Ich sehe das genau anders herum, wer DEN Film nicht gut findet, kann die alte Serie nie gesehen haben bzw. gut gefunden haben, geschweige denn etwas darüber wissen.
Jain. Die Rückbesinnung auf einige Werte der alten Serie sind da, und das finde ich sehr gut. Zum Beispiel, dass die Charaktere wieder Menschen (bzw. Außerirdische) mit menschlichen (bzw. allzu menschlichen
) Schwächen sind. Dass sie nicht immer moralisch integer sind, aber letztendlich den Willen dazu zeigen, es zu sein. Dass nicht alles politisch korrekt zugehen muss.
Allerdings hatte die alte Serie nie einen Trend zu überflüssigem Fanservice. Keine "chicks in underwear"-Szenen, wobei man das noch dadurch rechtfertigen kann, weil es nebenbei die Charakterisierung Kirks als Weiberheld mitträgt. Störender sind dann schon ganze Passagen, wie zum Beispiel die mit Kirks Aussetzung auf dem Eisplaneten, die nur dazu diente, ein fröhliche Raubtierhatz zu inszenieren und zwei Charaktere einzuführen, von denen einer schon von Anfang an Bord der Enterprise hätte sein sollen und der zweite an so ziemlich jedem anderen Ort (einschließlich des romulanischen Schiffs) besser aufgehoben wäre. Dazu das konzeptlose Fliegen/Beamen von A nach B, zudem ohne für die Zuschauer nachvollziehbare räumliche Bezüge ... Solche stümperhaften Handlungsabfolgen und/oder sinnlosen Szenen werten den Film ab - ganz unabhängig davon, wie er sich ins bisherige Franchise einfügt. Das ist einfach handwerklich Mist.
Um der Sache wieder etwas Schärfe zu nehmen und endlich mal meine Bewertung zum Film an sich abzugeben (Irgendwie bin nicht nur ich über die ganzen Grundsatzdiskussionen davon abgekommen ...):
Gerade einige (aus Sicht der Puristen) womöglich gewagte Neuerungen wie der vulkanische Genozid oder im Kleinen die Romanze von Spock und Uhura halte ich für sehr vernünftig. Das sind Dinge, die den Geist von Star Trek nicht negieren und trotzdem geeignet sind, frischen Wind sowohl in die eingestaubte Chronologie als auch die stellenweise sehr behäbige Erzählweise zu bringen. Nur braucht man dafür weder kindischen Klamauk noch sinnfreie Actionszenen.
In diese Kerbe schlägt auch, dass Starfleet - und das wäre dann ja richtungsweisend für den Reboot des Franchise - zwar als militärische strukturierte Institution, aber als eine mit vergleichsweise flachen Hierarchien gezeigt wird. Was das angeht, rief das bisherige Franchise mal Hüh und mal Hott, was mich persönlich gestört hat. Es wäre schön, wenn das in Zukunft durchgehalten werden würde.
Um der Sache noch ein Sahnehäubchen aufzusetzen, sollte man in dieser Hinsicht sogar übernehmen, was die Serie "Enterprise" vorgemacht hat: Aufhören, aus Brückenoffizieren eierlegende Wollmilchkampfsäue zu machen, die in einer Szene als Frontschweine unterwegs sind, sich danach den Staub abklopfen und eine Raumschlacht führen, um sich anschließend eine Krawatte umbinden und die Friedensverhandlungen führen, während sie gleichzeitig Forschungsaufgaben wahrnehmen und ständig die Enterprise umbauen. Das hat mich wieder massiv gestört, weil es ein alter Schwachpunkt ist und keineswegs zum versprochenen Neuanfang passt. Wann bitte in drei Jahren Akademie lernen Rekruten (neben den eigentlichen Ausbildungsinhalten) die Durchführung eines Fallschirmabsprungs unter Kampfbedingungen mit anschließendem Nahkampf? Und sollte man dafür nicht eigentlich von vornherein ein paar echte Soldaten an Bord haben, und wäre es nur eine Handvoll?
