GURPS Martial Arts 3. Edition (GURPS Fourth Edition)
Autoren: Peter Dell’Orto und Sean Punch
Zusätzliches Material: Volker Bach und C.J. Carella
Cover: Bob Stevlic
Illustrationen (innen): Abrar Ajmal und Bob Stevlic
Steve Jackson Games
3. Edition, 1. Druck, August 2007
37,95 $
Die Kampfkünste dieser (und anderer) Welt(en)
Mit GURPS Martial Arts liegt nun ein weiterer vollfarbiger Hardcoverband der 4. Edition von GURPS vor. Peter Dell’Orto und Sean Punch, die Autoren des Werks, liefern ein solides Stück Arbeit ab, das neben GURPS Fans auch andere Rollenspieler für actiongeladene Runden nutzen können. Lag die Seitenzahl der bisherigen Quellenbücher noch bei 240, hat es Martial Arts nun auf satte 256 Seiten gebracht. Der Schwerpunkt liegt ganz klar bei den asiatischen Kampfkünsten, aber auch europäische Traditionen, angefangen vom alten Griechenland über Rom bis hin zu den deutschen „Fechtbüchern“, werden beleuchtet.
Was man bekommt...
...ist sehr viel Hintergrund über die Geschichte der einzelnen Kampfkünste. Das erste Kapitel gibt auf 20 Seiten einen Überblick zu deren Entstehung in Asien, Europa, dem Mittleren Osten und der „Neuen Welt“. Einige der berühmtesten Kämpfer werden kurz und knapp vorgestellt, darunter natürlich (ohne ihn geht es einfach nicht) Bruce Lee, aber auch antike Helden finden Erwähnung.
Das zweite Kapitel steht mit etwas über 30 Seiten ganz im Zeichen der Charaktererschaffung. Hier folgen die Autoren dem für GURPS typischen Muster: Mit dem"„Power Level" werden Vorschläge gemacht, mit welchen Punktzahlen der Charaktere sich welche Art von Abenteuer spielen lassen. Der Punkt "Realism Level" gibt Tipps zu Regelanpassungen für realistische bzw. cinematische Runden. Weiter geht es mit den "Charakter Templates". Die meisten baut man mit 100 Punkten, wobei jedes einen "Aufsatz" zu einem cinematischen Spiel hat (+100 Punkte). Der klassische Monk fehlt hier genauso wenig wie der Ninja. Das alles ist aus Regelsicht nicht wirklich überraschend. Spannend wird es bei den folgenden Advantages. Neben ein paar altbekannten Freunden werden auch Neulinge wie der „Heroic Archer“ vorgestellt. Auf gänzlich neuen Pfaden bewegen sich die "Style Perks". "Perks" sind kleine Vorteile, mit denen man schon im Basic Set seinen Charakter abrunden konnte. "Style Perks" geben nun zu jeder Kampfkunst passende, kleinere Vorteile. Erlernbar sind diese nur, wenn man entsprechend viele Charakterpunkte in einer betreffenden Kampfkunst ausgegeben hat. Sehr cool und, na eben stylisch. Fertigkeiten werden anschließend auf den neuesten Stand der Dinge gebracht, einige neue kommen auch hinzu, wie z.B. "Hypnotic Hands".
Was wäre ein Kampfkunst ohne besondere Techniken? Diese werden im dritten Kapitel wiederum auf 30 Seiten beschrieben. Techniken können von jedem gelernt eingesetzt, der eine bestimmte Kampfkunst beherrscht, normalerweise allerdings mit einem Abzug. Abzüge können „weggekauft“ werden. Zum Beispiel könnte man sich in Tae Kwon Do ganz gezielt auf einen "Elbow Strike" konzentrieren. Unterteilt sind die Techniken wie gehabt in realistische und cinematische. Im Vergleich zum Basic Set kommen hier eine ganze Menge neu dazu, so dass man sich wirklich jeden nur erdenklichen Kampfstil zusammenbasteln kann.
Ohne erweiterte Kampfregeln geht es bei GURPS in Martial Arts natürlich nicht. Kapitel 4 widmet sich diesen auf über 40 Seiten. Abgehandelt werden hier die bekannten Kampfmanöver aus dem Basic Set mit jeweils neuen Möglichen. So kann man beispielsweise zur All-Out Attack die Option "Long" wählen. Ein sehr sinnvoller Neuling ist die "Commited Attack", die zwischen der normalen Attacke und der All-Out Attacke steht. Ein eigenes Unterkapitel bekommen der cinematische Kampf, Tunierkämpfe und Verletzungen.
