Hallo,
Diese Woche stieß ich eher zufällig auf der Blog-Seite von Mongoose Publishing auf einen recht interessanten Text von Matthew Sprange. Er ist bekanntlich der Chef von Mongoose und hat zum Beispiel die neue RuneQuest-Edition verfasst (bzw. wird er überall als verantwortlicher Autor angegeben).
In dem Blog-Beitrag erzählt er davon, was ihn selbst zurzeit als Spieler und als Spieledesigner beschäftigt, und für welche Regeländerungen er sich selbst interessiert. Lustigerweise sind die meisten der Punkte, die er in dem Text anschneidet, genau die, die im System von OVA bereits voll realisiert wurden:
Standardwert bzw. Ausgangswert für alle normalen, untrainierten Personen. Boni in Form der Vorteile oder "Kräfte", welche direkt auf den Standardwert aufgeschlagen werden. Die Höhe des Kampffertigkeitswurfes bestimmt in der Regel auch die Höhe des Schadens (kein separates Herumwürfeln extra für den Schaden). Auch den Denkanstoß, so etwas wie Erfahrungspunkte komplett wegzulassen, kannte ich schon von woanders her, wenn auch nicht von OVA.
Aber der folgende Beitrag sollte Spielern von OVA (vielleicht auch von anderen Systemen) recht bekannt vorkommen:
Meine Übersetzung: Auf der Suche nach Claudius(Gefunden auf
http://blog.mongoosepublishing.co.uk)
Datum: 2.4.2007
So, jetzt habe ich es endlich fertig gebracht, mir dieses Wochenende eine DVD der alten Serie „Ich, Claudius, Kaiser und Gott“ zu besorgen (welche im Übrigen eine Million mal besser ist als Rom – man sollte sie auf jeden Fall mal gesehen haben), und ich begann darüber nachzudenken, wie die Natur dieser Geschichte sich vielleicht auf Rollenspiele übertragen lassen könnte.
Tatsächlich habe ich in letzter Zeit eine ganze Menge über Rollenspiele nachgedacht. Ich habe über einige Dinge nachgegrübelt, wie zum Beispiel über die automatische Annahme, dass man im Kampf immer zuerst feststellen muss, ob man sein Ziel getroffen hat, und dann noch einmal würfelt, um zu sehen, wie schwer man es getroffen hat. Warum ist das bloß so? Sollte das Würfeln an dieser Stelle nicht einfach eine Methode sein, um festzustellen, wie gut der Schlag/der Streich/das Verkloppen jeweils ausgeführt wurde, mit dem „Zielen“ und dem „Schaden“ zusammengefasst zu nur einem Regelmechanismus? Wenn ich in D&D eine „19“ fürs Treffen würfle, und anschließend nur 1 Punkt für den Schaden, was habe ich dann damit eigentlich erreicht? Die 19 auf dem 20-seitigen Würfel sagt mir doch eigentlich, dass ich einen guten Treffer gelandet habe, aber die 1 beim Schaden suggeriert, dass er doch nicht gut war. Damit verurteile ich ausdrücklich nicht speziell D&D als System – werft einen Blick auf die meisten der heute auf dem Markt üblichen Fantasy-Systeme, und ihr werdet darin genau das Gleiche vorfinden. Und weshalb sollte ein Dolch automatisch weniger Schaden anrichten als ein Schwert? Wenn man mir einen Dolch in die Kehle stößt, ist das für mich genauso tödlich wie ein Schwert. Es mag ja sein, dass das Schwert sich leichter handhaben lässt, um einen solchen Streich auszuführen, insbesondere dann, wenn der Gegner unbewaffnet ist, jedoch ist das kein Faktor bei der Bestimmung des Schadens.
Zurück zu der Serie „Ich, Claudius …“: Eine Menge der Aktion darin spielt sich ab auf der „politischen“ Ebene, und diese ist vorherrschend im Vergleich zu Schlachtszenen oder Faustkämpfen (von den letzteren gibt es praktisch überhaupt keine in der Serie). Aber im Bereich Konflikt und Konfliktpotenzial gibt es dort alles, was du für ein Rollenspiel brauchst. Also habe ich angefangen, mir die Frage zu stellen, wie ich denn die Charaktere für ein solches Spiel mit Spielwerten versehen würde. Dort mit Waffenfertigkeiten, Ausweichmanövern und so weiter um sich zu werfen wäre ziemlich sinnlos. Natürlich würde es Claudius, der römische Imperator, in einem direkten Faustkampf nicht sehr weit bringen, aber wer würde den Sieg erringen zwischen Figuren wie Germanicus und Tiberius? Und spielt das denn wirklich eine Rolle, in einem Maße, das verlangt, dass jeder einzelne physische Spielwert genau aufgelistet und als Zahl ausgedrückt werden muss?
