") findet man im Übrigen auch in der Science Fiction. Zwei Seiten, die sich nie so wirklich warm geworden sind, da beide einen anderen Fokus (technische Machbarkeit vs. Mensch) haben und natürlich jeweils ihrem Fokus die herausragende Bedeutung zu ordnen.

Eine erstaunliche Analogie zum Rollenspiel, nicht wahr. ;)

Offline Mäx

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Nur ist es schwer eine konsequente Rolle in einer inkonsequenten und unrealistischen Welt (oder einem blöden Stück) zu spielen.
Eben. Wenn die Runde eine möglichst konsequente und realistische Welt möchte, dann ist mir Wissen doch wirklich willkommen. Ja, Wissen muss manchmal abgeschaltet werden, vornehmlich dort, wo das Setting (und evtl. die Regeln) etwas anderes vorgeben. Wenn das nicht klappt und das im Spiel zur Störung aller ausgetragen wird, dann ist das kein Problem der Wissenschaft, sondern der sonstigen sozialen Kompetenzen der Spieler... Auch Naturwissenschaftler können surreale Welten bespielen.
Für manche Spiele und Spielstile wünsche ich mir definitiv ein sehr spezifisches Mindestmaß bestimmten Wissens und nicht bloß den schwammigen GMV. Leider trifft man durchaus manchmal auf eine penetrante Ignoranz von Spielern, die durch Unwissen glänzen, da sie lernresistent sind und sich nicht korrigieren lassen wollen.

der glaubt, dass die meisten dieser Diskussionen nicht dazu dienen, die Immersion zu verbessern,
sondern dass der Besserwissende meist mit seinem Wissen glänzen und durch "Recht haben" nur
sein Ego aufpolieren will... ::)
@ Boba:
Könntest Recht haben.
Aber "die meisten" ist ja nicht das selbe wie "alle".

Zum Glück. Wenn Spieler mit Fachwissen aber Mängeln in den für's Rollenspiel gefragten sozialen Kompetenzen ihr Wissen penetrant und auf rechthaberische Art anbringen wollen, ist das sehr störend. Man kann Wissen aber sicherlich auch nützlich einbringen. Ja, auch knallharte Naturwissenschaften.

Chiungalla

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Zitat
Das sollte Akademiker heißen.

Ne, Akademiker ist ein zu weit gefasster Begriff.
Viele akademische Berufe werden häufig auch einfach nur aus "Karrieregeilheit" oder anderen praktischen Erwägungen ergriffen.

Wobei es natürlich richtig ist, dass mein Beschreibung auch auf viele akademische Berufe abseits der Naturwissenschaften zutrifft, nur eben bei weitem nicht auf alle.

Zitat
Nur hilft einem beim Gutschreiben kein einziges der Naturgesetze, denn Kultur ist nun mal halt nichts natürliches.

Kultur ist sehr wohl etwas natürliches. Stichwort Soziobiologie mal wieder.
Und viele kulturelle Besonderheiten lassen sich wunderbar naturwissenschaftlich erklären.

Zitat
Allerdings sind Konsequenz und Realismus zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Ich kann ganz konsequent eine durch und durch surrealistische Welt erstellen und bespielen.

Das ist richtig.
Aber es geht ja auch nicht darum mit naturwissenschaftlichen Fakten Settingbesonderheiten zu tode zu diskutieren.
Wenn es im Setting xyz halt eine andere Schwerkraft gibt, dann akzeptieren das auch 95% der Naturwissenschaftler als hartes Faktum zum Setting.

Offline Stefan G.

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Wodisch, Preacher, ihr seit meine Helden!

Ich bin zwar auch Naturwissenschaftler, doch lasse ich meine Naturwissenschaft beim Spiel und eigentlich auch oft genug Privat da wo sie imho hingehört: am Schreibtisch.

Im Spiel ist es mir viel wichtiger, das mich das Geschehen mitreißt, dass das Spiel schnell vorangeht und das alle Spaß haben als das jetzt irgendwie unsere Naturgesetzte eingehalten werden. Autos explodieren nachdem sie angeschossen wurden, fliegende Festungen die mehr Naturgesetzte brechen als sie Stockwerke haben, oder Raumschiff antriebe die auf "magische" Weise funktionieren alles ok für mich, solange die Geschichte spannend ist.

Ich stör mich da viel eher daran wenn irgendwer meint sein Fachwissen einbringen zu müssen und nun erklären will warum beispielsweise die Todesfestung des Bösewichts aufgrund von Statikproblemen nicht gebaut werden könnte und/oder nun sofort einstürzen muss.

