Autor Thema: Gruppenvertrag - Nur hohles geseire oder steckt was dahinter?  (Gelesen 17909 mal)

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Offline 1of3

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Ich stelle in Diskussionen immer wieder fest, dass Teilnehmer ein Modell widerlegen wollen, weil es auf andere Sachverhalte nicht zutrifft. Aber das ist doch nicht produktiv, denn ein Modell dient nur dazu, um eine einzige Aussage bildlich zu veranschaulichen, nicht jedoch um sie zu untermauern.

Wirklich? Bist du ein Merkerchen.

Und wenn du nochmal zuliest, wirst du feststellen, dass ich aus Veranschaulichung noch mehr rausgeholt habe, als Boomslang reingetan hat.

Offline Dr.Boomslang

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Und die ideale Regierungsform ist ein wohlmeinender König.
Der wohlmeinende König ist sicher die effektivere Regierungsform, wenn sie denn funktioniert, die Wahrscheinlichkeit dass dies ständig so ist, liegt aber nahe 0.
Genauso ist es mit dem stillschweigenden Verständnis, es funktioniert ja tatsächlich besser im Sinne von effektiver, falls es denn funktioniert.
Das ist die allseits bekannt Abwägung von Effizienz gegen Flexibilität und Stabilität.

Im Bereich der sozialen Interaktion muss man aber dazu beachten, dass die Größe der Gruppe eine entscheidende Rolle spielt. Die sich stillschweigend verstehende Gruppe Rollenspieler (z.B mit nominell absolutistischen SL) ist ungleich wahrscheinlicher als der vom wohlmeinenden König gerecht regierte Staat.
Hier geht es einfach darum wie gut sich Menschen kennen und wie direkt sie sich beeinflussen können, und dementsprechend wie leicht sie Einverständnis ohne große Absprachen und Regeln erzielen.

Offline Dr.Boomslang

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Eine Präskription eines Gruppenvertrages währe eine Vorhersage (über Regeln) wie ein Gruppenvertrag entsteht bzw. allgemein wie er sich verhält (so wie grammatische Regeln etwas darüber Aussagen sollen wie Sätze gebildet werden, nicht zwangsläufig wie sie gebildet werden sollen). Ein deskriptiver Vertrag soll nur beschreiben wie sich eine Gruppe tatsächlich verhält (nach der Erfahrung).

In der Rollenspieltheorie geht es eigentlich mehr um letzteres. Allerdings ist der Unterschied eigentlich nur in der empirischen Wissenschaft von Bedeutung. Da die Rollenspieltheorie kaum empirisch vorgehen kann, sind Präskription und Deskription im Prinzip das gleiche, weil eine (präskriptive) Aussage über Rollenspiel nur dann sinnvoll ist, wenn es evident scheint, dass sie tatsächliches Spiel beschreibt (Deskription).

Aus einer Analyse will man natürlich  letztlich etwas herausziehen, was man dann in Normen packen kann. Dann hätte man einen normativen Vertrag.
Der feine Unterschied zwischen normativ und präskriptiv ist nun, dass die Präskription etwas vorhersagt und die Norm etwas vorschreibt. Und das möchte man ja letztlich wissen: Was kann und soll ich tun damit mein Gruppenvertrag optimal ist?

Pyromancer

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Was mich höllisch interessiert, ist welchen Stellenwert der Gruppenvertrag im Vergleich zu anderen Dingen (z. B. den Spielregeln) hat.

Die Spielregeln sind meiner Erfahrung nach der Teil des Gruppenvertrages, der am häufigsten explizit ausgehandelt wird.
SL: "Wir spielen System XY mit Setting ABC, aber wir verwenden folgende Hausregeln..."
Spieler: "Was ist mit Zusatzband EFG, dürfen wir den verwenden?"
etc.

Zitat
Ist er vielleicht sogar so etwas wie eine übergeordnete Bedingung, damit Rollenspiel oder irgend eine andere zwischenmenschliche Interaktion überhaupt stattfinden kann? Kann man überhaupt ohne Gruppenvertrag spielen?

"Der Gruppenvertrag ist die Summe aller Regeln, an die sich alle in der Gruppe halten wollen."

Nach dieser ziemlich allgemeingültigen Definition gibt es kein noch so dysfunktionales Rollenspiel ohne einen (zumindest minimalen) Gruppenvertrag.

Zitat
Kennt jemand Literatur zu dem Thema?

