Autor Thema: "Adventure module" vs. "Spielweltkausalität"...  (Gelesen 1997 mal)

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alexandro

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...neue Terminologie oder bereits beackert?

Adventure module: Ein bestimmtes, modulares Element, welches in das Spiel eingebracht wird, um eine interessante Spielsituation zu erzeugen.
Bsp.: Traveller, ein leerer Planet, welcher deshalb leer ist, weil alle von riesigen Käfern gefressen wurden... (sponsored by Doc Rotwang).
Die Spieler haben die Möglichkeit mit diesem Element zu interagieren, es zu beeinflussen, aber sie können auch sagen "Interessiert uns nicht." und sich mit anderen Elementen der Spielwelt beschäftigen. Der SL kann die Spieler zwingen sich zumindest mit dem Element zu beschäftigen (z.B. wenn der Antrieb des Raumschiffes nicht startet und die Bugs die SC jagen) wenn sie schon nicht damit interagieren, aber sobald die SC den abgesteckten Rahmen des Moduls verlassen, wird dessen Inhalt irrelevant.
Für viele Rollenspiele (besonders aber D&D) die default-Einstellung.

Spielweltkausalität: Etwas Schwieriger zu erklären, daher mehr Text. Geflecht aus Wechselwirkungen von Elementen der Spielwelt, welche durch die Handlungen der Spieler ausgelöst werden können.
Beispiel: Nehmen wir an der o.g. Planet existiert nicht im luftleeren Raum, sondern hat einen soliden Unterbau von Settinginformation. Man hat zwei  rivalisierende Machtgruppen (nennen wir sie einmal Militär und Wissenschaftler), welche großen Einfluss auf die Kolonien in diesem Sektor haben. Kommen die SC jetzt mit den Bugs in Kontakt, so können folgende Szenarien entstehen: Erfährt das Militär davon, so wittert es eine Gelegenheit sein gekürztes Budget zu verbessern und startet eine Kampagne, um die Bugs als Feindbild aufzubauen, gelingt dies, so führt das zu einer Verschärfung der Wehrpflicht etc.pp.; Erfahren die Wissenschaftler davon, so werden sie Forscher losschicken, um diese Wesen zu studieren und zu katalogisieren. Evtll. versuchen sie sogar ein Exemplar einzufangen und auf anderen Planeten zu studieren, mit allen Verwicklungen, welches dies bringen könnte...
Dieses Beispiel ist natürlich sehr vereinfacht. Es sind noch andere Szenarien denkbar (Wissenschaftler und Militär gelangen zu einem Kompromiß oder gar offenen Konflikt), aber das würde den Rahmen des Beispiels sprengen. Auch kann man- vorausgesetzt der Hintergrund gibt dies her- die Konsequenzen immer weiter spinnen (wie steht der Imperator zu den kriegstreiberischen Methoden seiner Generäle- entstehen neue politische Strukturen/Umstürze?, welche Erkenntnisse sind durch das Studium der Bugs zu gewinnen- neue Heilmethoden etc. pp.???).
Hierbei wird deutlich, dass es in dieser Variante durchaus möglich ist, dass die Spieler Veränderungen in der Spielwelt provozieren, ohne diese im Vorneherein zu überblicken (es sei denn, sie haben ihre Charaktere intensiv nachforschen lassen, wie die Einstellung der einzelnen Fraktionen im Universum ist- was nicht einfach ist, da diese a)nicht damit hausieren gehen und b)"umfangreiche Nachforschungen" Aufmerksamkeit erregen können und damit selbst berits Veränderungen herbeiführen). Dadurch wird die Spielwelt zu einem Teil unberechenbarer, allerdings macht eben dies gerade den Reiz für Fans dieser Spieltechnik aus.
Das hat übrigens nichts mit Plausibiltät zu tun, sondern mit dem gezielten Zusammenweben verschiedener Fiktionselemente. Eine Spielweltkausalität aufzubauen, welche genau die gewünschten Ergebnisse produziert ist IMO die Königsdisziplin im Setting- und Szenarioentwurf und wird konsequenterweise (in kommerziellen Produkten) oft vermurkst.
u.A. war und ist Spielweltkausalität eine (wenn nicht sogar die) Stärke der WoD und sie war eine Stärke von DSA (bevor man zu der Meinung gelangte, die Kausalität der Spielwelt müsste nicht zu interessantem Spiel führen, sondern die Renaissance so getreu wie möglich abbilden...  ::)) gegenüber D&D.