Könnten wir denn nicht, möglicherweise, in Erwägung ziehen, dass man jeden Menschen in der Serie einfach als „normalen“ Menschen ansieht, der dazu imstande ist, „normale“ Dinge zu tun – und dann anschließend vielleicht eine Art von Merkmalen hinzufügt, welche sie etwas näher definieren würden? Tiberius würde zum Beispiel seine militärische Ausbildung als Vorteil haben (Merkmal: „Militärisches Training“), was bedeutet, dass er einen Vorteil in einem Kampf haben würde, oder die Fähigkeit, Truppen zu kommandieren (oder auch sonst irgendjemanden herumzukommandieren, wenn man so will). Livia würde das Merkmal „Giftmischerin“ haben. Augustus würde möglicherweise ein Merkmal „Charismatische Präsenz“ erhalten, welches ihm erlaubt, anderen seine Ansichten gut zu vermitteln. Vielleicht könnten wir Würfelproben in diesem System verwenden, vielleicht auch nicht. Der Knackpunkt an der ganzen Sache ist, dass es vielleicht schwierig wäre, die Unterschiede zwischen verschiedenen Menschen zu erfassen. Zum Beispiel: Wenn ein geübter Profibergsteiger und ich versuchen würden, an der Außenwand eines Hochhauses hochzuklettern, wer von uns beiden würde dann wohl als erster oben ankommen? Wie hoch ist die prozentuale Wahrscheinlichkeit herunterzufallen?
Weshalb schreibe ich jetzt das alles hier? Nun, der Grund ist: Ich plane wieder ein neues Rollenspiel. Ich war schon immer fasziniert von der Idee von Kampagnen, welche sich mit der Kernmannschaft von Raumschiffbesatzungen befassen, sei es nun
Star Wars,
Star Trek, oder, in diesem speziellen Fall,
Babylon 5. Es fiel mir auf, dass die körperlichen Eigenschaften (Attribute, Charakteristika), die wir in Rollenspielen im Großen und Ganzen als selbstverständlich voraussetzen, in solchen Spielen ziemlich überflüssig sind, wo es weitaus mehr darauf ankommt, was sich eine Person zu tun entscheidet, als darauf, wie weit sie eine Katze schleudern kann (oder sonst irgendetwas). Können wir nicht einfach davon ausgehen, dass die meisten Leute eine Panzerfaust mit dem gleichen Grad an Zielsicherheit - beziehungsweise Unsicherheit - abfeuern, außer sie haben eine spezielle Ausbildung dafür erhalten, oder sie besitzen ein besonderes Talent dafür (was wiederum bedeuten würde, dass sie das relevante Merkmal dafür bekommen)?
Ein Problem daran ist: Spieler lieben nun mal Feinheiten. Spieler möchten ihre Charaktere gern bis zur x-ten Potenz weiter verfeinern und an ihnen herumbauen wie an getunten Autos. Das ist einer der Gründe für den Erfolg von D&D. All die Bücher mit Titeln wie „Alles über den Krieger“, „Alles über den Magier“ und so weiter, all die Erweiterungsbände, Zusatz- und Sonderregeln dienen einem Zweck. Sogar einem sehr guten Zweck! Je mehr Mechanismen beziehungsweise Feinheiten man aus einem Spielsystem herausnimmt, desto geringer fällt die Möglichkeit aus, den Charakter zu „tunen“ oder zu individualisieren. In dem System, das ich hier bereits in groben Zügen umrissen habe, bräuchte man meiner Ansicht nach wahrscheinlich auch nicht unbedingt ein Erfahrungspunktesystem. Die Vorstellung von „Erfahrung“ als Spielziel ist nämlich eine andere heilige Kuh der Rollenspielszene: etwas, das man nicht aufgeben möchte, motiviert doch die Aussicht auf Erfahrungspunkte die meisten Spieler dazu, eine bestimmte, einmal angefangene Kampagne weiterlaufen zu lassen.
Jedenfalls sind das hier lediglich ein paar kurze Gedanken, mit denen wir uns im Moment gerade beschäftigen. Erwartet also bitte nicht gleich ein neues Spielsystem am Horizont zu sehen. Wir erforschen zurzeit auch den Bereich von spielleiterlosen (!) Systemen, und daneben habe ich auch eine Idee für ein Online-Multiplayer-Universum, in dem EAS-Schiffsmannschaften Probleme der Erdallianz ergründen und lösen könnten, und sich ab und zu einmal zusammenschließen, um in einer großen Schlacht zu kämpfen (einer Schlacht, welche zweifelsohne von einer der Mannschaften selbst angezettelt wurde, falls sie sich ungefähr so verhält wie unsere Gruppe).
Alles Pläne für die Zukunft …
(Matthew Sprange, Mongoose Publishing)
Sinngemäße Übersetzung: ich