Es besteht kein Zweifel daran, dass ein gut erarbeitetes Setting entscheidend zur Entscheidung einer Spielgruppe beiträgt, ein bestimmtes System zu spielen. In vielen Fällen überwiegt ein gutes Setting sogar die Tatsache, dass das Regelsystem eines Spiels alles andere als ideal ist (auch wenn es natürlich schön wäre, wenn diese beiden Elemente miteinander einhergehen würden).
Trotzdem beschäftigt sich die Spielentwicklung (dort wo ernsthaft darüber nachgedacht und nicht einfach drauflosentwickelt wird) eher mit den Regeln und das setting wird eher stiefmütterlich behandelt.
Aus diesem Grunde habe ich versucht ein paar Kriterien zu finden, welche mir persönlich bei einem Setting wichtig sind und mich würde mal interessieren wie ihr das seht.
Genug der Vorrede, hier sind die Punkte:
1. Klare Setting-Identity! Im Setting sollte klar festgelegt sein, was für das Setting „richtig“ ist. Ein einheitliches Spielgefühl sollte unterstützt werden und der Eindruck von Beliebigkeit vermieden. Kurz: das Setting sollte seine eigene Identität haben, unter der sich jeder etwas vorstellen kann. Wenn sich die grundlegende Idee des Settings in 1-2 Sätzen zusammenfassen lässt, dann ist dieses Kriterium in der Regel erfüllt.
2. Benutz das Weitwinkelobjektiv! Die Welt sollte möglichst komplett und umfassend im Grundband skizziert werden. Der Detailgrad ist dabei relativ unerheblich und vom zu erreichenden Stil (siehe Punkt 1) abhängig: Wenn man Micro-Management àla DSA will, dann ist das legitim. Aber die Welt sollte in sich geschlossen sein: Zusatzbücher sollten auf Bekanntem aufbauen und nicht ein zusätzliches Nachbarkönigreich, neue Blutlinien oder Waffen und Zauber mir eigenen, von den im Grundregelwerk abweichenden Gesetzmäßigkeiten (ja ich weiß; letzteres hat eher was mit Regeln zu tun als mit Setting, ist aber trotzdem wichtig für selbiges).
3. Primärfarben! Die verwendeten NSC, NSC-Gruppen, Splats, Organisationen denen sich die SC anschließen können etc.; sollten möglichst klar voneinander zu unterscheiden sein, ansonsten besteht die Gefahr, dass sie in den Augen der Spieler zu einem unattraktiven Einheitsbrei verschmelzen. Wenn also zwei Organisation sich sehr ähneln und nur in einer Detailfrage andere Ansichten vertreten, dann sollte man daraus eine Organisation machen und die Detailfrage zu einem internen Schisma eben dieser machen- dadurch ist dieser erst im Detailgrad erkennbare Unterschied eben auch erst erkennbar, wenn sich die Spieler im Detail mit der Organisation beschäftigen und diese gewinnt dadurch an Profil. Wenn jemand vor sich einen roten und einen mangentafarbenen Spielstein sieht und dann einen roten und einen blauen, dann empfindet er letzteres als abwechslungsreicher und die Wahl zwischen den beiden Farben als entscheidender. Wenn er dann den roten auswählt und feststellt, dass darauf ein kaum erkennbares, magentafarbenes Wappen gezeichnet ist, dann freut er sich, dass er sich darüber etwas über „seinen“ Spielstein zu wissen, was nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist.
4. Meister, gib uns was zu tun! Das Setting sollte genug verschiedene Elemente enthalten, damit die SC ohne von der Core-Story abzuweichen möglichst abwechslungsreiche Abenteuer erleben können (und der SL genug Munition hat, um eben solche zu entwickeln ohne übermäßig viele Primärfakten über das Setting hinzuzuerfinden).
Und zu guter letzt ein Addendum (welches höchstwahrscheinlich schon beseitigt ist, wenn Punkte 1-4 gegeben sind, aber der Vollständigkeit halber):
5. Vakuumtauglichkeit! Ich höre leider immer wieder von angehenden self-publishern, wenn ich sie frage was an ihrem Spiel denn besonderes sei die Antwort, dass es „Völlig anders als alle anderen Spiele dieses Genres (meist im Zusammenhang von Fantasy gebraucht)“ sei. Das ist gut und schön, aber ich denke das interessiert Rollenspieleinsteiger (welche keine anderen Spiele kennen) nur peripher und erfahrenere Rollenspieler reagieren auch nicht besser darauf, wenn ihnen gesagt wird, dass es anders ist als die Welten, welche sie mit der Zeit schätzen gelernt haben (besonders da meist in dieser Präsentation das Wort „anders“ in der implizierten Konnotation von „besser“ im Raum hängt). Dies verengt den Interessentenkreis auf diejenigen, welche eine sehr konkrete Vorstellung von der Umsetzung dieses Genres im Rollenspiel haben, welche durch alle bisherigen Produkte enttäuscht wurde (und ob dieses Setting nun gerade ihre Erwartungen erfüllt, ist fraglich).
Daher sollte das Setting sich interessant präsentieren lassen, ohne den Vergleich mit anderen Welten heranzuziehen.
Soweit, so gut.
Gibt es Punkte, welche ich vergessen habe?
Habe ich Punkte berücksichtigt, welche ihr als unwichtig betrachtet?
Ich bin gespannt.