In der letzten Zeit lese ich mal wieder häufiger Forenthemen (auch im Grofafo, aber auch woanders), wo versucht wird über die Qualitäten eines Rollenspiels zu diskutieren.
Die Themen heissen dann "Ist DSA wirklich so schlecht?", "Was hat AC falsch gemacht" oder auch "Was könnte man an XYZ in der nächsten Version verbessern".
Und diese Themen sind leider eigentlich immer zum Scheitern verurteilt.
In kürzester Zeit dreht sich das Thema um Haarspaltereien oder man streitet darum, dass die Option Unzulänglichkeiten durch Hausregeln zu lösen, nichts über die Qualität eines Rollenspiels aussagen.
Alle regen sich über andere auf, hören auf, sich zu beteiligen und meist ist man irgendwann soweit, dass sich nur noch über die Unzulänglichkeiten des Gegenübers.
Nun, natürlich wird ein Fan einer Sache sein geschätzes Hobby immer erst einmal verteidigen wollen.
Wenn er sich mit seinem Hobby identifiziert, dann fühlt er sich natürlich irgendwo persönlich herabgesetzt - Identifikation halt.
Und die natürlichste Reaktion auf einen "Angriff" ist ersteinmal die Verteidigung.
Und da ist der Gegenangriff auch schnell ein adäquates Verteidigungsmittel.
Im Grunde kennen wir das alles und deswegen vermeidet man Provokation und setzt statt Kritik auf konstruktive Themen.
Statt "Warum ist XYZ so schlecht?" diskutiert man über "was könnte bei XYZ in der nächsten Version besser sein?"
Doch auch diese Diskussion scheitert in der Regel.
Warum?
Woran scheitern solche Diskussionen?Der Kritiker ist bemüht, über die objektiven Komponenten zu diskutieren.
Wie sind die Regeln im Buch? Welche Methoden, Mechaniken, Systeme stecken dahinter?
Sind diese durchgängig, einfach, methodisch, ausgewogen, etc...?
Fokus liegt da beim "Was steht im Buch!"
Ist ja auch klar, denn nur das, was im Buch steht, kann beurteilt werden.
Der Verteidiger (ich vermeide bewusst den Begriff "Fanboy") diskutiert grundsätzlich aus einer ganz anderen Perspektive.
Die Frage "Wie sind die Regeln im Buch?" ist für ihn irrelevant.
Es geht bei ihm grundsätzlich um "Welche Erfahrungen habe ich mit dem Spiel gemacht?"
Die Erfahrungen sind für ihn das maßgebliche. Und sie sind immer gut.
Denn wären sie schlecht, würde er das nicht mehr spielen.
Und so sind die Diskussionen zwangsweise zum Scheitern verurteilt,
denn man redet über unterschiedliche Dinge.
Und leider ist das vorprogrammiert!
Denn derjenige, der das Spiel lange Zeit spielt, bewertet das Spiel ganz automatisch aus seinem Erfahrungsschatz heraus.
Denn die Spielmechaniken sind für ihn soweit alltäglich, dass er sie beiseite läßt.
Die Regeln im Buch sind nebensächlich - denn man schaut schon seit Jahren nicht mehr ins Buch.
Und auch wenn der Verteidiger - als langjähriger Spieler sich wirklich der "rules as written" stellt und diese betrachtet,
kann nur eine ander Wertung herauskommen - denn er weiss, ja aus seinen Erfahrungen, dass es trotzdem klappt.
Aufwand vs VerbesserungUnd für den Verteidiger ist eine Veränderung immer negativ, auch wenn diese eine Verbesserung bewirkt, als das Beibehalten der alten Regeln mit ihren Unzulänglichkeiten.
Denn die alten Regeln sind inzwischen so verinnerlicht, dass man nicht mehr drüber nachzudenken braucht.
Und sie haben jahrelang funktioniert.
Sich auf neue Regelmachaniken einzustellen ist immer mit einem bestimmten Aufwand verbunden.
