Thema: [Engel] Engel mit DitV-Dörfern - kurzer Erfahrungsbericht

[Sheep2045]

Hiho! :-)

Ich habe letztes Wochenende zum ersten Mal Engel gemeistert (drei Spieler, Arkanasystem).

Da die Spieler und mich die (imho) bestehende Metaplot-Fixierung des Spiels stört, haben wir beschlossen, uns im Osten Europas einen Landstrich zu suchen, der nur sehr dünn besiedelt ist und in dem die Kirchenstrukturen aufgrund der dünnen Besiedelung nicht sehr ausgeprägt sind (die Menschen glaube also an die Angelitische Kirche und an die Engel, aber es gibt keine Scharlachgardisten, etc., die Dörfer bzw. Pater/Mater sind selbst für die Justiz, etc. in ihrem Dorf zuständig).

Die Engel erhielten im letzten (großen) Kloster vor diesem Landstrich den Auftrag, einige der Dörfer anzufliegen, dort nach dem Rechten zu sehen und sicherzustellen, daß der Glaube an die angelitische Kirche weiterhin stark ist, im Zweifelsfall dafür zu sorgen, daß der Glaube zurückkehrt und Recht zu sprechen, wenn es nötig ist (auch über Mater/Pater eines Dorfes).

Dazu kam mir die Idee, einfach mal eins der zahlreich vorhandenen DitV-Dörfer zu benutzen und die Engel als eine Art Dogs zu sehen.

Und es hat wunderbar funktioniert. Die Engel wurden fröhlich mit den Verstrickungen und eskalierenden Problemen der Bewohner konfrontiert und mußte harte Entscheidungen fällen, da sie die höchste Instanz waren. Die Arkana-Karten haben das wunderbar unterstützt, auch wenn ich im Gegensatz zu meinen Spielern der Meinung bin, daß man Engel auch wunderbar mit den DitV-Regeln spielen könnte.
(hat das schon mal jemand gemacht und kann berichten? :-))


Das einzige "Problem" (ist eigentlich nur eins, wenn man stark am Hintergrund hängt) bestand darin, daß man sich in folgenden Punkten (imho) ein Stück vom vorgegebenen Engel-Hintergrund entfernen muß:


die Menschen legen die Glaubensregeln der Kirche strenger aus, als es im GRW und in "Mater Ecclesia" angedeutet wird.

falls das Dorf, das man auswählt/baut, sowas hat, muß der "dämonischen Einfluß" aus DitV durch Traumsaat/die Macht des Herrn der Fliegen ersetzt werden, die entweder Zwietracht zwischen den Menschen säät oder noch besser, durch die Zwietracht und die Glaubensschwäche der Menschen erst angezogen wird (noch radikaler: Dämonen=Herr der Fliegen, Sünden gewähren ihm Macht über die Menschen)

Engel brauchen Rechte, die denen der Dogs ähnlich sind. Generell müssen sie die Befugnis erhalten, Recht im Namen der angelitischen Kirche zu sprechen und letztendlich müssen sie auch über Mater/Pater eines Dorfes richten dürfen.


Bye
Sheep2045

[Haukrinn]

Wenn ihr euch eh schon ein wenig vom offiziellen Kanon entfernt, warum spielt ihr dann nicht gleich komplett Angels in the Vineyard? Soll keine Kritik sein, ich fände das nur wesentlich konsequenter und vor allem mächtig cool *Ernsthaft überlegt, mal beizeiten Angels in the Vineyard zu leiten*

[Preacher]

Wenn ihr euch eh schon ein wenig vom offiziellen Kanon entfernt, warum spielt ihr dann nicht gleich komplett Angels in the Vineyard?

Wenn ich mal raten darf:

auch wenn ich im Gegensatz zu meinen Spielern der Meinung bin, daß man Engel auch wunderbar mit den DitV-Regeln spielen könnte.

[alexandro]

falls das Dorf, das man auswählt/baut, sowas hat, muß der "dämonischen Einfluß" aus DitV durch Traumsaat/die Macht des Herrn der Fliegen ersetzt werden, die entweder Zwietracht zwischen den Menschen säät oder noch besser, durch die Zwietracht und die Glaubensschwäche der Menschen erst angezogen wird

Nicht unbedingt. Schau dir mal "The Princes Kingdom" (oder die alternativen Kampagnen im Anhang von DitV) an.
Dogs funktioniert auch wunderbar, wenn man die Dämonen und Versuchungen weglässt und annimmt, dass die Menschen aus freiem Willen sündigen.
Absolut kein Problem.

[Haukrinn]

@Preacher: Arg! Konzentration!

[Pyromancer]

Dogs funktioniert auch wunderbar, wenn man die Dämonen und Versuchungen weglässt und annimmt, dass die Menschen aus freiem Willen sündigen.
Absolut kein Problem.