Also meine Antwort: Man braucht soviel Mathe&NW damit man in der Lage ist die Spielregeln zu verstehen und anzuwenden, alles andere ist optional und was mich angeht oft genug überflüssig.

Viel wichtiger ist mir da die Sozialkompetenz.
"It's all about fun. Yeah! Who has the fun when I kill you in game? You or me?" Athene, best Paladin in the world

Ein

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@Chiungalla & Co.
Naja, wie ich sehe bringt weiteres diskutieren wohl nichts mehr. Wir haben den Themenkomplex jetzt soweit heruntergebrochen, dass wir endgültig an dem alten NW vs. GW Problem angekommen sind. Wir haben unsere Axiome, die nicht deckungsgleich mit denen der anderen Richtung sind, und damit ist ein Konsens von vornherein ausgeschlossen.

Ein GWler und ein NWler in ein und derselben Runde werden das Spiel zerstören, wenn es zu Fragestellungen kommt, die beide Richtung tangieren (also eigentlich alles was mit dem Menschen zu tun hat), und in denen keiner bereit ist zurückzuweichen.

Also ist die Lösung (habe ich oben schon angesprochen), die Sache einfach nicht so ernst zu nehmen, oder nur elitär zu spielen. Letzteres wird aber meines Erachtens, egal welcher Richtung, ein sehr dröges Spiel, in der die Hälfte der Zeit das Rollenspiel zum Gedankenspiel verkommt.

@Stefan G.
Du hast es noch einmal schön zusammengefasst.

Chiungalla

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Zitat
Ich stör mich da viel eher daran wenn irgendwer meint sein Fachwissen einbringen zu müssen und nun erklären will warum beispielsweise die Todesfestung des Bösewichts aufgrund von Statikproblemen nicht gebaut werden könnte und/oder nun sofort einstürzen muss.

Ihr glaubt nicht wirklich, dass es irgend ein Naturwissenschaftler so weit treibt mir seinem Ansatz "Naturwissenschaft im Rollenspiel", oder?

Nur um mal die Fraktion die für Naturwissenschaften im Rollenspiel ist, ein wenig zu verteidigen:
Ich glaube ich spreche für alle, dass soetwas niemand möchte.

Es geht ja hier nicht um Erbsenzählerei, oder das Diktat der Naturwissenschaften über die Kreativität. Es geht um ein gesundes Maß an naturwissenschaftlichen Fakten im Rollenspiel, welches jeder für sich selbst finden muss.

Ich glaube die Kritiker haben ein sehr überspitztes Bild von dem was in einer "Naturwissenschaftler-Runde", da so abgehen wird.

Offline Mäx

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Ihr glaubt nicht wirklich, dass es irgend ein Naturwissenschaftler so weit treibt mir seinem Ansatz "Naturwissenschaft im Rollenspiel", oder?
[...]
Ich glaube die Kritiker haben ein sehr überspitztes Bild von dem was in einer "Naturwissenschaftler-Runde", da so abgehen wird.
Dem schließe ich mich nur an. Viele Menschen haben geradezu Angst vor den "harten" Wissenschaften und reagieren entsprechend.

Eine andere allgemeine Frage, die mir einfiel: Haben hier noch andere die Beobachtung gemacht, dass Naturwissenschaftler (oder Juristen  :D) meist regelfester und interessierter an der (oft wünschenswerten) Konsistenz der Spielwelt (nicht zwingend nach Maßstäben irdischer Physik) sind?

Offline Wawoozle

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Ich glaube die Kritiker haben ein sehr überspitztes Bild von dem was in einer "Naturwissenschaftler-Runde", da so abgehen wird.

Ne, ich denke die Kritiker hatten einfach schon zu viele Naturwissenschaftler in ihren Runden.
Ihr wollt doch alle den Nachtisch zuerst !

Offline Arbo

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Also ... die Ansprüche im Eingangsposting halte ich – gelinde gesagt – für ziemlich überzogen; zumindest, wenn sie auf andere RPG-Gruppen generalisiert werden sollen (was ja das Anliegen des Eingangpostings war).

Sicherlich wird ein bestimmter „Bodensatz“ an Mathematik von Nöten sein. Ich kenne Leute mit Realschulabschluss und solider Berufsausbildung, die können manche andere Abiturienten oder Studenten in Sachen Wissen durchaus das Wasser reichen bzw. sind sie es, die dann den Rettungsring werfen. Insofern halte ich das hier zum Teil auch für eine ziemlich seltsame „Bildungsklassendiskussion“.

