Ziel dieses Abenteuers ist nicht, die ganze Spielwelt vorzustellen, sondern in einem kleinen closed-room-Szenario das Spiel vorzustellen.
Das Beispiel-Abenteuer ist inspiriert durch das
Convention-Demo und das Beispielabenteuer
Rat Moon Rising von Clinton R. Nixon, abgeschmeckt durch ein paar Ideen aus dem Sonnenstein-Abenteuer von nebenan.
Für die Convention-Demo habe ich mir vier Beispiel-Figuren ausgedacht, die ich den Spielern nach einer Kurzvorstellung der Spielwelt so vorgestellt habe:
Ein maldorianischer Offizier, der in Wahrheit keiner ist, und der fest an die Wiedergeburt des Sonnenkönigs glaubt. Mit einem kleinen Trupp ist er in die Stadt geraten und hat sich in den labyrinthischen Schluchten der Ruinen verlaufen…
Ein Schatzsucher, der auf der Suche nach Artefakten in die Nekropolis von Iohnsgaard hinabgestiegen ist, um dort eher zufällig die Ratkin aufzuschrecken…
Ein elfischer Mystiker, der in der Stadt auf der Suche nach einem magischen Schlüssel ist…
Ein khaleanischer Vertriebener, den die Unbill des Flüchtlingslebens in diese Stadt geführt hat; in seiner Obhut befinden sich einige Kinder des Stammes, und er ist nur ein paar Jahre älter als sie.
(Mit drei Spielern ist der khaleanische Vertriebene nicht gewählt worden, und ich hab ihn aus dem Szenario herausgelassen. Wir hatten also den Elfen, den Schatzsucher und den Mystiker.)
Nachdem die Spieler sich die Spielfiguren ausgesucht haben, habe ich anhand der fertig ausgefüllten Charakterblätter die Regeln erläutert. Weggelassen habe ich die Regeln für erweiterte Konflikte; die erkläre ich gerne dann, wenn es zu einem kommt (ich hab erwähnt, dass es sie gibt, und dass sie ein Spieler- Instrument sind, bin aber nicht auf Absichten, Runden, Ziele, Schaden etc. eingegangen).
Danach ging das eigentliche Spiel los. Der Einfachheit halber in medias res: Während der Offizier mit seinen Mannen bei der Suche nach einem Weg aus der Stadt heraus auf einen großen Platz geriet, an den alte Häuser, ein Sonnentempel und die Nekropolis grenzten, kam von der einen Seite (es wurde nie geklärt, was da eigentlich war) der Elf – ganz zufällig – und von der anderen Seite der Schatzgräber der eine Horde übergroßer Ratten auf den Fersen hatte.
Der Offizier befahl seinen Leuten, sich in eines der Häuser zurückzuziehen und dieses zu sichern. Der Schatzsucher ging gleich mit rein, während der Elf sich das Geschehen erstmal anschaute und dann aber auch entschied, dass ein Verbleiben auf dem Platz nachteilig gewesen wäre.
In der verbarrikadierten Ruine gab es zunächst ein kurzes Kennenlernen der Spielfiguren, bis sie bemerkten, dass die Ratten durch ein benachbartes Fenster brachen – zumindest eine, die von einer Abordnung Soldaten schnell zur Strecke gebracht wurde (einer der Soldaten leicht am Arm verletzt, aber das war mehr color). Was auffiel, war die besondere Größe der Ratte.
Nachdem auch die Fenster im Nebenzimmer verbarrikadiert waren, begann man, sich nach Optionen umzuschauen. Der Offizier wollte in den Sonnentempel, auch wenn dieser nach taktischen Gesichtspunkten schwer zu verteidigen war (so sind sie nunmal, unsere religiösen Fanatiker…). Dann irgendwann hörte man Kratzen an den Wänden und von oben. Ein kleiner Trupp (die Spielerfiguren, voran einer der Soldaten) wagte sich die Wendeltreppe hoch. Der erste in der Reihe hatte kaum den Kopf in das obere Stockwerk gesteckt, da wurde er von einer Ratte angesprungen, die ihm die Gurgel aufriß und die Gruppe die Treppe hinabstürzte.