Abseits von Blogeinträgen und Internetforen?

Offline Thalamus Grondak

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"Der Gruppenvertrag ist die Summe aller Regeln, an die sich alle in der Gruppe halten wollen."
Meiner Meinung nach enthält der Gruppenvertrag aber nicht die eigentlichen Regeln, nur die Abweichungen zu den normalen Regeln.
Mag kleinkariert klingen, aber bezogen auf Turning Wheels frage ist es schon wichtig.
IMHO kann man durchaus ohne Gruppenvertrag spielen, z.B. wenn sich eine ganz neue Gruppe zusammenfindet und einfach losspielt. Da bildet sich der Gruppenvertrag erst noch heraus, und das ist dann ein rein Sozialer Mechanismus, der wenig mit Rollenspiel zu tun hat.
Überall wo Menschen zusammen kommen, bilden sie einen Gruppenvertrag, das passiert fast immer Implizit (Außnahmen bilden z.B. bestimmte Vereine, oder Clubs die einen Niedergeschriebenen Verhaltenskodex haben).
Und wenn es Streit in der Gruppe gibt, dann haben die Streitparteien normalerweise verschiedene Ansichten vom Gruppenvertrag.

Meine Absicht mit diesem Thread war es ja, zu bestätigen, das es eigentlich nirgendwo einen festen niedergeschriebenen Gruppenvertrag gibt. Deshalb halte ich es für ziemlich unsinnig bei einer Diskussion über Gruppenprobleme diesen Gruppenvertrag immer wieder rauszuholen, ist doch das "zum Thema machen" eines Problems der erste Ansatz den Gruppenvertrag zu verbessern.
Der verweis auf den Gruppenvertrag in einer solchen Diskussion behindert also das ausreifen des Gruppenvertrages.
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Bastian-Bux

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Meiner Meinung nach enthält der Gruppenvertrag aber nicht die eigentlichen Regeln, nur die Abweichungen zu den normalen Regeln.

Mach daraus: sämtliche sowohl intendierten, als auch auf Interpretation oder bloßem Mißverständnis beruhenden Abweichungen zu der "idealisiert-normalen" Regelversion.

Weil seien wir ehrlich: kein Regelwerk kann für sich in Anspruch nehmen a) uninterpretierbar eindeutig und b) völlig narrensicher zu sein. Den a) sind die Regelschreiber auch nur Menschen (schlimmer, Rollenspieler) und b) fällt wohl jedem von uns mind. ein Beispiel für einen Mitspieler ein, der resistent gegen jede Narrensicherheit ist.

Oder anders ausgedrückt: deine Einschränkung wird schon dadurch ad absurdum geführt, das du einen idealen "Normalzustand" der Regeln postulierst, den es so einfach nicht gibt.

Jede Gruppe spielt ihr eigenes Aventurien, Eberron, 6. Welt whatever. Oder noch extremer gesagt: in jedem Spielerkopf besteht eine unterschiedliche Auffassung dieser Welten. So wie die Regelwerke letztendlich eine Art "Vertragswerk" darstellen, die eine gewisse Homogenität der verschiedenen Gruppen-Welten herstellen kann (nicht muss oder auch nur soll), so übernimmt ein bestimmter Teil des Gruppenvertrages dies zwischen den Gruppenmitgliedern.

Und in diesen Teilaspekt fließen dann eben sowohl vorherige bzw. "nebenbei" Absprachen, als auch gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse "in" dieser Gruppenwelt ein.

Offline Thalamus Grondak

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Oder anders ausgedrückt: deine Einschränkung wird schon dadurch ad absurdum geführt, das du einen idealen "Normalzustand" der Regeln postulierst, den es so einfach nicht gibt.
Nein, nicht wirklich.
Wenn ich bei D&D die Regeln für einen Angriffswurf aus dem Buch übernehme, dann ist der Interpretationsfrei.
Das komplette Regelwerk ist sicherlich Interpretationen unterworfen, aber die einzelnen Regeln nicht zwangsläufig.
Also sind, zuminest für mein verständnis, die Regeln, die 1:1 übernommen werden nicht Teil des Gruppenvertrages.
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Joe Dizzy

  • Gast
Meiner Meinung nach enthält der Gruppenvertrag aber nicht die eigentlichen Regeln, nur die Abweichungen zu den normalen Regeln.

Hmm... dann habe ich meinem Post anscheinend ein anderes Verständnis des Begriffes zu Grunde gelegt.