Das Kernstück von Martial Arts bildet Kapitel 5 mit den verschiedenen Kampfstilen. Auf über 70 Seiten werden Kampfkünste in ihrer Entwicklung und Einsatz beschrieben. Armatura, der Kampfstil römischer Legionäre findet hier Platz, genau wie der Speerkampf der Wikinger, aber natürlich auch asiatische Stile wie das legendäre Shaolin Kung Fu. Der Regelteil beschränkt sich hier nur auf die kurze Erwähnung der passenden Fertigkeiten, Techniken und Perks. Viel spannender ist hier die Beschreibung der einzelnen Hintergründe und Entstehungsmythen der Kampfkünste. Für fast jede Art von Setting, bei dem der Kampf eine zentralere Rolle einnehmen soll, ist hier etwas dabei. Sei es der mittelalterlich-ritterliche Kampf zu Pferde oder die Selbstverteidigungstechniken moderner Spezialeinheiten. Der Fokus liegt eindeutig auf mehr oder weniger real existierenden Formen des Kampfes. Ein paar fiktionale Stile finden sich dennoch wie Smasha (Orks) oder der Lichtschwertkampf.
Waffen, Waffen und noch mal Waffen behandelt das Kapitel 6 auf 20 Seiten. Jede noch so exotische Waffe erhält eine kurze Beschreibung inklusive Werte, viele davon sind im Buch abgebildet. Erwähnt wird auch Trainingsausrüstung, wie Boxhandschuhe, Säcke, Trainingswaffen. Die zweieinhalb Seiten hätte man sich auch schenken können...
Wozu man nun diese Fülle an Informationen nutzen kann, erfährt der Leser im siebten und letzten Kapitel über die verschiedenen Kampagnenarten. Hier wird zuerst grundsätzlich gefragt, welche Art von Kampagne es denn sein soll, ob realistisch oder cinematisch. Danach werden konkrete Beispiele gegeben wie das klassische Rom oder Griechenland, China, Japan, aber auch Fantasy bekommt mit der GURPS Kampagnenwelt Yrth einen Eintrag. Der Leser erfährt, welche Art des Kampfes zu welchem Hintergrund passt. Mit "Campain Themes" werden noch einige Adventure Hooks gegeben, allesamt natürlich viel zu kurz, sollen sie eben nur einen Anstoß für ein Abenteuer sein.
Und nun zur Wertung...
welche in meinem Fall zwiespältig ausfällt. Über die Hälfte des Buches behandelt die Entstehung und Beschreibung der Kampfkünste. Selbst ich, der sich schon ein wenig mit dem Thema beschäftigt hat, fand hier neue und vor allem spannende Anregungen, wie man Kämpfe und die unterschiedlichen Kampfstile der Charaktere besser in den Fokus des Spiels bringen kann. Positiv überrascht hat mich, auch europäische Traditionen zu vorzufinden, denkt man doch bei Kampfkünsten immer sofort an Asien. Für den Hintergrundteil schwärme ich so richtig und blättere immer wieder gerne darin rum und hol mir neue Ideen.
Weniger gut gefallen hat mir der Regelteil. Hier verlieren sich die Autoren zu sehr im Detail und handeln Dinge ab, die wohl nie im Rollenspiel wirklich Anwendung finden werden. Es sind einige gute Tipps dabei, das ja. Auch die regeltechnische Umsetzung der Kampfstile mag noch angehen, bei der sich Spieler ihren ganz eigenen Stil zusammenbasteln können. Aber nutzt man wirklich alle Regeln, wird das Spiel in meinen Augen eindeutig ausgebremst. Ich für meinen Teil werde es so handhaben, dass ich mir einige Dinge rauspicke und viel weglassen. Dies tut dem Regelwerk übrigens keinen Abbruch, GURPS ist gerade darauf ausgelegt.
Positiver fällt da die Wertung des Layouts aus. Das durchgehend vollfarbige Hardcover ist übersichtlich und gut strukturiert. Das Cover weiß zu gefallen, die Innenillustrationen sind passend und zeigen einzelne Kampfszenen und exotische Waffen.
Fazit
Alles in allem kann ich GURPS Martial Arts jedem GURPS Spieler ans Herz legen, der seine Kämpfe ein wenig aufpeppen will. Simulationisten werden ein Eldorado an Regeln finden, um Kämpfe bis ins kleinste Detail auszuspielen. Da der Regelteil dann aber doch nicht überhand nimmt, kann Martial Arts auch schlicht als Nachschlagewerk und Anregung für actionlastige Runden benutzt werden.