Selbst in Original-Dogs sündigen die Menschen aus freiem Willen. Niemand wird dazu gezwungen, die Gebote zu brechen. Und die Dämonen haben keine Macht in Dörfern, in denen es keine Sünde gibt.

Das ist doch der ganze Witz an der "sin progression".

Passieren schlimme Dinge in einem Dorf, in dem alles in Ordnung ist, werden die Menschen damit selbst fertig, halten zusammen, lösen das Problem, sehen das ganze als Prüfung des HERRN an usw.

Passieren die selben schlimmen Dinge in einem Dorf, in dem sich Stolz, Ungerechtigkeit und Sünde tummeln, dann ist das auf einmal der Einfluß von Dämonen, und die ganze Sache wird noch schlimmer, weil die Menschen eben nicht mehr zusammenhalten, sondern gegeneinander arbeiten. Die Situation eskaliert.

[Sheep2045]

Nicht unbedingt. Schau dir mal "The Princes Kingdom" (oder die alternativen Kampagnen im Anhang von DitV) an.
Dogs funktioniert auch wunderbar, wenn man die Dämonen und Versuchungen weglässt und annimmt, dass die Menschen aus freiem Willen sündigen.
Absolut kein Problem.

Werd ich mir mal anschauen, danke :-)

Es gibt ja auch so schon Dörfer, die ohne dämonischen Einfluß auskommen, ich persönlich (und ein Teil meiner Spieler) mögen aber das "Übernatürliche" ganz gern. Am liebsten eben auch in dem Sinne, daß das Verhalten der Menschen ursächlich ist und nicht das Übernatürliche, sonst ist ja der Reiz/Konflikt weg (Übernatürliches/Dämonen/Traumsaat vernichten, schon gehts allen wieder gut ;-) ).


@Preacher/Haukrinn: Ganz genau, meine Spieler (und ich auch ein kleines bißchen) wollten es uns offenhalten, auch mal was anderes als das klassische Dogs-Thema zu spielen, deswegen haben wir den letzten Schritt nicht gemacht.
Ich persönlich finde die Idee eines "Angels in the Vineyard" auch ziemlich cool, da kann man sicher eine Menge rausholen, zumal die Engel ja schon ne ganze Menge an Konfliktpotential mit sich rumtragen :-).


Bye
Sheep2045

[oliof]

Die Siedlungs-Regeln in Dogs in the Vineyard sind erstmal nur eine Methode, anhand derer man eine Situation in einer isolierten Gesellschaft baut, die unter Druck steht, bzw. deren Zusammenhalt erodiert. Das Verfahren läßt sich auf alle Settings umdeuten, in denen Autoritätspersonen (die SC) die Situation bewerten und aufgrund ihrer Bewertung Anstrengungen unternehmen, den Druck ab-, bzw. den Zusammenhalt wieder aufzubauen.

Wichtig dabei ist ein interpretierbarer Wertemaßstab (der Sündenkatalog), anhand dessen man als Spielleiter die destruktive Situation aufbauen kann (die "Stufen der Verdamnis/Leitersprossen der Sünder"), ohne eine vorgefertigte Meinung über das Geschehen zu haben ("Leite, ohne eine Lösung im Kopf zu haben").

Einige dieser Elemente kann man auch weglassen, aber irgendwann wird aus der Mechanik dann nur noch "denke Dir eine Situation aus, die die Spielfiguren interessiert". Das ist spätestens der Fall, wenn man den SCs die Autorität und dem Setting seinen allgemein akzeptierten Wertemaßstab wegnimmt.

[Sheep2045]

Die Siedlungs-Regeln in Dogs in the Vineyard sind erstmal nur eine Methode, anhand derer man eine Situation in einer isolierten Gesellschaft baut, die unter Druck steht, bzw. deren Zusammenhalt erodiert. Das Verfahren läßt sich auf alle Settings umdeuten, in denen Autoritätspersonen (die SC) die Situation bewerten und aufgrund ihrer Bewertung Anstrengungen unternehmen, den Druck ab-, bzw. den Zusammenhalt wieder aufzubauen.

Wichtig dabei ist ein interpretierbarer Wertemaßstab (der Sündenkatalog), anhand dessen man als Spielleiter die destruktive Situation aufbauen kann (die "Stufen der Verdamnis/Leitersprossen der Sünder"), ohne eine vorgefertigte Meinung über das Geschehen zu haben ("Leite, ohne eine Lösung im Kopf zu haben").

Einige dieser Elemente kann man auch weglassen, aber irgendwann wird aus der Mechanik dann nur noch "denke Dir eine Situation aus, die die Spielfiguren interessiert". Das ist spätestens der Fall, wenn man den SCs die Autorität und dem Setting seinen allgemein akzeptierten Wertemaßstab wegnimmt.