Der Horror stieg in den Spielerfiguren auf, als die Gruppe sich im Erdgeschoß aufrappelte, weil die Ratte das auch tat und nach einem Schwert griff (als unwichtiger Gegner war sie aber schnell tot). Nun machte sich die Gruppe schon ernsthafte Gedanken, ob sie es möglicherweise mit einem gefährlicheren Gegner zu tun habe. Der ursprüngliche Plan, den Rattenleichnam mit einer Bombe zu versehen und aus dem oberen Stockwerk in die Menge der Ratten zu werfen, wurde wieder aufgenommen.
Im oberen Stockwerk befanden sich noch ein paar Ratten, die der Schatzsucher aber mit seiner Fackel und einer strategisch gelegten Ölspur/Feuerwand im Schach halten konnte. Dort oben fand er noch einen sehr wertvollen, aber auch großen Kronleuchter, und trotz aller Gefahr nahm er diesen noch mit.
(An dieser Stelle wurde den Spielern wirklich klar, wofür Pfade/Keys gut sind, und wie sie das Spiel beeinflussen.)
Schließlich gelang es hier oben, die verbleibenden Ratten zu überwältigen; doch die eine wollte sich die Schaufel des Schatzgräbers mit einem gezischten "MEINS!" aneignen – wurde aber vom Offizier aufgeschlitzt und schrie noch ein wenig nach seiner Mutter (hier wurde den Spielerfiguren klar, dass sie es mit einem intelligenten Gegner zu tun haben)…
In guter Zusammenarbeit konnten der Offizier und der Schatzsucher danach die verminte Ratte in die Mitte des Platzes wuchten. Nur wenige Ratten überlebten die explodierende Bombe, und der Rest wurde von den Soldaten, die einen Ausfall wagten, abgestochen oder verzog sich in die dunklen Seitengassen.
Eine Untersuchung der Ratkin-Leichen zeigte, dass sie verschiedene Wertgegenstände besaßen und alle einen weißen Fleck auf die Blesse gemalt bekommen hatten… ein weiterer Hinweis auf Intelligenz (ästhetisches Empfinden) und Organisation.
Im Tempel angekommen, fand die Gruppe dort eine Statue des Absolon (oder was sie dafür hielten), die einen Stab mit einem faustgroßen roten Stein in einer Fassung auf ihre Hände gelegt bekommen hatte. Eine Untersuchung des Stabes ergab, dass er hochmagisch war, und dass er für Gold zu leicht war. An der Kuppel des Palastes entdeckten die Spielerfiguren dann ein Bildnis einer riesigen weißen Rättin, die mit diesem Stab die Himmelspforten aufstieß. Der Elf erinnerte sich, dass dieses Bild früher anders aussah, konnte sich aber nicht erinnern, wie (war ja auch egal).
Derweil hatten zwei der Soldaten über Wendeltreppen die obere Öffnung des Tempels erreicht und hielten Ausschau nach Bewegungen (und einem Ausweg aus der Stadt). Der Elf holte dann den Stab aus den Händen der Statue und begann ihn zu untersuchen. Im Lichte der Dämmerung hörte man von oben einen dumpfen Schlag, einen Schrei, und einer der Soldaten fiel in die ausgestreckten Arme der Goldenen Statue, wo sein Körper, der bereits durch einen gefiederten Pfeil getötet wurde, laut und vernehmlich zerschmettert wurde.
Der zweite Soldaten rief "Sie kommen von allen Seiten" und rannte die Treppen hinab. Dann sah er noch einmal aus einem der Fenster und blieb stehen. Drehte sich um. Lächelte entrückt. Sagte. "Mutter. Ich komme." Stürzte sich über die Balustrade.