Sodele, was fangen wir jetzt damit an?
Erste Idee: nutzenstiftendere SL Hinweise, in denen erklärt wird, wie man die "modules" abschottet, um sicherzustellen dass eine "coole Idee" nicht das ganze Setting umkrempelt und wo außerdem Komplexitätsgrade und -beziehungen für "Kausalitäten" aufgezeigt werden, um gezielt zu steuern, welche Ergebnisse diese bringen können (dürfen)...

Online Skyrock

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Re: "Adventure module" vs. "Spielweltkausalität"...
« Antwort #1 am: 8.08.2007 | 12:11 »
Was du "Spielweltkausalität" nennst kenne ich eher landläufig unter "Weltsimulation", zumindest von denjenigen SLs die diese umfassende Betrachtung aller erdenkbaren und plausiblen Konsequenzen sowie deren Vorgehen als Holodeck als Stärke betrachten.


Universelle Hinweise sollten schwierig sein, da diese Vorgehensweise größtenteils über Plausibilitätenabwägung läuft (= GMV = gleich jeder hat einen, und zwar den _richtigen_, es sind die anderen die Wrongthink betreiben ;)).

Das einzige was mir spontan einfiele: Kenne die wichtigen Spieler im Setting und weiß wie ihre Ziele, Ressourcen und Motivationen aussehen.
Für eine generische Cyberpunkstadt könnte etwa eine erste Grobkategorisierung so aussehen:
Cops: Zugriff auf weitgehende Rechte in den zivilisierten Teilen der Stadt, schwere Waffen und brauchbare Vertuschungsmöglichkeiten durch Medienbeziehungen. Hauptziel ist es das Budget zu halten, was gleichbedeutend mit Erfolgsquoten, Medienpräsenz, hoher Kriminalitätsrate (=hoher Polizeibedarf) und Einsparen am richtigen Ende (i.e. ID-lose Straßenpunks erst erschießen und dann fragen) ist.
Konzerne: Zugriff auf totale Rechte auf eigenem Gelände, viel Geld und Know-How sowie sehr gute Vertuschungsmöglichkeiten via Bestechung, Rechtsanwälte und eigene Medien. Hauptziel ist Gewinnmaximierung.
Medien: Gute Rechtsabteilung, hohe Glaubwürdigkeit und Erreichbarkeit. Hauptziel ist Gewinnmaximierung durch hohe Einschaltquoten, was durch Mord und Totschlag (e.g. Liveaufnahmen von Feuergefechten), Innovation mit noch größerem Ekelfaktor oder Aufdeckung möglichst großer Skandale (sofern der Betroffene nicht noch besser zahlt).
(Das sollte als Beispiel erst einmal reichen... Hier dann noch Einträge für Banden, Nomaden, Revolutionäre, Terroristen etc. einfügen...)

Dann muss man natürlich diese Grobkategorisierungen weiter aufgliedern (z.B. Zaibatsus als Unterschublade von Konzerne) und einzelne Fraktionen und bedeutende Einzelpersonen zuordnen - und sicher habe ich oben schon einiges vergessen (Syndikate und Verwaltung fallen mir etwa spontan ein).