Ich habe von einem Gruppenvertrag als die für die Gruppe gültigen Verhaltens- und Umgangsregeln gesprochen. Darunter fällt alles mögliche: ob und wie man andere beim Reden unterbricht; welcher Tonfall in einzelnen Situationen angebracht ist; wie man darauf reagiert, wenn der Charakter eines anderen Spielers gerade versagt; wer das Gespräch vom Spiel auf ein anderes Thema lenken darf und wer nicht; etc.

Das sind Verhaltensregeln, die Leute gerne als "selbstverständlich" und "allgemeingültig" sehen... aber die Tatsache ist, dass jede Gruppe sich erst langsam annähert, um zu prüfen wie sehr das wirklich der Fall ist. Jeder einzelne Spieler bringt seine eigene Art der "angemessenen Umgangsform" an den Tisch und daraus formt sich dann mit der Zeit der Gruppenvertrag dieser speziellen Gruppe.

Probleme entstehen meist dann, wenn einem Spieler das soziale Feingefühl oder die Flexibilität fehlt die Umgangsformen der Gruppe zu erkennen bzw. sich daran anzupassen. Genau diese Probleme lassen sich aus den von mir zu Beginn erwähnten Gründen nicht dadurch bereinigen, dass man sie ausspricht.
« Letzte Änderung: 29.09.2007 | 12:51 von Georgios »

Bastian-Bux

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Hmhm, völlig richtig. Nur ... macht es Sinn das soweit aufzudröseln? Bzw. wie groß ist der Anteil des "uninterpretierbar - normalen"? Nur als kleiner Tip: in den Sozialwissenschaften hat man sich schon lange vom Begriff des "absoluten Normalismus"  getrennt. Denn merke: es gibt immer irgend jemanden der selbst deine "uninterpretierbare Regel" noch (fehl)interpretieren kann.

Ich würde es vielmehr so ausdrücken: die weitestgehend narrensicheren Elemente der Regelwerke werden als statischer Aspekt des Gruppenvertrages aufgefasst, und werden nur in den allerseltensten Fällen hinterfragt. Daher werden sie von vielen als "Selbstverständlichkeit angenommen. Dadurch das dies auch für weite Teile der sozial-interaktiven Vertragskomponenten gilt, deutet sich mMn nach an, das eben auch die "regeltechnisch-uninterpretierbaren" Teile Teil des Gruppenvertrages sind.

Nenns meinetwegen "das legalese Geseier das eh keiner liest weil immer das gleiche drin steht". Teil des Vertrages ist es trotzdem.

Offline Dr.Boomslang

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Meiner Meinung nach enthält der Gruppenvertrag aber nicht die eigentlichen Regeln, nur die Abweichungen zu den normalen Regeln.
Ich verstehe nicht ganz was du damit sagen möchtest. Heißt das du definierst hier den Begriff neu oder anders, oder heißt das du hast ihn nicht richtig verstanden? Denn um eine Meinung geht es hier nicht wirklich.

Wie ich schon sagte ist meines Wissens der Begriff "Gruppenvertrag" die deutsche Übersetzung des "social contract" und das meint alle Grundlagen des Rollenspiels auf sozialer Ebene. Dazu gehört dann mindestens auch die Festlegung des verwendeten Regelwerks bzw. dessen Auslegung. Der Gruppenvertrag kann also niemals "leer" sein, höchstens implizit, wie du schon selber sagst.
Dass der Begriff dann wenig mit Rollenspiel zu tun hat stimmt zwar nicht, aber du hast Recht wenn du damit meinst, dass sowas nicht spezifisch für das Rollenspiel ist. Etwas formaler ausgedrückt würde das heißen ein Gruppenvertrag ist nicht hinreichend aber durchaus notwendig für das Rollenspiel.

Dass es wohl in den seltensten Fällen einen expliziten oder gar schriftlichen Vertrag gibt war ja eigentlich klar, und ist zumindest jetzt wohl unstrittig.


Und wenn es Streit in der Gruppe gibt, dann haben die Streitparteien normalerweise verschiedene Ansichten vom Gruppenvertrag.
Klar, das ist nichts besonderes, das dürfte offensichtlich sein, sonst gäbe es wohl keinen Streit. Was aber wohl nicht heißen kann, dass es deswegen keine Art von Vereinbarung gibt, denn auch eine vorhandene Vereinbarung schließt ja Streit darüber nicht aus. Schon gar nicht ausgeschlossen ist der Streit der erst zu Vereinbarungen führt.