Abgesehen davon hat Sven weiter oben m.E. gut dargestellt, um was es beim Rollenspiel eigentlich geht. Die meisten, die sich in dieser Hinsicht echauffieren, scheinen mir u.a. nicht zu verstehen, dass Wahrscheinlichkeit nur eine Black-Box für den Zufall ist! Wer da was im Spiel (!) „berechnen“ will, hat grundsätzlich nicht verstanden, was es mit dem Würfel auf sich hat (wenn der „Zufall“ antizipiert ist, ist er ja kein Zufall mehr). Was die Berechnung von Flächen betrifft: Meine Güte, wo braucht man das denn im Rollenspiel? Fallgeschwindigkeiten? Geht’s noch?

Ich meine, wenn das solche Extreme annimmt, würde ich mir mal langsam überlegen, wieder unter normale Leute zu gehen und vernünftige Musik zu hören. Dann klappts auch wieder mit dem Rest!

(Frei nach Motiven von K. Beck) ;)

Außerdem: Wie soll ich denn mit „Kleinkindern“ bzw. Heranwachsenden im Rollenspiel umgehen? Soll ich denen aufgrund einer „verkorksten“ Sichtweise das Rollenspiel versauen, denen sämtliches Maß an Fantasie gleich im Vorfeld zerstören? Der Geist ist frei, aber nicht im Rollenspiel, oder was?

Wie auch immer: Über den ganzen Mathe- und Physikkram werden im Rollenspiel auch ganz andere Sachen sträflichst vernachlässigt. Und Sven führte ebenso so richtig aus, dass Gesellschafts- und Sozialwissenschaften ein durchaus vielleicht gewichtigeres Maß an rollenspielrelevanten Sachverhalten beinhalten. Wenn ich mir bspw. das „allgemeine“ Grundverständnis zu Kulturen, Wirtschaft und Politik anschaue, könnte ich sicherlich auch eine ganze Menge an Kritikpunkten anbringen.

Der Punkt ist aber, und darauf hat Eulenspiegel m.E. als Erster weiter oben richtig verwiesen: Auch Lernen bildet einen bestimmten Bestandteil im Rollenspiel, der für Spielfreude sorgt. Ich als SL verlass' mich in manchen Wissens-Bereichen sehr gerne auf meine Spieler, auch im Spiel. Das ist integrativer Bestandteil meines SL-Stils. Wenn jeder das gleiche „Level“ besäße, wäre das a) so nicht möglich und b) würde es sicher auch weniger Spaß machen.

Darüber hinaus – um einen eingangs erwähnten Punkt aufzugreifen – finde ich es auch immer etwas seltsam, bei Unverständniss immer den anderen die Schuld zuzuweisen. Einmal spielt dabei ein gewisses Maß an „Voreingenommenheit“ eine Rolle, das oftmals auch gar nicht mal gerechtfertigt ist. Andererseits könnte man ein aufkommendes Unverständnis vielleicht auch zum Anlass nehmen, mal darüber nachzudenken, was man selbst (!) an seiner eigenen (!) Wissensvermittlung / Darstellung anders oder besser machen kann. Denn eines ersetzen weder Physik noch Mathe oder eine andere Naturwissenschaft: Empathie und ein Mindestmaß „Umgang“ miteinander. Wer letzteres aufbringen kann, wird i.d.R. auch mit anderen Problemen (z.B. den erwähnten Wissensdefiziten) fertigt werden.

(Und übrigens ist genau das auch ein Grund für Svens Einwand, warum man aus anderen Wissensgebieten so unheimlich viel mehr „ernten“ kann, als von Mathe und Co. .)

-gruß,
Arbo
« Letzte Änderung: 21.12.2006 | 11:33 von Cpt. Arbo Spauldings »
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Ehrlich gesagt habe ich da das Negativbeispiel eines Physikers, den ich in Marburg kennen gelernt habe, von dem eben diese Todesfestung-Kritik hätte kommen können. Hier in Leipzig habe ich einen Chemiker, in einer Runde, der ähnlichen Terz macht, wenn irgendwas grob mit NW zu tun hat. (Neulich gab seinerseits Kritik wegen der Viskosität von Morast.)

Sicherlich hat das aber eher was mit mangelnder Sozialkompetenz denn mit den NW zu tun. Aber ich möchte jetzt einfach einmal behaupten, dass es eine gewisse Tendenz zu einer Anhäufung von solchen Typen in der NW gibt. Sicherlich auch weil NWler (mE) ihr Selbstbild zu einem großen Teil auch über ihr Faktenwissen aufbauen.