Und was ist das eigentlich für eine Sternenflotte, die alle Kräfte an den Arsch der Galaxis schickt (Was machten die da eigentlich, außer weit weg zu sein?) und keine Reserven für Notfälle zu haben, wie sie auch ohne romulanische Massenmörder aus der Zukunft gelegentlich auftreten sollen? Und es gibt auf der ganzen Erde außer unfertigen Rekruten nicht genug Leute, um sieben Schiffe zu bemannen? Und die fliegen los, ohne die leiseste Ahnung, was überhaupt da passiert, wo sie hinfliegen? Keine Nachfragen zur vermuteten Naturkatastrophe, keine magischen Langstreckenscans, mit denen sie sonst jeden Tribble-Furz über Lichtjahre hinweg orten? Keine Aufklärung und noch nicht einmal standardmäßig aktivierte Schilde bei Ankunft in nicht aufgeklärtem Gebiet? Hilfe!
- Ähem, nun gut, ich denke, solche schwachsinnigen Momente wurden bereits ausreichend diskutiert. ich wollte auch eigentlich darauf hinaus, dass es ein guter Ansatz für den Relaunch Star Trek gewesen wäre, solch offenkundigen Unfug zu vermeiden, statt lediglich ein paar mehr bunte Waffen-Effekte und komische Eisplanetenviecher einzufügen.
Andere Sache: Die Darsteller und ihre Leistungen.
Überzeugt haben mich Zachary Quinto als Spock und Zoe Saldana als Uhura; da stimmten Mimik und Gestik im Allgemeinen und die Verkörperung der Charaktere im Speziellen.
Chris Pine als Kirk war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte, aber sein Overacting doch recht störend - andererseits ist das etwas, was man im Gegensatz zu kompletten Fehlen von Talent allein durch Praxis ablegen kann.
Eric Bana blieb sehr blass, was aber wohl eher an seiner Rolle liegt: Als rächender Bergbau-Kumpel mit einer komplett unrealistischen Attitüde ("Ich will mich rächen! Hm, wo ich schon dabei bin, rotte ich gleich alle anderen Spezies außer meiner eigenen aus ...") ist es quasi unmöglich, Profil zu entwickeln.
Außerordentlich überrascht war ich von Karl Urban als Pille. Ich hatte da erhebliche Bedenken, weil ich wohl fehlerhafter Weise von seinen beisherigen Rollen auf seine Möglichkeiten geschlossen habe. Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil: Passend besetzt.
Simon Pegg als Scotty ist mir noch etwas zu sehr der Bordkasper. Irgendwie verbinde ich mit der Figur eher technische Kompetenz, verbunden mit trockenem Humor.
John Cho als Sulu und Anton Yelchin als Chekov hatten leider nur die undankbare Funktion, die schon immer recht halbherzige Mültikülti-Atmosphäre von Star Trek zu tragen und bleiben ansonsten entweder mangels Gelegenheit blass oder - noch schlimmer- wurden als Haudraufhandlanger bzw. 2. Bordkasper verwurstet. Die liebenswerten Eigenheiten der TOS-Charaktere konnten sie zumindest in diesem Film noch nicht entwickeln.
Fazit:
Bereits der konsequente Schnitt von 75% des Gekaspers, 50% aller Phasertrahlen/Photonetorpedos und 100% aller außerirdischen Raubtiere hätten den Film ins obere Mittelmaß gebracht; dazu ein besser durchdachtes Skript womöglich in die Oberklasse. So bleibt er nur Mittelmaß und als solches immerhin leidlich unterhaltsam. Über die Bedeutung für den Relaunch und/oder das Revival des Franchise kann man an dieser Stelle nur spekulieren, aber das tun wir ja bereits auf über 13 Seiten.