Der Verweis auf den Gruppenvertrag als Argument in einer Diskussion über den Gruppenvertrag ist nur insofern hilfreich, als das dadurch alle Anerkennen müssen, dass Einigung auf dieser Ebene nötig ist und das möglicherweise auch Missverständnisse über diese Einigungen auf dieser Ebene bestanden.
Was man natürlich nicht machen kann ist sowas wie: "Das wurde in § X Absatz Y festgelegt, und deswegen musst du das jetzt so machen!"

Der grundsätzliche Komplex auf den das Konzept des Gruppenvertrages aufmerksam macht, ist eigentlich jedem Rollenspieler mit ein wenig Erfahrung bekannt. Es geht nur darum, dass man die Existenz einer solchen Instanz bzw. einer solchen Ebene als Grundlage der Interaktion eben auch beim Rollenspiel anerkennt (wie man das bei jeder anderen sozialen Aktivität nahezu selbstverständlich und unbewusst macht)
Im Rollenspiel neigen viele die wenig Erfahrung damit haben dazu, die Regeln des Spiels oder gar vermeintliche Regeln der Fiktion über alles zu stellen und damit zu verkennen, dass es sich beim Spiel zuerst um eine soziale Interaktion handelt, an die alle mit bestimmten Erwartungen herangehen, und erst das alles weitere  Vorgehen legitimiert.

Pyromancer

  • Gast
Meiner Meinung nach enthält der Gruppenvertrag aber nicht die eigentlichen Regeln, nur die Abweichungen zu den normalen Regeln.
Mag kleinkariert klingen, aber bezogen auf Turning Wheels frage ist es schon wichtig.
IMHO kann man durchaus ohne Gruppenvertrag spielen, z.B. wenn sich eine ganz neue Gruppe zusammenfindet und einfach losspielt.

Mir ist keine Gruppe bekannt, die sich nicht zumindest vor dem Spiel auf das verwendete Regelwerk oder die verwendete Welt geeinigt hat. Und damit hat man zumindest einen Teil des Gruppenvertrages, der explizit ausgehandelt wurde.
Und selbst, wenn man sich nur darauf einigt, sich zu treffen und rollenzuspielen, ist das schon die Minimalform eines Gruppenvertrages.

Zitat
Da bildet sich der Gruppenvertrag erst noch heraus, und das ist dann ein rein Sozialer Mechanismus, der wenig mit Rollenspiel zu tun hat.
Überall wo Menschen zusammen kommen, bilden sie einen Gruppenvertrag, das passiert fast immer Implizit (Außnahmen bilden z.B. bestimmte Vereine, oder Clubs die einen Niedergeschriebenen Verhaltenskodex haben).
Du hast natürlich recht damit, dass sich viele Teile des Gruppenvertrages gerade in der Anfangszeit der Gruppe erst noch herausbilden müssen.
(Die Anhänger des Cheetoism-Modells nennen das sie "Storming-Phase", wenn es auch mal ordentlich kracht, und die verschiedenen Meinungen zum Rollenspiel aufeinanderprallen, bevor man einen Konsens findet oder sich trennt.)

Zitat
Meine Absicht mit diesem Thread war es ja, zu bestätigen, das es eigentlich nirgendwo einen festen niedergeschriebenen Gruppenvertrag gibt. Deshalb halte ich es für ziemlich unsinnig bei einer Diskussion über Gruppenprobleme diesen Gruppenvertrag immer wieder rauszuholen, ist doch das "zum Thema machen" eines Problems der erste Ansatz den Gruppenvertrag zu verbessern.

Das verstehe ich jetzt nicht ganz. Wenn es Spannungen in der Gruppe gibt und das Problem vorher schonmal besprochen wurde, dann ist ein Verweis auf vorhergehende Diskussionsergebnisse in meinen Augen durchaus legitim. Natürlich kann man auch die expliziten Teile des Gruppenvertrages ab und zu neu verhandeln, aber Verhandlungsergebnisse einfach immer wieder in Frage zu stellen ist schlechter Stil.
Nehmen wir mal an, die Gruppe hat sich darauf geeinigt, "strahlende Helden retten die Welt vor den Bösen" zu spielen. Dann ist es nervig, wenn ein Spieler jedes Mal wieder damit anfängt, Unschuldige zu meucheln, Waisenhäuser abzufackeln und die Tempelkasse zu plündern.
Etwas völlig anderes ist es, wenn der gleiche Spieler nach dem Ende eines Kampagnenabschnittes vorschlägt, doch mal etwas härteres und düsteres zu spielen.
Im ersten Fall ist ein Verweis auf den Gruppenvertrag ("Wir haben das doch schon 20mal diskutiert! Die Mehrheit will "strahlende Helden" spielen!") durchaus angebracht.