Vielleicht bin ich jetzt natürlich auch immer nur an die falschen Leute geraten, aber es ist schon bemerkenswert, dass ich eine ähnliche Penetranz nicht aus den anderen Richtungen kenne. Hinzu kommt, dass ich es schon sehr fragwürdig finde, wenn ich mir ansehe, welche Anforderungen Mäx da stellt.

Ich finde solche Anforderungen einfach lachhaft. Ich fordere ja auch von niemanden, der in meinen Runden spielt, dass er sich mit Cultural Studies, Sozialwissenschaften, Völkerkunde, Politikwissenschaft, Religionswissenschaft, Ethnologie, Literatur, Theater- und Filmwissenschaften, Geschichte von oben wie Geschichte von unten, Volkswirtschaft etc. etc. auseinander setzt. Und am besten muss der betreffende dann noch eine Prüfung vorher ablegen, damit er seine nötige Spielkompetenz beweisen kann. Als Belohnung kriegt er ein Fachidiotendiplom, einen Blumentopf und darf in meiner Runde mitspielen. Nee, klar. ;)

Warum, brauche ich das nicht? Weil es ein Spiel ist und kein wissenschaftlicher Diskurs.

Offline Wawoozle

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Zumindest weiss man so mit wem man sicher nicht spielen will, von daher macht nur weiter mit dieser Lachnummer hier :D
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Offline Mäx

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Ha, ich wusste dass ich mit dem Thema polarisieren würde!
Und eigentlich hätte ich mir denken können, dass hier vor allem die Negativbeispiele an spielzerstörenden Naturwissenschaftlern ausgepackt werden. Tja...
Da ich nun ganz gegenteilige Erfahrungen gemacht habe, werde ich jetzt in die Ecke zu den bösen NWlern geworfen? Prophylaktisch und trotz anderslautender Beteuerungen lieber die wichtigen sozialen Kompetenzen absprechen und nicht mit ihnen spielen? :P

Offline Vanis

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Und die Psychologie sucht sehr wohl nach glasklaren Gesetzmäßigkeiten.
Das tut sie vorwiegend in der Neuro- und Molekularbiologie.
Und ihr Endziel ist es sehr wohl von genetischen auffälligkeiten oder ontogenetischen Problemen auf Verhaltensauffälligkeiten des Menschen zu schließen.

Sprich eine Kette aus naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten, begründet auf der Biologie des Verhaltens, bis zum zeigen des Verhaltens aufzuzeigen.

Nicht umsonst arbeiten Neurobiologen und Molekularbiologen zu Hauf in der psychologischen Forschung.

Die Psychologie kann ja gerne nach Gesetzmäßigkeiten suchen  ;), nur werden sich viele gesellschaftliche Phänomene trotzdem nicht so einfach erkären lassen. Das menschliche Gehirn bleibt weiterhin eine Blackbox, das wird nichtmal von der Psychologie bestritten. Solang du nur siehst, was reingeht und was wieder rauskommt, bleiben viele Abläufe im Gehirn reine Spekulation. Wär ja auch schlimm, wenn der Mensch absolut determiniert wäre, in seinem Verhalten.
“The board is set, and the pieces are moving.”

“Home is behind, the world ahead,
And there are many paths to tread“

Spiele gerade: Der Eine Ring - Abenteuer am Rande der Wildnis

Ein

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@Mäx
Nope, ich spiele auch schon mit genug sozialkompetenten NWlern zusammen, denen aber allen gemeinsam ist, dass sie auch noch ein Leben neben der Wissenschaft haben, auch mal fünf grade sein lassen können und vor allem ein Gespür dafür haben, wann ein NW-Kommentar bereichernd ist und wann nicht.

Chiungalla

  • Gast
Zitat
Ehrlich gesagt habe ich da das Negativbeispiel eines Physikers, den ich in Marburg kennen gelernt habe, von dem eben diese Todesfestung-Kritik hätte kommen können. Hier in Leipzig habe ich einen Chemiker, in einer Runde, der ähnlichen Terz macht, wenn irgendwas grob mit NW zu tun hat. (Neulich gab seinerseits Kritik wegen der Viskosität von Morast.)

Ich dachte solche Nerds gibts nur in Legenden.
Okay, in der Form will das dann wohl aber niemand von den hier anwesenden, oder doch?

Und ich denke man findet für fast jede Art, jeden Stil und jedes Stilelement im Rollenspiel jemanden der es durch Übertreibung ad absurdum führt, oder meint ihr nicht?