Und wie man sieht gibt es da schon Widersprüche. Wenn die Medien den Skandal eines Konzerns aufdecken, überwiegt dann die Glaubwürdigkeit der Medienanstalt oder die Vertuschungsmöglichkeit des Konzerns? Würde der Konzern eher Schweigegeld bezahlen um sein Image zu bewahren und so den Gewinn zu halten, würde er nicht zahlen und so sparen, würde er einen Anschlag verüben und so weiteren Imageverlust verhindern...
Da wird man so schnell keine klaren Anleitungen formulieren können - außer es wäre "verteile alle plausiblen Ausgänge gleichermaßen und würfle", was dann aber blanke Zufälligkeit und nicht die angestrebte Simulation wäre.
Aus der Höhle des Schwarzwaldschrates - Mein Rollenspielblog

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Joe Dizzy

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Re: "Adventure module" vs. "Spielweltkausalität"...
« Antwort #2 am: 8.08.2007 | 12:34 »
Ich sehe da ein kleines Problem, da ich die Unterscheidung zwischen Modul und Kausalität nicht am Element selbst, sondern an der Wertung durch die Gruppe fest machen würde.

Anders gesagt, der Planet ist modular, wenn die Spieler keine Zusammenhänge zu anderen Dingen im Spiel ziehen. Es wird jedoch einer Kausalität zugeordnet, wenn sie es tun ("Ah, die Plage des Planeten ist bestimmt von unserem Erzfeind verursacht worden."). Deshalb lässt sich die Unterscheidung wie ich finde auch nicht einzelnen Spielen oder SL-Stilen zuordnen.

Wenn man von einer Gruppe ausgeht, die D&D nur als Abarbeiten von einzelnen Aufgaben ansieht, dann wird jede Zufallsbegegnung für sie modular sein. Wenn man sich einer Gruppe bedient, die bei D&D auf einer in sich schlüssigen und zusammenhängenden Spielwelt aufbaut, dann sind Zufallsbegegnungen nicht modular sondern eine zusätzliche Erweiterung der bekannten Spielwelt und eine Möglichkeit mehr von der Welt zu erforschen.

Diese Unterscheidung könnte Spielern vielleicht helfen; aber einem Spielleiter bringt sie nicht ganz so viel; denke ich.

alexandro

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Re: "Adventure module" vs. "Spielweltkausalität"...
« Antwort #3 am: 8.08.2007 | 13:52 »
@Skyrock:
"Weltsimulation" mog' ig net, weil es impliziert, dass alles in der Rollenspielwelt in Kausalitäten eingebunden ist und nicht nur die wichtigen (=interessanten) Dinge.

Es geht mir vor allem darum "Kausalität" von der "Plausibilität" zu entkoppeln (designtechnisch evtll. mit stärkerer Setting-Definierung durch "Wissens"-skills- wenn der Wurf gelingt, dann "weißt du, wie sich NSC XY verhalten wird- der SL muss sich an diese Vorgaben halten etc.).

Zitat
Und wie man sieht gibt es da schon Widersprüche. Wenn die Medien den Skandal eines Konzerns aufdecken, überwiegt dann die Glaubwürdigkeit der Medienanstalt oder die Vertuschungsmöglichkeit des Konzerns? Würde der Konzern eher Schweigegeld bezahlen um sein Image zu bewahren und so den Gewinn zu halten, würde er nicht zahlen und so sparen, würde er einen Anschlag verüben und so weiteren Imageverlust verhindern...
Einfache Lösung: beiden einen Machtwert geben, gegeneinander würfeln lassen und Ergebnis erzählen, bei glitches (oder ähnlicher Mechanik) tritt ein weiterer Spieler auf den Plan (Machtwert= Einser) und der Konflikt geht in eine neue Runde...

@Georgios:
Zitat
Es wird jedoch einer Kausalität zugeordnet, wenn sie es tun ("Ah, die Plage des Planeten ist bestimmt von unserem Erzfeind verursacht worden.")
Der Unterschied liegt in den Interaktionsmöglichkeiten. Klar können die Spieler aus der Lage des Planeten (möglicherweise zurecht) auf ihren Erzfeind schließen.
Aber der SL entscheidet (zumindest in nicht-empowerten Systemen) immer noch, ob ihnen das zusätzliche Handlungsmöglichkeiten erschließt (ist ihr Erzfeind irgendwann mal hier vorbeigekommen oder ist es ein Zeichen dafür, dass er gerade jetzt im Hintergrund die Fäden zieht und die Spieler mit diesem Wissen seine Pläne vereiteln können?)