Und natürlich benutzt kein Mensch(TM) im wirklichen Leben(TM) die Begriffe "Gruppenvertrag" und "verhandeln", dass ändert aber nichts an der Tatsache, dass in jeder Gruppe ein Gruppenvertrag existiert und auch verhandelt wird, sei es explizit oder implizit.

Zitat
Der Verweis auf den Gruppenvertrag in einer solchen Diskussion behindert also das ausreifen des Gruppenvertrages.

Wie gesagt, im wirklichen Leben, am Spieltisch, ist mir der Begriff "Gruppenvertrag" noch nie untergekommen. Trotzdem scheinen zumindest viele Spieler das Konzept dahinter zu verstehen und auch anzuwenden.

Offline Thalamus Grondak

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Heißt das du definierst hier den Begriff neu oder anders, oder heißt das du hast ihn nicht richtig verstanden?
Von allem etwas. So eindeutig scheint mir der Begriff nicht definiert zu sein. Es gibt also durchaus unterschiedliche Meinungen darüber, ob die Regeln Teil, oder nur Subject des Gruppenvertrages sind.

Der Gruppenvertrag kann also niemals "leer" sein, höchstens implizit, wie du schon selber sagst.
Nehmen wir eine komplett neue Gruppe. Da ist der Gruppenvertrag speziell aufs Rollenspiel bezogen leer. Natürlich gibt es die Grundsätzlichen Sozialen Regeln, die immer gelten, sobald sicheine Gruppe Menschen zusammenfindet, aber wenn man diesen Teil schon als Teil des Rollenspiel-Gruppenvertrages sieht, dann kommt man IMHo viel zu schnell in viel zu komplexe Soziale Theorien, als das man da vernünftig drüber reden könnte. IMHO ist die Abgrenzung eines der wichtigsten Vorbereitungen zum erstelleneiner Theorie.

Klar, das ist nichts besonderes, das dürfte offensichtlich sein, sonst gäbe es wohl keinen Streit.
Es gibt ja zwei Arten von Konflikten.
Entweder haben zwei Personen oder Gruppen verschiedene Ansicht über denselben geregelten Aspekt des Gruppenvertrags, oder sie sind mit einem Teil des Gruppenvertrages an sich nicht einverstanden. Das macht IMHo einen gewaltigen Unterschied.

Wenn der Gruppenvertrag z.B. besagt "Der SL hat das letzte Wort" Dann kann es sein, das sich ein Spieler an der Tatsache stört, das der SL das letzte Wort haben soll (hier ist er mit der Regel nicht einverstanden) ode aber, er ist in einem speziellen Fall nicht mit einer aus dieser Regel entstandenen Situation (z.B. wenn der SL sagt in der Spielwelt gibt es keine Schußwaffen) einverstanden.

In letzterer Situation könnten die anderen Spieler dem Spieler der nicht einverstanden ist, aufgrund des Gruppenvertrags sagen, das die Situation doch geklärt sei, aber das ist ja nicht wirklich der Fall, denn der Spieler ist ja nicht einverstanden.
Das heisst im Endeffekt, das ein Gruppenvertrag immer nur solange gilt, bis irgendjemand nichtmehr damit einverstanden ist, wenn man noch dazu annimmt, das der Gruppenvertrag implizit ist, das handelt es sich dabei doch um ein völlig Substazloses Gebilde, das keien Diskusion weiterbringt.

Oder übersehe ich irgendwo einen Essentiellen Sinn im Gruppenvertrag?

Was aber wohl nicht heißen kann, dass es deswegen keine Art von Vereinbarung gibt, denn auch eine vorhandene Vereinbarung schließt ja Streit darüber nicht aus. Schon gar nicht ausgeschlossen ist der Streit der erst zu Vereinbarungen führt.