Und dann begann die Große Mutter, mit ihrem Geist nach den Spielerfiguren zu greifen. Natürlich ist sie eine vorzügliche Beherrscherin, und so kennt sie genug Tricks – in Kombination mit ihrer zweiten Magie-Art, der Hellsicht –*ganze Gruppen von Gegnern für sich zu vereinnahmen.
(Die Spieler würfelten bei ihren Widerstands-Proben gegen das Beherrschen unglaublich schlecht. Durch die Beschreibung einer gigantischen, weißen, rattesken Gestalt, die sich auf einem Thron auf einer großen Plattform von zig Ratkin durch die Stadt tragen ließ, wurde ihnen auch nicht besser. Erst herrschte ein bißchen Ratlosigkeit, doch ich ergriff die Gelegenheit der versemmelten Probe, um den erweiterten Konflikt/Bringing down the Pain zu beschreiben.)
Verzweifelt versuchten die Spielerfiguren, sich dem fremden Einfluß zu entziehen, während die armen Soldaten im Hintergrund gleich umfielen und begannen, zu zucken, und ihre Körper unwirklich zu verkrampfen… doch dann besann sich der Elf auf seine Blutlinie und half seinem Nachfahren, dem Offizier, sich dem Einfluß der Weißen Mutter zu entziehen.
(Die Gruppe war zunächst etwas ratlos, was sie nun tun sollte. Nach ein paar Tipps und Vorschlägen, wie sie weiter vorgehen sollten, geschah wieder etwas, was ich so nur von TSoY auch auf der mechanischen Ebene kannte: Der Elf hatte mit seinem Einsatz für seinen Nachfahren genug Punkte, um sich die Beherrschungs-Fähigkeit zu kaufen, und begann die Große Mutter direkt anzugreifen, während die anderen beiden deren Aufmerksamkeit auf sich lenkten. in der sechsten oder siebten Runde des erweiterten Konflikts – gesamte Laufzeit incl. Ratschlägen vielleicht 15-20min – hatte die große Mutter vier von sechs Schadens-Slots belegt und ich gab auf: Die Große Mutter wollte sich zurückziehen und ihre Wunden lecken.
Doch die Spieler hatten andere Pläne. Der Spieler des Offiziers hatte noch eine Bombe, die er gut platzieren konnte. Doch zum Töten hätte er in den erweiterten Konflikt gehen müssen. Da er mit sechs Bonuswürfeln startete und nur noch ein Schadensslot frei war, konnte ich freimütig aufgeben. Die Bombe rollte unter die Trageplattform, und mit unglaublicher Wucht wurde der Thron der Weißen Mutter weggesprengt.
Finis.
Die Manöverkritik der Spieler war insgesamt positiv, doch natürlich gab es auch ein paar Schattenseiten (die aber auch der kurzen Spieldauer geschuldet waren). Nicht allen war klar, wie breit ihre Fähigkeiten gefächert waren (ich habe zwar immer recht großzügig ausgelegt, was von einer Fähigkeit abgedeckt war, aber bis man das verinnerlicht, müssen mehr als knapp drei Stunden vergehen). Der Elf war mit seinen Pfaden recht isoliert (Pfad der Blutlinie, Pfad des Selbst), was ich leider nicht besonders gut kompensieren konnte. Der Spieler hat sich aber deutlich Mühe gegeben, aus dem vorhandenen Material was rauszuholen. Die Spielfiguren standen alle ziemlich für sich, und da hätte ich in der Vorbereitung über Pfade mehr Gegensätze und mehr verbindende Elemente einbringen müssen. Vielleicht wäre das mit dem khaleanischen Freiheitskämpfer einfacher gewesen…
Fazit: Alle hatten Spaß, das Spiel ist angekommen und hatte funktioniert. Die Idee eines closed-room Szenarios ist im großen und ganzen aufgegangen. Die Spieler hätten aber auch die Möglichkeit gehabt, zu versuchen, mit den Ratkin zu verhandeln, oder eine wilde Flucht durch die Stadt anzutreten und ihren Verfolgern mit allen Mitteln den Weg abzuschneiden. Wer weiß, was dann geschehen wäre…