Joe Dizzy

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Re: "Adventure module" vs. "Spielweltkausalität"...
« Antwort #4 am: 8.08.2007 | 15:21 »
@Georgios:Der Unterschied liegt in den Interaktionsmöglichkeiten. Klar können die Spieler aus der Lage des Planeten (möglicherweise zurecht) auf ihren Erzfeind schließen. (...) Aber der SL entscheidet (zumindest in nicht-empowerten Systemen) immer noch, ob ihnen das zusätzliche Handlungsmöglichkeiten erschließt (...)

Betrachtet man aber wie sich das konkret am Spieltisch äussert, dann hakt es wieder. Ich kann als Spieler nicht unterscheiden, ob der SL Ursache-und-Wirkung der Spielwelt folgt oder willkürlich entscheidet, wenn es darum geht diese Interaktionsmöglichkeiten zu bieten. Es liegt an mir von dem einen oder anderen auszugehen.

Das ist das selbe Prinzip wie bei den zur Zeit so beliebten Mystery-Serien oder eigentlich jeder längeren Geschichte. Solange der Zuschauer glaubt, dass alles auf nachvollziehbaren Regeln oder einem Plan der Autoren basiert, wird jedes noch so zufällige oder willkürliche Ereignis als stringente Erweiterung der Welt gesehen. Tut er das nicht, ist alles nur eine willkürliche Abfolge von allein stehenden Ereignissen. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl Akte X. Aber auch Lost, Harry Potter und (für mich) 24 fallen darunter.

In solchen Erzählungen wird das meist am Ende durch eine abschliessende Rede wieder zusammengeführt (s. Harry Potter) bzw. der Glauben des Lesers/Zuschauers bestätigt, aber bei einem Rollenspiel ist das nicht möglich bzw. einfach verfehlt. Da muss von Moment zu Moment entschieden werden... ist das ein eingeschobenes Modul oder gehört das zur Welt? Diese Entscheidung treffen die Spieler nicht der SL.


alexandro

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Re: "Adventure module" vs. "Spielweltkausalität"...
« Antwort #5 am: 8.08.2007 | 17:52 »
Zitat
Ich kann als Spieler nicht unterscheiden, ob der SL Ursache-und-Wirkung der Spielwelt folgt oder willkürlich entscheidet
Das geht sowieso bei den meißten Techniken (z.B. Challenges) nicht, aber zumindest kann man es ein wenig transparenter machen.

Noch ein Versuch zu Modulen:
These: Module können bewegt werden, teilweise sogar von den Spielern. Sie können sogar in die Spielwelt eingefügt werden, aber nur, wenn bereits entsprechende "Slots" dafür vorhanden sind.
Beispiel Dungeons (die proto-Module): man kann versuchen diese in die Spielwelt zu integrieren ("König Karl, warum sicherst du dir nicht die Schätze, welche im verwunschenen Turm liegen- immerhin steht der auf deinem Land!"), aber nur wenn das von der Spielweltkausalität Sinn macht (und die ist bei D&D nunmal: egal wie es begründet wird- die SCs gehen idR allein ins Dungeon, sacken idR alle Schätze selber ein und geben es aus, ohne das idR dadurch die Wirtschaft der Kampagnenwelt zum Erliegen gebracht wird-; diese Elemente der Spielweltkausalität sind es, welche die Modularität von Dungeons sichern und garantieren, dass wenn man sich den Temple of Elemental Evil gekauft hat man nicht stundenlang überlegen muss, wie man diesen in die Baronie Lieblichknuffeltal integriert, sondern einfach Spaß damit haben kann)