Und es dauert wieder sehr lange, bis diese verinnerlicht sind.
Solange also hinter dieser Veränderung nicht ein
wirklich meßbarer Vorteil steht, kann das Argument "die neue Regel ist besser" gegen "es hat vorher auch funktioniert" nur verlieren.
Und leider kann man solche Vorteile in einer Diskussion kaum wahrnehmen. Man kann sie eigentlich nur wahrnehmen, während man spielt.
Die Bemühungen, auf diese Art und Weise den Anhängern eines Spiels davon zu überzeugen, dass Veränderungen vorteilhaft wären, kann nur scheitern.
Man bewertet aus völlig unterschiedlichen Perspektiven, man redet aneinander vorbei und "besser durch Änderung" vs "Aufwand wegen Veränderung" hat in der Bewertung völlig unterschiedliche Gewichtungen.
Daher kann so gar keine Annäherung erzielt werden.
Qualität und ErfolgOft artet die Diskussion irgendwann in einen "Wenn XYZ so schlecht ist, warum ist es dann so erfolgreich?" Totschlagargument-Schlagabtausch aus.
Wer auf diese Frage eingeht und sinngemäß antwortet, begeht eigentlich schon den ersten Fehler.
Erfolg und Qualität haben nicht unmittelbaren Bezug zueinander!
Natürlich wird niemals ein Rollenspiel, dass Qualitativ völlig unzlänglich ist, auf längere Sicht erfolgreich sein.
Aber darum geht es bei dieser Frage nicht.
Fakt ist: Die Qualität der Spielregeln eines Rollenspiels und der Erfolg, den ein Rollenspiel hat, haben wenig miteinander zu tun.
Die Qualität der Regeln hat nur in Ausnahmen Auswirkungen auf die Kaufentscheidung und damit auf den Erfolg.
Die große Mehrheit der potentiellen Kunden entscheiden über Kauf (und damit über Erfolg) aus anderen Gründen.
Neben Marketing, Layout, Preis, Verfügbarkeit und änlichem ist das wichtigste im Produkt selbst enthaltene Kriterium das Rollenspielsetting.
Wenn das Setting begeistert und inspiriert, dann ist der Erfolg sehr wahrscheinlich, und zwar unabhängig von der Qualität der Spielregeln.
Denn ein inspirierter und begeisterter Spieler (potentieller Spielleiter) nimmt diese Unzulänglichkeiten in den Spielregeln einfach hin.
Er will auf dieser Welt, in diesem Universum spielen. Dass die Regeln dann nicht so toll sind, nimmt man dann in Kauf.
Und andersherum? Die Spielmechanik (die "Regeln") können noch so gut sein, wenn das Setting (die "Spielwelt") nicht begeistert und inspiriert.
Über Wohl und Wehe eines Rollenspiels entscheidet also nicht das Regelsystem, sondern das Setting.
Mein Fazit:Es ist daher eigentlich müßig, mit den langjährigen Spielern eines Rollenspiels zu diskutieren, welche positiven Veränderungen man sich selbst für dieses Spiel wünscht.
Diese Konversation
KANN eigentlich nur scheitern.
Wenn man solchen Rollenspielern da etwas näherbringen kann, muss man ihnen ein neues Rollenspiel zeigen.
Und zwar eines, dass die "anderen" (besseren) Regelmechaniken beinhaltet UND welches ausserdem noch ein sehr faszinierendes und inspirierendes Setting hat.
Dann kann man drüber reden, was daran anders oder welche Aspekte der Spielregeln vielleicht interessant sind.
Und dann stellt sich vielleicht das "wäre schön, das auch bei XYZ zu haben" Gefühl ein.
Durch ein "Ich will Dein Lieblingsspiel, in das Du eingearbeitet bist und das Du auswendig spielen kannst, verändern, wodurch Du eine Menge Arbeit bekommst, obwohl es vorher auch ging!" wird jedenfalls niemand davon überzeugen, dass eine Änderung positives bewirkt.
Hugh!
Ich habe geschrieben...
Gruß
Boba