So, mein Studium ist ja nicht mehr taufrisch, aber ich hatte auch nicht viel Zeit dafür, aber das hier ist, was ich aus meinen Unterlagen zum Thema faktischer Hierarchie und Heerfolge exzerpiert und dezent vereinfacht zusammengestellt habe:
Bis rund 900 n. Chr. bestanden die europäischen Reiche aus Straßen, von denen die befestigten aus der Römerzeit stammten und selten weiter als auf Höhe des Rheins reichten, während der Rest grob erkennbare Pfade durch die Wildnis darstellten. Diese Straßen verbanden Städte, Ortschaften und Gehöfte. Nur dort, wo es Ballungsräume gab, waren die Ressourcen und das Know-How für ausgedehnte Befestigungsanlagen vorhanden - und nur dort bestand dafür Notwendigkeit, solche zu errichten.
Die meisten Wegpunkte waren Gehöfte, bewirtschaftet von freien Bauern, deren Dienst an König und Vaterland darin bestand, den jeweiligen Landesherrn zu beherbergen und zu versorgen, wenn er auf dem langen Weg zur nächsten Pfalz vorbei kam. Das war auch gut machbar, denn dem Bauern gehörte soviel Land, wie er dem Wald abringen und effizient bewirtschaften konnte, ohne einem Nachbarn ins Gehege zu kommen. Außerdem hatte der Landesherr bestenfalls fünf Dutzend Leute dabei, bestehend aus bewaffneter, teilweise berittener Eskorte, ein bis zwei Sekretären/Scheibern, einem Säckelmeister, einem Seelsorger und ein paar Knechten.
Teilweise parallel zu diesen Zuständen gab es bereits eine Entwicklung dazu, den größten Landeignern dafür, dass sie ihre Privatarmeen in den Dienst der herrschenden Familie stellten, Fürstentitel zu vergeben und ihnen freie Hand zu lassen, wenn sie sich den weniger kooperativen oder einfach nur kleineren Nachbarn einverleibten oder einfach durch die stärkere Wirtschaftskraft in Schuldknechtschaft führten, woraus sich die Leibeigenschaft entwickelte. Zeitgleich wurde die schon lange vorher, überwiegend sanft angelaufene Christianisierung vorangetrieben - nur wer politisch und religiös kooperierte, kam in den Genuss weltlichen und geistlichen Wohlwollens, durfte vom großen Kuchen naschen und lukrative Ämter und Würden abgreifen.
Mit dem Titel kam auch die Pflicht zur Heerfolge. Jeder, der einen Titel und/oder eine Lehen empfangen hatte, hatte - gestaffelt nach seinen Einkünften und seinem Titel - eine bestimmte Anzahl an Bewaffneten nebst Ausrüstung zu stellen. Private Fehden hatten dann zu ruhen, sonst gab's von ganz oben etwas auf die Mütze, was man als Vorläufer des späteren Landfriedens betrachten kann. Als Faustregel kann gelten, das der Edelmann etwa gut die Hälfte seiner Besoldeten abzustellen hatte, darüber hinaus alles, was an Landvolk entbehrlich war. Häufig fand man seine arbeitenden Hände gar nicht entbehrlich, weshalb parallel Werber unterwegs waren, die unter den noch freien Bauern Söldner anwarben. Ja, richtig: Söldner sind nicht nur Professionelle, sondern alle, die für Gegenleistungen zu den Waffen greifen. Wer von diesen Sonntagskriegern überlebte, hatte ein Talent für den Krieg und bleib für gewöhnlich dabei, weil es da mit weniger Arbeit mehr zu holen gab als auf dem väterlichen Hof, der überdies schnell aus dem Besitz des Vaters verschwinden konnte.
Und da nicht nur die Könige, sondern so ziemlich sämtliche Edelleute irgendwie und irgendwo in Streit lebten, war das der Beginn einer Bewegung, die vom Scharmützel zu großen Schlachten führte - denn bald konnte jeder seine Truppen mit Leuten aufstocken , die sein Land und sein Einkommen eigentlich gar nicht hergaben. Entscheidend war die Legitimation: Wer einfach so kämpfte und plünderte, war ein Räuber und als solcher vogelfrei. Im Heer eines Edlen war etwas zu holen, selbst wenn man keinen oder nur wenig Sold erhielt. Dafür professionalisierte man sich auch gern, und mit der Zeit war das Ende der Kämpferelite da - spätestens gegen 1200. Da durften Ritter sich im Turnier austoben und ansonsten vom Feldherrenhügel aus die Schlacht leiten. Erst wenn es darum ging, dem fliehenden Gegner den Rest zu geben oder selbst abzuhauen, kamen Pferd und Reiter in Wallung. Ansonsten pflegte man höfisches Leben und ließ sich von Dichtern feiern, die man dafür bezahlte. Dann und wann packte mal jemanden die alte Vorstellung von Ritterlichkeit, die dann aber auch manchmal, wörtlich zu verstehen, mit einem Knall endete - nämlich dann, wenn eine Kugel aus einer der ersten Feuerwaffen den Harnisch und den Rittersmann darin durchlöcherte. Zumeist reichte aber auch die Stangenwaffe und dann der Dolch eines nicht adeligen Berufskriegers.
Man kann also einen Zeitraum von über 100 Jahren auf einen etwas handlicheren Zeitraum von 400 Jahren verkürzen, wenn man allein die Aspekte der Heeresstärken und der Lebensweise des Adels betrachtet. Faszinierend ist, dass diese sogar in einem engen Zusammenhang stehen, denn die Wandlung des Adels vom kämpfenden zum verwaltenden Stand hat viel damit zu tun.