Der Verweis auf den Gruppenvertrag als Argument in einer Diskussion über den Gruppenvertrag ist nur insofern hilfreich, als das dadurch alle Anerkennen müssen, dass Einigung auf dieser Ebene nötig ist und das möglicherweise auch Missverständnisse über diese Einigungen auf dieser Ebene bestanden.
Was man natürlich nicht machen kann ist sowas wie: "Das wurde in § X Absatz Y festgelegt, und deswegen musst du das jetzt so machen!"

Der grundsätzliche Komplex auf den das Konzept des Gruppenvertrages aufmerksam macht, ist eigentlich jedem Rollenspieler mit ein wenig Erfahrung bekannt. Es geht nur darum, dass man die Existenz einer solchen Instanz bzw. einer solchen Ebene als Grundlage der Interaktion eben auch beim Rollenspiel anerkennt (wie man das bei jeder anderen sozialen Aktivität nahezu selbstverständlich und unbewusst macht)
Im Rollenspiel neigen viele die wenig Erfahrung damit haben dazu, die Regeln des Spiels oder gar vermeintliche Regeln der Fiktion über alles zu stellen und damit zu verkennen, dass es sich beim Spiel zuerst um eine soziale Interaktion handelt, an die alle mit bestimmten Erwartungen herangehen, und erst das alles weitere  Vorgehen legitimiert.
[/quote]
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Joe Dizzy

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Da ist der Gruppenvertrag speziell aufs Rollenspiel bezogen leer. Natürlich gibt es die Grundsätzlichen Sozialen Regeln, die immer gelten, sobald sicheine Gruppe Menschen zusammenfindet, aber wenn man diesen Teil schon als Teil des Rollenspiel-Gruppenvertrages sieht, dann kommt man IMHo viel zu schnell in viel zu komplexe Soziale Theorien, als das man da vernünftig drüber reden könnte. IMHO ist die Abgrenzung eines der wichtigsten Vorbereitungen zum erstelleneiner Theorie.

Aber dir ist schon klar, dass sobald du eine komplexe Situation derart reduzierst, die Erkenntnisse die du dann noch machen kannst immer weniger Anwendbarkeit haben?

Denn dafür wiegen die ganzen sozialen Aspekte - bei einer Beschäftigung wie dem Rollenspiel, dass ja nun mal auch stark davon lebt - viel zu schwer, um sie einfach mal auszugrenzen, weil man dann besser über die Anwendung von Regeln reden kann. 

Offline Roland

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Von allem etwas. So eindeutig scheint mir der Begriff nicht definiert zu sein.

Er ist:
 
Zitat
All interactions and relationships among the role-playing group, including emotional connections, logistic arrangements, and expectations. All role-playing is a subset of the Social Contract.

Forge - The Provisional Glossary


Ein Gruppenvertrag ist um so weniger hilfreich, je weniger er umfasst und je weniger er explizit ist.


Das heisst im Endeffekt, das ein Gruppenvertrag immer nur solange gilt, bis irgendjemand nichtmehr damit einverstanden ist, wenn man noch dazu annimmt, das der Gruppenvertrag implizit ist, das handelt es sich dabei doch um ein völlig Substazloses Gebilde, das keien Diskusion weiterbringt.

Nein. Ein Gruppenvertrag gilt so lange bis er von den Parteien außer Kraft gesetzt wird. Seine Existenz übt sozialen Druck aus, der es wahrscheinlicher macht, dass sich die Parteien in Einklang mit den vereinbarten Bedingungen verhalten.
Wie Du richtig anmerkst, hat ein völlig implizierter Vetrag den Nachteil, dass sich die Parteien dem Vetrag leichter entziehen können. Dem kann man, z.B. durch eine Diskussion vor Spielbeginn, recht einfach begegnen.
In einigen meiner Runden diskutieren wir etwaige Fragen z.B. vor Beginn des Spiels in einem Forum, nachdem jemand (meist der potentielle SL) eine kurze Zusammenfassung des Konzepts (grober Hintergrund, beispielhaft Tätigkeiten der Charaktere usw.) gepostet hat.
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Offline Thalamus Grondak

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Das "Problem" ist IMHO, das der Bereich denman da ausklammert so riesig ist, und auch so komplex und von Fachwissen abhängig, das es weig Sinn macht diese in die Diskussion mit einzubeziehen.
Es gibt hunderttausend gründe, warum sich ein Mitspieler z.B. assozial(in den Augen der anderen) verhalten kann. Die wenigsten Spieler oder SL sind in der Lage da objektiv drauf zu reagieren, also sollte an, denke ich, sich auf die pragmatischeren Bestandteile des zusammenspielens beschränken.
Denn: Der perfekteste Gruppenvertrag ist nichts wert, wenn sich auch nur einer nicht dran hält. Und bei einer zu groben Umfassung der Vertragsinhalte steigt die Wahrscheinlichkeit.