@ Vanis:
Ob die Erklärungen leicht oder schwer zu finden sind, gibt keinen Aufschluss über die Existenz naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten.

Die Psychologie beschäftigt sich jetzt gerade im Moment weltweit damit, den Blackbox-Charakter des Gehirns zu beseitigen, und hat dabei nicht unmaßgebliche Erfolge.
Viele Phänomene der Gesellschaft sind schon bis zur Molekularbiologie und Genetik aufgeklärt.

Das der aktuelle Stand der Wissenschaft keine präzisen Vorraussagen für alle denkbaren Fälle liefert, besagt nur, dass die Wissenschaft in dem Gebiet noch in den Kinderschuhen steckt.

Es besagt nicht, dass die Wissenschaft beim entschlüsseln des menschlichen Gehirns keine Fortschritte macht, oder zum scheitern verurteilt ist.

Die Wissenschaften sind voll von Dingen die der Mensch noch vor 100 Jahren nicht im Ansatz verstanden hat, und von dem wir heute ein fundiertes wissenschaftliches Wissen besitzen.
Und irgendwann wissen wir auch über das menschliche Gehirn alles was wir wissen müssen. Ob das wünschenswert ist, oder nicht, ist eine andere Frage.

Ein

  • Gast
@Chiungalla
Ja, irgendwer treibt es immer ins Absurde, deswegen bin ich konsequent dagegen, solche Grundvoraussetzungen zu setzen, denn es fordert eine Spezialisierung gerade zu heraus.

Offline Mäx

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@Svens vorletzter Beitrag: Danke, ich fühle mich wieder angenommen.  :D
Bei mir sieht's halt so aus, dass mir sehr bestimmte Inkompetenzen unter meinen bisherigen Mitspielern vor allem bei den nicht-NWlern aufgefallen sind. Dazu gehören vor allem heftige Regellücken, spielstörende Diskussionen über Regeln, mangelnde Bereitschaft sich zuliebe der Mitspieler nach der Spielwelt zu richten, weil man ja alles erzählerisch ausbügeln kann (halt auf Kosten der Konsistenz, was ihnen nicht auffällt). Das sind die Erfahrungen die ich gemacht habe, die mich natürlich geprägt haben und sicher auch ein wenig voreingenommen machen. Aber ich bleibe offen und *frage* deshalb hier, wie andere das sehen, auch mit dem Hintergedanken, den Sinn für's wesentliche nicht verlieren zu wollen.
Dass da manche auch ein bischen NW-gebashe ausgepacken war wohl klar...

Chiungalla

  • Gast
@ Sven:
Von Grundvoraussetzungen halte ich z.B. auch garnichts.

Wenn es sich ergibt, dass die Gruppe schwere naturwissenschaftliche Einschläge besitzt, dann nutzen wir das gelegentlich im Spiel.

Wenn nicht ist das auch fein.

Bei mir spielt schon alleine deshalb häufig eine Geisteswissenschaftlerin mit, weil ich mit einer Verlobt bin.
Die hört dann weg, wenn wir mal wieder "kurz" über Naturwissenschaften philosophieren. Es sei denn es geht um Tiere, das findet sie dann meist interessant.

Offline Skele-Surtur

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Also ich oute mich hier mal. Was Bio, Chemie, Physik und Mathe angeht bin ich eine totale Flasche. Ich benutze einen Taschenrechner für simple dreistellige Additionen und was Naturwissenschaften angeht verfüge ich über rudimentäres Halb- und Allgemeinwissen.
Seltsamer Weise werde ich aber sehr häufig gefragt, ob ich nicht dieser oder jener Runde noch beitreten oder etwas leiten will. Ich muss also über andere Eigenschaften verfügen, die mich als Mitspieler und SL attraktiv machen. An meinem guten Aussehen wirds wohl nicht liegen ( >;D).

Für meine Mitspieler wünsche ich mir die Fähigkeit die für ihren Charakter wichtigen Regeln nach einer gewissen Zeit zu beherrschen, dass sie ihren Charakter authentisch darstellen und sich innerhalb der Gruppe (auf Spielerebene) sozial verhalten.
Mit Mathe und Physik hat das bestenfalls nur sehr begrenzt was zu tun, um nicht zu sagen garnichts.
Klar hilft ein bisserl Wissen aus der einen oder anderen Kategorie etwas weiter, aber was man nciht weiß kann man für den Moment definieren. So what? Its just a game.
Doomstone ist die Einheit in der schlechte Rollenspiele gemessen werden.

Korrigiert meine Rechtschreibfehler!