Volle Zustimmung. Dementsprechend ja mein "was man meiner Meinung nach anpassen muß"-Absatz in meinem ersten Post. Wenn die SCs/Engel nur Erfüllungsgehilfen mit klar definiertem Auftrag ("wenn x, dann y") sind, dann läßt sich da nicht viel machen außer auszuspielen, wie sie x finden und zwangsläufig y machen.
Und die Wertmaßstäbe muß man bei Engel meiner Meinung nach eben deutlich verbindlicher machen (wenn man so spielen möchte), damit eine Bewertung durch die SCs/Engel an Hand dieser Maßstäbe möglich wird.


Bye
Sheep2045

[oliof]

ich kenne die Wertemaßstäbe der angelitischen Kirche nicht. Die Wertemaßstäbe des Glaubens an den King Of Life sind zumindest trotz ihrer scheinbaren Genauigkeit auch sehr schwammig. Z.B. ist Gesetz, dass es nur erlaubt ist, jemand in einem gerechten Krieg zu töten. Aber was ist ein gerechter Krieg?

[Sheep2045]

ich kenne die Wertemaßstäbe der angelitischen Kirche nicht. Die Wertemaßstäbe des Glaubens an den King Of Life sind zumindest trotz ihrer scheinbaren Genauigkeit auch sehr schwammig. Z.B. ist Gesetz, dass es nur erlaubt ist, jemand in einem gerechten Krieg zu töten. Aber was ist ein gerechter Krieg?

z.B. ein Krieg für den King of Life ;-)

Ne, ich verstehe schon, was du meinst (glaube ich), aber ich finde den Teil im DitV-Regelwerk, in dem beschrieben wird, was Stolz ist, was Sünde ist, etc. deutlich konkreter als die Verhaltensregeln, die einem in Engel an die Hand gegeben werden (fairerweise muß man hier sagen, daß Engel ja auch gar nicht behauptet, daß es im Spiel um solche Dinge gehen soll, im Gegensatz zu DitV).

Bye
Sheep2045

[slyver]

hm, zu dem Wertesystemkram:
ich hab mal (nach Anstoß) bisserl in dem Banthas in the Vineyard thread ( http://www.indie-rpgs.com/forum/index.php?topic=16956.0 ) herumgestöbert, und da fand ich ziemlich gut hergeleitet, dass es sogar gut sein kann, wenn es keine so rigiden Kategorien gibt, was bös und was gut ist.

Der Anfangpunkt ist, zu sagen, daß ja bei DitV nicht die dort verwedete Religion das tragende ist, sondern, dass die Charaktere etwas haben, was die davon abhält sich einfach aus der Situation zurückzuziehen weil es zu stressig wird.
Man geht hier davon aus, daß es das Grosse Ziel des Faith (und der Dogs) ist, soziale Ordnung zu halten, das Große Ziel der Jedis ist es, Frieden zu erhalten. Das Große Ziel der Engel hier ist es, den Menschen zu helfen (und die soziale Ordnung zu halten). Da wir das mit der sozialen Ordnung in der Runde ohnehin schon etwas verringert haben, nehme ich als Hauptziel fest, "den Menschen zu helfen".

Dazu braucht man nicht wirklich definitive Regeln der Kirche o.ä., es kann sogar hinderlich sein, wenn man allzu eindeutige Regeln hat. Wenn die Regel eindeutig sagt: "a ist böse und die Strafe dafür ist b", dann wird die Entscheidung nur noch sein ob der Engel bei a bestraft oder nicht. Wenn es hingegen vages Sach ist, muss der Engel entscheiden, ob a böse ist, wenn ja warum, was es dafür an Strafen hier sinnvoll gäbe, undsoweiter. In der Hinsicht kann man also das wischie-waschie-bla von Feder und Schwert zu den Kirchenregeln sogar begrüssen, insbesondere weil diese (in unserer Situation) nicht so direkt tragend sind für die Engel (wenn man bedenkt, daß in jedem Ordensgebiet andere Sachen gut/bös san und die Engel selbst fast eher eine Art Jedi-status haben in der Situation abgelegenes Land etc)

[Sheep2045]

@slyver: Stimmt eigentlich, im Prinzip faßt es dieser Post von lumpley ziemlich gut zusammen (und er sollte es ja wissen *g*):

The purpose of the Faith and the whole Dogs thing is to create characters who won't just ditch out on a town and go home - to create characters for whom it'd be out of character to ditch out.

You can throw Dogs' religious authority away, throw the faith away, throw the whole institutional and organizational framework away, if you have some other plan to make characters who won't ditch out.

Quelle: http://www.indie-rpgs.com/forum/index.php?topic=16956.msg180109#msg180109


Und genau das ist ja bei Engel gegeben, imho. Ha, Problem gelöst, danke @all! :-)

Bye
Sheep2045