Wenn ich das auf die meisten meiner Gruppen beziehe, dann folgt da z.B. jeder seinen eigenen Umgangsformen. Das gibt schonmal Konflikte, aber die sind außerhalb des Rollenspiels, und wenn man sich nicht dran festbeist, kann man die, wie bei jedem anderen zusammenkommen verschiedener Menschen relativ schnell umgehen.
Ein ewiger Querulant z.B. wird immer ein ewiger Querulant bleiben, egal was der Gruppenvertrag sagt. Und entweder kann der Rest der Gruppe damit leben, oder sie Werfen ihn raus. dann aber nicht wegen "ncihteinhaltung des Gruppenvertrages" sondern schlicht und einfach weil sie mit ihm nicht spielen können.

Zitat
All interactions and relationships among the role-playing group, including emotional connections, logistic arrangements, and expectations. All role-playing is a subset of the Social Contract.
Das heisst die Regeln sind nicht Teil des Vertrages. Das entspricht meiner Meinung. Aber iwe gesagt, die allgemeinen Sozialregeln darin gefallen mir nicht, da ich sie für zu abgetrennt vom eigentlichen Spiel halte.
« Letzte Änderung: 29.09.2007 | 15:51 von Thalamus Grondak »
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Joe Dizzy

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Das "Problem" ist IMHO, das der Bereich denman da ausklammert so riesig ist, und auch so komplex und von Fachwissen abhängig, das es weig Sinn macht diese in die Diskussion mit einzubeziehen.

Das sehe ich überhaupt nicht so.

Es gab schliesslich schon Gruppenverträge, bevor sich jemand die Mühe gemacht hat, sie so zu nennen. Menschen konnten auch schon auf dieser "sozial-wissenschaftlichen" Ebene handeln und darüber reden, bevor es Leute gab, die dazu Bücher lasen oder sie schrieben.

Man braucht kein Fachwissen um vernünftig oder sinnvoll über Gruppenverträge sprechen zu können, sondern fundierte Sozialkompetenz und die Fähigkeit sie in Worten auszudrücken.

Zitat
Das heisst die Regeln sind nicht Teil des Vertrages.

Doch. "subset" heißt "Teilmenge".

Offline Thalamus Grondak

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Doch. "subset" heißt "Teilmenge".
Aber role-playing heisst doch nicht "Die Regeln" sonder "das Rollenspiel", also die Handlungen.

Man braucht kein Fachwissen um vernünftig oder sinnvoll über Gruppenverträge sprechen zu können, sondern fundierte Sozialkompetenz und die Fähigkeit sie in Worten auszudrücken.
Ja, aber wenn man die allgemeinen Sozialen verhaltensregeln mit einbezieht, dann öffnet man ein Faß ohne Boden. Man ist ruck zuck weg vom eigentlichen Thema, und streitet sich darüber, ob die Kompetenzenverteilugn gerecht ist. Man streitet sich darüber, ob der Meister seine Nerdigkeit im Realen Leben durch sein "Mestergehabe" kompensiert, statt über die eigentlich wichtigen Faktoren zu reden, die bestimmte Regeln zur Grundlage haben.
Bei Jörgs "Auge um Auge" Thread z.B. wurde sofort darauf reagiert, das es eine Art Rache oder Erziehungsversuch ist.
IMHO sind diese querverweise irrelevant, da sie nur vom eigentlichen Thema ablenken. In diesem Fall sollte man eher darüber reden, was für Auswirkungen "Auge um Auge" hat, und welche Spieltechnischen Gründe es dafür geben könnte.
« Letzte Änderung: 29.09.2007 | 16:21 von Thalamus Grondak »
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Bastian-Bux

  • Gast
Nope, genausowenig wie du aus dem "Schauspiel" die Regie und das Script herauslassen kannst. Und selbst die Höhe des Gehaltscheques der Schauspieler (oder besser, das subjektive Empfinden darüber) sind Teil des subsets "Schauspiel".

Natürlich kannst du das alles außen vor lassen, weil es mit dem "Schauspiel" an und für sich nichts zu tun hat. Dann wirst du aber dummerweise auf einige Connections nicht aufmerksam werden.

Sicher ist das "Regelwerk" ein abgrenzbares subset des Gruppenvertrages, mit eigenen Besonderheiten. Aber eben auch das: ein über verschiedene Ebenen integriertes Subset, kein "sozial unbeeinflußtes" Idealding, das man mal eben rauslassen kann.

Pyromancer

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Wenn ich das auf die meisten meiner Gruppen beziehe, dann folgt da z.B. jeder seinen eigenen Umgangsformen. Das gibt schonmal Konflikte, aber die sind außerhalb des Rollenspiels, und wenn man sich nicht dran festbeist, kann man die, wie bei jedem anderen zusammenkommen verschiedener Menschen relativ schnell umgehen.

Ja. Und? Dann ist eine implizite Regel eures Gruppenvertrages eben: Jeder folgt seinen eigenen Umgangsformen, und wenn es Konflikte gibt, dann beißen wir uns nicht daran fest, sondern umgehen sie.

Zitat
Ein ewiger Querulant z.B. wird immer ein ewiger Querulant bleiben, egal was der Gruppenvertrag sagt. Und entweder kann der Rest der Gruppe damit leben, oder sie Werfen ihn raus. dann aber nicht wegen "ncihteinhaltung des Gruppenvertrages" sondern schlicht und einfach weil sie mit ihm nicht spielen können.

Man könnte auch sagen, wenn jemand die Regeln (und damit meine ich auch die sozialen, zwischenmenschlichen) nicht akzeptiert, dann spielt er eben nicht mehr mit. Und die Gesamtheit dieser Regeln, die in einer Gruppe gelten, nennt man eben heutzutage Gruppenvertrag. Früher sagte man gar nichts dazu, und meistens hat es trotzdem funktioniert.

Zitat
Das heisst die Regeln sind nicht Teil des Vertrages. Das entspricht meiner Meinung. Aber iwe gesagt, die allgemeinen Sozialregeln darin gefallen mir nicht, da ich sie für zu abgetrennt vom eigentlichen Spiel halte.

Die Regeln sind natürlich Teil des Vertrages. "All interactions".

Pyromancer

  • Gast
Und wie bei vielen Theorie-Ergüssen ist es auch beim Gruppenvertrag so:
Es hilft schon ungemein, wenn man sich nur einmal bewusstgemacht hat, dass es so etwas überhaupt gibt: Regeln, die in der Gruppe gelten, und auf die man sich explizit oder implizit geeinigt hat.

Offline Thalamus Grondak

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Die Regeln sind natürlich Teil des Vertrages. "All interactions".
Eine Regel ist aber keine interaktion.
Eine Interaktion ist die Anwendung einer Regel.
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Pyromancer

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Eine Regel ist aber keine interaktion.
Eine Interaktion ist die Anwendung einer Regel.

Aber bei der Frage, wie interagiert wird, ob z.B. die Interaktion "Kampf auswürfeln" mit einem Pool von W6 gegen eine Mindestschwierigkeit oder mit einem W20 möglichst niedrig ausgeführt wird, da werden die Regeln auf einmal ziemlich wichtig, oder?

Offline Thalamus Grondak

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Aber bei der Frage, wie interagiert wird, ob z.B. die Interaktion "Kampf auswürfeln" mit einem Pool von W6 gegen eine Mindestschwierigkeit oder mit einem W20 möglichst niedrig ausgeführt wird, da werden die Regeln auf einmal ziemlich wichtig, oder?
Also das lese ich nicht aus der Definition raus.
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anarath

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Dann ist also alle Interaktion Teil des Gruppenvertrages?
Also ist die Mitschrift allen gesagten und das Protokoll sämtlicher Körpersprache etc. Teil des Gruppenvertrages und nicht die Übereinkunft, wie all das von Statten gehen sollte?
das macht doch keinen Sinn..

Offline Roland

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Dann ist also alle Interaktion Teil des Gruppenvertrages?

Nein. Alle Interaktion soll durch den Gruppenvertrag geregelt werden.

Also das lese ich nicht aus der Definition raus.

Dann lass Dir gesagt sein, dass dem so ist. Alles was mit Rollenspiel zu tun hat, fällt unter den Geltungsbereich des Social Contract nach der Definition. Es lassen sich auch bestimmt einige Forenthreads zu dem thema finden, wo Du die Definition und die Diskussion die zu ihr geführt hat, nachlesen kannst.
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